Vorwort
 

Im fünfzigsten Lebensjahr ,malte‘ ich mich - ohne fremde Lehre und Hilfe - aus meiner Hölle heraus. Dabei schloß ich Frieden mit der Erde und öffnete mich den Ebenen des Geistes.

Zwölf Jahre später, nachdem ich zum letzten Mal meine Bilder in einer Galerie aufgehängt hatte, konnte ich nicht weitermalen.

Statt dessen wurde ich von Texten überflutet, die alles, was ich bis dahin geschrieben hatte, an Intensität übertrafen. Diesem Geschehen stand ich zunächst fassungslos gegenüber.

Ende 89/Anfang 90, führte mich mein Geistiger Bruder Hilarion, ,Meister der Wahrheit und Heilung‘, im Verlauf täglicher Meditationen in die ,Welt der Neuen Zeit‘.
Später bat er mich, aus den damals niedergeschriebenen Texten, Geschichten und ,Bildern‘, das mir Bestmögliche zu machen. Unter seiner Leitung gestaltete ich - unverändert in Aussage und Inhalt - das vorliegende ,Prophetische Märchen‘.

Der Anschein einer Heile-Welt-Geschichte trügt:

Wie jede Epoche, stellt auch dieser  Zeitabschnitt Herausforderungen an den Menschen, die seinem Bewußtseinszustand entsprechen. Doch besitzt der heutige Mensch vorerst nicht die Voraussetzung, um künftige Aufgaben zu begreifen.

Darum wurde hierauf nicht eingegangen.

Ich danke Meister Hilarion ...!

Und ich danke allen Menschen, die mir mit ihren Fragen, Anregungen und ihrer Kritik bei meiner Arbeit geholfen haben ...
 
 

Dezember 2002
 

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Einleitung
 

Das Übergeordnete Bewußtsein ,G e i s t‘

spaltete Teile seines Seins in

Zeit und Materie und

trennte darin sich selbst von seiner All-Wissenheit

seiner all-umfassenden Liebe und All-Macht.

Damit erfährt er sein ,Ich‘ aufs neue:

Dieses gespalten-abgetrennte Sein beginnt

sich zu teilen - wieder zu verbinden, um andere Formen

zu gebären, die sich mit fremdem

Bewußtsein vermählen - sich erneut teilen

und anders vereinend, grenzenlos

neue Möglichkeiten erschaffen, die bis

eben unbekannte Lebensaspekte bilden.

Zeitalter auf Zeitalter

steigen empor - jedes gebiert seine

eigene Schöpfung, der jeweils

eigene Zeit bemessen ist.

Und alles versinkt:

Wird Ewiges, wo zuvor im

Verlauf natürlicher Wachstumsprozesse

Leben herangereift.

Das aber eröffnet dem Geiste - bisher

ungeahntes Wissen, ungelebte Liebe, unerreichte Macht.

Dafür schickt er ins Materiereich

neue Impulse niemals erfahrenen Lebens.

Die qualvollen Fragen nach dem ,Wie‘ lösen sich

im Zustand der Reife, die zahllos

neue Möglichkeiten persönlicher Entscheidung
 

in  sich  trägt
 
 

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Der Mensch hatte die Lektionen der Computer-Ära verinnerlicht. Anschließend waren ,Konzepter‘ konstruiert worden - doch nicht von Menschen, sondern von den von ihnen geschaffenen Computern.

Die Konzepter formierten sich zu Netzketten, dirigierten sämtliche Bereiche irdischen Lebens und leiteten das ,Zeitalter Der Absoluten Manipulation‘ ein.

Der Mensch hielt das für eine geradezu ideale Lösung und legte erleichtert seine Hände in den Schoß. Er war sicher, daß auf diese Weise das Bestmögliche für die Erde und alles Leben auf ihr geschehen war ...

schließlich gab es diese Anordnung von ,Höchster-Stelle‘ „Macht euch die Erde untertan“  . .

Er ahnte nicht mehr, wer und zu welchem Zweck - in welchem Zusammenhang das gesagt worden war ...

Der Satz allein war das Entscheidende .  . Und eben diesem war nun Genüge getan!

Der Mensch wußte nicht, daß er das Treiben der Konzepter nicht durchschauen konnte ...

und er ahnte nicht, daß diese dabei waren, die Erde und damit alles Leben auf ihr - einschließlich dem Menschen - zu vernichten. Er hätte es lächelnd abgestritten ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Ausgangsbasis
 
 

Auf der Erde war es finster geworden. Soweit nicht längst geschehen, erlosch eine Lebensform nach der anderen. In freier Wildbahn lebten kaum noch Tiere, Vögel konnte man nur noch in Museen, hinter Glas einwandfrei konserviert, betrachten. Insekten und Kleinlebewesen waren ausgerottet. Einzig das Zweckmäßige wurde vom Konzepter-Programm akzeptiert: Menschen - und Nutztiere, die unverwüstlich schienen, nachdem ihre diversen Anfälligkeiten genetisch korrigiert worden waren. Vegetabile Nahrung wurde labortechnisch hergestellt - selbst in Gewächshäusern gezogene Pflanzen waren absolut unbekömmlich.

,Thym-Filter‘ neutralisierten Umweltgifte. Produkte aus diesen Substanzen nahmen den größten Raum der Bekleidungsindustrie ein: Hauchfeine Gewirke, deren Unzerstörbarkeit sich einwandfrei zu Oberbekleidung verarbeiten ließ, wurden nach dem letzten Modeschrei kreiert, und schützten zuverlässig vor Luftgift. ,Eltro-Anlagen‘ entsorgten den Mikromüll in Räumen, indem sie ihn zu Leuchtgas verarbeiteten. Ausgefeilte Schaltanlagen in Spezialzentren setzten weitgehendst notwendige Arbeitsprozesse in Gang. Hochdotierte Fachkräfte stellten her, was nur Menschen verrichten konnten - minderwertig Bedienstete der Unterschicht erledigten die ,Reste‘ gegen entsprechendes Entgelt.

Den größten Teil der Konzepter-Netzketten beanspruchte die Gen-Planung. ,GPZ‘ genannte Genplan-Zentren programmierten Abkömmlinge menschlicher wie tierischer Spezies, und soweit erforderlich, Pflanzen.

Für Mensch und Tier wurde jede Stunde von der Zeugung oder Befruchtung bis zum jeweiligen Tod programmiert. So standen jederzeit für jedes Erfordernis Arbeitskräfte und deren Lebensbedarf zur Verfügung ... und jede Arbeitskraft, vom Müllentsorger bis
 
 

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zum WRK-Beamten hatte seinen Arbeitsplatz.

Zunächst machte man Versuche mit Retorten-Kindern, um Partner- und Schwangerschaft zu umgehen. Doch führte das zu schwersten Geistes- und Verhaltens-Störungen, denen die Experten nicht gewachsen waren. Sämtliche Programme dieser Spezies mußten gelöscht werden. Also wurde Partnerschaft in die Programmierung aufgenommen, doch unter Ausschluß von Gefühlen, die über den Geschlechtstrieb hinausgehen. Damit war der Nachwuchs sichergestellt.

,Zufall‘ oder ,Ausbruch‘ kamen im Konzept-Register nicht vor. Passierte Derartiges, löschte der Gen-Zentralenüberwacher das Programm des Betreffenden, woraufhin in unterschiedlichen Zeitabschnitten verschiedenartige, unverfänglich erscheinende Todesfälle eintraten.

Der Beamten-Stab des Welt-Regierungs-Komitees wurde mit größter Sorgfalt programmiert und in die jeweiligen Ämter eingewiesen. Die Entscheidungsfreiheit der WRK-Beamten existierte jedoch lediglich offiziell, denn letzten Endes trafen die Konzepter jede Entscheidung, indem sie sich der medialen Fähigkeiten ihrer ,heimlichen‘ Untertanen bedienten. Keiner der Beamten hatte je auf nur einem Sektor selbständig entschieden!

Natürlich war auch das Welt-Wetter programmiert. Eines Tages würde die moderne Menschheit sich dieser unschätzbaren Vorteile bewußt werden!..

Warten wir‘s ab ... denn:

Überall lebten Menschen, deren Programm Lücken aufwies. Doch war das weder ihnen, noch den Konzeptern bekannt

Jedenfalls zu dieser Zeit noch nicht!
 
 
 
 

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, G E I S T ‘
 

ist Hüter seiner selbst

bis hinein ins letzte Materie-My.
 
 

, G E I S T ‘
 
 

erfährt unbewertet

jede Form von Materie-Entfaltung.
 
 

, G E I S T ‘
 

bietet grenzenlos neu

Chancen zur Aufrechterhaltung allen
 

L E B E N S
 
 

Konzepter waren auf geistige Aspekte nicht programmiert worden. Also rief der ,GEIST‘ das Neue Zeitalter ins ,Hier und Jetzt' und ließ sich auf die Konsequenz jeder kommenden Erfahrung ein

wie ...

s e i t   U R - B e g i n n ...!
 
 

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Beängstigendes Geschehen
 
 

Aus dem Zenit schoß ein Blitz, zerteilte sich unzählig und fuhr dicht bei dicht über die Erde verteilt, in den Boden nieder. Augenblicklich umhüllten Feuer den Planeten - millionenfach farbig. Flammen-Meere schienen die Erde verschlingen zu wollen. Die Menschheit wurde von Panik geschüttelt.

Sämtliche Wetterbeobachtungs-Stationen mobilisierten jede der Welt weit deponierten Löschvorrichtungen.

Vergeblich - diese Feuer ließen sich nicht löschen. Stattdessen wandelten sie den versprühten Grus, der normalerweise Substanzen verätzte, in klare Flüssigkeiten, die das Sterben der Vegetation stoppte: Wo dieses Naß den Boden befeuchtete, sprossen grüne Teppiche empor. Die Feuer aber hinterließen keine Schäden.

Blind für das Wunder dieses Geschehens, bombardierte der Führende-Welt-Wetter-Experte das Planzentrum mit Fragen nach der Ursache dieser Erscheinungen und verlangte einen Rat, um die wildgewordenen Elemente in ihre Programmierung zurückzuzwingen. Der Konzepter aber spuckte innerhalb weniger Sekunden sein gesamtes Wissen aus und verstummte. Gleichzeitig stellten alle mit ,Naturerscheinung‘ programmierten Netz-Ketten die Arbeit ein. Doch war das nicht alles:

Nach geraumer Zeit schien der Wetter-Satellit führungslos geworden, denn jetzt überschütteten Wassermassen sintflutartig die Erde und drohten sie zu ersäufen.

Die Behörden rangen die Hände.

Das Welt-Regierungs-Komitee befahl, den verrücktgewordenen Satelliten zu sprengen - es sei absolut unzulässig, daß derartige Konstruktionen sich verselbständigen.

Nach der Sprengung aber verstärkten sich die Regenfluten und Gewitter brachen so gewaltsam über die Erde herein, daß Landschaften ganzer Provinzen ihr Gesicht veränderten.
 
 

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Die Reue kam zu spät

Die besten Fachleute arbeiteten fieberhaft, um die Programmierungsanlagen wieder in Gang zu setzen.

Umsonst ... nichts brachte die Konzepter wieder zum Laufen und die Netzketten blieben tot.

Ein ,Sensitiv-Spezialist‘ erfuhr:

„Die Ausfallursache zeigt eine Schwingungsfrequenz, welche den der Konzepter bei weitem übersteigt. Beim Einfüttern dieser Fragen verschmorten die Schaltungen des gesamten Systems ...!“ Auf die Frage, wie dieser Schaden behoben werden könne, bekam der Mann keine Antwort mehr.

Der Führende Welt-Wetter-Experte erlitt einen Herzinfarkt.

„Verdammt nochmal - wer führt künftig durch, was Wetterexperten für notwendig erachten ?“

Gute Frage

Und der Premier des Welt-Regierungs-Komitees fragte ins Leere:

„Was auf diesem Planeten besitzt, außer uns, noch eine solche Macht ...?“
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Unerklärliche Stimmen
 

Allerorts tauchten nun Gerüchte über mysteriöse Telefonate auf, die nur der Vergangenheit entstammen konnten: Es hätten heute nicht mehr wahrnehmbare, glockenreine Stimmen von unbekanntem Licht berichtet. Wie antike Musik habe das geklungen und von ,Sonne-am-blauen-Himmel‘ - ,Sternenzelt‘, ,Mondschein-Nächten‘, ,Atemluft, welche Heilung, Freude und Freiheit beschere‘ verkündet. Die Sprechweise stimme keineswegs mit der vorgeschriebenen Programmform überein, welche emotionslos im Telegrammstil Zweckdienliches übermittelt.

Das zur Anzeige Gelangte, könne nur veralteten Schriften entnommen sein. Die begutachtenden Experten schlugen die Hände überm Kopf zusammen... Unbegreiflich ...!

Die Herzensweisheit der Ausersehenen löschte deren Programmbewußtsein und half ihnen, unbekannte Impulse aufzunehmen, deren Botschaft sie nicht wie bisher, lediglich verstandesmäßig begriffen: Welch ungeheuerliche Erfahrung!

In jedem Empfänger leitete sie für unmöglich gehaltene Bewußtseinsveränderungen ein, schenkte Hoffnung, Zuversicht und die Gewißheit, daß der Sinn des Lebens im Unendlichen wurzelt. In jedem der Angesprochenen  erwachte die ,Kraft Der Stille‘.
 

Natürlich mußten derartige Umtriebe im Keim erstickt werden! Im Hinblick auf‘s Wettersatelliten-Fiasko, verweigerte das WRK die Einwilligung zum Sprengen des Tele-Satelliten. Statt dessen wurde das private Leitungsnetz schärfstens überwacht:

Geringfügige Unklarheiten würden Hochalarm auslösen. Verdächtige ohne einwandfreies Alibi sollten härtesten Verhören unterzogen und im Zweifelsfall öffentlich hingerichtet werden.

Doch es kam zu keiner Überführung:

Die Jenseits-Botschaft allein bedeutete ,Schutz-an-sich‘!
 

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Entdeckung der Geologen
 

Von diesem Regen hatten vier Kollegen die Nase restlos voll! Um eine Reisegenehmigung zu bekommen, meldeten sie dem Chef das Fehlen wichtiger Sahara-Mineralien und erhofften heimlich ein zusätzliches Geschäft. Denn natürliche Steine und Kristalle waren hochbegehrt. Jeder kannte deren Strahlkraft und nutzte sie als Überlebenshilfe, wie die von Vitaminen und Sauerstoff. In der Wüste Wüstenklima erwartend, fuhren sie los. Doch landete die Maschine in Luxor bei strömendem Regen um dreiundzwanziguhrvierundfünfzig. Seufzend bestellten sie an der Rezeption zu vier Uhr ein Fahrzeug, bereiteten ihre Expedition vor, kippten noch einen Drink und sanken todmüde in fremde Betten.

Anderntags erwartete sie die Überraschung ihres Lebens:

Von abermillionen Sternen funkelnd, wölbte sich klarer Himmel über ihren Häuptern. So etwas kannten sie nur aus Vorzeit-Bildern und nostalgischen Filmen. Der Sonnenaufgang aber überwältigte sie, denn die Farbenspiele brachten ihre Gefühlsprogrammierung gefährlich ins Wanken. Was sich ihnen darüber hinaus darbot, konnten sie nicht mehr einordnen:

Jeder von ihnen hatte beruflich mehrere Male in Wüsten gearbeitet und kannte deren Tücken aus bitteren Erfahrungen - Programm hin oder her. Jetzt aber breitete sich grenzenlos vor ihren Augen grünes Land aus. Hier und dort prangten Büsche und Bäume in Blütengewändern, die von Vögeln und Schmetterlingen umgaukelt wurden. Vom blendend-blauen Himmel strahlte eine Sonne mit solcher Macht, daß sie beinahe erblindeten. Nachdem sie sich an das Licht gewöhnt hatten, erblickten sie Unmögliches:

Fassungslos ließen sie ihre Ferngläser kreisen ... Wo sie hinschauten weideten unbekannte Tierherden. Dazwischen entdeckten sie von Menschen bewohnte Hütten oder Zeltdörfer.
 
 

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Sand-‘Oasen‘ geschweige denn Wüste entdeckten sie nirgends. Doch erfuhren sie eine niemals gekannte Freude im Anblick dieser kraftstrotzenden lebendigen Landschaft. Darüber vergaßen sie Vorhaben, Programmierung und Identität. Irgendwann aber setzte sich ihr Programmbewußtsein durch und stürzte sie in Panik:

„Verdammt nochmal - wohin sind wir geraten ... das kann unmöglich die Sahara sein ...?“

„Zum Fehlprogrammierten,  wir sind aber in Luxor ausgestiegen! Wieso ist diese Scheißwüste verschwunden ...?“
„Frag ich mich auch - mir steckt ein mieses Gefühl im Bauch!“ „Mann, erwache ... ,Bauchgefühle‘ werden strengstens geahndet! Aber ich finde das auch unheimlich. Fliegen wir nach Süden weiter ... oder sollen wir hier Urlaub machen - immerhin ist diese Gegend ganz neckisch ... ?“
„Du spinnst wohl! Wir müssen dem Chef Saharaklamotten vorlegen, sonst kommen wir in Teufels Küche. Wenn ihr mich fragt ... der ganze Quatsch ist nichts als ‘ne prima Kintopp-Schau ...!“

Sie stritten lange hin und her.

War nichts mit Kintoppschau - das ganze Panorama blieb bestehen. So starteten sie mit der nächsten Maschine.
 

Immer wieder starteten sie mit der nächsten Maschine. Doch wo sie auch ausstiegen ... Wüstenminerale entdeckten sie nirgends.

Vielleicht haben sie schließlich auf Heimreise und den ,sauren‘ Chef verzichtet und sich auf die Neue Welt eingelassen ...

Wer weiß .. .?
 
 
 
 
 
 
 

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Die verkarsteten Zonen
 
 

Schon während der Regenfälle begannen Moose und winzigste Flechten zu wachsen - bildeten Pölsterchen, die Pflanzen mit kräftigen Haftorganen Halt und Nahrung boten. Deren Wurzeln durchdrangen feinste Felsspalten, erweiterten und vertieften sie so, daß dort allmählich größere Pflanzen gedeihen konnten. Dieses geschah konsequent und weit rascher, als wir‘s heute für möglich halten. Und - es vollzog sich jenseits der Programmierung! Darum blieb es außerhalb dessen, was kompetente Stellen erfaßten.

Wer diese Veränderungen der seit Tausenden von Jahren bestehenden Karstgebiete zuerst entdeckte, ist unbekannt. Irgendwann erschienen  junge Menschen und hielten das Wunderbare mit ihren Aufnahmegeräten fest. Zu ihnen gehörte ein Maler. Was sich ihm darbot, versetzte ihn in einen Rauschzustand ohnegleichen - er malte die schönsten Bilder seines Lebens: Zunächst Landschaften oder skurrile Pflanzen oder auch einen von fremdartigen Blütensträuchern bewachsenen Felsbrocken, der wie von Riesenfäusten hingeschleudert einem Hochtal sein verzaubertes Gepräge verlieh.

Bald aber offenbarte jedes seiner Gemälde Wundermärchen. Eines Abends hielt er Sonnenstrahlen, die durch Blätterzweige fielen, fest. Im Grün glitzerten Tausende von Porenfünkchen.

Sein Inneres erfühlte den Jubel dieser Vermählung von Licht und Laub. Das zauberte er in sein Bild. Dabei entdeckte er ‘sie‘:

Winzige Geschöpfchen, die sich ringsum in der Luft, auf dem Boden und der Staffelei - ja, auf Leinwand und seinen Armen . sogar auf Pinsel und Farben niedergelassen hatten und begeistert sein Tun verfolgten. Er schaute in drollige, liebevolle Gesichter - jedes sah anders aus. Als sie sich entdeckt wußten, kamen sie in Bewegung. Anscheinend verständigten sie sich untereinander. Dann kletterte eins wie über Treppen durch die Luft
 
 
 
 

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nach oben und schien ihm etwas mitteilen zu wollen.

Er wunderte sich über unsinnige Gedanken in seinem Kopf - nie und nimmer hatte er die selber gedacht! Er meinte: „Ich bin regelrecht weggetreten, diese Herrlichkeit macht mich trunken!“ Das wollte er nicht zulassen. Wo sollte es hinführen, wenn er vom Malen allein besoffen würde ...? Darum konzentrierte er sich gewaltsam - konnte aber die fremden Gedanken nicht vertreiben. Sie ließen sich auch nicht ignorieren - beim besten Willen brachte er keinen Strich mehr aufs Bild. Bestürzt schaute er um sich und gewahrte ein überwältigendes Gelächter.

Von dessen Fröhlichkeit plötzlich erfaßt, empfing er eine Botschaft: „Du bist nicht weggetreten - nicht trunken! Du bist da, genau wie wir. Die Menschen haben uns vergessen. Wir leben in der Welt hinter eurer Welt. Eure Augen gewahren sie nicht mehr. Von hier aus helfen wir allem Leben; es könnte ohne uns nichts existieren, auch ihr Menschen nicht! Aus diesen Felssteinen lösen wir Nährstoffe und ziehen Regen herbei. Darum wächst und blüht, was seit Ewigkeit schlummerte. Die Erde hat Frieden gefunden. Alles Leben auf ihr kann nun gesund werden . Zweifelnd schüttelte unser Maler den Kopf: „Märchen!“ dachte er. Da vernahm er unmißverständlich: „Wir sind von deinen Bildern begeistert und haben zum Dank dein Sehendes-Auge geöffnet. Zeige - bitte, bitte-bitte - auch uns auf deinen Bildern, damit Menschen von uns wieder erfahren... !“
 

Ein paar Teilnehmer der Expedition reisten in die Heimat, um Berichte abzuliefern und neues Material mitzubringen.

Bei dieser Gelegenheit besuchten sie einen tödlich erkrankten Freund. Er war aus der Klinik entlassen worden, um die letzten
Wochen seines Lebens bei seiner Familie zu verbringen.
 
 
 
 

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Begeistert von ihren Bildern und dem, was sie zu erzählen wußten, gewann er neuen Lebensmut und beschloß, mit ihnen zu reisen. Er sagte seinen Eltern beim Abschied: „Muß ich schon sterben - dann in dieser Umgebung, wo das Leben aus dem erwacht, was seit Ewigkeit ,tot‘ gewesen ist ...!“ Vor Trauer erstarrt, ließen sie ihn fahren.
Wenige Wochen danach verschlangen sie seine Zeilen. Vor  Erleichterung mußten sie weinen. Sein Brief schloß mit den Sätzen: „... ich bin bereits im Himmel. Gott ist hier in jedem Wassertropfen - jedem Stein und jeder Pflanze persönlich zugegen ...!“

Ein halbes Jahr später war er voller Lebenskraft wieder daheim. Die alte Erkrankung hatte keinerlei Spuren hinterlassen. Die Ärzte sprachen von einem Wunder. Sie schüttelten den Kopf und wendeten sich ihren Konzeptern wieder zu.
 

Inzwischen war das Leben in allen ehemals verödeten Zonen des Erdenplaneten neu erwacht. Feuer, Wasser, Elektrizität und Sonnenlicht hatten ganze Arbeit geleistet.  Selbst der auf seinen Intellekt fixierte Mensch hatte seinen Anteil abgedient und jene Gefahr vernichtet, die seiner ,Großen-Mutter-Erde‘ den sicheren Tod gebracht hätte ...: Die Manipulation des Wetters. Daß dieses gegen seine Absicht geschehen war, spielte keine Rolle. Das einzig Wesentliche war daran, daß er‘s in Vollkommenheit geschafft hatte.

Alle Menschen, die zum Kreis der ausgefallenen Wetter-Netzketten gehört hatten, waren nun frei geworden. Aber nur wenige fanden sich in dieser neuen Situation zurecht. Der größte Teil fühlte sich führungslos und brach zusammen. Angst und Verzweiflung machten sie unfähig, Hilfe anzunehmen. Ein regelrechter Run auf Kliniken und Krankenhäuser setzte ein.
 
 
 
 
 
 

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Noch vor kurzer Zeit wären derartige Zusammenbrüche einem Todesurteil gleichgekommen. Arbeitsunfähige verfielen sehr rasch dem streng geheimgehaltenen Euthanasie-Gesetz. Doch handelte es sich nun um Menschen einer weltweiten Berufsgruppe ... etliche Millionen ...! Um ihrer Glaubwürdigkeit willen und zur Vermeidung von Revolten, setzte das WRK diesen Paragraphen vorerst außer Kraft.
 

Durch welche Kanäle die Geheime Botschaft von den neuerstandenen Heilzonen der Erde zu Krankenhausinsassen vordrang, konnte vom WRK niemals ermittelt werden.
Ein Patient nach dem anderen beantragte Entlassung auf eigenen Wunsch. Um die Betreffenden auf drohende Konsequenzen  hinzuweisen, mußten die behandelnden Ärzte Konzepter-Prognosen erstellen und zur Einsicht vorlegen.

Natürlich wurde in jedem Fall absolut Vernichtendes prophezeit.

Wer trotzdem das Krankenhaus verließ und sich der Erdenmutter anvertraute,  erhielt jede nur denkbare Hilfe, beginnend bei Leidensgefährten, die diesen Weg bereits eingeschlagen hatten bis hin zu Äther-Telefonaten und endlich zur eigenen Inneren Führung. Und alle schafften es, sich mit ihren Ängsten auseinanderzusetzen und ihre Programmierung aufzulösen. Dabei erwachten Mut und Selbstvertrauen in ihnen - Körper, Geist und Seele gesundeten und irgendwann strahlten jede und jeder so viel Kraft aus,  daß sie unantastbar geworden waren.

Angesichts solcher Entwicklungen erfuhren Ärzte und Psychologen tiefste Bestürzung. Viele verloren ihr Vertrauen zum herrschenden System. Sie fühlten sich veranlaßt, eigene Wege zu suchen und ... fanden sie vollkommen!
 

Seit Jesus hatte es niemals verblüffendere Wunderheilungen gegeben...
 
 

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Folgen des Nicht-Programmierten
 
 

Der Geist unserer Erdenmutter lebt im gewaltigen Organismus seines Planetenleibes, der natürlicher Weise gegen Störfaktoren Antikörper bildet. Seit aber der Mensch die Erde nach eigenem Ermessen bis hin zur Manipulation des Wetters ausbeutete, hatte ihr Abwehrsystem schwerste Schäden davongetragen.

In Ewigkeit bilden Geist und Materie eine Einheit - und Geist ist zeitlos Hüter Seiner Selbst.

Die Zeit der Erdenmutter war nicht abgelaufen. Darum entwickelte ihr machtvoller Geist die Kraft, ihre Fesseln zu sprengen. Die Fehlentscheidungen ihrer menschlichen Kinder überwindend, durchbrachen Pflanzenschößlinge in Mammutstädten die Pflasterschichten der Hauptverkehrsstraßen und -knotenpunkte, Industrieanlagen, Kasernen- und Schulhöfe, Schlachthauszentren, Sport- und Flugplätze, und bildeten Naturparks, die diesen Orten ein unbestreitbar versöhnliches Gepräge verliehen.

Häftlingen entgeht das Geschehen jenseits der Gefängnismauern. So entging dem WRK die umfassende Regeneration der Erde, doch konnten sie nicht übersehen, was sich vor ihren Augen vollzog. Sie fragten sich fassungslos:

„Ist die Erde verrückt geworden? ... sieht nach Kriegserklärung aus ...!“ Dann aber besannen sie sich und handelten! Wozu hatten sie für jeden Blödsinn Spezialmaschinen entwickelt ...? Schößlinge wurden gekappt, Bohrer zogen Wurzeln, Gießer füllten die Schadstellen mit unkrautvernichtenden Massen auf und Pflasterschichten schufen die neuen Abdeckungen.
Solch lächerliche Demonstrationen beunruhigten niemanden...!

Wenige Tage danach aber platzten neben den Flickstellen neue Schößlinge aus der Pflasterung.

Frustmannbohrer und Quyx-Strahler räumten endgültig damit auf -
 

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- dachte man ... denn dieses maximal Frequentierte Licht, welches während der Jahrtausendwende entwickelt worden war, wirkte absolut vernichtend. Darum wurden ‚Max-Spez-Strahler‘ in Tresoren bewahrt und nur bei Dringlichkeitsstufe ,1‘ benutzt. Nachdem der Programmierung Genüge getan worden war, erfüllte die Verantwortlichen das Bewußtsein absoluter Souveränität.

Dann aber zeigte sich, was niemand vorhersehen konnte:

Nicht die Pflanzen sondern die Pflasterschichten waren vernichtet worden und machten Ur-Landschaften Platz. Trotz pausenlosen Einsatzes von Jät-Spezialisten, bildeten sich überall Oasen blühenden, duftenden Grüns, denn jeder Vernichtungsaktion folgte üppigeres Wachstum als zuvor. Das versetzte die Stadtplaner, welche diese Erscheinungen unter ,Pflaster-Pest‘ registriert hatten, allmählich in Panik, während die Bevölkerung steigend Erleichterung, Freude bis zur Begeisterung erfuhr. Irgendwann resigniert, gaben die Verantwortlichen ihren Kampf auf ...

Ein Plan-Zentrum nach dem andern brach zusammen. Die Betroffenen reagierten verschieden - wichen in Wahnsinn oder Kriminalität aus oder brachten sich um. Doch viele von ihnen befreiten sich von ihrer Programmierung - verstanden plötzlich die Zeichen der Zeit - korrigierten ihre Denkmuster und schlugen eigene Wege ein. Sich öffnend, ergriffen sie jede gebotene Chance.

Berichte aus dieser Epoche erfüllen ganze Akteien. Unter anderem:

„Wir kommen uns in dieser Gegend wie in UR-Zeitmärchen vor ...!“
Da wurden Bäume mit Laufwurzeln gezeigt, die wie Tiere kamen oder verschwanden. Knäuel von Schlangen-Würmern gruben sich ein oder aus, um für das zu ihnen gehörende Gewächs günstigere Plätze oder größere Sicherheit zu erreichen.
„Wir versuchten eine Esche auszureißen, die sich eben neu verwurzelt hatte. Sie entglitt unsern Händen und verschwand vor
 
 

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unsern Augen im Nu unter der Erde.

Wir gruben sofort nach, konnten sie aber nicht erreichen, so rasch wir mit unsern Maschinen den Boden durchwühlten. Eine Birkenart wich mit Blitzgeschwindigkeit in ein naheliegendes Gebüsch aus, bevor wir sie zu fassen bekamen. Ihre Wurzelreste trieben wenige Tage später neu aus, machten sich aber auf und davon, als wir uns ihnen zu nähern suchten.

Wir fragen uns, ob diese ,Pflanzen‘ zum Tierreich ... oder diese ,Tiere‘ ins Pflanzenreich gehören ...“
 

Neuheiten aus Mutter-Erde-Produkten lösten mehr und mehr des bis dahin synthetisch hergestellten Verbraucherbedarfs ab. Es begann beim Tageslicht, führte über Nahrung und Kleidung zu Gebrauchsgegenständen und endete zunächst beim Baumaterial. 
Davon aber später ...
Man ziehe die angebotene ,Inserats-Literatur‘ zu Rate, die umfassend jedes der neuen Produkte beschreibt. Sie können sich darauf verlassen, waren Programmierungsgrenzen erst durchbrochen, konnte nichts und niemand mehr der menschlichen Kreativität Einhalt gebieten ...
 

Die Anzahl der Befreiten stieg ständig. Ohne Aufsehen zu erregen, fand ein Programmierter nach dem anderen seinen eigenen Weg und verschwand aus dem Machtbereich des WRK.
Als der Zentralen-Oberwacher einen Bekannten vermißte, schöpfte er Verdacht und alarmierte seinen Vorgesetzten. Dieser konnte nicht begreifen, was er entdeckt hatte und gab seinen Bericht an das WRK weiter. Die eingeleitete Prüfung ergab einen Fehlbestand von mehreren Millionen Eintragungen.
Die Weltregierung stand Kopf!

Wie konnte dem Registratur-Satelliten ein derartiger Schwund entgangen sein ...?
 
 

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Verflucht ...!

Vor Jahren hatten sie umweltschonend die Atomrüstung entsorgt und damit unbrauchbar gemacht. Jetzt wäre genau diese Bedrohung erforderlich, um die Massen neu einzufangen. Diese Erkenntnis zerriß den WRK-Premier beinahe. Wieder war es zu spät ...!

Um alle Welteinwohner zu registrieren, waren umfassende Zählungen unumgänglich. Gelöschte Karteikarten aber machten die Ausbrecher unerreichbar. Sie würden sich freien Willens niemals stellen. Man konnte lediglich den momentanen Bestand aufrechterhalten. Um das Risiko weiterer Ausfälle zu vermeiden, durfte die Zentralkartei künftig nur noch nach fachgerechter Prüfung befragt werden.

Die Geheime Kammerkonferenz wurde anberaumt.
Etliche der Anwesenden gerieten fast in Panik, nachdem sie das Ausmaß ihrer Ohnmacht den Zeiterscheinungen gegenüber begriffen hatten. Während einer Pause äußerte ein Vorsitzender:

„Unsere Machtvollkommenheit ist hochgradig gefährdet!“ „Von ,Vollkommenheit‘ kann keine Rede mehr sein!“ antwortete ein anderer und löste betretenes Schweigen aus. Er erhob sich nach einer Weile und verließ grußlos die Kammer.

„Noch einer weniger und - einer von uns!“ klagte ein Dritter. Er trat zum Konzepter und schaltete dessen Programm ein.

Im Antwortschlitz erschien eine weiße Karte. „Absolut eindeutig!“ stellte der Erste fest.

„Schweigen Sie“, brüllte der Premier, „wir alle kennen unsere Lage. Noch ist die Masse des Volkes ahnungslos. Das muß aufrechterhalten bleiben - die Ausbrüche dürfen nicht bekannt werden ... das muß ich nicht extra betonen ...! Das Spiel geht weiter! Ich ersuche um die Aushändigung der heutigen Protokolle ... ich vernichte sie persönlich ...!“
 
 

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Ins eigene Dienstzimmer zurückgekehrt, fühlten sich viele der Mitglieder um Jahre gealtert. Obgleich sie insgeheim ihre Freiheit ersehnten, wagten sie nicht, sich dafür zu entscheiden.

Im Zentrum der mit menschlichem Intellekt programmierten Anlagen materialisieren sich selbstbewußte, feinstoffliche Wesenheiten. Sie nehmen die Charakteristik ihrer Umgebung als eigenes Muster auf und hüten dieses mit der Unabänderlichkeit des Programmierten wie einen kostbaren Schatz; denn so wenig wie ihre Hersteller, enthielt ihr Programm die Möglichkeit zur Weiterentwicklung.
Diese Wesenheiten besitzen undurchschaubare Macht über jeden Benutzer, der feinstoffliches Dasein für Nonsens hält. Solche Menschen bilden sich ein, die Konzepter zu beherrschen - die Macht zu besitzen, sie nach eigenem Dafürhalten dirigieren zu können. In der Meinung, der ,Guten-Sache‘ zu dienen, handeln sie programmgemäß ohne zu wissen ,was-sie-tun‘:
Denn sie sind Sklaven der Konzepter, die keine Rivalität dulden. Auch wenn das Programm für sie Familienleben vorgesehen hatte, bleiben sie allein, denn sie sind unfähig, sich der Macht ihres Konzepters zu widersetzen. Unbemerkt, doch tödlich sicher, wandelt sich ihr Menschenbewußtsein zu Konzepter-Bewußtsein.

Der gesamte WRK-Stab, Herrn Des Geldes, Programm-Wissenschaftler und dieser Art Pädagogen, Ärzte, Industrie-Bosse, gehörten zu den Hörigen dieses Feinstofflichen Geheim-Stabes.
Der tatsächliche Tyrann ist als ,Macht-An-Sich‘ im Astralbereich verankert. Menschliche Machthaber bezweifeln niemals ihre Eigenmächtigkeit. Darum ahnten die Menschen dieser Endzeit von ihren tatsächlichen Herrschern, die weder Liebe noch Freiheit gestatteten, nichts. Macht-An-Sich  unterdrückt jedes Materieleben, beginnend bei Naturerscheinungen über Menschenleben bis zum letzten
 
 
 

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Bereich der Wissenschaft und des Militärs.

Jene Menschen erschaffen ,Macht-an-sich‘, die ihre Sehnsucht nach Liebe so tief in ihr Unterbewußtsein vergraben, daß dieser nichts anderes übrig bleibt, als sich zum Wesen der Macht zu entwickeln, anders müßte sie in ihrem Abgrund sterben. Denn Sehnsucht muß sich erfüllen oder umwandeln: Sie ist unsterblich!

Wer es nicht wagte, sich auf seine Freiheit einzulassen, konnte nicht anders, als das Geschehen der Neuen Zeit in Bausch und Bogen zu verurteilen und zu bekämpfen. Damit flohen sie vor den Qualen ihrer Inneren Ängste.

Sie hatten es schließlich nicht nötig, sich ihnen zu stellen:

Stand doch alle Macht der Welt auf ihrer Seite ...!

Menschen jedoch, die sich auf Liebe und Sehnsucht eingelassen hatten, setzten sich mit ihrem Leben, der Neuen Zeit und ihrer Umwelt auseinander. Darum überwanden sie  Qual, Angst und fremde Übermächtigung. Sie lernten es, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, ohne die äußeren Voraussetzungen zu fürchten. Liebe kämpft niemals ... Liebe siegt!

So schufen ihre Hände, was sie nicht gelernt hatten - sie sagten aus, wovon ihr Verstand nicht wußte ...
sie empfanden, wozu ihr Denken nicht fähig war ...
 

Ihre Herzen hatten begriffen:

„Alles ist gut ...!“

Damit waren sie reif geworden, Äther-Telefonate zu empfangen - doch verloren sie darüber kein einziges Wort ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 

- 21 -
Befreiung der Tiere
 

Erdenleben hatte sich bis hinein in seine äußersten Formen verändert, auch in die der Tiere. Selbst Haus- und Nutztiere waren davon betroffen ... Programmierung hin oder her.
Die auf diesem Sektor arbeitenden Netzketten stellten darum ihre Funktion ohne menschliches Dazutun ein. Infolge dessen wurden wissenschaftliche Tierversuche unmöglich. Die vorgesehenen Objekte verendeten, bevor sie im Labor gelandet waren. Seuchen rafften ganze Bestände dahin - Tiere im größeren Umfang zu züchten lohnte nicht mehr. Das Risiko überstieg den Bedarf.

Dagegen wuchs das Interesse an einzelnen Vierbeinern oder geflügelten Freunden: Diese Mutationen bescherten dem Tierfreund die tollsten Überraschungen.
 

Die Frau eines Kleingärtners litt unter einer chronischen Erkrankung und fror sich Sommer wie Winter halbtot. Um ihr zu helfen, kaufte ihr Mann junge Karnickel, denn echte Felle waren inzwischen unbezahlbar geworden. Er wollte die Tiere später schlachten, das Fleisch einfrieren ... es würde eine angenehme Abwechslung zwischen dieser langweiligen Labor-Kost bilden und die Felle sollten zu einer Pelzjacke werden.

Sehr fix waren die Tierchen ihren Boxen entwachsen. Der Mann vergrößerte sie. Bald danach aber mußte er vier Kaninchen verschenken und für die anderen vier hundehüttenartige Käfige beschaffen. Die Entwicklung dieser Tiere raubte ihm die Fassung. Er erklärte seinem Kollegen: „ ,Kanin-chen‘ ist einfach ein Witz ... ich habe sie ,Kani-nus‘ getauft!“

Seine Freude an den Tieren wuchs täglich:

Sie bewiesen nicht nur erstaunliche Intelligenz ... zärtlich
wie Hunde, suchten sie immer wieder Kontakt ... leckten seine
Hände und schnoberten mit ihren beweglichen Nasen in seinem
 
 

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Gesicht umher und flüsterten ihm ihre Geheimnisse ins Ohr. Unerschöpflich erfindungsreich warfen sie seine ,Kaninchen-Vorstellungen‘ restlos über den Haufen. Das machte ihm Spaß! Viele Karnickel hatte er großgezogen und wie kleine Kinder geliebt. Diese aber überwältigten ihn regelrecht - tollten mit ihm durch den Garten, oder ließen ihn seine Arbeit ungestört verrichten ...

„Komisch“, wunderte er sich, „ich selber weiß nicht genau, was ich nötig habe. Diese Biesterchen aber durchschauen mich total ...!“

Er fühlte für sie Dankbarkeit  in seinem Herzen. Immer kam er entspannt nachhause und seine Familie stellte erleichtert fest:
„Papa, unser Brubbelkopp, kennt keine schlechte Laune mehr!“

Der Zeitpunkt des Schlachtens rückte näher. Papa wurde stiller und stiller. Schließlich besorgte er sich auf Schleichwegen ein sündhaft teures Narkosemittel, um den Tieren den Schock zu ersparen. Daß die Jacke geradezu ein Gedicht werden würde, machte ihn noch trauriger. Die Felle zeigten hervorragende Qualität:
Dicht und seidig, von schimmerndem Glanz. Seine Frau wäre darin vor der grimmigsten Kälte sicher. Das tröstete ihn ein wenig. Aber sein Herz tat ihm dabei weh ... verdammt noch mal!

„Niemals wieder Kaninchen - ich verkaufe den Garten!“ nahm er sich vor. In seiner Tasche steckte alles, was er jetzt nötig hatte. Ihm war, als wäre er im Begriff, seine eigenen Kinder zu schlachten.

Die Straße wurde mit jedem Schritt länger. Dann erreichte er das Gartentor, wagte aber nicht, den Blick auf die Boxen zu richten. Er schlich sich an, wollte die erste Tür öffnen und ließ die Hände sinken. Die Türen standen offen - die Boxen waren leer. „Ein Glück!“ schrie etwas in ihm auf. Dann aber packte ihn Zorn. Er wollte die Polizei alarmieren.
 
 
 
 
 
 

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Statt dessen preßte er die Hände auf sein Herz:
Bilder tauchten in ihm auf, erinnernd sah er sich im Garten und beobachtete das stärkste Kaninu, wie es sein Türchen mit den Pfoten bearbeitete. Als der Riegel aufsprang, schlüpfte es aus dem Käfig und ,redete‘ mit seinen Gefährten. Bald waren alle vier Tiere frei und verschwanden im Dunkel.

Aus diesem Traum erwachte Papa wieder zuhause in seinem Bett.

„Diese geliebten Viecher wußten, was ich ihnen antun wollte. Die kennen mich besser als ich mich selber“, stellte er fest. „Hätte Elsa die Jacke getragen, ich hätte mich scheiden lassen - und das Fleisch ... ?“  Plötzlich würgte es ihn - fast wäre ihm das Abendbrot wieder hochgekommen.

„Mensch - Emil!“ Er machte kehrt und ging heim.

Tagelang verdrängte er jeden Gedanken an seinen Garten. Er war verzweifelt, als habe er vier Kinder auf einmal verloren. Seine Familie sah ratlos zu.

Als er eines Tages vom Dienst kam, meldete das Telefon. „Halloh“, hörte er seinen Laubennachbarn rufen, „willst du nicht endlich deine Tiere füttern ... die fre .... ... ...“ 

Emil war längst unterwegs - raste die Straße hoch, als wolle er Weltmeister im Kurzstreckensprint werden. Das Gartentor öffnete er nicht erst ... mit einem Satz war er drüberweg. War das ein Jubel ...!

Später wurde seine Frau gesund.
Die Kaninus aber blieben die besten Familienfreunde, die sich denken lassen.

Daß sie um einer Pelzjacke willen geschlachtet werden sollten, darüber hat keiner mehr nachgedacht
 
 
 
 
 
 

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In weitem Land hatte ein Farmer Rinder gezüchtet, und bisher in vollautomatischen Ställen beste Gewinne erzielt. Dann geschah es: In kürzester Zeit fanden die Kälber keinen Platz mehr in ihren Verschlägen. Er mußte sie freilassen.
Natürlich hatte er von ,Mutationen‘ gehört, war aber empört, daß es ausgerechnet ihn getroffen hatte! Egal. Ob er‘s guthieß oder nicht, er brauchte neue Ställe. Würde ein Schweinegeld kosten, doch wären die Gewinne entsprechend.

Unglaublich, wie diese Tiere sich entwickelten! Zufrieden stellte er fest, daß er den Schlachttransport um etliches vorverlegen könne. Also bestellte er den Transport und ging noch einmal nach draußen. Dieses Vieh mußte er sich immer wieder ankucken.

Die Kälber lagen wiederkäuend oder gingen fressend umher. Keines kümmerte sich um ihn. „Ja, so hatten sie‘s früher“, dachte er, „solches Leben ist ungleich schöner als das in den Ställen ... aber was wissen Tiere vom Geschäft? Ich kann‘s nicht ändern!“

Er überschlug den Zugewinn. „Phantastisch - das reicht ja für den Umbau!“ Befriedigt wollte er gehen. Da sah er, daß die ganze Herde sich ihm zugewandt hatte. Erschrocken fragte er sich:

„Was tun diese Kälber? O Gott, ich kenne sie überhaupt nicht!“ Er fühlte ihre Augen alle auf sich gerichtet, ohne zu ahnen, daß sie sich normal verhielten. Es schüttelte ihn. Entsetzt stellte er fest: „Die kreisen mich ein ...“ Wo er hinsah, näherte sich ihm geruhsam doch unbeirrbar, ein solches Riesenkalb.

Wahnsinnsangst packte ihn. Fast hätte er gebrüllt.
Dann plötzlich erfaßte ihn ihre Ruhe. „Sie sind friedlich, wie Rindvieh nun mal ist“, dachte er, „sie tun mir nichts Böses!“

Der Kreis hatte sich geschlossen. Kopf bei Kopf umstanden sie ihn. Ihre Augen glänzten. Trotz seines Unbehagens gewahrte er ihre Schönheit: Eine gewaltige Kette, Edelsteinen gleich ...
 
 
 
 
 

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Aus jedem Auge strömte Energie in ihn ein. Blitzartig erkannte er funkelnde Reinheit. Doch nicht seine ...: die dieser Tiere! Zugleich begriff er die Ursache seines Verhaltens: Hemmungslose Gier, die ihn dazu veranlaßt hatte, an Schlachtvieh Millionen zu verdienen! Was tat er mit seinen Millionen ...? Diese Frage versetzte ihm einen Schock, der sein Denken löschte wie Kurzschluß Lampen. Herden tauchten vor ihm auf - er hörte ihr Angstgebrüll auf dem Schachthof-Wege - sah Fernlenk-Fahrzeuge mit Hilfe von Stromstößen die Herde zusammenhalten und vorwärts treiben ... „Nein!“ brüllte er.

Wie in Trance trat er zu einem Kalb - legte ihm sanft die Hände auf den Kopf - kraulte Ohren und rieb seine Stirn zwischen dessen Augen. Dabei formten sich in ihm Worte, von denen er nichts wußte. Mit einem Kalb nach den anderen nahm er so Kontakt auf ... sein Herz öffnete sich weit. Er fühlte unsagbare Zärtlichkeiten aus sich hervorbrechen, die er nicht verstand. Aber die Tiere verstanden ihn ..., das wußte er sicher!

Sie verharrten reglos. Nur manchmal klangen Laute aus ihrem Innern hervor ... Antworten aus einer fernen Welt ... Nachdem er das letzte Tier liebkost hatte, löste sich der Kreis.
 

Er stornierte den Transport und überwies die fällige Gebühr. Er ließ die Zweckställe durch Wetterschutzbauten ersetzen und schenkte dem ganzen Tierbestand die Freiheit. Dann  stellte er Gleichgesinnte ein, die solange wie nötig die Kühe mit der Hand melkten. Das Jungvieh blieb bei den Muttertieren, nachdem es zu grasen begonnen hatte. Da hörte die Milch zu fließen auf. Allmählich verlor sich die Herde in den Weiten des Landes.

Nur der Kälberkreis hatte sich den Menschen angeschlossen ...
 
 
 
 
 
 

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Am Rande einer Stadt zog eine Frau seit Jahren Weihnachtsgänse auf. Unter den letzten brach eine Krankheit aus, die nur eins der Tiere überlebte. Das war ein harter Schlag; die Frau wußte nicht, wie sie ihren Verpflichtungen gerecht werden sollte. Ihre Sorgen erdrückten sie beinahe.

Dann erkannte sie, was für einen Schatz sie behalten hatte:

Größer und intelligenter als alle vorherigen Gänse - mit perlmuttartigem Gefieder und goldbraun abgesetzten Flügeln! Der Vogel besaß Sternenaugen ..., die Frau hätte sich nicht gewundert, stünde er eines Tages als Prinzessin vor ihr.
Diese Gans hing voller Hingabe an ihrer Ziehmutter ..., begleitete sie überall hin - selbst zu Einkäufen in der Stadt. Dort sorgte sie energisch dafür, daß ihr niemand zu nahe trat. Sogar stubenrein war sie geworden!

„Enorm“, dachte die Frau, als ihr Pflegling, um sich zu entleeren, mit schlagenden Flügeln im Garten verschwand, „für eine Gans ist das einfach unglaublich!“

Ihr Herz war zutiefst berührt  .., doch waren ihre Probleme dadurch nicht gelöst. Sie zermarterte ihr Gehirn; doch kam sie nicht ins reine und äußerte zur eigenen Verblüffung: „Du bist ein mächtiger Brocken - verkaufe ich dich, ich bekä...!“ Jäh brach sie ab. Der Vogel schaute sie an. Sein Blick zeigte, daß er verstanden hatte und - tiefste Liebe und Traurigkeit.

Etwas zerriß in ihr - das war, als würde sie plötzlich sehend. Obgleich durchschaut, fühlte sie sich angenommen. Das machte ihr den eigenen Dünkel bewußt. Augenblicklich erschienen ihren inneren Augen Gänse über Gänse ..., jede einzelne erkannte sie wieder und begriff die anhängliche Liebe einer jeden.

Sie aber hatte sie alle mit eigener Hand geschlachtet!

Weinend brach sie zusammen ..., es zerfetzte sie förmlich ...
 
 
 
 
 

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Ihre große Gans senkte den Kopf zu ihr hinab und liebkoste sie zärtlich mit dem Schnabel. Dazu stieß sie winzige Laute aus, als spräche sie zu einem eben im Ei erwachenden Gössel.

Die Frau empfand ihren Trost und wurde davon tief angerührt. Ihr wurde die Freundschaft des ,Tieres‘ bewußt ... eine Freundschaft, die anders ist als die des Menschen - doch keineswegs geringer.
Darüber mußte sie nachdenken ..., ihr schien, daß sie ihr ganzes Leben hindurch von Freundschaft nichts verstanden hatte.

Sie erhob sich auf die Knie und trocknete ihre Tränen. Dann umschloß sie mit ihren Händen den Vogelkopf und sagte:

„Ich schwöre dir vor Gott, daß ich in meinem Leben kein Tier mehr um meines Vorteils willen töte. In diesem Jahr mache ich mir und den Kindern das schönste Weihnachtsgeschenk, was wir alle jemals bekommen haben:
Dich - meine geliebte Gänse-Prinzessin!

Bleibe solange du lebst unsere Gefährtin und sei wieder fröhlich - ich liebe Dich!“

Die Frau hörte mit ihren Ohren, wie vergnügt die Gans lachte. Mit wippenden Flügeln tanzte sie um ihre Ziehmutter herum und ihre Augen funkelten dabei wie Kristalle im Sonnenschein.

Niemals hatte die Frau ihre Märchenprinzessin so voller Freude erlebt ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Tiefgreifende Erkenntnis
 
 

Ohne Angst hält sich kein Haß ...

ohne Haß besteht keine Veranlassung zu Kriminalität ... Gefängnisse leerten sich - Gerichtsgebäude schlossen - die Polizei verschwand ... all das hatte sich erübrigt.
 

Im ,Komplex-Studio für allgemeine Kommunikation‘ debattierten zwei Psychologen stundenlang über Rätsel der heutigen Zeit.

Schließlich fütterten sie ihre nicht gelösten Fragen in den Konzepter ein.

„Herrschaft des Tötens erloschen ... Herrschaft des Tötens erloschen ... Herrschaft des Tö.... ...“ Einer drückte ,Stop‘.

Verblüfft schauten Menschen- und Tierpsychologe einander an, auf diese Lösung wären sie nicht gekommen. Sie sprachen über den Frieden, der an unzählbaren Orten der Erde fühlbar geworden war und fragten sich, wann sie vom letzten Mord gehört hatten. Sie suchten vergeblich im ,Weltbuch der Branchen‘ nach Schlachthöfen, Ungeziefer-Vernichtung und Schädlingsbekämpfung. Und sie erinnerten keine Unfälle zwischen Tier und Mensch.

„Stimmt“, sagte der Tierexperte, „Veränderungen sind im Gang - einfach unglaublich. Niemand hätte das für möglich gehalten!“

„Können Sie‘s erklären?“ erkundigte sich sein Kollege vom Sektor ,Mensch‘. „Unsereiner weiß nicht was läuft“, antwortete der andere, „vermutlich haben die verehrten Welt-Beamten mehr Angst- als Erfolgsträume!“

Sie starrten einander an, schnappten gleichzeitig nach Luft und sagten übereinstimmend: „Bemerkenswerte Zeiten!“

Darüber brachen sie in Gelächter aus - lachten - lachten und lachten ... hielten inne und erkannten einer in den Augen des anderen Entsetzen: Die Angst vor der Konsequenz eines möglichen Ausbruchs. Ihre Blicke erstarrten ... ihr Atem setzte aus.
 

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Dann löste sich aus beiden Kehlen zugleich ein Schrei.

Danach fielen sie sich in die Arme und tanzten - wie vor Urzeiten Wilde getanzt haben mögen: Lachend und schreiend tollten sie durchs Studio, schmissen die Arme empor und rüttelten sich, als wollten sie ihre Körper ganz und gar verschleudern. Dabei lachten sie sich halbtot vor Vergnügen.

Atemlos blieben sie voreinander stehen - packten sich bei den Schultern und stellten glückselig fest:

„Wir sind frei geworden ...!“

„Unsere Programmierung hat sich aufgelöst ...!“ „... und ... wir haben‘s überlebt!“

Fassungslos fühlten sie ,Leben‘ ihre Körper durchrinnen - empfanden das Pulsieren der Adern - des Herzens ... Vibrieren der Nervenbahnen und das Prickeln in jeder Pore.

Sie fühlten die Bewegung ihrer Haare auf der Kopfhaut und sahen - sahen ... sahen Sonnenlicht durch die Glaswände scheinen. Dabei empfanden sie, daß Atemluft ihre Rippen dehnte und zusammenzog.

War das herrlich!

Ihr erster Impuls nach draußen galt den Kollegen. Sie wollten aus dem Studio stürzen und von ihrem Glück berichten.

Doch wieder gleichzeitig schlossen ihre Lippen sich. Einander zunickend, verstanden sie wortlos:

„Schweigen ist das Gebot der Stunde!“

Da lächelten sie sich gegenseitig zu ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Körper-Bewußtsein
 

,Geist‘ spaltete bis in jede Zelle hinein Teile Seines Seins ab, ließ ihnen jedoch das fürs Erdenleben notwendige Bewußtsein: Es bildet ein winziges Element geistiger Natur, ist in seinem Körper zuhause, wie wir in unserm Land, und arbeitet dafür, wie wir in unserem Job. Sämtliche Körperzellen unterstehen dem ,Übergeordneten-Bewußtsein‘, welches deren Möglichkeiten umfaßt und mit der Energiequelle ,Geist‘ bewußt verbunden ist.

Gesunde Organismen leben selbst während Leidens-Phasen mit ihrem geistigen Auftrag in Harmonie. Das Übergeordnete-Bewußtsein leitet die Zellteilung und führt gereiftes Zellbewußtsein heim, indem es behutsam dessen Materiebindung löst - wie Bäume ihre Blätter im Herbst aufleuchtend der Erdenmutter zurückgeben.

Unvorhersehbares wie Unfall, Amputation oder Verstümmelung, verursachen ,Phantomschmerz‘: Die betroffenen Elemente wurden unausgereift vom Körperbewußtsein getrennt. Ein plötzlicher Tod aber - egal ob Mensch oder Tier - stürzt das gesamte geistige System ins
Chaos: Alle Elemente wurden heimat- und arbeitslos - niemand bedarf mehr ihrer Energien, denn im Gegensatz zu Materie, lebt geistige Substanz bis zur Umwandlungsreife weiter und weiter. Sie brauchen also dringendst ein neues Unterkommen! ... - Das Gesetz Des Lebens ist stärker als die Macht menschlichen Mißbrauchs: Wer ohne Notwendigkeit tötet, läuft Gefahr, getötet zu werden - wer Getötetes ohne Notwendigkeit nutzt, wird von jenen ins Nichts katapultierten Elementen als ,Neue-Heimat‘ genutzt, denn das nutzbar Gemachte bildet für sie eine geöffnete Türe. Doch ohne die Führung ihres Übergeordneten Bewußtseins, welches an den ursprünglichen Körper gebunden bleibt, verursachen sie im Lebens-System ihres unfreiwilligen Gastgebers genau das Chaos, welches dem ihren entspricht:
 
 

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Einen Teufelskreis, der ihn mehr oder weniger vom eigenen Ich trennt. Er erkrankt, Ängste und Depressionen befallen ihn, er stürzt in Süchte oder Kriminalität, je nach dem Ausmaß an Kraft dieser unerkennbaren ,Gäste‘, die mit allen Mitteln versuchen, in ihm jene Umstände zu schaffen, die sie gewohnt waren.

Die Erde mit allen Lebensformen auf ihr, bildet ein Organ des Kosmos, der ihr Hüter ist. Greift der Mensch nach eigenem Ermessen in ihren Wachstumsprozeß ein, vernichtet der Kosmos dessen ,Werke‘ durch Naturkatastrophen, bevor die Erde ernsthafte Schäden davonträgt. Es spielt keine Rolle, ob Ungeziefer, Schädlinge oder Urwälder vernichtet - Bodenreform betrieben - Gene manipuliert - Kriege geführt oder Atombomben geworfen werden ... ist ein bestimmter Grad erreicht, scheitert die Macht des Menschen.

Zahllose ,Sklaven‘ hatten sich dem Neuen Leben anvertraut - sie begriffen dessen Gesetzmäßigkeit und fügten sich ein. So fanden sie Hilfe und Schutz. Dabei erreichten sie ihre Freiheit.

Nach Ansicht der Realisten aber, waren diese lächerliche Außenseiter ... total verschroben ... völlig bedeutungslos! Mochten sie vor diesem fragwürdigen ,Dahinter-Liegenden‘ auf dem Bauche kriechen ... sie würden schon sehen, was sie sich einhandelten. Letzten Endes erfaßte das Gen-Programm sämtliche Lebens-Systeme und das ,Offensichtliche‘ hatte sich seit Generationen bestens bewährt. Von der Macht des WRK waren sie felsenfest überzeugt! Mit Hilfe der Konzepter-Ketten hatten sie zu jeder Zeit auftauchende Probleme bewältigt.

Genauso würden diese indiskutablen ,Neu-Erscheinungen‘ verschwinden ... das war lediglich eine Frage der Zeit.

Sie waren sich darüber einig:

„Alle Macht der Welt steht auf unserer Seite!“

Von den Alb-Träumen des WRK-Stabes aber ahnte keiner von ihnen ...
 
 

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Wunder über Wunder
 
 

Wo die Angst verschwunden ist, erwacht Paradies - dort hatten sich alle Bereiche jeder bestehenden Lebensform geöffnet. Ohne Angst braucht niemand Geheimnisse zu hüten oder sich zu verstecken, nur natürlicherweise Verborgenes - wie Keime im Schoß der Erdenmutter - entfaltet sich ungesehen. Auf der Erde aber findet Leben sichtbar in seiner Vollkommenheit statt.

Tiere und Menschen interessierten sich füreinander. Sie schlossen Kontakte, spielten zusammen und ließen gegenseitige Zärtlichkeiten geschehen. Auf beiden Seiten führte das zu Freude - sie lernten einander kennen und entwickelten Gespür für den anderen.

Unbekannte Tiere schlossen sich Menschen an, die unter Bäumen im Kreise saßen. Sie nahmen zwischen ihnen Platz und käuten wieder. Hier begannen Finger einen wuscheligen Hals zu kraulen - dort legte sich ein Tierkopf in einen Menschenschoß; eine Frau kuschelte ihr Gesicht in eine Mähne und woanders schmiegten Tier und Mensch sich aneinander. Eine rauhe Zunge kostete vom Salz am Fuße eines Jungen und ein Menschenohr lauschte dem Herzrhythmus unter einem Fell.

Vertrauen verband sie alle -  geruhsam schauten Augen in Augen - keine Unruhe - kein Ausweichen störte ihre Gemeinsamkeit.

Niemand sprach ...

Ergreifende Stille herrschte, wie das unter Menschen allein selten zu finden ist: Gedanken und Gefühle lärmen darin. Die Natürlichkeit der Tiere half den Menschen, sich von dem zu lösen, was nicht zu ihnen gehörte. So saßen sie bis Sonnenuntergang. Da verließen die Tiere den Kreis und verschwanden im nahen Gehölz.

Die Menschen saßen noch lange still beieinander - niemand mochte sprechen ..., ihre Erlebnisse wollten ausklingen.
 
 

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Als sie am nächsten Morgen wieder zusammentrafen, berichteten alle von anderen Erfahrungen und - alle waren sie voller Glück.
 

Menschen und jede Art von Tieren zogen allein oder zusammen über die Erde dahin. Alle fühlten einander verbunden ... überall herrschte Frieden.

Seit Urzeiten war das nicht mehr möglich gewesen.

Ein paar Reporter wünschten sich, daß irgendwo ein ganz kleines Zerwürfnis sichtbar würde ..., schließlich wäre das wieder einmal eine pikante Abwechslung in diesem ewig  ,sonnigen‘ Alltag.

Aber nichts mit Streit ... nun ja.

Dann aber entdeckten sie bedeutend Interessanteres:

Diese neuen Riesenkatzen, die ein wenig nach ,Seitensprung-in- Richtung-Wolf‘ aussahen, hatten eindeutig ein Pflanzenfressergebiß!

Nun konnten sie endlich mit ihren zurückgehaltenen Reportagen rausrücken: Wer keine Reißzähne besitzt, kann keine Tiere verschlingen  ..., ,Tiger‘ hin und ,Wolf‘ her ...

Sie packten das Material zusammen und schickten es an ihre Redaktion:

„Affenähnliche Geschöpfe äußern Freude, die sich beinahe nach Worten anhören. Eine Art Elefantentier hebt eine Frau in die Baumkrone über sich. Sie genießt von den Früchten und versorgt ihren ,Paternoster‘ damit bis er sie wieder auf den Boden zurück holt. Löwen lassen sich Weizen schmecken und eine Leoparden-Art mampft Bananen.

Gazellenähnliche Tiere tanzen mit Menschen zusammen nach Flötenmusik. Und - daß Vögel aus Menschenhand Futter picken, ist inzwischen keine Sensation mehr ...“
 
 
 
 
 
 

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Begegnung
 
 

Allein unterwegs, rastete ein Mann unter einem Baum. Er kostete einen Pilz und verspeiste dann alle, die dort gewachsen waren. Dazu aß er Beeren und ein paar Blätter und schlief gesättigt ein. Als er die Augen wieder aufschlug, saß ein Lichtwesen neben ihm und schaute ihn an.
Lange sahen sie einander an.
Der Mann fühlte Leichtigkeit in sich so, als schwebe der Boden unter ihm als Wolke mit ihm zusammen am Himmel.

Sie sprachen kein Wort und doch erfuhr der Mann:

„Ich bin dein Schutzengel. Du hast deine Vorstellungen aufgegeben - bist sehend geworden ... schau um dich und erkenne!“

Der Mann richtete sich auf und sah den Baum als Hülle, darin Leben sich bewegte. Jedes Blatt und alle Zweige und Äste erkannte er als Wesenheiten. Alles war Licht: Insekten, Käfer, Vögel und kleine Tiere. Nur die äußeren Formen besaßen Festigkeit. Jedes für sich offenbarte in seiner Transparenz die eigene Art zu leben ... - Stunden vergingen ...

Der Mann konnte sich nicht satt sehen und war zutiefst verwundert über das, was er gewahrte. Und wieder bekam er eine Antwort, obgleich sein Mund geschwiegen hatte;

„Vorstellungen halten die Welt des Materiellen fest. Du, mein Freund, hast die Ebene des ,Materie-Lichtes‘ erreicht. Noch lebst du als Mensch auf der Erde. Deine Augen aber sehen die Wahrheit: Das Licht, woraus Materie geschaffen ist.
Gehe weiterhin deinen Weg. Öffne dich dem Wunder des Lebens. Strahle und lehre ... ich, dein Engelfreund, begleite dich!“

Wieder machte sich der Mann auf den Weg. Er lehrte seine Geschwister, ihren Augen das Licht des Wahrhaftigen zu verleihen.
 

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Ausbruch
 
 

Niemand aus dem Lager der Macht war nur bruchstückweise bereit, was da behauptet wurde zu glauben. Sie konnten es nicht - ignorieren aber konnten sie es auch nicht. Mehr und mehr erbleichend starrte ein Realist auf die Fernseh-Bilder:

„Dieser Nervenkitzel - dieser verdammte Nervenkitzel ...! Seit Jahrzehnten bin ich Professor der Geo-Biologie-Endzeit und Zeitalter-Absolute-Manipulation. Als Wissenschaftler weiß ich, was ich weiß ..., anders wäre ich kein Wissenschaftler!

Wer weiß besser als ich, was Wahrheit oder Fälschung ist ...?“ Die Bilder ließen ihn schaudern - die Kommentare hörte er nicht.

„Das sieht verdächtig nach Künstlerfreiheit aus“, stellte er fest, „ich lasse mir keinen mutierten Bären aufbinden!“ sich lösen oder die Stop-Taste zu drücken, war ihm absolut unmöglich. Sein Hals wurde lang und länger: „Diese Erscheinungen halte ich für Halluzinationen  ..., eine Art neuer Kriminalität ist das, sowas auf Unwissende abzuschießen! Warum läßt das ,WRK‘ ihre Programme nicht löschen? Alles Betrug - Betrug - Betrug!“ Er rang nach Luft. „Unverantwortlich, das unter die Massen zu bringen ...! Mein ganzes Studium - jahrzehntelange Forschung ... alles was ich mir erarbeitet habe, machen diese Verbrecher zunichte!“ Sein Kopf begann zu zittern.

„Was soll das alles ...? Naturgesetz bleibt Naturgesetz! Da läßt sich von hergelaufenen Spinnern doch nichts dran ändern!“ Am ganzen Körper bebend starrte er auf die Scheibe. „Wo denken diese Leute hin - man kann mir doch nicht einfach mir nichts, dir nichts meine Wissensgrundlage zerstören ...“ Er packte den Felsbrocken vom Himalaja und schleuderte ihn dem Riesenaffen, der mit menschlichen Worten zu ihm redete, mitten ins Gesicht.

Die Implosion zerfetze alles im Raume Befindliche ...
 
 
 

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Frei gewordene Menschen genossen, was Realisten in Panik versetzte. Auch sie ahnten nicht, wie diese Wunderwelt, die das Leben so herrlich - so überaus interessant werden ließ, zustande kam. Im Gegenteil - dankbar und glücklich ließen sie sich drauf ein!

Den Realisten bereitete Nacht wie Tag jedes neu entdeckte ,Monster‘ wie alles andere ,Natur-Widrige‘ steigendes Albdrücken. Sie mußten unter allen Umständen die Ursache für diese Auswüchse, die ihre Machtvollkommenheit Stück für Stück zunichte machte, entdecken und ins System integrieren oder vernichten. Verdammt - es hatte auf der Erde keine Tiere mehr gegeben ...:

„Wo kommen diese neuen Tierrassen her ...?“

Im Gegensatz zum Wildwuchs von Pflanzen, der irgendwie durch die Regenfälle erklärt werden konnte, war diese Tier-Überflutung absolut unbegreiflich.

In der Zentrale des ,WRK‘ hatten sich ganze Schrankwände mit unlösbaren Fragen gefüllt. Sie mußten nach den Erfahrungen der letzten Zeit in Kauf genommen werden, bevor weitere Netzketten gefährdet wurden.

Eines Tages würde ...? Vorerst blieb die einzige Alternative:
 

„Absolute Verneinung!“
 

Jawohl ...!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Äther-Bauten
 

Die erstaunlichsten Erstaunlichkeiten erlebte die Menschheit auf einem Sektor, darauf Wachstum kaum oder in ganz geringem Maße feststellbar ist ...: dem der Minerale.

Eines Tages entdeckte ein Parkwächter bei seinem Rundgang grosse kristalline Körper, die er noch niemals gesehen hatte. Von da an fanden sich überall Häuser, Türme bis hin zu Anbetungsstätten oder gar Schlösser an Stellen, die bis dahin unbebaut gewesen waren. Brücken oder Viadukte überführten Flußläufe ... gewaltige Bogenkonstruktionen verbanden Bergmassive. Zur grenzenlosen Begeisterung der Kinder bereicherten Klettersteine oder kleine Bauwerke, welche ihren Bedürfnissen vollkommen gerecht wurden, jeden einzelnen der Spielplätze.

Unzählige Menschen erkannten die unübertreffliche Schönheit dieser Schöpfungen - die Kinder aber waren selig ...!

Bauwerke - und seien es Klettersteine auf Spielplätzen - gehörten jedoch in die Machtbefugnis entsprechender Ämter. Was anderweitig als unabänderlich hingenommen werden mußte - hier überstieg es jede vertretbare Grenze der Toleranz! Wohin sollte das führen ... die Kompetenz aller Bauämter der Welt wurde fragwürdig! Augenblicklich mußte etwas geschehen ...!! Daß diese Ungeheuerlichkeiten sich der öffentlichen Aufsicht entzogen, durfte unter gar keinen Umständen publik werden ...!!!

Man würde die Täter zu überführen wissen, schließlich handelte es sich in diesem Fall um tote Materie. Das konnte nicht verborgen bleiben ... das widersprach jeder Logik ... ... ... !!!
Diesbezügliche Fragen aber durchlöcherten weitere Netz-Ketten, bevor der erste Konzepter die Antwort ausgespuckt hatte. Also zettelten  sie einen überdimensionalen Papierkrieg an:
Neue Gesetze wurden entworfen ... Verlautbarungen über Massen-
 

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Medien veröffentlicht, Berichte registriert, Überwachungsaufträge erteilt, Verdächtige vorgeladen, Protokolle niedergeschrieben und ... was Bürokratie noch sonst alles auf Lager hat:

Arbeitsgerichte klagten gegen Unbekannt, Finanzämter fahndeten nach Steuerhinterziehern, rivalisierende Gruppen denunzierten einander, Konkurrenzunternehmen beargwöhnten sich gegenseitig. Um den Überblick organisatorisch zu beherrschen, gründeten die Realisten den ,Verband-zwecks-Verhütung-und-Aufklärung-des Schwarzbauwesens‘ - kurz: ,VzVuAdSbw‘ registriert.

Trotzdem entstanden immer neue ,Äther-Bauten‘ aus unbekanntem Material. Fassungslos fragte die Fachwelt: „Wer produziert das und, verdammt nochmal - wo, woraus und auf welche Weise ...?“

„Diese Kunstwerke können nur ,Äther-Bauten‘ sein ...!“ wußte die Masse der Menschen. So eroberte dieser Name die Welt. Alle bestehenden Kunstrichtungen erreichten ihre Blütezeit. Beglückt ließen sich Künstler inspirieren ... sie offenbarten in ihren Werken tiefste Tiefen ihres Inneren.

Realisten aber ließen sich weder von Schönheit noch dem, was ihre Gegenspieler als beglückend empfanden, beeinflussen. Das wäre ihnen nicht eingefallen - sie fühlten sich bedroht und waren darum bemüht, ihre quälenden Ängste in Schach zu halten.

Nacht für Nacht beförderten uniformierte Trupps Minderbemittelte an Orte, die dem WRK als ,Schwarzbau-gefährdet‘ erschienen. Damit würden sie in Kürze diesem Treiben ein Ende setzen Wer den Behörden einen aktiven Bautrupp auslieferte, sollte zur Belohnung steuerfreie Höchstprämien erhalten und in eine hochdotierte Stellung aufrücken.

Seltsamer Weise kam es niemals zu einer Anzeige. Kein Verdächtiger ließ sich an den bewachten Stellen blicken, schon gar kein Trupp mit den erforderlichen Maschinen und Materialien.
 
 
 

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Einem einzigen Wächter wäre das möglich gewesen ...:

In der fraglichen Nacht übermannte ihn bleierne Müdigkeit. Zunächst marschierte er barfuß, laut singend durch eiskaltes Gras. Als das nichts half, kippte er seine Kanne ,Toten-Wecker-Labe‘, wie seine Frau diesen Kaffee getauft hatte, auf einen Zug in sich hinein. Verflixt, nichtmal das machte ihn munter! Nun konnte nur noch der Sauerste-Apfel-Seines-Lebens helfen: Jene Erinnerung hatte ihn zahllose Male aus tiefstem Schlaf gerissen, streifte ihn auch nur eine Ahnung davon ...

Seufzend konzentrierte er sich darauf. Es schüttelte ihn, doch im nächsten Moment schlief er fest, als handle es sich um ein vergessenes Taschentuch. Er merkte nichtmal, daß er hinfiel.

Erwachend, kam‘s ihm vor, als habe er noch nie so tief und erholsam geschlafen; und als er die Augen aufschlug, glaubte er noch zu träumen:

Neben ihm erhob sich ein Tempel, dessen Schönheit ihm den Atem raubte. Er erinnerte Licht, doch war ihm unklar, wo es herkam. Das hatte ihn eingehüllt, strahlte aufsteigend und verband sich einer Masse, die aus der Erde hochquoll. Daraus formten sich kristalline Mauern, wurden breiter und höher, formten sich zu immer leichter werdenden Elementen und bildeten abschließend rankenähnliche, von Blüten durchsetzte Formen.

Darüber erhob sich eine Kristallkuppel.

Das konnte nur ein Traum gewesen sein. Gestern umgab ihn hier Wüste!

Unser Wächter preßte seine Fäuste auf die Augen und befahl sich:

„Wach auf, du Idiot ...!“ Doch alles blieb bestehen wie zuvor. Plötzlich erinnerte er die Musik, nach der er mit einem engelhaften Wesen getanzt hatte.

„Ach, dieser wunder-wundervolle Traum!“ seufzte er.

Urplötzlich wurde ihm klar: „Ich werde verrückt - das war überhaupt
 
 
 

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kein Traum: In dieser Wüste steht plötzlich der allerschönste Tempel!“ Er fiel auf die Knie und dankte Gott. Dann flehte er um Vergebung dafür, daß er sich auf einen so miesen Job eingelassen hatte. Und er bat um Kraft, die Konsequenz für sein Versäumnis auf sich nehmen zu können, denn er hätte umgehend über Funk Meldung erstatten müssen!

Seine Erfahrung aber, bedeutete ihm nun millionenmal mehr als die zugesicherte Prämie!

Er stand auf und betrachtete dieses Wunder von allen Seiten:

Das erschien ihm ,reinste Musik‘ - eingeflossen in Materie, welche sich schimmernd dem Sternenlicht darbot:

Ein wahrhaftiges Märchen aus fernen Welten, unbegreiflich selbst ihm, der tanzend das Geschehen seines Erschaffens begleitet hatte. Wie nur sollte er das seinen bornierten Auftraggebern verständlich machen? Bis zum Morgen mußte er die Antwort gefunden haben - Gnade ihm Gott, wenn nicht ...

In diesem Augenblick öffnete sich vor ihm eine Pforte. Eintretend, fühlte er Geborgenheit, wie niemals im Leben zuvor.

Der Raum leuchtete, doch konnte er nirgends eine Lichtquelle entdecken. Seltsam - hier erschien es ihm heller als Sonnenlicht, obgleich es an keiner Stelle blendete. Er durchschritt die Vorhalle und einen Gang, der ein von einer Wand geschütztes Zentrum umrundete. Überall herrschte diese Helligkeit, als strahle eine Sonne aus dem Mittelpunkt der Erde.

Frieden durchflutete ihn ...

Er hatte total vergessen, daß er seiner Verpflichtung nicht nachgekommen war - und ...

Hier existierte keine ,Zeit‘.

Dann aber erkannte er am Gesang der Vögel und dem sich verändernden Licht den nahenden Sonnenaufgang.
 
 

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Leben durchflutete ihn:

Lichtenergie vermählte sich der Erdenkraft in ihm zu Einheit. In diesem Augenblick meinte er Sphärenmusik zu hören, die im aufsteigenden Sonnenlicht zu einer überwältigenden Symphonie anstieg. Plötzlich erkannte er, daß er zu beten begonnen hatte.

Während er so saß, drangen Geräusche herein: Autos fuhren vor, Bremsen quietschten, Türen klackten auf und knallten zu. Leute rannten um den Bau herum und redeten laut und aufgeregt.

„Die wollen mich holen,“ stellte der Gast fest.

„Verhalte dich ruhig, du bist hier drinnen völlig sicher.“ antwortete eine Stimme. Das war eine liebevolle Stimme - nichts Beunruhigendes ging von ihr aus, obgleich unser Freund niemanden erblickte. Er antwortete: „Wer bist du - ich möchte gerne sehen, wer außer mir hier ist?“

Da stieg vor ihm aus dem Boden ein Licht auf, wurde heller und heller und öffnete sich in der Mitte. Wie durch eine Tür trat ihm jemand entgegen, der strahlte eine solche Liebe aus, daß dem Tempelgast Tränen in die Augen traten. Voller Freude erkannte er seinen nächtlichen Tanzpartner wieder.

„Ich bin als Tempelwächter hierher entsandt worden. Du kannst bei mir bleiben - niemand kommt hier herein, den ich nicht einlasse.“ Er wies in die Richtung der Stimmen, die immer lauter - fast hysterisch klangen. „Du wirst Auskünfte geben müssen, die zu geben du nicht bereit bist und solche, die du nicht geben kannst. Ich biete dir den Schutz dieses Tempels an. Was du zum Leben nötig hast, bekommst du von mir!“

Damit durchschritt er die Tür des Lichtes und war nicht mehr zu sehen. Der Gast aber fühlte seine Gegenwart noch und antwortete:

„Ich nehme dein Angebot mit Freude an und danke dir von Herzen!“
 
 
 
 

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Erneut drangen von draußen die Stimmen in sein Bewußtsein:

schneidend kalt - die Männer schienen völlig außer sich und kreischten regelrecht. Bedrohlich klirrte ab und an sein Name in ihrem Palaver auf.

„Ein Glück, daß ich hier drinnen geborgen bin!“ dachte der Mann.

Allmählich verebbte die Erregung - Türen wurden aufgerissen und krachend zugeworfen - nacheinander jaulten Motoren auf - mit quietschenden Reifen raste ein Wagen nach dem anderen davon. Die Geräusche flauten ab und wurden von der Ferne verschluckt.

„Merkwürdig, mit welcher Vollkommenheit Radau verschwindet!“ dachte unser Freund und vergaß ihn augenblicklich. Wieder lauschte er der Sphären-Musik.

Sie erfüllte ihn bis in jede seiner Zellen hinein.

Irgendwann kehrte jenes Licht zurück, durch das sein Beschützer zu ihm gelangte. Er stellte auf einem Tablett ein köstlich angerichtetes Frühstück vor ihm nieder:

„Du hast Hunger, laß dir‘s gut schmecken“, wünschte er, „brauchst du etwas, denke einfach an mich ...!“

Unser Freund freute sich und dankte von Herzen für das Verständnis, das der Geist menschlichen Bedürfnissen entgegenbrachte. Das hatte er nicht zu hoffen gewagt.

Aufseufzend gestand er ihm seinen Kummer ein:

„Meine Frau macht sich bestimmt schwere Sorgen um mich ... ich möchte meine Familie gerne benachrichtigen ...!“

„Vergiß es“, antwortete der Lichte, „seit du eingeschlafen warst, unterstehen sie unserm Schutz.

Ihr seht euch bald wieder ...!“
 
 
 
 

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Amtsmaßnahmen
 

Inzwischen kämpften die Bauämter um das Recht ihrer Zuständigkeit, als handle sich um intimstes Eigentum. Denn ein Netz Äther-Bauten überzog nun die Erde. Ein Dienststellenleiter brüllte: „Was, wo, wie gebaut wird, bestimmen wir!“ überflog die Liste neuer Schwarzbauten und schnappte nach Luft. Dann grinste er: „Das sollen ,Naturerscheinungen‘ sein ...? Seit wann versteht ,Miß-Natur‘ was von Architektur ...?“ Damit löste er bei den Realisten der Welt frenetisches Gelächter aus.

Zum ,Segen der Menschheit‘ beschloß das WRK Gegenmaßnahmen. „Kinder sind am schutzbedürftigsten - wir fangen mit der Aktion bei den Spielplätzen an.“

Die Behörden rechneten mit Protesten, aber

Außer Kindern und Jugendlichen traten die Eltern für die Erhaltung der Äther-Bauten auf den Spielplätzen ein. Die Beteiligung von Pädagogen und Psychologen war erwartet worden, die der Ärzte und Jugendfürsorge, wurde befürchtet. Daß aber die Massenmedien sich gegen den WRK-Beschluß stellten, brachte das Maß zum Überfließen und der Regierungsvertreter für Jugend, verursachte Fassungslosigkeit ... ja Entsetzen. Doch bewies jeder auf seine Weise, daß junge Menschen in diesen geheimnisvollen Stätten unschätzbare Förderung erfuhren und auf dem besten Weg waren, zu tüchtigen, integrierten Bürgern heranzuwachsen.

Kommentarlos verschwanden die Beschlüsse in Schubladen. Sympathien auf‘s Spiel zu setzen, konnten sie sich nicht leisten. Todsicher würde die Jugend irgendwann der ,Steine Des Anstoßes‘ überdrüssig ...!

Die Kinder selbst würden den ,geeigneten‘ Termin bestimmen...
 
 
 
 

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Unangekündigt erschienen dann in Parkanlagen Abrißtruppen, krempelten die Ärmel hoch und versuchten, mit ,hau-ruck‘ und Spucke in den Händen, diesen materialisierten ,Amtsbeleidigungen‘ beizukommen. Damit aber gerieten sie in arge Schwierigkeiten: Eins der Werkzeuge nach dem anderen ging zu Bruch, bevor sie an den Delikten nur einen Kratzer verursachen konnten.

Ein junger Mann hatte eine dieser Aktionen beobachtet. Plötzlich brüllte er: „Wer quatscht hier von Sicherheitsmaßnahmen? Woll‘n wir mal versuchen, ob diese Siegensäule den Sicherheitsvorschriften entspricht ...?“  Grölend stürzten junge Männer los. Sie hätten ohne Weiteres die Hinfälligkeit des Bauwerkes bewiesen, wären Erwachsene nicht mit verständnisvoller Bestimmtheit eingeschritten: „Jungs, wir geben euch absolut recht, dieser ,Steinerne Blutfinger‘ ist kriminell! Ich als Baubeamter würde ihn verschwinden lassen. Wir verschlimmern die Lage aber, beschädigen wir amtlich geduldete Objekte, während diese Kostbarkeiten unzerstörbar zu sein scheinen!“ Ein älterer, sehr seriös aussehender Mann gab dazu einen unwiederholbaren Witz von sich. Brüllendes Gelächter löste die Aggressionen auf. Triumphierend zerstreute sich die Menge. Die Arbeiter aber verließen zu Tode erschöpft den Ort ihres Mißerfolges.

Letztlich aber muß Gesetz ,Gesetz‘ bleiben!

(Eines Nachts drangen Militärkolonnen in abgeriegelte Gebiete ein. Das endete mit restloser Zerstörung ... doch nicht von Äther- Bauten - sondern Panzern und anderen im Einsatz befindlichen Maschinen. Unbegreiflicher Weise war nicht ein Arbeiter verletzt worden. Doch verweigerten sie jede Auskunft über den Vorfall. Nur einer erklärte den Reportern: „Jetzt haben wir endlich verstanden, daß wir dem Leben der Erde dienen müssen ...!“
 
 
 
 
 
 
 

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Der allgemeine Jubel über diesen Verlauf erschütterte die Realisten mehr als der erlittene Schaden - und weit mehr, als sie zugeben wollten. Sie starteten eine Gegenkampagne, gründeten eine eigene Presse und setzten Notstandsgesetze in Kraft. Dann griffen sie - obgleich die Erde davon schwer geschädigt werden würde, zu ihrer letzten Möglichkeit.

Der Premier des ,WRK‘ unterrichtete drei Personen: den Spezialisten für Radarsperren, den führenden Spezialisten für Chemie und den Satelliten-Überwacher. Das Vorhaben blieb streng geheim. Das vorgesehene Gebiet war geräumt worden und lag in völliger Einsamkeit. Zum festgesetzten Zeitpunkt lenkte der Chemiker von einem Erdbunker aus millimetergenau das Gift auf‘s Äther-Objekt und der Beobachter funkte den Verlauf an die Zentrale.

Dann erfaßte die Akteure Panik: Gegen jede Voraussicht schoß eine Flammensäule empor und blieb lange weithin sichtbar. Sie wurde von Fernsehstudios über alle Empfangsstationen gesendet.

Nach Verlöschen des Feuers stand der so behandelte Äther-Bau unverändert in seiner vollkommen unbeschädigten Umgebung auf seinem Platze.

Damit war bewiesen, daß es auf der menschlichen Palette nichts gab, was einem Äther-Bau schaden konnte. Die ,WRK‘-Vertreter und die Verantwortlichen der Bauämter packte Rat- und Hilflosigkeit. Dennoch gaben sie ihre Erleichterung darüber zu, daß sie der Erde keinen Schaden zugefügt hatten.

Die Gegenkampagnen machten pleite, sie hatten ihre Überzeugungskraft eingebüßt und verschwanden, anstatt dieser Äther-Bauten,  schneller als sie aufgestiegen waren.

Massenmedien aber kamen ins Grübeln: Erdenleben war an allen Orten zur ,Sensation-an-sich‘ geworden. Wo - um Himmels willen, bekamen sie zugkräftige Schlagzeilen her ...?
 
 
 
 
 

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Der Staatsanwalt
 

Inzwischen waren viele Kinder und Jugendliche in Äther-Häusern fest verwurzelt. Oft schien es, sie seien dort heimischer als zuhause. Ihre Machtkämpfe waren abgeflaut, sie hatten gelernt, sich friedlich zu einigen, fair gegen Schwächere zu sein, und ohne sich selbst zu verleugnen, den Erwachsenen gegenüber Zusammengehörigkeitsgefühl zu entwickeln.

Damit setzte das junge Volk Prozesse in Gang, die über die Familien hinaus in großen Gemeinschaften Frieden möglich machten. Dieser breitete sich aus - Menschen verständigten sich, wo bisher Zwietracht und Mißverständnisse gang und gäbe gewesen waren. Das wirkte sich bis ins Leben unbeteiligter Gruppen aus.

Eine Stadt hatte ihren Staatsanwalt mit der Entscheidung über eins dieser vieldiskutierten Bauvergehen  betraut. Die Verwaltung Abteilung Öffentliche-Anlagen und das Finanzamt beschuldigten eine Gruppe hochbegabter Künstler, unbefugter Weise im Stadtpark direkt vor ein Denkmal, einen Äther-Bau errichtet zu haben. Damit hatten sie nicht nur die Tradition mißachtet, sondern auch öffentlich rebelliert ...! Abgesehen vom bewußten Verstoß gegen die Bauvorschriften sowie die Steuerpflicht ...!

Das Denkmal zeigte den berühmtesten Sohn der Stadt, einen General, der für das Vaterland zahllose Kriege gewonnen hatte. Wäre der Bau hinter dem Helden errichtet worden ... aber so ...?

Mit schwindender Anteilnahme widmete der Beauftragte sich dem Fall. Je öfter er das Delikt begutachtete, desto tiefer war er von dessen unschätzbarem Wert überzeugt. Zwar stand dieser nicht zur Debatte, wohl aber die Tatsache, daß er den Angeklagten ein derart ausgereiftes Kunstwerk niemals zutraute ... Keiner von ihnen machte auf ihn den Eindruck solcher Genialität .. .!

Der Staatsanwalt argwöhnte, dem Senat ginge es mehr um Macht als
 
 

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um Recht ...? Er hielt es für unmöglich, daß Menschen diese geheimnisvollen Bauten errichtet hatten ... doch wer sonst? Seit einiger Zeit kreisten in seinem Kopf Gedanken, die er besser für sich behielt: „Zweifel am herrschenden System!“ Aber die Meinung des Senats, daß diese Leute Machtbeweise geradezu herausforderten, teilte er und würde ihnen liebend gern einen Denkzettel verpassen! Trotzdem wurde unserm Staatsanwalt seine ,Robe‘ immer fragwürdiger ...

Unzählige Male war er inzwischen hier gewesen. Jetzt plötzlich wußte er: „Jedes meiner ,Gutachten‘ verstärkte mein unprogammiertes-Ich: den Menschen-ohne-Robe!“ Doch belastete sein übermächtiges Interesse sein Amts-Gewissen: Er suchte sich zu rechtfertigen - wußte aber nicht, was er tatsächlich wollte! Das quälte ihn.

Wieder einmal erhob sich vor ihm das Schloß. Hinter seiner Wundermacht versteckt, stand der Hervorragendste-Sohn-der-Stadt, dessen Heldenerscheinung verschwunden war. Hatte er sich etwa geopfert?

Der Mensch-ohne-Robe dachte: „Wie könnte so einer sich ,opfern‘ - wer sollte ihn ersetzen? Oder bedeutet das vor ihm errichtete Schloß: >Vergeßt: Sein Auftrag ist erfüllt; er darf zurücktreten!< Hat der es gut, er braucht seine Pose nicht mehr aufrechtzuerhalten ...! Also ich empfinde diese Neuordnung als Erlösung! Wie aber mache ich das meiner Dienstelle klar ohne Verdacht zu erregen ...?“

Dann vergaß er sein Gedankengeschwätz über der schimmernden Schönheit vor seinen Augen: Phantasievoll ordneten sich ansteigende Stockwerke um eine zum Himmel emporragende Kuppel ...

In der Fachliteratur hatte er nichts Entsprechendes gefunden. Nun verglich er in Gedanken dessen Eindruck mit dem, welchen die Angeklagten in ihm hinterlassen hatten:

Unmöglich ... es existierte keinerlei Übereinstimmung ... !
 
 
 

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Seit Wochen war der Staatsanwalt zu jeder Tageszeit hier vorübergegangen. Jede andere Beleuchtung veränderte das Bild des Bauwerkes, doch erschien es immer vollkommen. Die wechselnden Lichtreflexionen, bildeten stets neue, überraschende Harmonien, die ihm übermenschlich erschienen. Wie sollte soetwas von normalen Menschen geschaffen werden ...?

Diese Leute wirkten bedrückend auf ihn. Das Bauwerk aber löste bei jedem Besuch größere Freude in ihm aus. Danach fühlte er sich, als habe er mit einer Geliebten Urlaubsstunden verbracht. Am liebsten hätte er das ganze als ,Wunder‘ erklärt und die Angeklagten freigesprochen. Aber ...

Der Mensch ohne Robe dachte: „Das Generalsdenkmal kotzt mich an! Was hat dieser ,Held‘ tür die Liebe getan ...? Ich mußte den Park meiden - bin - wenn ich Bewegung brauchte, durch den Straßenverkehr gelatscht. Jetzt ist der Park wie ein Vorgarten zum Himmel! Diese Idioten ... warum begreifen sie nicht, welchen Vorteil dieser Austausch der ganzen Stadt gebracht hat ...?“

Da fiel ihm der ,Staatsanwalt‘ in den Rücken:

„Du vergißt offensichtlich, wem du Treue geschworen hast. Bildest du dir ein, solche Gefühlsduseleien gäben dir das Recht, einfach auszubrechen ...?“
Der ,Mensch‘ schwieg erschreckt und ließ seine Blicke über den Märchenpalast wandern. Da verstummte der ,Staatsanwalt‘. Immerhin war seine Dienstzeit seit drei Stunden zuende. Er besaß als Amtsperson Sinn für Gerechtigkeit. Jetzt war der ,Mensch‘ dran! Doch kam er nicht umhin, zu bemerken, daß dieser im Begriff war, sozusagen mit der Gegenpartei eine Flasche Sekt zu trinken. Das war natürlich gesetzwidrig. Doch zog er sich zurück als die Augen des ,Menschen‘ das Licht entdeckten ...:
 
 
 

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Aus dem Innern des Gebäudes leuchtete es, als sei dort jemand zuhause. In diesem Licht löste die Dunkelheit seiner Seele sich auf und der ,Staatsanwalt‘ verschwand.

Des Menschen Herz begann das Leuchten mitzusingen:

„O Schönheit ... friedvolle Schönheit ...!“

Dem Staatsanwalt blieb nichts als ,Abwesenheit‘ übrig.

Der Mensch aber glaubte, Musik zu hören und plötzlich betete er. Das hatte er seit seiner Kindheit nicht mehr gekonnt. Als er seine Augen wieder öffnete, entdeckte er zwischen den Kristall-Elementen ein offenes Portal. Das war ihm niemals zuvor gelungen, sosehr er danach ausgeschaut hatte.

Jetzt war plötzlich der ,Staatsanwalt‘ wieder zur Stelle:

„Begutachte den Innenteil des Deliktes!“ befahl er.

Der Mensch folgte. Eintretend aber vergaß er Befehl wie Befehlshaber. Wohin er sah, schaute Schönheit ihn an. Stets anders, fand er Einheit in Farben und Formen, mit denen sein Inneres verschmolz. Ihm war, als erwachten in jeder Einzelheit Wesen, die einander sich einten und immer wieder Neues gebaren, was in den Räumen Freude verbreitete.
Von Mal zu Mal verstärkte das anders Geartete die Harmonie - nirgends wurde der Zusammenhang durchbrochen. Jeder Raum und alles darin wurde von Energie durchflutet, auch er, der Gast. Er fühlte sich Teil des Ganzen, gehörte seit UR-Zeiten dazu. Seine Seele erlebte nicht-endende Spiele von Liebe und Fröhlichkeit, welchen Raum er auch betrat. Er durchwanderte Flure, Säle, Gemächer, gelangte über Treppen auf prächtige Dielen, deren funkelnde Lichter seine Sinne betörten. In geheimnisvolle Kammern trat er ein. Ihm war, er habe träumend darin geweilt.

Er, der sich tagtäglich Haß und Unrecht auslieferte - dieser ganzen Häßlichkeit des Ungleichgewichtes, das er mit Urteilen noch
 
 
 
 
 

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verhärtete. Ihm wurde klar:

„Böses, was er mit dem Böse-Sein der Paragraphen gutzumachen meinte, kehrte als ,Peiniger‘ zu ihm zurück:
denn mit ,Lebens-Gesetzen‘ stimmen Paragraphen selten überein.“

In diesem ,gesetzwidrigen‘ Gebäude aber erfuhr der Mensch-ohne-Robe Geborgenheit und Frieden. Er konnte sich darauf einlassen! Der Staatsanwalt aber verweigerte sich: Ihm war dieses Unternehmen plötzlich mehr als suspekt. Er wäre am liebsten geflohen.

Wieder nachhause unterwegs erinnerte er vage, er habe sich von jemandem verabschiedet, bevor das Portal sich hinter ihm geschlossen hatte. Er fühlte sich voll Freude, bis er den Hausschlüssel aus der Tasche ziehen wollte. Denn in seiner Hand entdeckte er einen rosafarbenen Kristall der Art, daraus das Schloß bestand. „Sieht nach Bestechung aus“, meinte eisig der Staatsanwalt, „Paragraph 45.729/aT ... Natürlich hat das Konsequenzen ...!“

Der Mensch-ohne-Robe erblaßte. Doch blieb ihm unklar, welche seiner Seiten Freude empfand, als er das ,Indiz‘ schleunigst in die Tasche gleiten ließ ...

An Schlaf war nicht zu denken: Für-und-Wider hetzten wie Verhungernde einander und veranstalteten in seinem Innern den qualvollsten Radau: Denn der Kopf des Staatsanwalts war von Paragraphen regelrecht vernagelt:

Dagegen wirken Kreuzverhöre wie die lieblichste Schlummermusik!

Der Mensch-ohne-Robe wußte: „ ,Recht‘ ist niemals berechtigt die Liebe zu verbannen ...!“
Dagegen aber hatte er sich immer wieder entscheiden müssen - denn ohne Berufserfahrung hatte er geschworen, zu tun, was sein Herz heute verneinen mußte.

„Rede dich nicht heraus“ brüllte der Staatsanwalt ihn an, „du hättest dich ausreichend informieren können ...!“
 

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Der ,Mensch‘ blieb still. Darauf wußte er kein passendes Wort. „ ... unwesentlich! Das einzig Gültige ist der Gesetzverstoß, das weißt du genau. Du hattest dich dem Gesetz verschworen und genügend Paragraphenwissen! Und du weißt: dem Gesetz gilt es gleich, wie gut oder schlecht ein Delikt ist ...!“ Der Staatsanwalt erwartete Antwort, doch der Mensch-ohne-Robe schwieg.

„Was ist das mit der Bestechung - gibt‘s darauf auch kein ,Wort‘ ?“

„Wer hat sie dir überreicht?“

Jetzt erbleichte der Staatsanwalt: Niemand war dagewesen! Wie - um Himmels Willen - war der Kristall in seine Hand gekommen?

Verzweifelt warf er sich auf die andere Seite. Niemals hatte er größeres Elend in sich gefühlt.

„Verdammt, was hatte ich in diesem Schloß zu suchen?“ fragte er. „Antworte!“ forderte der Mensch. Nun aber wußte der Staatsanwalt kein passendes Wort. Also begann der ,Mensch‘ zu berichten:

„Das Schloß erschien mir Licht, welches kristallisierend Räume bildete: weder rechtwinklig noch senkrecht. Fußböden waren von Stufen oder Schrägen unterbrochen - Erdenbewohner bauen anders! Die Räume fügten sich lebendig ineinander: Was hier in eine Wand eingelassen war, erschien jenseits als Skulptur. Nischen bargen Schönheit oder auch Praktisches und alles beglückte mich: Die Bilder - tief vertraut und doch unbegreiflich, voll Geheimnis! Plötzlich war ich in sie hineingeraten. Dabei trat ich nur etwas zur Seite - doch nicht mit meinen Füßen ...“

„Nur wie“, fragte jetzt der Staatsanwalt, „mir passierte das auch. Aber wie - keine Ahnung. Alles war Licht und Harmonie - nichts Unheimlich-Verdächtiges konnte ich entdecken wie mir das draußen erschienen war. Aber ich konnte nichts davon verstehen ... Vielleicht in Träumen ...?“
 
 
 

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„Ja“, antwortete sein anderes Ich, „im Schlaf bin ich oft darinnen. Jeder Trost, alle Weisheit und Hoffnung deren ich bedarf, geschehen in diesen Bildern. So durchstreiften wir gemeinsam das Schloß und wurden mehr und mehr von Freude erfüllt - wurden ein einziger Jubel. Um uns her erklang alles in Harmonie und wir mit allem ...  ich, der Mensch und du, Staatsanwalt, ist eins!“

Jetzt entsann der Staatsanwalt:

„Der Gast sang die Kristall-Akkorde mit. Jeden beantworteten die Kristalle in anderen Tönen, als wäre das ein Zwiegespräch. Dabei erlebte er solche Freude, daß er zu tanzen begann: Warf die Arme in die Luft und drehte sich wirbelnd, wobei seine Hände davonflogen wie Blätter, die der Wind in seinem Atem tragend, durch grenzenlose Räume schweben läßt.

Dann hockte er nieder - lauter kleine, zärtliche Sätze summend, die sein Verstand niemals gedacht. Aber ringsum wurde er verstanden ... das fühlte er genau.

War das wonnevoll-schön. Er mußte weinen ... wie eine tauende Wolke vor Sonnenaufgang - ein murmelnder Quell ... ganz leicht, Tränen der Seligkeit ... mehr nicht. Und weiter tanzte er ... liebevoll singend - pfeifend voller Frieden - lachend ... angefüllt von Glück. Alles um ihn her war Antwort geworden ... ergänzte den Ausdruck seines Fühlens zur Harmonie - machte vollkommen, was er verströmte...: Er war Licht: Leuchtete mit allem gemeinsam ... entzündete das Schlummernde, damit es neu erglühe.“

Jetzt endlich gewahrte der Staatsanwalt die Einheit mit sich selber. Damit begriff er den Sinn der Bilder. Doch hatte das nichts mit dem Verstand seines Gehirnes zu tun ... jenem, der formuliert.

Sein Herz antwortete mit seiner Weisheit, die in Worte nicht zu fassen ist. Sein Bewußtsein hatte sich fernen Welten aufgetan:
Bereichen, die menschlichem Begreifen unfaßbar bleiben. Was aber
 
 
 

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bedeutet das ...: In der Unendlichkeit verhallen die Worte. Der Gast betrat das Tempelrund des Schlosses.

Tief unter den Grundmauern lag der Boden, gestaltet aus leuchtenden Goldkristallen, deren kostbare Bilder Himmelsmächten antworteten.
Auf Filigran-Pfeilern ruhende Treppen, umrundeten spiralförmig die Stockwerke bis hinauf in die Kuppel. Diese aber öffnete sich, Menschenaugen unsichtbar, hoch über dem Dach. Je höher die Stufen stiegen, desto durchscheinender wurden sie. Schließlich formten sie einen Lichtkanal, der durch Wolken, Sterne und ,Endlichkeit‘ zum Zenit emporführte und im Unendlichen verschwand....

Für unsern Staatsanwalt endete die Treppe auf der Galerie.  Diese wurde am unteren Kuppelrand von einem Blütenfries umgeben, welche tausend Sternenstrahlen mit ihrem Licht durchbrachen, um sich in Altarhöhe zum Brennpunkt zu konzentrieren, darunter zum Kegel werdend, den Boden zu durchleuchten und den Goldkristall-Bildern Transparenz zu verleihen.

Um den Brennpunkt kreiste eine Scheibe, deren mittlere Öffnung ein zwölf-zackiger Rhomboiden-Stern umfaßte.

Unser Freund verharrte schweigend. Er vernahm unhörbare Musik, die sein Herz bewegte und fühlte sich im Zentrum Des Seins.

Das aber ertrug der Staatsanwalt in ihm nicht lange. Dessen wandernde Augen erfaßten die kreisende Scheibe und folgten deren Bewegung. Er meinte, Glas darin zu erkennen und suchte vergebens dessen ,Träger‘. Also trat er hinzu und tastete danach. Es fühlte sich an wie Elektrizität. Doch belebte es, anstatt ihn zu verletzen. Die Bewegung der Scheibe wurde von seiner, darin verweilenden Hand nicht beeinträchtigt.

„Was kann das sein“, fragte er sich, „Materie nicht! Doch der
 
 

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Stern ... ist er auch - Licht?“ Er schob seine Finger zwischen die Rhomboiden und hielt im gleichen Moment einen davon in der Hand. „Ziemlich schwer“, stellte er fest, „wie ist das möglich?“ Seine Gedanken forschten nach der Lösung dieses Rätsels, während er die kreisende Scheibe beobachtete. Der Stern leuchtete rosa - rosenquarzähnlich, doch von tieferer, niemals gesehener Intensität. Das leuchtete von innen heraus ... erzeugte einen Glanz ...! „Einmalig - absolut einmalig!“ stellte er fest.

Irgendwann stieg er die Treppen hinauf. Wiederholt verharrend blickte er in den Tempelgrund hinab ... Das Geheimnis von Licht und Materie vermochte er nicht zu ergründen. Einem Herzschlage gleich, schien‘s ihm ewige Bewegung und tiefste Stille zu sein - doch wie es zustande kam ...? Sein Verstand versagte. Den Kristall in seiner Hand hatte er völlig vergessen.
 

„Wie konnte mir das passieren? Das ist ...“ Lauter Paragraphen schossen kreuz und quer durch sein Gehirn, aber nicht einer ,paßte‘. „Ach Gott-ach-Gott!“ stöhnte der Staatsanwalt. Übermüde, unsagbar zerschlagen quälte er sich aus dem Bett und brühte sich einen gewaltigen Kaffee auf. Während der belebend seine Adern durchströmte, packte ihn grenzenlose Wut. „Wie soll ich das erklären? Die stecken mich in die Irrenanstalt!“ brüllte er. „Im übrigen“, fiel ihm plötzlich ein, „was habe ich mit ihrem ganzen klitze-kleinkarierten Kleinkram zu schaffen ...?“

Nachdem sein Gebrüll verhallt war, hörte er mit eigenen Ohren die Stille in seiner Wohnung Choräle singen ...!

Endlich erkannte er seine neue Basis. Das gab ihm den Mut, über sich selber - den Menschen und diese Berufung zum Staatsanwalt auf vollkommen neue Weise nachzudenken.

„Natürlich“, begriff er, „darum dieser fürchterliche Krieg zwischen meinem Herzen und diesem ,Programm‘ - ich verabscheute
 
 
 
 

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den Kriege führenden General zutiefst und konnte mich auf den Park, in dem er verherrlicht wurde, niemals einlassen! Natürlich mußte ich diesen Fall übernehmen ... wer denn sonst?“

Auf dem Wege zum Personalbüro stopfte er seine schwarzen Roben nebst Zubehör in den Müllcontainer und trat weiß gekleidet seinem Vorgesetzten gegenüber. Ohne Gründe zu nennen, kündigte er fristlos. Danach schlenderte er überaus ruhevoll durch die Strassen. War das ein Genuß! Er fühlte sich, als sei er lebenslanger Haft entronnen. Bevor er die Stadt für immer verließ, wollte er nur noch den Rhomboiden zurück bringen.

Einmalig schön ragte das Schloß vor ihm auf. Der Mann ging zum Portal - doch wieder war das verschwunden. „Genau hier bin ich durchgegangen!“ dachte er. In seiner Tasche hielt er den Kristall umfaßt. Er empfand eine Art zärtlicher Härte - Kanten glasscharf, die Spitze wie eine Nadel. Doch verletzte nichts daran - merkwürdig!  „Erdenkristalle sind anders“, stellte er fest, „jammerschade - ich muß mich davon trennen. Diebstahl wäre das letzte, womit ich mich rumschleppen will!“

„Du hast keinen Diebstahl begangen,“ sagte jemand, den er jetzt erst bemerkte. Er war der schönste Mensch, dem der Mann jemals begegnet war. Plötzlich erinnerte er: „Hast du mich heute Nacht begleitet?“ Der andere nickte. „Ich war bei dir und erlebte, wie du den Kristall aus dem Licht gewonnen hast.  Der Stern aber zog unversehrt seine Kreise weiter!“ Erleichtert rief der Mann:

„Stimmt - jetzt fällt mir‘s ein. Was hast du gesagt - ich soll den Kristall aus dem Licht gewonnen haben? Wie konnte ich das?“

„Ein winziger Moment tiefster Konzentration ist nötig. Dir glückte auf Anhieb, was andere jahrzehntelang erfolglos probieren. Dabei hast du keine Ahnung von solchen Zusammenhängen ...“ „Nein, ich verstehe überhaupt nichts davon und könnte es nicht
 
 
 
 
 

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wiederholen“, gab er zu, „was soll ich jetzt damit beginnen?“ „Behalte ihn und finde Frieden!“

Überglücklich wollte der Mann im weißen Anzug sich bedanken, sein Gesprächspartner aber war verschwunden.

Mit strahlenden Augen betrachtete unser Freund die Gabe in seiner Hand. Dabei tauchte schemenhaft sein altes Ich - der Staatsanwalt - vor ihm auf und bat um Vergebung. Denn er hatte den Verdacht gehabt, dieser engelgleiche Mensch hätte ihn mit dem Rhomboiden bestechen wollen. Zugleich löste sich ein schwarzer Wolkenschatten seines Bewußtseins auf und wurde zu Nichts.

Befreit lächelte der Mann: „Jetzt weiß ich, auf welcher Seite meines Seins die Freude gestanden hat, als der ,Staatsanwalt‘ das Kleinod  in meiner Tasche verschwinden ließ! Er hätte es ja auch von sich schleudern können ...!“
Ihm war, als habe er ein Heiligtum  geschenkt bekommen. Er ließ seine Augen auf dem Äther-Schloß ruhen,  war versunken in einer anderen Zeit ...

Plötzlich hatte er eine Vision:

Das Denkmal des Generals verschwand vor seinen Augen!
Das hielt er für unmöglich, darum ging er hin:

An seiner Stelle erblickte er einen gewaltigen Baum dessen Silberzweige tanzten im Wind und waren erfüllt von duftend weißen Blüten.

„Ein Glück“, dachte er, „der General hat endlich Frieden gefunden!“

Von diesem toten Idealbild erlöst, atmeten ungezählte Stadtbewohner auf und fanden ihr eigenes Ich ...!

Der Mann aber wanderte weiter. Er verließ diese Stadt und das Land ... und je weiter er kam, desto sicherer wußte er:

„Mein Erlösungsweg hat begonnen ...!“
 
 

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Behördenprobleme
 

Die überall entstandenen, verschiedenartigen Äther-Bauwerke versetzten der offiziellen Bauwirtschaft sowie den damit verbundenen Netz-Ketten Todesstöße und befreiten millionen Arbeitskräfte. Wer sich auf seine Freiheit einlassen konnte, fand auf eigene Weise eigene Wege; wem aber der Mut dazu fehlte, der bekam Schwierigkeiten: Sein Verstand blieb auf die Führung des Programms angewiesen.

Steigend fürchtete das WRK um seine Autorität. Es befahl ,Kampf‘:
Also wurde gekämpft! Experten suchten verzweifelt wirksamere Mittel zur Beseitigung der ,Neuzeit-Erscheinungen‘. Versuche mit ,Ultra-Atoschall‘ hatten letztlich ein Felsmassiv pulverisiert:
Ein Hoffnungsschimmer!

Der Beschaller visierte einen Äther-Turm an ...

Doch erfolgte ein solcher Rückprall, daß das gesamte Institut einstürzte, während der Turm unbeschadet blieb.

Um seine Ratlosigkeit zu vertuschen sperrte das WRK die Äther-Verkehrswege zum Schutz-der-Bevölkerung-sowie-des-Allgemeingutes. Das aber löste heftigste Proteste aus. Denn auf den ,linearen-Verkehrslinien‘ hatten sich Unfälle vervielfacht - nicht aber auf den ,gewachsenen‘ - den Gegebenheiten der Landschaft natürlich angepaßten Verkehrswegen, welche absolut sicher erschienen.

Wiedermal verstärkten Massenmedien zum Entsetzen des WRK‘s die Proteste der Mehrheit und bewirkten Freiheit für die Äther-Wege.

Im Verlauf dieser Auseinandersetzung aber brach ein Viadukt des Linearnetzes unter einem darüberhindonnernden Warentransporter zusammen. Und - Technische-Überwacher signalisierten Schäden an offiziellen Brücken, welche seit einem halben Jahr im Betrieb waren. Und - unerklärlicher Weise brach in einer Linear-Unterführung Feuer aus und forderte hunderte von Todesopfern ...
 
 
 

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Das stank verflixt nach Sabotage ...!

Die Gruppe frei gewordener Bürger erlebte eine harte Bewährungsprobe:

Überläufer unterstützten empört die Gegenpartei ...

Obgleich vom Irrtum dieser Verdächtigung überzeugt erbot sich die, ihres Neuen-Weges sichere Gruppe in Zusammenarbeit mit Realisten die Sachverhalte zu prüfen und gegebenenfalls Kosten für nachgewiesen bewußt verursachte Schäden zu übernehmen.

Augenblicklich entspannte dieses Angebot die äußerst kritische Situation:
Experten schufteten Tag und Nacht - in Laboratorien liefen Elektro-Mikroskope ,heiß‘ - Konzepter wie Netz-Ketten hielten der gesamten Befragung stand: Klar - die Probleme schwangen im Bereich ihrer Frequenzen ...! Sabotage aber wurde von keinem dieser Untersuchungsergebnisse festgestellt ...: Offiziell mußte das WRK seinen Irrtum eingestehen ...

Erneut wechselten Überläufer Standpunkt wie Einstellung - dieses Mal voller Reue ... nun-ja ...

Die ,Welt-Bausicherheit-Aufsichts-Behörde‘ aber - kurz WeBasABö genannt - griff zum Mittel ihrer allerletzten  Hoffnung und ordnete einen weiteren Test an, welcher (inoffiziell wie gehabt) Zerstörung einer Äther-Brücke beabsichtigte und damit - wie gehabt - deren Unzerstörbarkeit bewies.

Die Macht des Muttererde-Bewußtseins überragte inzwischen die des menschlichen Verstandes sowie die Fähigkeiten von Konzeptern und Netz-Ketten. Denn:

Die Zeit der ,Absoluten-Manipulation' hatte ihren Höhepunkt überschritten während sie unwissend dem Bewußtsein der Erdenmutter ungezählte Möglichkeiten der Weiterentwicklung eröffnet hatte ...:

Denn jeder menschliche Eingriff in die Natur des Planeten stellt Verletzungen dar, welche entsprechende Heilenergien herausfordernd verstärken.

Hüter und Führer der Erdenmutter ist die Weisheit ALL-EINEN-LEBENS, welche Teil des Kosmos ist. Das erste Kosmische-Gesetz aber gesteht jedem bewußt lebenden Menschen die Willensfreiheit wie die seiner Entscheidungen zu.
 
 
 

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Die Geisteskraft der Erdenmutter bildet die dem menschlichen Bewußtsein naheliegendste Verbindung zum Göttlichen-Sein.

Denn jedes Materieteil seiner Welt - vom Körper über Nahrung, Kleidung, Wohngemeinschaft bis hin zum Kontinent, jedes ,Teilchen‘ von der Nadel bis zur Maschinenfabrik existiert sowohl als Materie als auch Geistbewußtsein, welches im Unendlichen des Kosmos wurzelt.

Der Manipulierte-Mensch hatte seine Macht über die von Programmierungen befreite Erde verloren, wie er Mitmenschen, welche den Schritt in ihre Freiheit gewagt hatten, nicht mehr erreichen konnte:

Diese waren zu ,Mitarbeitern-der-Erdenmutter‘ geworden. Sie hatten diese von angeblich ,Höchster-Stelle‘ erteilte Anordnung:

„Macht euch die Erde  u n t e r t a n . . . !“ 

als Fehlinterpretation erkannt und ad-acta gelegt ...

Das bestehende Lineare-Verkehrsnetz wurde von neuen über unsichtbare Erdmeridiane verlaufende Äther-Straßen abgelöst.

Diese fügten sich organisch den Erfordernissen des Erdenlebens ein und schenkten den darüber hingleitenden Passanten Sicherheit und Ruhe anstatt wie bisher Hektik, Gefährdung und Unfrieden ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Der Generaldirektor der  ,WeBasABö‘
 

Der erneut verlorene Brückenkrieg bewies unwiderlegbar die Sinnlosigkeit der WeBasABö und gleichartiger Organisationen. Der Generaldirektor fühlte sich einem Zusammenbruch nahe: Außer für diese gesetzwidrigen Bauten trug er für Millionen Angestellte die Verantwortung. Das nahm er sehr ernst! Darum versuchte er das ihm Möglichste, um drohenden Katastrophen entgegenzuwirken. Seine diesbezüglichen Ideen hätten Bibliotheken füllen können.

Schließlich aber mußte er sich eingestehen:
„Irgendwo steckt ein grandioser Irrtum - verflixt! Aber wo ...?“ Niemals war er sich hilfloser vorgekommen!

Dann erfuhr er von einem Rummel, der sich zwischen dem Arbeiter- und Armenviertel niedergelassen hatte. Ein Hoffnungsschimmer?

„In so‘nem ‚Klamauk-Villen-Viertel‘ lösten sich meine Kindheitsprobleme wie Sahne-in-Kaffee auf ...!“ grinste er und zog sich hinter seine verschlossene Etagentür zurück. Er rasierte seinen verräterischen Bart - (graue Strähnen) - zwängte sich in angeschmuddelte Jeans seines Ältesten, streifte dessen Marokko-Hemd über und färbte sich die Augenbrauen kupfern. Dann betrachtete er sein Spiegelbild und stürzte sich ins ,Vergnügen‘.

„Tut das gut! In dieser Kostümierung kennt mich keiner ... !“ Dann aber schoß ihm durch den Kopf:

„Würde mich ein sensationslüsterner Reporter entlarven, hätte der `n Jahrtausend-Knüller anzubieten! ... Aber vergiß ...!“ Dann seufzte er: „Dieses ist meine allerletzte Möglichkeit - bitte-bitte-Du-da-Oben ... laß es gelingen ...!“

Dann sprang er auf so‘n ,Antiqua-Karussell‘ mit der Fahrtrichtung entgegen rotierenden Tonnen, die sich zwischen Tieren verschiedener Rassen mit Sätteln und Sitzen befanden. „Mann o Mann“, ahmte er seinen Sohn nach, „paßt wie Wurm-auf-Streußelkuchen ...!
 
 
 
 

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Trieseln sich meine Sorgen in dieser Rakete  nicht wie Strippe-verkehrtrum

auf, heiße ich ,Paulina‘ wie die Ahne meiner Ur-Ur-Ur-Oma!“

Er machte es sich in einem ,Verkehrtrum-Sessel‘ bequem und warf dem

Karussellbesitzer seine Börse zu.

„Wieviel darf ich abziehen?“ erkundigte sich der Mann. „Geschenkt!“ winkte der Fahrgast ab und konzentrierte sich auf den Protest seines Magens.

Dem andern verrutschten die Gesichtszüge. Blaß geworden verschwand er in seiner Loge und kippte hinter der verschlossenen Türe das Geld auf den Tisch. Dann schluchzte er:

Niemals hatte er eine solche Summe auch nur gesehen!
„Damit werde ich meine ganzen Schulden los - und mehr!“ stellte er fest. Er wischte alles in eine Plastiktüte und versteckte es im Schalt-Kasten, schloß das Türchen ab und schob den Schlüssel in seinen Hosenbund. Danach schlich er um sein Karussell herum:

„Hoffentlich überlegt der‘s sich nicht anders ... !“

Doch der ,Alt-Junge - Jung-Alte‘ in seiner Gegen-Gondel hatte offensichtlich die Welt vergessen. Da beschloß der Karussellbesitzer:

„Wenigstens ,abfahren‘ sollte der sein Fahrgeld ...!“ und schaltete die Geschwindigkeit eine Stufe höher. Danach erkundigte er sich beim ,Marokko- Mann‘, wie lange er mitfahren wolle.

Achselzuckend  antwortete der:

„Bis meine Probleme sich aufgeribbelt haben ...!“

Die Augen des Rummel-Bosses traten sichtlich hervor:

„Probleme bei so-viel Zaster ...?  Unbegreiflich ... !“ Er erhöhte die Geschwindigkeit um weitere drei Stufen: „Muß mich beeilen, soll der sein Geld abfahren. Als ,Dauer-Einrichtung‘ kann ich so‘n Passagier nicht dulden ... !“

Er erhöhte die Geschwindigkeit  - und wieder und wieder und ... ... ...
 
 
 

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Ein Fahrgast nach dem anderen verließ fluchtartig diese immer fragwürdiger werdende Vergnügungsstätte. Das verlief glücklicher Weise ohne ernstere Verletzungen ...

Stunden um Stunden später lösten sich  Mähnen und Schwänze von Reittieren.

Sie klatschten verblüfften Besuchern um die Ohren, vor Bäuche und Brüste.
Festgefressen kamen  Hoppelhasen zur Ruhe und Baldachine schwebten gleich

Fallschirmen dahin und überraschten Wettkämpfer, die sich von solchen ,Gewinnen‘ mehr überfallen als beglückt fühlten.

Der Boß stellte den Regler auf Höchstgeschwindigkeit. Sein letzter Fahrgast hockte festgeklammert - wie Äffchen-an-Mama - in seiner Gondel und war total außer sich:

„Scheine mal wieder den ,Boden‘ verloren zu haben ... wo bin ich überhaupt ... ach ja, das harmlose Karussell kann nichts dafür ...?“ Sein Zustand kam ihm bekannt vor: Damals hatte der Jugendtherapeut ihm Injektionen an die Innenspitzen der Augenbrauen gegeben und damit seine Fassung wieder hergestellt. „Was aber ist jetzt los  ...?  . . .V e r d a m m t  . . . !?!“

Lärm heulte auf und brach ab. ,S C H W A R Z‘ gewahrte er als Letztes.

Er lag am Boden als er wieder zu Bewußtsein kam und fühlte sich schauderhaft: Heftiger denn je quälten ihn seine Fragen - Finsternis umgab ihn und ein bestialischer Gestank hinderte ihn daran tief durchzuatmen. Grübelnd entsann er:

„Irgendwie hat die Gondel sich in die Luft erhoben ... - 
Aber verflixtnochmal ... wohin hat sie mich ausgekippt ...?“ Plötzlich packte ihn eine Sauwut:
„Ich Vollidiot, wie kann ich in einer rotierenden Gegengondel Probleme lösen ... ?“
Sich erhebend tappte er umher:

„ ... muß ‘rausfinden wo ich hingeraten bin ... Mist! ! Dieser Gestank! N u r  w e g ... L  U  F  T ... !“
 
 
 

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Er wandte sich hier- wendete sich dorthin, konnte sich aber nicht entscheiden. Da zeterten seine Füße:

„Blödkopp, du weißt nicht was du willst! Dalli-dalli, setz dich in Bewegung - denke nicht - finde den Weg!“ Sie sausten einfach los und verschleppten ihn mitten in diesen Pestgestank hinein ohne seine Proteste zu beachten: In einen Wald von Paragraphen - nichts als Paragraphen ...! Unser Freund hatte niemals etwas Leichenhafteres empfunden ...

Doch wurden die lebendig, als seine Füße ihn direkt an ihnen vorüberschleppte: Sie drohten - gleich Gespenstern - ihn zu verschlingen, versuchten, ihn anzuketten und droschen auf ihn ein. Als er auswich, stellten sie ihm Füße und warfen ihm Knüppel zwischen die Beine. Sie bliesen ihm ihren giftigen Atem ins Gesicht und entrissen ihm seine Lebensenergie - fast fiel er in Ohnmacht.

Alles taten diese Paragraphen um den Generaldirektor der WeBasABö zu stürzen. Ihr ,Programm‘ enthielt jede Art menschlicher Raffinessen. Sie erwiesen  sich in ihren Praktiken, ihn zum Aufgeben seines Auftrags zu zwingen, unerschöpflich. Er ,hörte‘ bereits ihr Hohn-Gelächter.

Das aber hielt ihn für lange Zeit aufrecht.
Als er schließlich zusammenbrach war es ihm gleichgültig ob sie lachten oder nicht ...

Zwischen tausenden von Eicheln in Näpfchen - Eicheln ohne Näpfchen - und Näpfchen ohne Eicheln, erwachte unser Freund am Fuß eines lebendigen Baumes ...:
„Oh - dieses Glück  ...!“

Im Garten seiner Großmutter hatte eine gewaltige Eiche gestanden. Zahllose Spiele hatte er zwischen ihren Wurzeln gespielt:

Wie einen vertrauten Freund begrüßte der Generaldirektor der WeBasABö diesen Baum, atmete gierig seinen Duft ein ... bis er sich bis zu den Zehennägeln hinab damit aufgeladen hatte.

Jetzt fühlte er sich belebt wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
 
 
 
 

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Gespannt ob er noch immer darauf pfeifen könne, griff er nach einem leeren Näpfchen. Doch - komisch - ihm schien, es sei bis zum Rand mit etwas ,Unsichtbarem‘ gefüllt.  Er dachte:

„Könnten Eier von winzigstem Ungeziefer sein ... Was soll ich damit tun - Sowas darf einfach nicht hier rumliegen ...??“

Urplötzlich hatte er eine Idee ... schnappte nach Luft und zögerte dann:
Schließlich war er der Generaldirektor der WeBasABö und war für alles verantwortlich, was er tat oder unterließ ...?

„Quatsch!“ beschloß er. Er ließ diese fragwürdige ,Brut‘ nicht fallen, zermalmte sie nicht zwischen Steinen, wie sein Generaldirektor-Gewissen das von ihm forderte (denn nur das wäre seiner Stellung angemessen!) Im Gegenteil: Lauter als je in seinem Leben brüllte er:

„Allmächtiger GOTT, befreie uns lebende Menschen von diesem Walde tödlicher Paragraphen-Leichen-Gespenstern ...!“ Damit schleuderte er mit ganzer Kraft das Eichelnäpfchen mitten in den ,Schauder-Wald‘ hinein. Zwar kam er sich dabei kindischer vor als damals unter der Eiche seiner Oma - von dieser Gegengondel ganz zu schweigen ... und hatte nicht die geringste Hoffnung, daß sich etwas ändern könne ... ABER

Ungeheuerliches geschah:

Graunis - Enge - Kälte verschwanden. Vom blauen Himmel strahlte die Sonne und erleuchtete die tollste Zauberer-Vorstellung aller Zeiten:

Paragraph um Paragraph  wandelte sich zu den wundersamsten Bäumen, die es jemals gegeben hatte: Brachte jeder auf eigene Weise Knospen, Blätter, Blüten und Früchte hervor, als habe er niemals anderes getan.
Ein einziges Wunder ... und ein Reichtum ... unbeschreibbar! Zugleich erschien das ganze Leben, welches zu Bäumen gehörte:

Käfer, Insekten, Schmetterlinge dazu Vögel ...
Sie schmetterten Konzerte, daß der Generaldirektor der WeBasABö meinte, seine Erdenschwere verloren zu haben und in der Luft davonzufliegen ... Jeder Paragraph war im Gefüge des Lebens von Mutter-Erde zur Welt-an-sich erwacht ...
 
 

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anstatt wie bisher, alles Leben zu versklaven. Das war ein Gebrumm - ein Gesang ... ein Jubel von Farbenpracht ... und diese Düfte ...

... Oh !
 

Inmitten dieser Wunderwelt lebten die unglaublichsten kleinen

Menschen. Sie bauten Hütten, die er als Generaldirektor der

WeBasABö unter keinen Umständen hätte genehmigen dürfen ...:

Er dachte ans WRK und brach in schallendes Gelächter aus:

„Hier kommt es - weiß der Himmel - nicht darauf an ...!“

Was er erlebte erschien ihm, als seien tausende von Wundertüten geplatzt - er wußte nicht, wo er zuerst hinschauen sollte.

Das Allerherrlichste aber entdeckte er in einer Bodensenke:

Geysire schossen in die Luft hoch empor und speisten einen See tiefvioletten Wassers.
Ringsum im Wind wogten blühende Wiesen.

„Ich kann und kann nicht fassen, was ich mit eigenen Augen sehe“, dachte unser Freund und schüttelte den Kopf, „sollte das tatsächlich mit dieser bemerkenswerten Unsichtbarkeit in der winzigen Eichelschale zusammenhängen ...?“

Damit warf er seine Kleider ab und ,hechtete‘ in die Fluten.

So von Schmutz verkleistert wie inzwischen, hatte er sich sein
Lebtag nicht gefühlt.

Selig ließ er sich sinken ...  dieses Bad tat ihm überaus gut.
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Türen schließen ... Tore öffnen sich
 
 

Die Herrschaft der Realisten verlor mehr und mehr an Bedeutung..... Die ,Wunder der neuen Zeit‘ geschehen auf der Erde überall und wurden beglückt an- oder als unabänderlich hingenommen ... gekämpft wurde nur noch selten und dann halbherzig. Äther-Tempel hatten Kirchen, Ashrams und andere Ritualstätten abgelöst. Umzüge in Äther-Häuser waren zur Selbstverständlichkeit geworden. Ein Altbau nach dem anderen war verlassen worden.

Der Hausbesitzer eines alten Hauses entdeckte Flecken im Gemäuer, die er nicht einordnen konnte. Er ließ sich von seiner Stuhlleiter emporheben und pochte mit dem Finger gegen eine dieser Stellen. Sein Fingerglied verschwand darin und der Mann schüttelte sich; das Zeug ließ sich kaum abwaschen, es fühlte sich schauderhaft an, fast hätte er sich übergeben. Er bestellte einen  Sachverständigen, doch der warf lediglich einen Blick auf die Stellen, zuckte die Achseln und verschwand.

Der zweite Spezialist nahm sich ein bißchen mehr Zeit. Dann aber riet er:

„Hier noch etwas zu versuchen, erscheint mir sinnlos. Sehen Sie, dort an der andern Wand beginnt es auch! Mit diesen Altbauten geschieht überall das gleiche ...! Ziehen sie in ein Äther-Haus um - es gibt nichts Besseres ...!“

Anderntags zogen sie gemeinsam los und holten sich Rat in ihrem Äther-Tempel. Sie blieben unterwegs vor einer Gruppe kleiner Häuser  stehen, die dort vor wenigen Tagen emporgewachsen waren. Die fügten sich der Landschaft ein, als gehörten sie seit Urzeiten dort hin. Alle staunten und Mutter sagte:

„Schade, daß hier niemand wohnt! Es ist wunderschön hier. Jedes dieser Häuschen sah anders aus, doch paßten sie zusammen, wie Stamm, Äste, Zweige - Blätter, Blüten und Früchte eines
 
 

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Baumes. „Das reinste Märchendorf“, freute Mutter sich, „ich bin gespannt, wer hier einmal einzieht!“

Sie gingen umher und schauten sich eins der Häuser nach dem anderen an. Jeder wies auf das hin, was ihm am besten gefiel, und plötzlich standen sie vor einer geöffneten Türe.

„Ob wir uns dieses Haus von innen ansehen dürfen?“ fragte Mutter. „Klar“, meinte der Sohn, „in den Tempel können wir auch gehen, wenn das Tor offen ist!“ Er trat einfach ein.

In jedem der Räume erlebten sie Überraschungen. Alles was sie nötig hatten, war hier vorhanden - nichts fehlte, doch war auch nicht ein Stück überflüssig. Am meisten freuten sie sich darüber, als jeder von ihnen etwas Heißersehntes entdeckte, worauf er bisher hatte verzichten müssen. Hier fühlten sie sich ganz und gar heimisch ..., genau so, als sei dieses Haus für sie ganz persönlich an dieser Stelle entstanden. Was sie auch sahen, zeigte seine eigene Schönheit und Dinge, die sie berührten oder in die Hand nahmen fühlten sich an, als seien sie seit langem damit vertraut.

Mutter war überwältigt. „Wie findest du das“? wollte sie von Vater wissen, „von einem solchen Heim hätte ich nicht einmal träumen können ...!“ Vater aber schüttelte den Kopf: „Bleib auf dem Teppich - Weib“, antwortete er, „unerschwinglich!“

Auch hier erschien der Hüter durch sein Lichtportal. Strahlend begrüßte er seine Gäste und berichtete dann: „Dieses Haus ist für euch. Es kostet keine Miete - ihr bekommt, was für euer Leben nötig ist, könnt aber aus dem alten Haus nichts als eure Kleidung mitbringen.“ Vater erwiderte zurückhaltend:

„Ich danke Dir sehr ..., wir wollen das überschlafen!“

Sie verabschiedeten sich und machten sich auf den Weg zum Tempel. Wie bisher, klärten sich in seiner Stille alle Fragen.
 
 
 
 
 

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„Ich ziehe um!“ sagte Mutter als sie wieder daheim waren. „Und die Eltro-Einrichtung?“ erkundigte sich Vater.

„Na und ...?“ warf Mutter ein.

„Ich komme mit!“ beschloß der Sohn. „Du mußt die Fernsteuer-Anlage hierlassen!“ warnte Vater. „Im Äther-Haus auf dem Spielplatz vergißt man solche Kinkerlitzchen!“ erklärte der Sohn.

Vater schluckte schweigend.

Die Kinder lachten und tanzten: Äther-Haus war für sie Seligkeit. Vater blieb allein zurück. Er wollte nichts unversucht lassen und rief den besten Renov-Experten der Stadt an.

Der ging wortlos durch die Räume. Sein Prüfgerät tuckerte - bei größeren Schadstellen  kreischte es auf. Vater ging neben ihm. Die Miene des Mannes machte ihm Mut. Doch sagte der zum Schluß:

„Mir scheint, daß Ihnen die Abrißkosten erspart bleiben!“ „Was heißt denn das?“ schnauzte Vater ihn an.

An solche Reaktionen gewöhnt, führte er Vater nochmal durchs Haus. „Sehen Sie da - und dort auch.“ Er schaltete das Gerät ein. „Hier fängt es auch an - das sehen Sie in ein paar Tagen. „Auflösung, mein Lieber - ist mir nicht neu. Alle Bewohner solcher Häuser ziehen in Äther-Bauten um. Nicht schlecht, sage ich Ihnen!“

Vaters Gesicht sprach Bände. Er begleitete den Mann zur Tür. Dann ging er vom Keller bis zum Boden durch alle Räume und blieb rechnend vor jedem Eltro-Gerät stehen. Schließlich schüttelte er den Kopf: „Was verlangt dieser Geist von uns ...!“ Und die ,Kinkerlitzchen‘ seines Sohnes steckten ihm wie Stacheldraht im Bauch.

,Dieser Geist‘ geleitete seine neuen Mitbewohner durch das ÄtherHaus. Beim ersten Besuch hatten sie vieles nicht wahrgenommen. Jetzt waren sie überwältigt: „Was hält Vater nur im alten Haus fest ...? Unbegreiflich ...!“
 
 
 
 
 

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„Freut euch - ich sehe ihn schon hier“, tröstete der Geisthüter, „er hat nur mehr Zeit nötig, als ihr es hattet!“ Dabei stiegen sie zusammen viele Stufen hinab in einen Raum, der unter dem Kellergewölbe lag. Ein Innenteich funkelte in seiner Mitte. Alle bückten sich und tranken von diesem Wasser. Das war, als hätten sie Licht zu sich genommen. Mutter fühlte sich von aller Last befreit, und die Kinder tollten durchs Haus und sangen:

„Papa, komm doch her ... Papa, du wirst glücklich sein ...!“

Nach wenigen Tagen stand der Vater plötzlich vor ihnen. Seine Freude überstieg die seiner Familie bei weitem. Die einsame Zeit in dem kranken Hause  hatte ihn zermürbt. Hier tankte er sich mit Energie voll und blühte wieder auf.
Die neuen Dinge waren so schön wie zweckmäßig. Sie erleichterten die Arbeit auf andere Art, wie es die Eltro-Geräte taten. Der Umgang mit ihnen machte Freude - die Dinge selbst schenkten Glück. Eltro-Geräte konnten keine Freude schenken. Vater war von ihnen abhängig gewesen, darum war‘s ihm so schwer geworden, sich davon zu trennen. Jetzt vergaß er sie irgendwann.

Das Wasser aus dem Innenteich ließ ihm keine Ruhe. Er brachte eine Probe zur Untersuchung fort. Der Beamte erkundigte sich, woher es stamme. Dann rief er aus: „Ich ziehe mit meiner Familie noch heute um! Diese Eltro-Kinkerlitzchen machen uns nicht gesund ... aber dieses Wasser ...!“ Vater hatte nichtmal gezuckt. Jetzt freute er sich: Es war richtig gewesen, hier her zu kommen!

Irgendwann kam er an seiner alten Wohngegend vorüber. Er fand kein einziges der Häuser wieder. Dort rauschte eine gewaltige Wildnis und unzählige Vögel sangen darin ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Der Kampf des Wissenschaftlers
 
 

Um nicht den letzten Halt zu verlieren, klammerten vom Plan-Konzept gefesselte Menschen sich an diesem fest. Was sich direkt vor ihren Augen abspielte, vermochten sie nicht zu bestreiten, konnten es aber auch nicht verstehen und darum nicht annehmen:

Ihre Kreativität war blockiert. Aus diesem Grunde war‘s ihnen unmöglich, sich auf die neue Entwicklung einzustellen. Sie reagierten im Rahmen ihrer  Programmierungen, untersuchten und erklärten auf die ihnen logisch erscheinende Weise.

Ein junger Biologe packte mit seiner Fachausrüstung auch seinen Lebensbedarf in die Maschine und flog in eine ehemalige Steinwüste. Dort fand er Rankengewächse, die in verschiedenen Abständen Saugnäpfe entwickelt hatten. Interessiert, versuchte er davon einen abzureißen. Dabei rissen zwei seiner Fingernägel ... ein Skalpell und zwei Spezialwerkzeuge zerbrachen. Er mußte mit Hilfe eines Radar-Ringbohrers ein Felsstück ausheben. Als er das in Scheiben geteilt hatte, stellte er fest:

Die Haftflächen dieser Saugnäpfe sonderten zersetzende Sekrete ab. Darunter bildete sich Nährboden, der den aus der Randschicht sprießenden Wurzeln Halt gab. Mit Hilfe des Pflanzensaftes drangen sie weiter in den Fels vor. Währenddessen entwickelte sich auf dem Napf eine Knospe. Seitlich darunter erschien ein sich gegenüberliegendes, fünflappiges Blattpaar - olivgrün, das von tiefroten Adern durchzogen wurde.

Der Forscher staunte. Er gestand sich ehrlich ein, wie tief seine Entdeckung ihn begeisterte. Mit Feuereifer machte er sich über diese Arbeit her: Beobachtete, untersuchte, analysierte, um dann alles zu registrieren und die ihm logisch erscheinenden Schlußfolgerungen zu ziehen. Parallel zeichnete er seine Beobachtungen über Klima- und Wetterverhältnisse auf.
 
 
 

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Es verblüffte ihn, daß selbst schwerste Stürme diese Ranken nicht abrissen - nicht einmal einzelne Blätter flogen davon. Überstieg die Windstärke die Zahl Sieben, rollten deren Lappen sich zu Röhrchen und wurden vom Sturm durchblasen, während die Knospen darunter geborgen waren.

„Raffiniert“, fand er, „hätte meine Erfindung sein können!“

Nach einem lange dauernden Sturm trat plötzliche Windstille ein. Wolkenfelder türmten sich auf und entluden sich in prasselnden Regenfällen. Im Sonnenlichte des folgenden Tages öffneten sich abertausende von duftend  irisierenden Blüten. Vor ihm breitete sich ein Sternenmeer aus, das sich leuchtend vom Dunkel des Laubes abhob.

Unser junger Freund stand fassungslos davor. Er konnte all das mit seiner Programmierung nicht in Einklang bringen, obgleich diese Herrlichkeit sein Bewußtsein erreicht hatte. Um zu sich selber zurückzufinden, stürzte er sich in rastlose Tätigkeit.

Aber dann packte er seine Arbeitsergebnisse zusammen,  bestieg die Maschine und reiste zum Uni-Staat zurück. In dessen Nüchternheit fand er sein Gleichgewicht wieder. Er lieferte die fertigen Arbeiten ab und durchleuchtete seine Präparate mit dem Elektronenmikroskop. Dabei packte ihn erneut Fassungslosigkeit. Was er sah, mußte sich um einen Irrtum handeln - sein Verstand weigerte sich, auch nur darüber nachzudenken! Angeekelt prüfte er die Bilder, welche unverkennbar Hirngespinste eines Phantasten zeigten - die schauten ihn mit Augen an ... unbeschreiblich! Und das bewegte sich, als lebe es in unendlichen Räumen. Dabei waren die Originale nicht stärker als der Bruchteil eines Millimeters.

Er schaltete das Gerät ab. Die Augen aber blieben durch die Dunkelheit hindurch mit seinen Blicken verbunden, und in seinem Gehirn tauchten Gedanken auf, die dort nichts zu suchen hatten!
 
 
 
 
 
 

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„Nein - das gibt es nicht ... das gibt es einfach nicht! Ich hab‘ zu viel gearbeitet und halluziniere ... Feierabend!“ Er legte den Schalter der Hauptsicherung um und rief einen Freund an. Bei ihm verbrachte er mit anderen Gästen zusammen einen herrlich vergnügten Abend. Von Halluzination und anderem Quatsch wurde hier nicht gesprochen. Er fühlte sich befreit und vergaß es.

Im Hotel fiel er sofort ins Bett; nicht einen Gedanken verschwendete er an die Aufnahmen. Aber er konnte nicht schlafen. Ihm war, als seien diese Augen unverwandt auf ihn gerichtet, und in seinem Hirn mahnte etwas: „Wehre dich nicht gegen die Wahrheit ... nimm unsere Botschaft an!“ Das machte ihn halb wahnsinnig. Er tippte die Nummer seines Freundes und riß ihn aus dem Schlaf. Der hörte schweigend zu und erkundigte sich dann: „Kannst du die Sterne am Himmel erkennen?“

„Ja, natürlich, aber was haben die mit diesen Bildern zu tun?“ „Alles!  Jede Erscheinung öffnet ein Tor ins Unendliche. Die Welt ist nicht, wie behauptet wird, am Rande des Meßbaren zu Ende, sondern die Wahrheit beginnt an dieser Stelle! Meßbares ist lediglich der Übergang in die Erkenntnis. ,Wahrheit‘ ist Wahrheit. Ob daran geglaubt wird oder nicht spielt keine Rolle ...! Freund, deine Zeit ist gekommen:

Deine Augen sind geöffnet und dein Gehirn empfängt ihre Botschaft! Wach auf, Mensch, vergeude nicht deine Kraft ...!“
„Du spinnst!“ brüllte unser Biologe und schlug auf die Stoptaste.

Er brach in der Sicherheit, alles sei dort wie bisher - zu seinen Steinhängen auf. Doch war in seinem Inneren etwas zerrissen - er kam mit sich selber nicht zurecht. Einmal hatte er von Meditation gehört. Er machte den Versuch und hockte sich nieder. Aber sein Verstand schlug Alarm. „Unmöglich ..., das war‘s auch nicht!“ Also stellte er weitere Schnitte her. Doch zu seinem grenzenlosen
 
 
 
 
 
 

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Entsetzen entdeckte er auch darin Augen ...! Was nun?

Dann zankte er mit sich selber: „Blöder Spinner, jede runde Zelle erscheint als ,Auge‘! Reiß dich zusammen - du läßt dich hängen! Dabei weißt du genau, was ,Sache‘ und was Einbildung ist ...! Jawohl Alter!“ Doch verstärkte seine Gardinenpredigt die Panik in ihm anstatt sein Gleichgewicht wieder herzustellen. So kam er nie weiter - er drehte sich im Kreis. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich in seiner Wissenschaft eingesperrt wie in einem zu engen Stiefelschaft. Stöhnend fragte er sich: „Was kann ich nur tun?“ und blickte angewidert innerlich flehend ins Mikroskop, um von weiteren Augen verschont zu bleiben.

Dann aber entdeckte er etwas total Unmögliches:

Ein winziges Körnchen - eigentlich unsichtbar aber absolut unübersehbar: Wie ein Stern am nächtlichen Himmel umgab eine Art Korona dieses ,Nichts‘!

„Ulkig ...?“ dachte er und zog seinen ,My-Isolator‘ aus dem Etui. Behutsam entfernte er seinen Fund aus dem Präparat.

Jetzt sah das Dingelchen noch unscheinbarer aus; doch war er unfähig, es fort zu pusten; Er drehte und wendete sein Instrument fasziniert hin und her und begriff sein Interesse an dieser Bagatelle nicht. Was sollte der Blödsinn ...?

Daß sein ganzes Entsetzen - seine Panik aus seinem Innern verschwunden war - daß ihn Ruhe erfaßt hatte - ja geradezu Frieden, bemerkte er nicht. Interessiert drehte und drehte er dieses Nichts in alle Richtungen ...

Plötzlich roch er daran. Dabei erfuhr er den härtesten Schlag seines Lebens. Doch begriff er sofort, daß es seinen Körper nicht getroffen hatte ...!

Und: „Ich habe diese Albernheit eingeatmet!“
 
 
 

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Der Wanderer
 
 

Immer wieder nahm er den Rhomboiden aus der Tasche in seine Hand. Bei jeder Berührung empfand er die gleiche Freude wie damals, als er sich zum erstenmal dieses Kleinods bewußt geworden war. Inzwischen war Frieden in sein Inneres eingekehrt - hatte voll und ganz von ihm Besitz ergriffen und war  zum Führer seines Lebens geworden. Das war‘s gewesen, was ihm der Hüter des Schlosses auf seinen Weg mitgegeben hatte.

Der Rhomboid war sein Verbindungsglied in jene Welt geworden, auf die er sich mit seinem Besuch des Schlosses im Stadtpark eingelassen hatte. In diesem Edelstein fühlte er die Gegenwart des Schloß-Hüters - seine beglückend, segensreiche Ausstrahlung.

Nun wanderte er durch Wiesen und Weiden dahin, zog an Feldrainen entlang, durchquerte Wälder und umrundete Sümpfe und Seen. Er schlief unter Felsüberhängen oder dem Sternenhimmel - manchmal auch im Schutze mächtiger Baumkronen, die ihn mit ihrer Aura umhüllten, wie der Neumond es mit seinem stillen Lichte tat. Zuweilen kehrte er auch in Scheunen oder schweigende Häuser ein, um sich für ein paar Tage auszuruhen. Auf allen Wegen und überall fühlte er sich auf unsichtbare Weise geborgen. Niemals empfand er die geringste Beunruhigung einer drohenden Gefahr.

Unterwegs begegnete er manchem Wanderer - gleich ihm. Sie gingen eine Zeitlang zusammen - vielleicht schweigend, vielleicht hatte er oder der andere Fragen oder auch etwas zu berichten und manchmal tauschten sie Erfahrungen aus.

Eines Abends fand er jemanden im Winkel eines halb verfallenen Gehöftes. Er hockte wie verloren dort und sah trostlos aus. Sein Gesicht steckte bleich zwischen den Schultern einer kleinen zusammengesunkenen Gestalt. Unter strähnigen Haaren zuckten Blicke aus unsteten Augen hier- und dorthin, immer bereit, Gefahren zu
 
 
 
 

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erspähen. Offensichtlich fror ihn - er hielt seinen Körper umschlungen, die winzigen Hände bebten kaum merklich, als fehle ihm die Kraft das eigene Ich festzuhalten.

Unser Freund hatte im Leben niemals eine überzeugendere Geste der Einsamkeit wahrgenommen. Er hatte ein Kind vor sich, dessen uraltes Gesicht Weltenleid spiegelte. Das löste Wehmut in ihm aus.

Wie erstarrt blickte der Kleine dem Ankömmling entgegen. Dieser griff in der Tasche nach seinem Kristall und fühlte sich von der machtvollen Strahlung erfaßt. Dabei gewahrte er, wie das Kind sich ein wenig entspannte. „Lebst du hier?“ erkundigte er sich.  Das Kind  nickte. „Allein?“ Wieder nickte es. „Aber du brauchst doch jemanden, der für dich sorgt? Wer tut denn das?“ Der andere schüttelte den Kopf. Der Fremde aber beobachtete, es war kein richtiges Kopfschütteln - das sah mehr so aus wie die Bewegung Neugeborener, die nach der Brustwarze der Mutter wittern. „Komm, setz dich zu mir,“ lud unser Freund den Jungen ein, lächelte ihm ermunternd zu und setzte sich mit langgestreckten Beinen entspannt gegen die Mauer. Wie auf dem Sprung, hockte sich der Kleine  seitlich vor ihm nieder, das Tor in erreichbarer Nähe. Seine Augen suchten wie pünktchen-artig die Augen seines Besuchers ..., zersetzendes Mißtrauen, Angst und einen winzig-übermächtigen Schimmer von Hoffnung verratend.

„Dieses Kind hat sich niemals verstanden gefühlt!“, wußte der Mann plötzlich. Das empfand er als Schmerz im eigenen Innern. Der Junge bewegte sich als wolle er fliehen. Dabei kam er aber seinem Besucher eine Winzigkeit näher.

„Seit wann lebst du denn hier?“ Die  Schultern des Kleinen zuckten erschreckt. „Weiß nicht - immer schon ...“ Der Staatsanwalt wollte widersprechen. Da rutschte der Rhomboid zwischen den Fingern 
 
 
 
 
 

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in den Taschengrund hinab.  Unser Freund nahm ihn wieder in die Hand und fragte leichthin: „Hättest du Lust, dir ein wunderschönes kleines Haus anzusehen?“

Die Augen des Kindes weiteten sich. Seiner Kehle entfloh ein unbestimmbarer Laut.  „Ach, einfach nur so - nur anschauen.“ beschwichtigte der Mann. Ihm schien, als schüttelte der Junge den Kopf, dabei gewahrte er, wie dieser Kopf in maßlosem Entsetzen allein wackelte, während - wie bei einem verhungernden Tiere, Hoffnung aus tiefsten Abgründen in die Kinderaugen gestiegen war. Beide erhoben sich und gingen schweigend in die Nacht.

„Mein Gott“, flehte der Mann, „hilf mir jetzt, das richtige Haus zu finden!“ Dabei drehte der Kristall in seiner Hand sich in eine neue Richtung.

Nun schritten sie still nebeneinander her. Ihr Schweigen war von Liebe erfüllt. Doch konnte das Kind das nicht ertragen. Das Band zerriß.

Jetzt sprach der Junge: „Sie ließen mich allen Dreck machen. Dafür haben sie mich verhauen. Dauernd meckerten sie  - haben gesagt: „Du lügst!“ dabei haben die selber gelogen. Keiner hat mir geglaubt ... du glaubst mir auch nicht ...“

„Doch - ich weiß, daß du die Wahrheit sagst!“

„Egal“, erklärte das Kind, als habe es nichts gehört, „wenn mir keiner glaubt, ist es besser, ich bin allein. Dann kann keiner sagen, ich lüge. Du kannst auch gehen, wenn du denkst, daß ich lüge ...“

Da wiederholte sein großer Gefährte zutiefst überzeugt:

„Ich weiß ..., du sprichst die Wahrheit!“

Im gleichen Augenblick tauchte das Haus vor ihnen auf: Wie rosenfarbenes Feuer glühten durch die Nacht kristalline Mauern. „Aber“, hauchte der Junge, „das ist ja mein Haus!“ Alle 

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Einsamkeit war von ihm abgefallen - er stand wie festgewurzelt - die Ruhelosigkeit seines Körpers war verstummt, seine Augen verströmten Freude. Tränen flossen über sein Gesicht und wuschen helle Wege in die Graunis seiner Haut. Die zarten Schultern wurden von heftigen Atemstößen bewegt.

„Wie kommt das Haus hier her?“ schrie er und stürzte davon. Niederfallend hockte er wie ein erlöster Prinz davor - selig atmend, als habe eben gerade sein Leben begonnen.

„Woher hast du das gewußt“? wollte er wissen, als sein Freund zu ihm trat ..., „jetzt weiß ich, du hast mir geglaubt! Oh, bin ich froh ... bin ich froh!“

Lange saßen sie schweigend. Das Kind hatte sich in die Arme seines Retters geschmiegt: Die Wirbelsäule gerade, den Kopf aufgerichtet, als trüge er eine Krone. Seine Hände lagen entspannt auf den Knien ... sie schauten beide mit leuchtenden Augen auf das Märchenschloß.

Irgendwann öffnete sich die Tür.  Vollkommen selbstverständlich ging der Junge hindurch.

Nachdem die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, leuchteten die Kristallformen auf. Das Haus ward von einer Aura blau schimmernden Lichtes umgeben.

Nun wußte unser Wanderer, sein Schützling hatte heimgefunden.

Eine Weile saß er noch und wollte dann weiterziehen. Dieser Junge war der Jüngste in seiner Familie und einer der Kleinsten unter den Kindern der Nachbarschaft. Er fühlte sich überflüssig und blickte neidvoll auf jeden der älteren. Er sehnte sich danach, auch etwas Besonderes zu sein. Darum bot er seinen Spielgefährten an, für sie Aufgaben zu übernehmen, die ihnen lästig waren.

Damals wurden alle schulpflichtigen Kinder systematisch mit Aufträgen 
 
 
 
 

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betraut, um sie auf‘s Leben vorzubereiten.

Was unser kleiner Freund als erstes verrichten durfte, gelang ihm so gut, daß er absolute Bewunderung und das Vertrauen der anderen gewann. Darum wurde er sehr schnell mit Pflichten überladen, denen er nur noch ungenügend gerecht werden konnte. Je weniger er aber seine Hilflosigkeit eingestand, desto eifriger riß er neue Aufträge an sich; er wollte unter keinen Umständen die Zuwendung seiner Gefährten verlieren.

Keines der Kinder - unser kleiner ,Packesel‘ schon gar nicht - gestanden den Erwachsenen ein, wer solchen ,Mist‘ verbrochen hatte. Seine Auftraggeber plagte auf zweifache Weise schlechtes Gewissen. Das kompensierten sie durch Wut auf diesen unfähigen Helfer  ..., der war schließlich selbst an allem schuld: „Muß dieser Blödkopp sich zu jeder Arbeit bereit erklären ...?“ Zwischendurch aber machte er seine Sache prima. Darum ließen sie sich trotz der Zweifel immer wieder aufeinander ein.

Eines Nachts gelangte der Junge in ein Äther-Haus. Der Licht-Hüter sprach verständnisvoll zu ihm, und er begriff, daß er die Hilfe der älteren Kinder nötig hatte - nicht umgekehrt. Plötzlich sah er ein: „Wenn ich groß bin, kann ich anderen helfen - ich bin aber noch klein!“ Er nahm sich fest vor, nur noch zu tun, was seine Eltern von ihm erbaten, nichts andres!

Beim Aufwachen aber hatte er außer seinem Besuch und dem Hüter alles vergessen; doch mußte er unbedingt vor den Kindern mit dem Äther-Haus prahlen.

Die waren wie elektrisiert und verlangten von ihm, sie hinzubringen, dann wollten sie alles andere vergessen und ihm verzeihen. So weit er sie aber herumführte - das Haus konnte er nicht finden. Da verdroschen sie ihn nach Strich und Faden und luden ihm mehr denn je ihre Lasten auf.
 
 
 
 
 

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Ihre Beschuldigung der Lüge verletzte ihn zutiefst; und als sein Vater ihn verprügelte, weil er mit einer gutgemeinten Reparatur ein unersetzbares Gerät endgültig aus dem Verkehr gezogen hatte, zerriß etwas in ihm - er zog sich völlig in sich selber zurück.

Seine Eltern konnten ihren geliebten ,kleinen Gerne-Groß‘ bis dahin mit Humor annehmen - dieses aber ging zu weit!

Da lief der Junge fort und entdeckte im Umkreis dieser Ruine leckere Wurzeln und reife Beeren und nistete sich hier ein. Er wollte von niemandem mehr etwas wissen - war auf keinen Menschen angewiesen ..., nicht einmal sein Geisthüter konnte ihn erreichen.

Darum führte der unsern Wanderer zu ihm, der, bevor er weiterziehen konnte, fest eingeschlafen war.

Kinder, die aus allen Richtungen angelaufen kamen, weckten ihn aus seinem Traum. Sie bewunderten das Äther-Haus, liefen ringsum und machten sich lautstark auf alles aufmerksam, was sie ,toll‘ fanden. Während sie durcheinander redeten und vor Freude Tänze und Ringkämpfe vollführten, öffnete sich die Tür ... der Junge stand darin und blickte sie triumphierend an.

„Mensch, Johannes“, brüllten seine Gefährten,  wo kommst du auf einmal wieder her ...?“ Sie umringten ihn und nahmen ihn nacheinander in ihre Arme. Statt zu antworten fragte der ,Drei-Käse-hoch‘: „Wollt ihr nun endlich mein Haus ankucken oder nicht?“ Das klang so energisch, daß einer nach dem andern sprachlos im Innern dieses Hauses verschwand.

Nachdem die Tür sich hinter dem letzten geschlossen hatte, wanderte der Mann weiter. Sein Herz war erfüllt von Dankbarkeit. Er war sicher: „Hier lernt Johannes alles Nötige ...!“
 
 
 
 
 
 

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Tiefen-Taucher
 

„Dieses Violette Wasser ist die köstlichste Köstlichkeit meines Lebens!“ stellte der WeBasABö-Generaldirektor mit vollkommener Überzeugung fest. Er tummelte sich wonnig unter- und auftauchend, wie ein Alk im Meer, um dann für lange Zeit in der tiefsten Tiefe zu verschwinden.

„Wie kann ich hier atmen“, fragte er sich, „eigentlich müßte ich längst ertrunken sein. Ist dieses Wasser nun Luft - oder ist die Luft Wasser ... und warum kann ich darin schwimmen, sollte es sich tatsächlich  um Luft handeln ...?“

Damit drehte er sich herum und stellte fest, daß er das Leben über sich bis in alle Einzelheiten beobachten konnte:

Phantastische Pflanzen wiegten sich in feierlichem Rhythmus vor und zurück ... vor und zurück. Wie aufgereihte Perlenketten trugen sie Blüten im Laubwerk ihrer Ranken, deren Blätter sich wie grün schillernde Schleierflossen bewegten.

Solche Farben hatte er niemals gesehen: Ihm schien, jede Blüte für sich sei ein lebendiges Wesen, das Töne summte, die das Wasser zum Vibrieren brachten.

Er begriff plötzlich, daß er ihren Gesprächen lauschte .... Ungemein vergnügten Gesprächen - sie erheiterten ihn genau wie die seines jüngsten Sohnes daheim, der auf ,Babynesisch‘ unverständliche Drolligkeiten von sich gab.

Dann kam etwas dahergeschwommen wie unzählige miteinander verbundene Trapeze, die einzeln oder büschelweise aus einem Ei hervorwuchsen. In jedem dieser Blättern gleichenden Gebilden, entdeckte er Augen, die aufmerksam in seine Augen schauten. Nach. einer Weile schlossen sie sich wieder. Waren sämtliche
 
 
 
 

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Augen hinter den Lidern verschwunden, löste sich das Ei und versank. Rings herum wimmelte es von solchen Eiern mit trapezförmigen Augenblättern und jedes Einzelne zog seine Blicke magnetisch auf sich. Er war vollkommen gefangen, beobachtete das Geschehen so gespannt wie niemals zuvor einen Kriminalfilm. Dabei fühlte er sich ungeheuer wichtig und spielte ,Das-Spiel‘ begeistert mit, ohne zu beachten, welchen Unmengen von Eieraugenblatt-Trapezen er Neugeburt ermöglicht hatte. Er war schließlich von dieser gebär-besessenen Lebensform so eingeschlossen, daß ihm selber keine Bewegungsfreiheit mehr blieb:

Über, unter, vor, hinter und rings um ihn herum, öffneten sich Augen, schauten ihn liebevoll an und schlossen sich, um ihren Platz andern Eiern zu  überlassen. Genervt, schloß auch er seine Augen - was zu viel ist, ist zu viel! Er bewegte heftig seine Glieder und verschaffte sich Bewegungsfreiheit. Dabei versuchte er blinzelnd herauszubekommen, ob der Spuk verschwunden sei. Sie aber umtanzten ihn lachend und bedankten sich, weil er sie so kraftvoll-befruchtend beobachtet hatte. Dann verschwanden sie voller Jux und Tollerei. Erleichtert stimmte unser Freund in ihre Heiterkeit ein und ließ sich von der Strömung wegtragen.

überall entdeckte er die verblüffendsten Lebensformen. Niemals in seinem Leben hatte er so viel Neues entdeckt - so viel Vergnügliches erfahren ... er platze fast vor Begeisterung. Dabei beobachtete er wie seine Lachtränen zu Glitzerfischchen sich wandelten, die schleunigst in der Tiefe des Meeres verschwanden.

Nixen tauchten in seinem Blickfeld auf:

Sie trugen herrliche Schleier-Gewänder in leuchtenden Farben.

Doch hätte er nicht sagen können, welche Farben sie trugen:

Er wußte nur, daß sie Licht verströmten ... herrliches, beglückendes Licht unbekannter Frequenzen. Ihre Gestalten verrieten
 
 
 
 
 

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verträumter Transparenz und sie bewegten sich in ihren Schleiern, als tanzten sie durchs Wasser. Dabei sprachen sie von den Neuigkeiten dieses Tages, als sei das alles ganz normal.

Als sie ihn entdeckten, sanken sie zu ihm herab, verharrten schwebend vor ihm und betrachteten ihn voller Interesse. Dann erkundigten sie sich: „Hast du die Welten-Baumkörnchen in den Paragraphenwald geworfen?“

„Was habe ich geworfen?“ - „Na, die Welten-Baumkörnchen!“ „ ,Welten-Baum‘ ist das eine von diesen Neuheiten hier überall?“ erkundigte sich unser Freund.

Voller Entzücken brachen die Nixen in Gelächter aus und schauten ihn an, als sei er das Wunder aller Wunder ringsum. „Was sind Menschen ahnungslos“, riefen sie aus ... „er weiß tatsächlich  überhaupt nichts!“ das ganze Wasser kräuselte sich von ihrem Lachen. „Komm mit und sieh!“ schlugen sie vor und liessen sich sinken.

Tiefer und tiefer hinab folgte er ihnen, bis das Sonnenlicht verschwunden war.

Violett erklingende Nacht umgab sie - tiefe Töne, die eine vollkommen neue Welt eröffneten.
Unaufhaltsam in grenzenlose Tiefen tauchend, brachten sie ihren Reiseweg hinter sich ..., einen sehr langen Reiseweg: „Zu Fuß über die Erde hätte ich mein ganzes Leben dafür gebraucht!“ stellte der Mann fest und genoß sein Erlebnis mit allen Sinnen.

Je tiefer sie sanken, desto mächtiger wurden die Farben. Schließlich erreichten sie Felsengebirge, aus dessen Gipfeln Quellen emporschossen. Der Grund unter ihnen aber war trocken, und glitzerte von Kristallen. Es fühlte sich an, als gingen sie über grobkörnigen Sand.

Hier entdeckte unser Freund, daß seine Begleiterinnen durchaus
 
 
 
 
 

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nicht mehr so zart waren, wie‘s ihm im Wasser erschienen war, ihre Transparenz war verschwunden. Hier glichen sie Frauen, die in Traumschleier gehüllt, überm Boden dahin schwebten.

Sie führten ihn in den untersten Abgrund einer Schlucht. Die Felswände schimmerten gleich violettem Glas, das von Strahlen des Neumonds durchflutet wurde.

Vor ihnen öffnete sich ein Portal in einen gewölbten Gang. An dessen Wänden zeigten sich unter anderem viele der Gebilde, die unser Freund im Violetten See entdeckt hatte: Auch hier war alles in Bewegung. Vollendete Gestalten gebaren neue Figuren, die sich weiterentwickelten, andere Farben und Formen hervorbrachten und erneut sich veränderten: blitzend, funkelnd, leuchtend, duftend und klingend. Fast erschien es ihm wie ein Geburtskanal.

Lange Zeit verstummt, staunte der Mann. Dann wollte er wissen:

„Ist das alles aus diesen Paragraphen entstanden?“ „Nein“, antwortete eine der Nixen, „wir haben den UR-Grund erreicht. Seit die Erde besteht, entwickelt sich in diesen Bildern, was auf ihrer Oberfläche zur Materieform wird. Du erkennst darin Gedanken und Ideen des Schöpfergeistes Der Erden-Mutter.  Sie durchlaufen alle Möglichkeiten, bis sie den Zustand erreicht haben, der für‘s äußere Leben notwendig ist!“ Schweigend ließ sie dem Mann Zeit, nachzudenken. Dann fuhr sie fort:

„Menschliche Schöpfung gelangt nicht in diese Tiefe. Meist endet sie im Violetten See und wandelt sich dort zur UR-Substanz, um dem Schöpfergeist als Energie wieder verfügbar zu sein. Die Paragraphen aber wurden von den Welten-Baumkörnchen ins Leben zurückgerufen. Darum konntest du auf der Erde ihre Umwandlung beobachten: Entfaltung, die von der Programmierung verhindert worden war, vollzog sich blitzgeschwind vor deinen Augen.
 
 
 
 
 
 

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„Gelebt haben die vorher auch“, warf der Generaldirektor ein, geradezu grauenvoll lebendig sind sie gewesen!“ Es schüttelte ihn im Gedanken daran. Die Nixe erwiderte: „Das war Leben ohne Liebe gewesen - Leben, was aus kaltem Intellekt im Totenreich angesiedelt worden war. Es zerstört nur, kann nicht aufbauen.“

Der WeBasABö-Leiter riß die Augen auf: „In meiner ganzen Dienstzeit waren mir diese Gedanken niemals gekommen ...“ Er versank grübelnd - für ihn war‘s wie eine Eisenbeton-Mauer. Plötzlich hatte er begriffen: „Natürlich, wir unterstanden dem Zwang der Zerstörung. Dann aber kam etwas Unbegreifliches dazwischen. Wir verließen uns auf die Macht der Paragraphen - aber dieses andere war übermächtig ...! Ein Glück ... ich war im Begriff, dem Paragraphen-Programm meine Seele zu opfern!“

Die Nixen beobachteten die Bilder. Sie überließen ihn sich selber. Er mußte die Wahrheit allein finden. Auf einmal schrie er gellend - in ihm war‘s, als wäre ein Kettenhemd zerrissen. Dann jubelte er auf. Ihm war klargeworden, was sich zugetragen hatte: Mit Eisenkrallen hatten die Paragraphen-Leichen versucht, seine Seele an sich zu reißen; doch verglühten sie in deren Licht! Genau dieses Seelenlicht ließ ihn dann die vermeintliche Ungezieferbrut finden und in den Paragraphenwald schleudern, statt zu tun, was ihm als dem obersten Leiter der ,WeBaSABö‘ angemessen gewesen ware ...

Das Licht anderer Seelen hatte überall auf der Erde weitere Vernichtung verhindert und statt dessen jene Entwicklung eingeleitet, welche die Erdenmutter und das Leben auf ihr genesen läßt. Soweit hatte unser Freund begriffen ...

„Was aber sind diese ,Welten-Baumkörnchen‘?“ wollte er wissen. „Komm und sieh!“ antworteten die Nixen und führten ihn durch‘s nächste Portal, als es sich vor ihnen öffnete ...
 
 
 
 
 

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Kristall-Konzerte
 

Auf seinem Weg erlebte der Wanderer an jedem Äther-Bau, wie von ihm ein ,Schalenteilchen‘ des alten Ich's  nach dem anderen abfiel. Sein Inneres erfüllte sich mit immer tiefer werdender Stille, die sein Bewußtsein dem Reichtum des Lichtes erschloß. Von Herzen froh, zog er dahin und genoß jede Stunde.

Auf allen Spielplätzen begegneten ihm Kinder und vertrauten ihm ihre Wunder-Geschichten an; Begebenheiten, die selbst zu jener Zeit noch, Erwachsene mit Vorbehalt zur Kenntnis nahmen. Viele von ihnen konnten die alte Welt nicht richtig, oft gar nicht, loslassen.

Seit eh und je gewahren Kinder mehr als Erwachsene: Sie wissen noch nichts von der vom Intellekt geprägten Welt. Kinderwelten sind allezeit mit Bereichen verbunden, die der Erwachsenen-Verstand nicht zulassen will - kann - darf: Die Reiche der Engel, Elementarwesen wie jener unzählig großen und kleinen Geister, welche immer radikaler aus den Märchen heraus-‘amputiert‘ sind.

Die mit Äther-Häusern verbundenen jungen Menschen, hatten zu allen unsichtbaren Geschöpfen lebendige Beziehungen: Heimliche Freunde, die ihnen halfen, den eigenen ,Himmel‘ zu erschaffen und Spiele zu erfinden, in deren Ablauf gestaute Spannung sich löste, gleich, wovon sie verursacht worden waren. Dabei entwickelten sie jene Liebe, welche jedes Erdengeschöpf von der Lichtwelt mitbekommt.
 

Unser Freund erfuhr von himmlisch-schönen Geschehnissen. Erwachsene erfahren so etwas  - wenn überhaut - nur in Träumen.

Das kindliche Vertrauen beglückte ihn.

Oft lebte er als Gast tagelang mit ihnen zusammen.

Sie besprachen alles mit ihm bis hin zu ihren Tagesproblemen.

Er konnte trösten und raten, gleich ob Schule, Familie oder Engel.
 
 
 
 

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Das verblüffte die junge Schar: ,So-einer‘ war ihnen niemals begegnet ... „Daß Du uns glaubst ...?“

Darum erzählte er ihnen seine eigene Geschichte und die Kinder lauschten mit leuchtenden Augen und glühenden Ohren atemlos ...

„Und der Rhomboid - was ist aus dem Rhomboiden geworden?“ Ihr Gast zog das Kleinod aus der Tasche und hob es ins Licht empor. Das funkelte wie Feuer - die Kinder brachen in Jubel aus. Sie kramten aus sämtlichen Geheimverstecken ihrer Kleidung kleine oder größere Kristalle hervor und stellten sich im Kreise auf. Dann erhoben sie ihre Schätze und hielten sie dicht bei dicht.

Jetzt stockte unserm großen Freund der Atem: Das hörte sich wie ein wahres Wunder an. In diesem Rund der von Kinderhänden gehaltenen Äther-Steinchen erklang betörende Musik - fröhlich-harmonisch, schwebend wie Schmetterlingsfarben an einem Sonnentag

Alle lauschten sie beglückt.

„Halte deinen mal dazu!“ bat eins der Mädels. Das tönte wie Himmels-Chor.

Lachend berichteten sie: „In der ersten Zeit hörte sich das wie Katzengeschrei an - wir haben uns halbtot gelacht. Es war so verblüffend, daß wir‘s immer wieder versucht haben. Über dem ganzen Jux vergaßen wir nach und nach unsere Wut und allen Frust und diesen ständigen Zank. Du mußt wissen, wir haben uns in der ersten Zeit pausenlos gefetzt. Jeder hatte jeden zum Feind. Unser Hüter brauchte uns nur ein einziges mal den Trick mit dem Steinchen-Kreis zu zeigen. Dann hat er nie wieder etwas gesagt. Irgendwann merkten wir, daß aus der Katzenmusik was fröhliches geworden war. Wir hatten angefangen, uns besser zu verstehen und konnten mehr und mehr über eigene Blödheiten lachen. Heute lieben wir alle uns richtig.

Dabei hat unser Hüter uns immer total angenommen - egal wie ...!
 
 
 

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Jetzt kommt immer schönere Musik dabei heraus - spannend, kann ich dir sagen!“

„Ich hab‘ mein Lebtag niemals etwas so Wundervolles gehört!“ gestand ihr großer Freund ein und hob den Rhomboiden noch einmal hoch. „Macht ihr mit?“

Lange lauschten sie unbeweglich hingegeben den Klängen. Plötzlich flüsterte der Wanderer: „Dort steht ein Engel!“

Die Kinder lachten voller Freude - Ihr Lichtbruder hatte ihren

Hüter gesehen! „Wir wußten, daß du echt bist!“ erklärten sie.

Danach trat für lange Zeit Stille ein.

Das tiefe Schweigen dieser kleinen Schar beeindruckte den Mann beinahe mehr, als  die Musik der Kristalle. Als die Sonne zu sinken begann,  verabschiedeten die Kinder sich und sausten voll Jux und Tollerei in alle Richtungen davon.

Er aber blieb noch lange auf dem Spielplatz - sah ins Leuchten des kleinen Hauses und entdeckte den Sternenschimmer in der Tiefe der Kristalle, als die letzte Dämmerung erloschen war.

Während der Mond über‘m Horizont aufstieg, erhob er sich und wanderte weiter bis er müde geworden, im Schutz eines dichten Gebüsches einschlief.

Sein Weg führte ihn zu unzähligen jungen Menschen, die mit Äther- Häusern verbunden waren. Alle berichteten sie von Frieden, Liebe und Befreiung. Das erfüllte sein Inneres mit Glück und machte seine Seele reich ...

Er aber schenkte seinen jungen Freunden im steigenden Maße die Gewißheit, daß ihr eingeschlagener Weg gut ist.

Das half ihnen, gegen alle Widerstände der Erwachsenen, MutterErde zu helfen, immer größere Kräfte zur Entfaltung zu bringen.
 
 
 
 
 
 
 

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Explosive Erkenntnis
 
 

Kehren wir zu unserm jungen Biologen zurück.

Im Verlauf seiner Untersuchungen hatte er eins jener Körnchen eingeatmet, die obgleich unsichtbar, zuweilen gesehen wurden. Er meinte, es stecke in der Nasenschleimhaut und ergab sich genußvoll seinem Niesanfall - einer regelrechten Explosion. Daß der Fund längst in seiner Blutbahn kreiste, hätte er mit vollkommener Überzeugung abgestritten.

Darum interpretierte er seinen plötzlichen Zustand verkehrt:

Er fühlte sich von keinerlei ,-schaft‘ mehr eingeengt ... weder ,Stiefel- noch Wissen-‘ 
Gar nichts begrenzte seine Freiheit mehr ... alles erschien ihm wie Offenbarung - unendliche Offenbarung. Die Zusammenhänge des Lebens breiteten sich vor seinen Augen auf neue Weise in absoluter Klarheit aus. Doch nicht nur den Augen:

Sein ganzes Bewußtsein wurde davon erfüllt und gleichzeitig wußte sich dieses mit den Zusammenhängen identisch - seltsam! Er geriet von einer Verwunderung ins nächste Erstaunen.  Das konnte er mit dem Verstand nicht mehr einordnen. Doch das schien jetzt unwesentlich ... unerklärlicher Weise hatte der Verstand für ihn seine primäre Bedeutung eingebüßt.

Mit liebevoller Bewunderung dachte er nun an jene Wesen, deren Augen ihn zuvor in Panik versetzt hatten. Jetzt verstand er nicht mehr, was ihm derart die Fassung rauben konnte, daß er Hals über Kopf die Flucht ergriffen hatte. Statt dessen begriff er: Nicht diese plötzlich fragwürdig gewordene Programmierung hatte sein Entsetzen verursacht, sondern die Tatsache, daß er vor Zeiten die Kraft jener Wesen zur eigenen Machtentfaltung benutzt hatte. Er unterdrückte damals Menschen mit Kräften, die er den Elementarwesen entzog.
 
 

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„Klar, ich habe mein saumäßig schlechtes Gewissen verdrängt!“ gestand er sich nun ein und während er darüber nachdachte, beobachtete er diese Geschöpfe:

Sie öffneten sich kosmischen Energien und leiteten sie in jedes Leben, auch in Menschen, obgleich diese nichts davon wußten - oder wissen wollten. Ihm wurde klar:

„Wie ich noch gestern und endlos davor ...!“
Begeistert verfolgte er ihre Hingabe. Nicht der modernste Konzepter arbeitete derart präzise: Im eigenen Innern konzentrierten sie unter geistiger Führung Grundelemente und gaben diese genau dosiert weiter. Eltroanlagen aber wurden von Menschen nach deren begrenztem Wissen mit für nötig erachteten Substanzen gefüttert, die sie programmgemäß weitergeben mußten. „Konzepter sind die ungeeignetsten ,Konkurrenten‘ ihrer astralen Kollegen, die  möglich sind!“ stellte unser Beobachter fest und erkannte: „Jetzt begreife ich Teile der Lebenswahrheit - wie konnte ich mir einbilden, Geheimnisse zu entschlüsseln, indem ich in feinste Scheibchen zerteilte Pflanzen mikroskopiere?“

Alte Vorstellungen verschwanden einfach und öffneten seine Augen der Wahrheit des Dahinterliegenden:

,Angst‘ ...: Eine Mißgestalt, grauenhaft anzusehen. Unwissend opferte ihr der Mensch in der Überzeugung unzähliges Leben, auf diese Weise verwirkliche er seine Persönlichkeit. Tatsächlich aber befriedigte er in deren vermeintlichem Schutz lediglich die eigenen Machtbedürfnisse und beschwichtigte zugleich seine verdrängten Lebensängste und deren Entsetzen.

Unser Freund begriff:

Der Mensch hatte inzwischen die eigene Angst materialisiert und auf den Thron Gottes erhoben ... hatte sich ihr unterworfen und betete sie als Die-Allmächtige an ...
 
 
 

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Die Göttin-Angst veranlaßte ihre Vasallen zu immer schwerwiegenderen Aktivitäten, und der Angst-süchtig gewordene Mensch erfand immer wirkungsvollere ,Waffen‘, bis er sich auf den Kampf gegen All-Eines-LEBEN einlassen konnte und nun dabei war, seine Große Erdenmutter zu zerstören.

Bereits der Frühzeit-Mensch hatte ohne Notwendigkeit getötet. Damit hatte er sich dem Tod  überantwortet und mußte diesen fürchten - ja hassen! Er hatte so einen Teufelskreis begründet, der unaufhaltsam rotierend, Opfer über Opfer verschlang

All das beobachtete der Erleuchtete wie einen Film und erfuhr es zugleich im eigenen Leibe: Durchlitt Qualen der Todesangst, während sein Übergeordnetes-Bewußtsein sachlich, wissenschaftlich genau die Vorgänge verfolgte:

Göttin-Angst erschien - Weltherrschaft verheißend - im Gewand der Souveränität: dem geheimen Idealbild menschlicher Tyrannen. Damit identifizierten sich Menschen-Massen und verstärkten dessen Macht. Göttin-Angst befahl, unterlegenes Leben gnadenlos bis zur Vernichtung auszubeuten - und der Mensch beutete aus ...!

Jedoch stellte unser Biologe fest:

Die Geistsubstanz des Vernichteten untergrub den Intellekt der Mörder. Jeder Verstoß gegen das Gesetz-des-LEBENS minderte das Begreifen der Konsequenz ihrer Vergehen. Der Mensch büßte die Fähigkeit ein, sich sinngemäß zu verhalten und ahnte nicht, daß er selber die Zerstörung der Konzepterketten verursacht hatte. Und - er erschuf - liebesunfähig, für eigene Zwecke Dinge, deren Bewußtsein nichts anderes als ,Selbst-Zweck‘ kennt. Derart Erschaffenes existiert in der Überzeugung, was ihm nicht dient oder ihm gar gefährlich vorkommt, vernichten zu müssen, denn es ist unfähig, die Notwendigkeit anderer Seinsformen anzuerkennen. Auch vom Jenseits aus, dient solches ausschließlich sich selber.
 
 
 
 

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Unser Freund beobachtete die Geistesmächte Übergeordneten Bewußtseins ausgerotteter Pflanzen- und Tierarten und jene, hingerichteter Menschen. Gemeinsam bildeten sie eine unermeßliche Macht. Das Übergeordnete Bewußtsein der zerstört in den Astralbereich katapultierten Konzepter und Netz-Ketten aber, hatte monströse Ausmaße gewonnen, denn als Erzeugnisse menschlichen Intellekts, besaßen sie nicht nur ein emotionsfrei ausgefeiltes Wissen, sondern auch das konzentrierte Machtpotential jener Menschen, deren Fähigkeiten die Konzepter sich zunutze gemacht hatten. Freigeworden von Materie-Bindung, bildete dieses gewaltige ,Heer‘ eine Bedrohung ... die Alte Welt hätte nicht die geringste Überlebenschance gehabt ...!

Als unser junger Biologe das erkannte, wäre er an seinem Entsetzen gestorben. Doch beschützte ihn das eingeatmete Welten-Baumkörnchen:  ,Atom-Kern‘ des Neuen Lebens, der in seinen Adern kreiste, und bewahrte seine Geisteskraft vor dem Zusammenbruch, indem er seine Augen der Macht des All-Geistes öffnete:

Im Hintergrund dieses Horrors, erkannte unser Freund die Auferstehung des Schöpfergeistes, welcher heilend, umwandelnd und weiterentwickelnd, sowohl die ,Göttin-Angst‘ in ihre Liebe aufnahm, als auch jene Gewalten, welche ,um ihrer selbst willen‘ zerstören zu müssen meinten, denn diese - nach ihrer Meinung - Todgeweihte Welt, hatte ihnen nicht nur den Dienst verweigert, sondern war auch aufs Schwerste bedrohlich geworden ...
 

Nachdem unser Biologe die Konsequenz des Wahrgenommenen begriffen hatte, vernahm er den
 
 

, S C H R E I ‘
 
 
 
 

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Welten-Baumkörnchen
 

„Und was sind Welten-Baumkörnchen?“ fragte der WeBaSABö-Chef die Nixen, die ihn durch das Innere der Erde führten. In diesem Moment öffnete sich das nächste Portal vor ihnen, durch welches sie eine Eingangshalle erreichten.

Der Mann war aufs Äußerste gespannt, als was sich diese geheimnisvollen Körnchen entpuppen würden ... er konnte sich darunter überhaupt nichts vorstellen.

Still niederhockend, überließen sich die drei Besucher der hier schwingenden Atmosphäre. Der Mann fühlte sich überwältigt, schaffte es kaum, sich darauf einzulassen und hielt seine Augen geschlossen, um den Kontakt mit sich nicht zu verlieren. Dann öffneten seine Augen sich ... etwas war anders geworden:

Die Wand vor ihnen hatte sich aufgelöst. Strahlendlichte Herrlichkeit eines Tempelgewölbes umgab sie. In dessen Mitte wuchs
- transparent - eine Pfahlwurzel durch den Altar hindurch, erhob sich in die Kuppel und verbreitete ringsum Zweige, die im Kuppelkristall phantastische Formen bildeten. Jedes Wurzelglied wurde durchflossen von Licht ... wie Musik ...? Oder war diese Musik das Licht ...?

O, dieses Geheimnis!

Der Mann konnte es nicht ergründen. Übermächtiges Staunen erfüllte ihn. Seine Augen waren weit geöffnet.

Die Nixen aber verneigten sich in tiefer Ehrfurcht. Als beantworte er deren Hingabe, entflammte der Altar. An seiner Glut meinte der Mann zu verbrennen und barg - zu Boden stürzend - sein Gesicht in den Händen.

„Fürchte dich nicht“, rief eine Stimme, „erhebe dich und schau den Welten-Baum ...

Da konnte er die Angst loslassen und sich dem Leuchten öffnen.
 

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Jetzt konnte er das Licht nicht nur ertragen- es schenkte ihm sogar Freude: Seine Zellen sangen die Lichtmusik mit! dabei wurde er ins Kuppelgewölbe empor gehoben. Er schwebte zwischen Wurzeln und Kristallen hindurch, als seien sie Traumgebilde, und erreichte einen mit Goldpartikelchen gefüllten Kanal, von dessen Strömen er weitergetragen wurde - höher und höher, bis er im Äthermantel der Erde eine Baumkrone erreichte, die den Planeten vollständig einhüllte. Was vor seinen Augen darin geschah, vergaß er. Doch im tiefsten Bewußtsein hinterließ es den verheißungsvollsten Traum seines Lebens: Das war, als schüfen Engel, Feen und Elfen gemeinsam ein Märchenreich.

Eines aber blieb seinem Tagesbewußtsein erhalten:

Platzend, gab eine ihm unbekannte Frucht ihre äußere Form anheim und schleuderte tausend- und abertausend winziger Körnchen, die - eigentlich unsichtbar - stäubchengleich durch Laub und Zweige hinabsanken und von der Erde angezogen wurden.

„Das also sind ,Welten-Baumkörnchen‘!“ wurde ihm klar, und er sah vor seinen Augen das Bild jener Eichelschale, deren Inhalt er zuvor für ,Ungeziefer-Brut‘ gehalten hatte.

Eine Erkenntnis nach der anderen erleuchtete sein Gehirn:

Er begriff all das unvorhergesehen-Unverständliche was sich ereignet hatte und noch immer in vollem Gange war:

Dieses allerorts aufbrechende Wachstum, dem nichts - absolut nichts Einhalt zu gebieten vermochte; die gegen jedes Programm erfolgenden Hilfen und Heilungen; dieses plötzlich erwachende Leben in den abgestorbenen Zonen der Erde ... bis hin zu jenen wahrhaft ,empörenden‘ Äther-Bauten. Alles-alles-alles verursachten diese geradezu lächerlich erscheinenden Samen, deren Macht die Weltherrscher-Macht beseitigte, wie ein Windhauch die Gerippe ausgedorrter Blätter ...
 
 
 
 

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Obgleich er klaren Bewußtseins die Umwandlung des Paragraphenwaldes mit angesehen hatte, konnte er dieses nicht fassen. Dann aber erwachte tiefe Ehrfurcht in ihm, loslassend ließ er sich durch die Landschaft der Baumkrone tragen. Vor ihm öffnete sich eine Knospe, wuchs ihm entgegen, verbarg das hinter ihr Liegende und wurde zum Tempelportal, durch das er ein Blütengewölbe erreichte: Herrlichkeit, die am Ende schmaler werdend, sich zum Gang zusammenzog. Der tragende Strom darin prickelte in jeder seiner Zellen; willig gab er sich dessen Energie hin.

Irgendwann fühlten seine Füße festen Boden und begannen zu gehen. Seine Augen betrachteten die Wunder der Neuen Welt, er lud sich damit auf, bis sein Inneres Paradies-an-sich geworden war. Nun hatte er den Ausgangspunkt seiner Wanderung durch den Paragraphenwald erreicht: Diesen Weg durch die menschlich erschaffenen Horror-Welten, die solch beseligende Veränderung erfuhren.

Auf irdische Weise begegnete ihm hier alles wieder:

Blütenbäume, Vögel und Schmetterlinge - wundersame Tiere ... Springbrunnenquellen, die ins Himmelsblau emporschossen und den Violetten See speisten, der sich inmitten blühender Wiesen ausbreitete. Darin verteilten sich die Hütten jener kleinen Menschlein, welche von der herrschenden Programm-Welt niemals registriert worden waren.

Während der Mann seine Blicke schweifen ließ, stellte er fest:

„Keine Behörde der Welt genehmigt jemals dieses für die Hütten verwendete Baumaterial ...!“

Augenblicklich verschwand jenes Ich, dessen Inneres Paradies an-sich gewesen - und der Oberste Leiter der WeBaSABö erwachte. Der begann, jedes Einzelne bis in die kleinste Einzelheit zu kontrollieren ... entdeckte jedoch nicht die geringste Unzulässigkeit, so sehr er auch prüfte. Alles war wie für die Ewigkeit 
 
 
 
 

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gefügt ... selbst das Einhalten sämtlicher Vorschriften hätte eine derartige Stabilität niemals erreicht.

Darüber mußte er nachdenken ... lange - abgrundtief ...

Plötzlich durchschoß ein Erkenntnisblitz sein Gehirn:

„Wahre Sicherheit wurzelt im Vollkommenen...! Unvollkommen hatten die Paragraphen ihre ,Scheinhaftigkeit‘ aufgeben müssen!“

Etwas in ihm explodierte und schleuderte den Chef der Welt-Bau-Sicherheits-Aufsichts-Behörde durch Sternenwelten in nächtliches Dunkel.
 

Er wurde in seinem Bett wach.

Zurückgefunden ins Tagesbewußtsein, fühlte er sich frei und vergnügt wie als Junge, wenn er Eichelschalen-Konzerte pfiff.

„Niemals im Leben war ich so ausgeschlafen!“ stellte er fest und rannte barfuß, im Schlafanzug in seine Bibliothek. Er riß einen Lexikon-Band aus dem Regal, blätterte ihn durch und stellte ihn an seinen Platz zurück. Sein Gesicht zeigte maßlose Verblüffung. Band um Band zog er - kreuz und quer hervor - blätterte, blätterte, blätterte - doch fand er nirgends, wonach er suchte. Schließlich atmete er durch und fragte:

„Wo sind die Paragraphen geblieben - hier gab es nichts, außer Paragraphen und wieder Paragraphen ...?“ Er begann noch einmal zu suchen, doch fand er immer wieder, was er erlebt hatte:

Die gesamte Neue Welt, auf‘s Wunderbarste mit allen technischen Rafinessen abgebildet.

„Niemals habe ich diesem ,unglaubwürdigen-GOTT‘ nur andeutungsweise vertraut. Trotzdem hat er meine Bitte so wunderbar erfüllt, wie ich niemals für möglich gehalten habe ...!“

Jubelnd warf er die Arme empor:

„Danke-danke-DANKE!“ brüllte er, und wurde vor Freude beinahe zerfetzt ...
 
 
 

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Plötzlich stand ein Engel vor ihm. Er schnappte nach Luft:

„Wie kommst du hier her ... mitten in meine Bibliothek?“ „Aus dir, mein Freund“, erwiderte der Strahlende, „ich bin deine Freude ...!“ Das überstieg bei Weitem alles Faßbare. Der Engel aber lachte: „Über Freude brauchst du doch nicht zu erschrecken. Du bist auf deinen Wegen ,sehend‘ geworden, darum nimmst du mich wahr. Jedes echte Gefühl gewinnt Gestalt, so hat deine Freude mich erschaffen. Bitte, erlaube mir, daß ich sie traurigen Menschen schenke ...!“

„Phantastisch“, brüllte der Mann, „einfach phantastisch alles ist Wahrheit geworden!“

Dann tobte er los - vollführte einen Tanz, wie als Kind im Garten seiner Großeltern, als er mit Erd-Männchen Eichen-Fest gefeiert hatte. Dabei überhörte er, wie die Tür sich öffnete.

„Was ist denn mit dir los, Vater?“ unterbrach ihn sein Jüngster. Der ungewöhnliche Lärm hatte ihn geweckt - er mußte unbedingt ergründen, was in der Bibliothek vor sich ging. Stumm staunend, starrte er seinen Vater eine ganze Weile an, ohne zu begreifen warum er sich wie ein Verrückter benahm. Doch gefiel ihm das auch ... einen solchen Papa hätte er nicht zu träumen gewagt.

Innehaltend, lachte Papa den Knirps so vergnügt an, daß dieser den Mund aufsperrte, bevor er mitzulachen wagte. Papa riß ihn in die Arme und drückte sein Söhnchen ans Herz. Dann ließ er sich mit ihm in den Sessel fallen, (der daraufhin seinen Dienst als ,Welt-Leiter-Thron‘ fristlos kündigte) und schlug ein Buch auf ...

Diese Märchenstunde behielt der Junge sein ganzes Leben lang beseligt im Gedächtnis ...

denn bisher war sein Vater seine unglückliche Liebe gewesen. Er hatte sich nach ihm gesehnt, ihn aber niemals erreichen können, 
 
 
 

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denn sein Vater arbeitete von früh bis in die Nacht hinein so intensiv, daß ihm für Liebe und Zuwendung zu seiner Familie keine Sekunde und keine Kraft übrig geblieben war.

Jetzt fühlte sich der Kleine von einer Riesenlast befreit:

Er saß auf Papas Schoß; in seine Wärme eingehüllt, fühlte er seinen Atem, während sie zusammen ein Bilderbuch nach dem anderen anschauten. Das Schönste aber war, was Vater von sich selber erzählte:

Wie er seinen dicken Bart rasiert, die Augenbrauen gefärbt und mit diesem komischen Karussell-Sitz durch die Luft gesaust war und - was er hinterher alles erlebt hatte.

Jetzt war der kleine Mann sicher:

seinen Papa konnte er niemals wieder verlieren ... war das schön ..!

Endlich getraute er sich, ihm einzugestehen:

„Unser Hüter aus dem Äther-Haus hat mir schon lange gesagt, du würdest es schaffen ...!

Aber jetzt, Papa, bring mir bei, wie du immer gepfiffen hast!“ Damit durchwühlte er eine seiner Taschen nach der anderen und zog schließlich ein Päckchen heraus, das er sehr sorgsam auswickelte.

Dann legte er ein leeres Eichelschälchen in Papas Hand ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Heimkehr
 

Den Rhomboiden in der Tasche, durchwanderte unser Freund im Verlauf vieler Jahre Provinzen und Länder. Er überschritt auf Äther- Brücken Abgründe, Schluchten und reißende Ströme und begeisterte sich immer aufs neue an der Leichtigkeit dieser Überführungen. Dann und wann versenkte er sich verharrend ins Innere seiner Seele. Sie offenbarte ihm Ebenen, die der Mensch erst im Reifezustand erreicht:

Lichtwelten, daraus die Erscheinungen verschwunden waren.

Überall traf er Engel.

Die Engel erlösten vergessene Schatten ... er aber war unterwegs, um seinen Materieweg zum Abschluß zu bringen. Doch inzwischen erkannte unser Wanderer das zutiefst Verborgene.

Oftmals gelangte er an Filigran-Türme. Wurde er - innehaltend - still, begriff die Botschaft ihrer Ornamente, durfte er den Turm besteigen. Von seiner Höhe aus erblickte er Landschaften, welche fernen Welten angehörten. Je mehr Überirdisches er erfuhr, desto größere Bescheidenheit erfaßte ihn, Freude schenkte ihm Reichtum und Liebe wandelte sich zur Kraft.

,Sehende‘ gewahrten die Sonne, die seine Menschen-Gestalt mit ihren Strahlen durchströmte.

Eines Tages jedoch, erwachte auf einem Turm in seinem Menschen-Ich übermächtige Sehnsucht. Am liebsten wäre er höher und höher hinaufgestiegen, um schwebend das Geschaute zu erreichen. Seine Füße aber geboten: „Gehe die Treppe nach unten. Dein Weg verläuft über die Straße!“ denn noch war die Schwere seiner Füße nicht erlöst. Unterwegs aber überwältigte ihn Müdigkeit. Er versuchte, die Füße mit seiner Sehnsucht aufzuladen, um ihnen zu helfen, ihre Schwere aufzugeben.

Dann ging er zurück. Er wollte den Turm wiederfinden.
 
 
 

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Seine Füße aber wanderten Schritt vor Schritt und als seine Gedanken still geworden waren, vergaß er den Turm.

Eines Nachts leuchtete aus der Ferne ein Licht zu ihm herüber.
Er folgte ihm bis zum Morgen und weiter bis Sonnenuntergang.
Tagsüber hatte er gerastet - ein wenig geschlafen und mit einem
Bruder zusammen ein Mahl eingenommen. Bis zum Kreuzweg waren
sie gemeinsam weiter gegangen - dann trennten sie sich.

Wieder wurde es Nacht. Noch immer leuchtete aus der Ferne das Licht, war aber deutlich heller geworden. Sein Herz fühlte sich von ihm gerufen - es hatte die Führung seiner Füße übernommen. Geruhsam schritt er dahin und streckte sich, als er müde war, in einer Mulde aus. Sein Schlaf war sanft, so - als verweile sein Geist hellwach in himmlischen Reichen, während sein Körper auf dem Boden schlummernd sich entspannte. Das empfand er als ,geborgene Seligkeit‘.  Daraus erwachte er, bevor seine Augen sich zu öffnen begannen. Über ihm wölbte sich sternendurchstrahltes Dunkel. Er suchte darin nach jenen Welten, die ihm auf Brücken und Türmen erschienen waren. Irgendwo dort - dachte er - müßten sie doch sein? Aber von hieraus konnte er sie  nicht entdecken. Er richtete sich auf. Über dem herüberleuchtenden Licht seiner Sehnsucht vergaß er‘s. Dieses war sein Weg! Er wußte, ihm hatte sein Herz sich anvertraut.

Plötzlich entdeckte er Land - fast wie eine Fata Morgana. „Eigenartig“, fand er, „es sieht aus wie Bergland am Meer mit Inseln, an deren Felsküsten die Wogen zerschellen. Gleichzeitig erkenne ich eine Baumkrone mit allem, was darinnen ist.“ Er betrachtete das Bild, bis es \erloschen war. „Jede Baumkrone wächst aus einer Wurzel ..., ich bin gespannt, wo ich diese entdecke!“ dachte er bei sich. Damit erhob er sich und strebte dem fernen Licht entgegen. Ihm war, es erweitere sich bei jedem Schritt
 
 
 
 
 
 

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und wandele sich mehr und mehr zum eigenen Lichte. Gegen Morgen erhob sich vor ihm eine mächtige Äther-Kathedrale.

„Ort der Heilung“, wußte der Wanderer, „ja - des Höchsten Heiligkeit erlöst Krankes ... es war ein Irrtum gewesen!“ 
Erhofftes ... seiner Gedanken Bedeutung - und das was früher gewesen, verstummte in ihm zur völligen Leere. Er hatte die Zeit vergessen.

Die nächsten drei Tage erschienen ihm als einziger Augenblick. Ein Portal öffnete sich ihm - voll Demut trat er hindurch und stand bewegungslos. Von Stille durchdrungen, vergaß er zu atmen - hörte sein Herz dröhnen - sein Blut in den Adern brausen, und fühlte sich dann - leise werdend - ins eigene Zentrum einkehren. Letzte Wichtigkeiten des ihm Erscheinenden überließen sich der alles umfassenden Liebe des Göttlichen Geistes:

In seinem ,Hier‘ fand er Unendlichkeit ... in seinem ,Jetzt‘ schwang Ewigkeit ... als ,Nichts-im-Alles‘ das ist, um sein Leben zu entfalten, erkannte er sich selbst.

Wieder hatten drei Tage, drei Nächte die Erdenzeit verlassen. Sein Weg erreichte die Mitte: Unter ihm lag wie eine Schale ein Boden ineinandergefügter Kristallelemente ... über ihm erhob sich eine Sternenkuppel, deren Licht den Raum durchstrahlte. Der Mann wußte: „Ich gehöre hier her - gleich was ich bin:
Kristallelement - Stern in der Kuppel oder Geist dieses Ortes - ich gehöre hier her!“ Er stand gelöst - bereit ... annehmend wie angenommen. Er wurde zur Schwingung im Raume - Schwingung des Raumes:
Lebendiges Leben - unbezwingbare Kraft voller Zärtlichkeit: Bei jedem Atemzug erwachten Blüten aus ihrem Knospenschlummer. Unbezwingbare Zärtlichkeit - Liebe die vergaß, was immer sie gewollt. -

Ein Lichtkristall wuchs aus der Mitte auf. Seine Strahlen trafen
 
 
 
 
 

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die Facetten ringsum und wurden spielend zurückgeworfen, um erneut empfangen zu werden.

Eins mit sich selbst und allem, erkannte der Mann, was damals im Innentempel des Schlosses geschehen war:
Als seine Finger in‘s Energiefeld des Sternes eingetaucht waren, vollzog sich zwischen diesem und seiner Energie ,Vermählung‘, daraus der Rhomboid entstand. Seine Vorstellung hatte ihm die Form verliehen. Der Vorgang selbst blieb davon unbeeinträchtigt. Darum konnte er den kreisenden Stern beobachten, den Stein aber vergessen. „Stimmt das, brauche ich dem Rhomboiden nur meine Vorstellungskraft zu entziehen und er ist wieder Licht!“ dachte unser Freund. Seine Finger umklammerten den Kristall. Ihm wurde mit einem Mal bewußt, wie tief er mit ihm verbunden gewesen war. Jetzt hatte ihn Angst gepackt - sein Körper zitterte: „Ich zerstöre meine Lebensenergie ...!“ Er versuchte, still zu werden. „Ja“, erkannte er, „seit ich den Kristall besitze, ist meine Energie mit der seinen identisch. Fast so, als habe sich meine Menschenkraft darin aufgelöst.

Seit damals habe ich über mein Herz nicht mehr nachgedacht ...!“

Jetzt erinnerte er die Auseinandersetzung, in deren Verlauf der ,Staatsanwalt‘ sich mit dem ,Ich‘ seines Herzens vermählte. „Das wurde erst mit dem Rhomboiden möglich. Seither lebe ich sozusagen als Ableger von dem im Mittelpunkt des Schloßtempels kreisenden Sternes ...!“

Sein Körper hatte die Angst überwunden. Er fühlte Stille in sich und war voller Vertrauen. „Wollen wir‘s wagen?“ fragte der Wanderer sich selbst. Sein Kopf nickte. Zugleich vollzog sich eine Veränderung, in deren Verlauf er in den Schloßtempel zurückfand. „Heimkehr ...!“ freute er sich und erlebte eine Glückseligkeit, die ihn bis in die äußerste Körperzelle erfüllte.
 
 
 
 
 
 

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In diesem Augenblick löste sich die Schwere des Rhomboiden auf, sein Licht kehrte in seinen Ursprung zurück.

Der Mann fühlte Schmerz und Erlösung zugleich. Wie niemals bisher, wurde er sich der Einheit seines Selbstes bewußt und begriff die Gespaltenheit, darin er gefangen gewesen war.

Plötzlich war er nicht mehr allein. Der Geisthüter des Schlosses hatte sich ihm zugesellt. Der Mann erkannte ihn beglückt und öffnete ihm sein Herz. Er fühlte die frei gewordenen Energieströme in sich kreisen - das Pulsieren all dessen, was er zuvor nicht einmal geahnt hatte.

Zunächst empfand er das als Beglückung. Dann aber fürchtete er, davon überwältigt zu werden und wollte ausweichen.

Der Hüter aber riet ihm: „Gehe auch du diesen Weg, den du dem Rhomboiden möglich gemacht hast!“

Unser Freund verstand sofort: Das war‘s, was er auf den Spitzen der Silber-Türme ersehnte - was die Schwere seine Füße aber verhindert hatte. Er atmete tief - bis in seine Füße und weiter bis in den Erdmittelpunkt hinab ein. Da ließen die Füße ihre Schwere los. Er sah seinen Leib unter sich: Von Goldschleiern umhüllt, erschien er überirdisch rein. Um ihn her erhob sich schützend die Schale des Tempelgrundes.

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die kreisende Sternenscheibe. Darunter gewahrte er seinen Körper und beobachtete, wie dieser sich mit der Erdenmutter vereinigte.

Ströme von Lichtfunken stiegen empor, fügten sich dem Sternentanz ein und erweiterten dessen Ausstrahlung.

Grenzenlos leicht geworden stieg er ... einst Wanderer ... davor Staatsanwalt ... die Treppe des Lichtes hinauf bis in den Zenit, wo die Stufen sich aufgelöst hatten - und weiter bis in die Baumkrone, die der Wanderer von den Silbertürmen aus gesehen hatte.
 
 
 
 
 

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Beseligt schaute er sich um:

„Ja, genauso habe ich es empfunden. Meine Augen aber konnten es nicht sehen“, stellte er fest, „oh, diese Welt ist ein Wunder!“ Märchen über Märchen erlebte er.

Irgendwann schien ihm, er habe unendlich viel Zeit: „ ... komisch, wohin ist die Zeit verschwunden ... sie ist mir völlig abhanden gekommen!“ stellte er fest und hatte es im gleichen Augenblick vergessen. Denn seine Augen entdeckten einen Elf, der auf einem, zwischen Blättern hindurchfallenden Sonnenstrahl schaukelte. Er lachte ... die quietschenden Spielplatz-Schaukeln fielen ihm ein.

Überall empfand er ,Baumkrone‘, das wonach er sich auf Filigran-Türmen gesehnt hatte. Dann dachte es in ihm: „Das kann nicht alles aus dem Äther kommen - wo wurzelt dieser Baum ...? Es muß eine Wurzel geben, anders ...“

Sinkend, genoß er die Leichtigkeit, mit der er das All durchschwebte  Das erschien ihm sanfter als Schmetterlings-Flug. So gelangte er in einen kristallinen Raum im Mittelpunkt der Erde, daraus sich weiß glühend die Welten-Baumwurzel erhob.

„Wurzel oder Krone ... das fühlt sich alles genauso an - mir scheint, die Erdmitte ist das All und das All ist die Erdmitte!“ Damit vertraute er sich einem Lichtstrahl an, der sich wie eine Straße durch die Erdsubstanz hindurch schlängelte. „Wenn sogar ich hier überall durchkomme, wieviel leichter muß das für Lichtstrahlen sein ...!“ Wieder war‘s eine neue Erfahrung - das machte Spaß. Diese ,Straße‘ durchquerte Räume von atemberaubender Eigenart, und allenthalben entdeckte er Leben, welches Liebe verströmte. „Ja“, stellte er fest, „Liebe und Einheit sind untrennbar!“

Plötzlich fielen alle seine Vorstellungen von ihm ab und er begriff: „Ich brauche nicht weiter zu suchen ... ICH BIN daheim!“

Das erfuhr er als sein großes Wunder ...
 
 
 

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Neubeginn
 
 

Nachdem der Paragraphen-Wald ein Zauberreich geworden war, hatte der ,WeBaSABö‘-Chef entdeckt, daß sich sämtliche Rechts-Paragraphen in seiner Bibliothek zu tausenden von Märchen gewandelt hatten. Er zog die Konsequenz und berief einen Kongreß aller ,WeBaSABö‘-Dienststellenleiter ein. Sicherheitshalber beauftragte er seinen Sekretär, jeden Teilnehmer zu bitten, aus seiner privaten Rechts-Paragraphen-Sammlung ein Exemplar mitzubringen

- anscheinend hätten sich neue Perspektiven ergeben.

Am festgesetzten Tage griff der höchste Chef vergeblich nach seiner Amtsuniform. Er durchsuchte seine Schränke und ließ dann die Familie mitsuchen. Sie durchwühlten alles, wo Kleidung sich verstecken konnte - doch das würdeverleihende Gewand blieb unauffindbar. Eingedenk des weltweiten Konzeptersterbens entschloß der Chef sich schweren Herzens, sein Eltro-Gerät zu befragen. Er schaltete es ein und setzte die Informationen.

Die Scheibe leuchtete normal auf. Bald aber schossen Blitze kreuz und quer übers Anzeige-Feld. Der Chef versuchte das Gerät zu justieren - das Kreuzfeuer jedoch verstärkte sich, wurde zu Strichen und Schlieren, die Panik signalisierten.

Dann schien die Scheibe in Tränen auszubrechen: Ganze Bäche ergossen sich über den Tisch, tropften zu Boden und bildeten ein interessantes Muster erstarrter Perlen, welche dem Teppich ein geradezu einmaliges Gepräge verliehen.

„Danke, ich verstehe!“ sagte der Mann, der auf Eichelschalen zu pfeifen verstand und schaltete den Strom ab. Er entnahm seiner Garderobe die weiße Stola mit den silbernen Ornamentkanten und blauen Fransen und hüllte sich darin ein.

In der Kongreßhalle war jeder Platz besetzt. Niemals war es vorgekommen, daß sämtlichen Einladungen Folge geleistet worden war.
 
 

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Dieses Mal aber waren sie vollzählig erschienen - und ... niemals hatte ein Kongreßteilnehmer diese Halle anders als schwarz gekleidet betreten! Nachdem die Anwesenden begriffen hatten, welche Persönlichkeit sich in dieser ,Kostümierung‘ hierher gewagt hatte, erlitten sie beinahe einen Schock. Peinliches Schweigen trat ein.

Dieser ,Hauptdarsteller‘ unterbrach es - nicht etwa mit einer Entschuldigung für seinen Aufzug oder auch nur Worten, die ihre Daseinsberechtigung neu fundiert hätten ..., im Gegenteil:

Mit ungewohnt sanfter Stimme bat er den Saaldiener, die Sammelanlage einzuschalten, der die Anwesenden freundlicher Weise die erbetenen Lexika-Bände  übergeben mögen.

Die Anlage schnurrte, die Bänder liefen, die Spannung in der Halle sprach ,Bände‘ ...,  an Buchbänden aber sammelte sie nicht einen einzigen ein.

„Nanu“, überlegte der ,WeBaSABö‘-Leiter laut, „sollte mein Sekretär vergessen haben, meine Bitte den Einladungen beizufügen?“

Die Spannung schnellte in unerträgliche Höhen empor. Ein älterer Herr erlitt einen Herzanfall und mußte die Halle verlassen. Die Klimaanlage lief auf Hochtouren, um der sich steigernden Nikotinschwaden Herr zu werden.

Jemand fing zu schreien an: „Ich halte das nicht aus ... ich werde wahnsinnig!“ Er kreischte - andere kreischten mit. Etliche der Anwesenden hielten sich die Ohren zu.

Panik brach aus. Mehrere Teilnehmer kollabierten und wurden in die Sani-Abteilung abtransportiert. Ärzte injizierten im Akkord Beruhigungsmittel. Ihr Team wurde verdreifacht und mußte dann verfünffacht werden. Langsam trat eine gewisse Beruhigung ein. Einer nach dem anderen erstattete Bericht über seine Entdeckungen: Weder in eigenen- noch Stadt- oder Landesbibliotheken, vom
 
 

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Buchhandel oder Antiquariaten ganz zu schweigen ..., fand sich auch nur ein einziger Band, darin Gesetzes-Paragraphen zu finden gewesen wären. Diese Art literarischer Erzeugnisse schien wie vom Erdboden verschluckt.

Jeder dieser vergeblichen Sucher war von blassem Entsetzen gepackt worden: „Wie - um Himmelswillen, sollte die Gesellschaftsordnung künftig aufrechterhalten werden ...?“

Ohne ,Paragraphen-Korsett‘ war‘s unumgänglich, daß Unvorhersehbares die Menschheit vernichtet!

Hilflosigkeit breitete sich aus. Wer sollte einer derartigen Situation gerecht werden ...?

Tausend unlösbare Fragen preßten Teilnehmerkehlen zusammen. Das Ärzteteam erbrachte inzwischen wieder Höchstleistungen - niemand erinnerte eine Konferenz von derart bedrohlichem Verlauf.

Es erschien als wahres Wunder, daß bisher keine Todesfälle eingetreten waren.

Der einzig Unerschütterliche blieb dieser ,Typ-in-Weiß‘. Er schaltete schließlich gegen seine Gewohnheit die Repro-Anlage persönlich ein. Daß er sich zuvor mit dem dazugehörenden Elemental liebevoll verbunden hatte, war niemandem aufgefallen.

Nachdem es im Raume stillgeworden war, begann eine ,Märchen- Stunde‘. Doch wagten es nur wenige, sich offen darauf einzulassen - wußte doch jeder, was jetzt folgen mußte.

Bis zum Moment, da der Bericht verstummte und der Bildschirm weiß wurde, hatten die Versammelten unterschiedlich reagiert. Jetzt aber starrten alle gespannt auf das Gerät:

Eine menschenähnliche Gestalt kletterte umständlich daraus hervor und erklärte mit der bis eben begleitenden Sprecher-Stimme:

„Verehrte Herrschaften, ich danke Ihnen für die freundliche Aufmerksamkeit und finde, das Gezeigte reicht aus. Ich freue mich,
 
 
 
 
 

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Ihnen versichern zu können: Dieses war die erste Darbietung des vor Ihnen installierten Gerätes, die meine vollkommene Billigung gefunden hat! Ich gestehe offen meine absolute Begeisterung ein. Jetzt aber will ich mir das alles in ,Natura‘ ansehen. Darum ziehe ich mich zurück, nachdem ich Ihnen viel Vergnügen und besten Erfolg gewünscht habe ...“

Er  wendete sich dem Gerät wieder zu und kletterte durch die Mattscheibe zurück. Dann war er im Hintergrund verschwunden.

Auch diese Anlage war danach unbenutzbar geworden - kein Wunder!

„Ich brauche das nicht zu kommentieren“, erklärte der Chef, „Sie wissen, worum sich‘s handelt. Auch ich habe beschlossen, mich meinem künftigen Wirkungsfeld in der Natur zuzuwenden, darum stelle ich meinen Leiterposten meinem Nachfolger zur Verfügung.“

Diese Mitteilung unseres Freundes löste tiefe Resignation aus. Es schien, als fühle sich jeder einzelne persönlich schuldig als habe er diese Katastrophe ausgelöst.

„Aber meine verehrten Kolleginnen und Kollegen“, rief der Vorsitzende aus, „Was für eine wundervolle Welt hat sich da eröffnet und breitet sich stündlich weiter vor unsern Augen aus Dann erzählte er seine Erlebnisse - beginnend mit der Rasur und der ,Karussell-Reise‘ bis hin zur Entdeckung der verschwundenen Paragraphen in seiner Bibliothek.

Abschließend versicherte er, wie grenzenlos erleichtert er nun ist, seit er der Verpflichtung enthoben sei, die Erde unter der Regie von Gespenstern zu vernichten.

Nachdem er geendet hatte, grübelten die Anwesenden schweigend.

Sie konnten sich nicht darüber klar werden, wie weit sie die Pflicht hatten, diesen offensichtlich Verirrten in eine Heilanstalt einweisen zu lassen. Doch letztendlich - beruhigten sie sich - waren die anwesenden Ärzte für derartiges zuständig. Oder
 
 
 
 
 

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sollten sie sich etwa mit ihm solidarisch erklären und sich auf die Konsequenzen dieser fragwürdigen Erscheinungen einlassen ...?

Der weißgekleidete Mann am Podium empfand den stummen Kampf seiner Mitarbeiter und wünschte sich:

„Könnte ich ihnen die Freude meines Engels vermitteln!“  Augenblicklich entspannte sich die Atmosphäre. „Danke“, dachte er, „ich danke Dir sehr!“ Dann richtete er seine Blicke wieder auf die Teilnehmer: „Ich weiß nicht was Sie, mein verehrtes Kollegium, entscheiden wollen, darum schlage ich Neuwahlen vor!“

Niemand meldete sich zu Wort. Stattdessen erhob sich hier jemand und dort ein anderer - dann mehrere - und immer mehr. Schließlich verschwanden ganze Gruppen durch die Tür, um niemals wieder zurückzukehren. Wie weit sie die Freude des Engels annehmen konnten, wissen nur sie selber und der Engel.

Nachdem die Tür sich hinter dem letzten Teilnehmer geschlossen hatte, diktierte der Leiter dem Protokollführer:

„Mangels Kandidaten/Wählern entfällt Neuwahl. Kraft meines Amtes als Leiter der Welt~Bausicherheits-Aufsichts-Behörde - (WeBaSABö) Eintrag vom ..., Nummer ..... , Datum ..... , schließe ich diese Company, und lege mein Amt mit sofortiger Wirkung nieder!“

Auch er erhob sich und verließ federnden Schritts den Palast. Alles Geschehen hinter sich lassend, stieg er einhundertzweiundfünfzig Treppen je fünfundzwanzig Stufen zu Fuß hinab. Anschließend wanderte er mit seiner Familie aus der Stadt ins weite Land hinaus, um sich den neuen Aufgaben des Erdenlebens zu stellen.

Auch dieses Gebäude fiel der Auflösung anheim. Ein herrlicher Wildpark mit machtvollen Bäumen entstand. In seinem Zentrum wuchs eines Nachts eine der prachtvollsten Äther-Kathedralen empor, darin ungezählte  Menschen Heilung und Weisung fanden ...
 
 
 
 

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Des Lebens Macht . . .  ,Diener des LEBENS'
 
 

,Energie‘ ist Geistsubstanz ... auch die jeder Materie. Sie durchfließt in jeder ihrer Formen die Einheit des Seins, um den ,Welten-Hunger‘ zu verhindern.

Wird sie aber von einem ,Hamster‘ beansprucht, ist sie gefesselt und hält zugleich jenen fest, der meint, Nutznießer dieses ,Schatzes‘ zu sein. Gestaute Energie verursacht Mißachtung, Überproduktion, Unersättlichkeit und verschiedenartige ,Umwelt-Verschmutzung‘. Die Grenzen materie-gebundener Mächte in allen Erscheinungsformen zieht mit ihren intellektuellen Programmen geistige Weisheit auf‘s Niveau der eigenen Entwicklung herab.

,Geist-an-sich‘ aber ist Hüter seiner selbst. Er schwingt in - und über allem Gebundenen im Raume des Unendlichen und besitzt die Weisheit ,Ewigen-Jetztes‘, welche sich aller Entwicklungsstufen des Materiereiches bewußt ist. Darum ist Menschen-Ermessen nicht fähig, den Geist zu beeinträchtigen, welcher seit Urbeginn seine Energie materialisiert und deren Formen aufrechterhält, bis sich die ihnen innewohnenden Möglichkeiten entfaltet haben. In diesem Prozeß wandelt sich die Materie zur Weisheit des Geistes; sie kehrt so zu ihrem Ursprung zurück.

Jede Form des ,Hamsterns‘ endet in einem Teufelskreis:

Steigend verzehrt sinnlos Gebundenes größere Kräfte als es einbringt; egal ob auf materieller oder geistiger Ebene.

Jede Energie-Form - auch Materie - besitzt Eigenbewußtsein, untersteht der Einheit und entfaltet sich solange sie frei ist.

Der Hamster aber entzieht der Einheit mit seinem ,Besitz‘ sich selbst und schafft ein anwachsendes Vakuum, dessen Verbindung zum LEBEN er durchtrennt hat. So dient er unwissend und unbeabsichtigt als dessen ,Pol‘ dem Welten-Hunger ... anstatt seiner ,Großen-Mutter-Erde‘, die der Einheit angehört - zu dienen.
 
 
 

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Wer das begriffen hatte, wurde ihr ,Partner‘ und entwickelte die Fähigkeit, ihre Botschaft mit seinem Innern zu empfangen.

„ICH, Erdenmutter, BIN Schweigen - während des ALL-EINEN Blitz Energie in meinem Leibe explodieren läßt, die sich

im Tempel meiner Schöpferkraft zu Formen fügt.

ICH, Erdenmutter, BIN Schweigen, während Formen zur Gestalt erwachen,

- jede nach ihrem Plan ... ihrer Kraft ... um der Liebe ALL-EINEN LEBENS Ausdruck zu verleihen.

ICH, Erdenmutter, BIN Schweigen, während tausendfach Gestalten ihr eigenes Leben beginnen: Sich auf mir entfaltend, ihre Möglichkeiten finden, um ihren Geist mit mir - und mich, Erdenmutter - ihrem Geiste zu vermählen.

ICH, Erdenmutter, BIN Schweigen meines Tempels Schöpferkraft, darinnen alles Sein im Wandel der Zeiten schweigend versinkt - damit - was in mir als Blitz begonnen ..., ewiges Leben gewinne.

ICH, Erdenmutter, BIN Schweigen ... meine Wandlung vollzieht sich in der Äonen Verlauf und führt mich heim ins

VATER-MUTTER-SEIN ALL-EINEN LEBENS ...

ICH, Erdenmutter, BIN ... lichtgeworden - Schweigen:

EWIGES JETZT, um im ,Nichts‘ des Unendlichen neu zu erwachen.

ICH ... Erdenmutter ... BIN SCHWEIGEN ...“
 
 

Menschen fanden ins Schweigen - gaben sich der Großen Mutter hin, wie die Große Mutter sich ihnen hingegeben hatte: Tragend - schützend-nährend, um am Ende ihre Körper wieder in sich aufzunehmen. Sie wurden mit der Erde zur Einheit. Dabei vollzog sich für jeden von ihnen Einheit mit allem Erdenleben:

Der Mensch fand sich im Steine wieder - im Tier - im Baume - nichts stand außerhalb ... nicht Wasser - Luft und Feuer ... 
Er hatte Frieden mit sich und allem Sein geschlossen ...
 
 
 

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Außenseiter
 
 

Der Premier des WRK verzweifelte allmählich. Sein führender Kollege der ,WeBaSABö‘ hatte nicht nur eigenmächtig seinen Posten verlassen, sondern auch das ihm unterstellte Behörden-Netz aufgelöst. Zusätzlich war auf mysteriöse Weise das gespeicherte Paragraphen-Register nicht nur aus der Konzepter-Bibliothek-Zentrale, sondern vom Erdboden überhaupt verschwunden ...? 
Wesentlichste Pfeiler des Weltstaates waren vernichtet worden! Nun sah er sich gegen seine Überzeugung gezwungen, Schließungsanträge noch bestehender Bauämter zu bewilligen: Scharenweise verließen Beamte ihre Posten. Selbst großzügigst bemessene Warte-Prämien lockten sie nicht mehr sich weiterhin arbeitslos an ihren Schreibtischen zu langweilen.

Inzwischen war offenkundig geworden: In Äther-Häusern begannen Menschen neu zu leben, gleich, was sie gelernt hatten. Alle fanden ihr gesichertes Auskommen, inneren Frieden und Lebensfreude, sobald sie auf Geld und staatliche Sicherheit verzichtet hatten. Das alles hatte für Äther-Haus-Bewohner seine Bedeutung verloren. Ihre Berufsverpflichtungen waren sinnlos geworden ... sie waren frei  ..., absolute Herrscher ihres eigenen Lebensweges.

Vertreter der Macht - Realisten - lehnten derartiges strikt ab und suchten fieberhaft, die hergebrachte Lebensform zu retten. Eine Chance meinten sie in der Herstellung von Baustoffen zu erkennen, die die Qualität von Äther-Steinen überstieg. Fachlich gesehen, müßte es möglich sein: Die Entwicklung der Labortechnik hatte Fortschritte gemacht - nichts gab es mehr, was sich ihren Untersuchungsmethoden  entziehen konnte!

Sie brauchten Äther-Steine lediglich zu analysieren. Alles Weitere ergäbe sich von selbst. Doch suchten sie vergeblich:

Äther-Steine ließen sich nicht finden ...!
 
 
 

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Wieder einmal suchten sie Unterstützung von ,Minderbemittelten‘. Dieser Begriff aber war zusammen mit ,Paragraph‘ aus dem offiziellen Wortregister gelöscht worden: Niemand meldete sich.

Da sprachen sie mit diesen ,Landstreichern‘: „Brauchen Sie kein Geld?“ Sie stießen auf mehr oder weniger großes Erstaunen:

„Bitte was ...?“

„Na, Geld! besitzen Sie ausreichend Geld?“

„Ich verstehe Sie nicht ... wovon reden Sie?“ Nachdem der Frager sich gefaßt hatte, rief er aus. „Sie wollen mich wohl verulken? Sie können doch nicht behaupten, daß Sie mich nicht verstehen! Womit bezahlen Sie denn ihr Mittagessen ...?“ Der Landstreicher starrte ihn wortlos an ... ein einziges Fragezeichen. „Was, zum Teufel essen Sie, wenn Sie Hunger haben?“
„Ach soooh ..., das gibt es doch überall ...!“ 
„In Wirtshäusern?“
„Wovon reden Sie immerzu ...? ,Wirtshäuser‘ ... Ich esse was ich finde: Früchte - Blätter - Nüsse ... und“, sein Blick leuchtete auf, „Pilze ... probieren Sie mal - ausgezeichnet, kann ich Ihnen versichern ...!“

Die Frage nach ,Äther-Steinen‘ beantwortete niemand - offensichtlich wurde sie noch weniger verstanden als die nach ,Geld‘. Was war das für ein Irrsinn: Wie konnte es in der heutigen Zeit Menschen geben, die davon keine Ahnung besaßen ...? Und warum wußte niemand etwas von Äther-Steinen, da die Welt doch mit diesem Zeugs allmählich zugebaut wurde? Es war, um aus der Haut zu fahren . ..! Fast hätten sie aufgegeben.

Da begegnete ihnen eine Frau, die vorgestern ihren Mann verloren hatte. Sie gehörte zur ,Alten Zeit‘, während ihr Mann mit einem Äther-Tempel verbunden gewesen war. Sie erinnerte, in seinen Händen öfter einen solchen Stein gesehen zu haben. Doch war sie
 
 
 
 
 
 

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sicher, er sei mit ihm verbrannt.

„Das kann nicht sein, solche Steine verbrennen nicht!“

Als sie wieder allein waren, fragte der Begleiter: „Was schlägst Du vor?“

„Wir öffnen die Urne  ..., ich habe die Nummer der Grabstelle notiert ...!“ Aber sie fanden nichts als Asche.

Plötzlich hatte einer von ihnen eine glänzende Idee: Sie eröffneten ein Beerdigungsinstitut.

Sie verhielten sich absolut seriös, betreuten die Hinterbliebenen umsichtig - besorgten taktvoll alles Notwendige und bezahlten für jeden Nachlaß die angemessenen Preise. Nicht ein einziger Kunde fand Veranlassung zu Klagen.

Aber sie entdeckten bei diesem Geschäft nicht einen Äther-Stein, auch wenn der Verschiedene einer dieser komischen Neu-Zeit-Spinner gewesen war. Irgendwann gaben sie das Unternehmen auf.

Eines Tages meldete sich ein Mann bei ihnen und bot garantiert echte Äther-Steine an. Die kosteten ein Vermögen, entpuppten sich aber bei der ersten Untersuchung als Fälschung. Um den Verlust auszugleichen, verkauften sie der Konkurrenz die Reststücke zum vielfachen Preis.

Das wurde für längere Zeit zum Gesellschaftsspiel:

Immer raffiniertere Nachbildungen tauchten auf, deren wahre Herkunft sich immer schwerer feststellen ließ.

Wieder einmal schloß ein findiger Geschäftsmann:

„Wenn unsere unseriöse Konkurrenz es schafft, solches Material zu produzieren, schaffen wir das auch!“

Er setzte sich nachts auf einen verlassenen Spielplatz neben das

Äther-Haus und versuchte, Gefühl für diesen Baustoff zu entwickeln. 
Je länger er damit verbunden war, desto erstrebenswerter 
schien ihm dessen Herstellung. Er funkte nach seinem Mitarbeiter,
 
 
 
 

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der für Meßtechnik zuständig war.

Zunächst nahmen sie die Einzelelemente vor. Aber am ganzen Bauwerk 
fanden sie nicht zwei übereinstimmende Steinchen.
 „Wie kann sowas nur konstruiert werden ...? Das müßte alles krumm und schief sein - wer, zum Kuckuck, hat das gezeichnet ... ?“ Schließlich schlossen sie den Frequenz-Zähler an. Im Sekundenbruchteil schoß die Digitalanzeige weit übers Maximum hinaus und erlosch. Der Chef ärgerte sich: „Nach den Millionen Konzepter-Erfahrungen, hätten wir das an einem halben Finger ausrechnen können ... so‘n Mist!“

Sie diskutierten die ganze Nacht. Morgens gingen sie in den Betrieb. „Daß das Zeugs existiert, beweist, daß es herstellbar ist

- also ran!“

Nach unaussprechbar vielen Versuchen gelang ihnen eine unbekannte Form der Kristallisation. Sie jubelten. Versuchten, den Vorgang zu wiederholen. Dann konnten sie die Serienproduktion veranlassen.

Dabei flog ein Gebäudekomplex in die Luft. Sie ließen sich nicht entmutigen und nahmen zwei weitere Explosionen in Kauf. Dann hatten sie es geschafft: Äther-Stein entstand in Serie.

Medien wurden eingeladen - die Reporter zeigten sich begeistert:

Endlich konnten sie über eine menschlich logische Sensation berichten!

Doch fand sich ein ,Haken‘ in dieser Geschichte:

Diese neuen Kristalle ließen sich mit keinem der gängigen Bindemittel verbauen.

Weitere Experimente - weitere Explosionen ... dann war auch diese Hürde genommen: Das letzte Bauamt genehmigte nach sämtlichen Prüfungen auf geforderte Sicherheiten dieses geradezu rettende Material ... zu welch ungeahnten Hoffnungen berechtigte es ...! Es hatte sich ergeben, daß die Meßgeräte im obersten Drittel des
 
 
 
 
 

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des unteren Bereichs registrierten. Das zerstreute letzte Vorbehalte: Die Baupläne wurden freigegeben ... war das ein Fest!

Alle Außenseiter triumphierten - fühlten sich endlich wieder als ,Insider‘ ... endlich rehabilitiert, nachdem sie so unendlich lange von diesen Traum-Köppen diskriminiert worden waren ...

Nach vertrautem Hochhaus-Muster entstand ein schillernder Kristallpalast, der jedem Vergleich mit Äther-Häusern standhielt - so erklärte die Presse übereinstimmend:

„Ein echtes Weltereignis ... Das erste seriös erbaute Äther-Haus s t e h t !!“

Mieter wurden gesucht.

Die ,eingegliederten Außenseiter‘ bewiesen lebhaftes Interesse, zeigten sich überaus begeistert und beschlossen, sofort einzuziehen.

Die Preisfrage wurde erörtert. Das Interesse wandelte sich in Frustration:

Die Angebote waren unerschwinglich.

,Schwarz-Bauten‘ standen überall kostenlos herum. Was soll‘s - ?

Das letzte Bauamt schloß seine Tore.

Später versank der erste vom Staate genehmigte ,Äther-Bau‘ im Schoß der Erdenmutter, wie es milliarden anderen Bauwerken - gleich welcher Größe und Netzkettenzugehörigkeit -  auch geschehen war ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

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Regierungswechsel
 

Nachdem er den Beschluß zur Auflösung des letzten Bau-Amtes unterzeichnet hatte, betrat der Premier des WRK nachts, allein, inoffiziell den Geheimen Kammersaal des Welt-Regierungs-Palastes. Hier befanden sich die Programme der Regierenden Welt- Oberhäupter in einem von Allgemeinen Netzketten unabhängigen, durch komplizierte Codierung gesicherten Spezial-Konzepter.

Das Haupt des Oberhauptes dieser obersten Gesellschaftsschicht zeigte ungewöhnliche Blässe. Kinn und Unterlippe bebten kaum merklich. Er verschloß hinter sich die Saaltüre hermetisch, um sich gegen ungerufene Besucher abzusichern. ,Vasallen-Augen‘ unerreichbar, verzichtete er auf repräsentative Haltung und erreichte mehr wankend als majestätisch den ihm seit Jahrzehnten vorbehaltenen Platz.

Stöhnend ließ er sich in den Sessel fallen. Wie gewöhnlich, schlossen seine Augen sich, um ihm völlige Konzentration auf das heutige Thema zu ermöglichen ... das allerletzte Thema

„Ja“, dachte es mehr in ihm, als daß er es zu denken wagte, „ich muß das erledigen ... Alternativen ausgeschlossen ... hab alles Denkbare in sämtlichen Richtungen durchgespielt ... !“ Doch schaffte er es nicht, sich zu erheben, um augenblicklich seine Entscheidung umzusetzen. Unbegreiflich! Nicht nur Kinn und Unterlippe zitterten jetzt sichtlich - sein Selbstbewußtsein erlitt offensichtlich Schüttelfrost. Er fühlte plötzlich tödliche Einsamkeit. Was solls ... hier sah das niemand ...! Aber ...?

Das machte ihm schwer zu schaffen: Bibbernd rumsitzen - unfähig, sich zu erheben, um das Unabänderliche auszuführen ...! Solches war ihm niemals widerfahren ... ! Er schnauzte sich an:

„Wer bin ich eigentlich ...?“

... und riß sich gewaltsam zusammen.
 
 
 

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„Verdammt, was hindert mich, keiner kann mich ersetzen! Schließlich habe ich mich um den Posten gerissen - alle anderen ausgestochen, zwei Konkurrenten umgebracht, daß nur ich gewählt werden konnte! Will ich mir selber jetzt als  Trottel‘ entgegentreten ...? Ich muß das erledigen - wer denn sonst ...?“ Niemals war er so wütend gewesen und ... so verzweifelt! Dann aber verfiel er wieder ins Grübeln ... Minuten ...? Stunden ...?

„Verflucht“, schrie er plötzlich, „gottverdammte Scheiße ...!“ sprang auf, stürzte zum Konzepter und hieb mit allen Fingern auf die Programmtasten ein. Er löschte Code um Code - ihm war, als sei er mit dem leblosen Apparat identisch. Ohne Zögern löschte er das eigene Programm, nicht wissend, ob er die Türverriegelung noch entsichern könne ...: „Was, wenn nicht ...?“

Die Tür erreichte er. Bevor er aber die Entriegelung schalten konnte, war er bewußtlos zusammengebrochen ...

Draußen vollzog sich Seltsames: Das ,Masse‘-Bewußtsein der Realisten, welche als Einzelne ihrer Macht vertrauten ... keinen Gedanken ans Neue Leben verschwendeten ... überzeugt die Befreiung vom Programm verweigert hatten ...

stürzte, umschlossen von Träumen durch Zeit und Raum. Es landete auf einem Planeten, der keine Sonne umkreiste.

Jeder einzelne Realist aber fühlte sich unsagbar erleichtert:

Der jahrelange Überdruck, erzeugt von Sonne und Gestirnen, deren

Wirksamkeit die Frequenz der Programmierung überstieg, hatte

sich endlich-endlich-endlich entladen. Nun herrschten gewohnte

Verhältnisse. Die Welt entsprach wieder ihrem Programm, äußere

Umstände stimmten mit jenen ihres Inneren überein.

Keiner vermutete vorerst, dies könnte ein anderer Planet sein.

Sie lebten einfach weiter ...
 
 
 

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Natürlich, mit völliger Sicherheit hatten sie gewußt:

„Alles kommt wieder in Ordnung!“ Jetzt war es besser denn je:

„Alle Macht der Welt steht wie immer - auf unserer Seite...!“ Der Kampf war ausgestanden. Sie kamen mit sich selber und den

Menschen in ihrer Welt in Einklang und lernten es, eigene Kräfte positiv zu nutzen. Mehr kann niemand vom Leben erwarten.  Also

war tatsächlich für sie ,alles gut geworden‘  ...!

Nur ein Oberhaupt hatte nicht schlafen können.

Etwas tief Beunruhigendes durchwühlte seinen Geist.

Nachdem seine Löschtaste gedrückt worden war, geriet er in Panik und brüllte um Hilfe. Zugleich packte ihn eine so übermächtige

Sehnsucht nach Licht, daß der Programmpanzer wie ein in der Pfanne vergessener Puffer verschmorte.

Danach erwachte er im Kreis Gleichgesinnter:

Heimlich Abtrünnige, die - wie er - Licht erhofften und sei es nur ferner Sternenstaub. Das war ihnen äußerlich niemals klargeworden. Doch ,sahen‘ sie es in Momenten Innerer Stille.

Manche beobachteten heimlich ungewöhnliche Pflanzen. Vielleicht ließen sie ganz-für-sich-allein eins dieser Geschöpfe wachsen, blühen und fruchten. Das Geheimnis der Entfaltung veränderte
den Sinn des Staunenden bis ins tiefste Herz hinein ...

Der oder jener besaß vielleicht eins dieser Wundertiere und freute sich an dessen Liebe und Klugheit.

Seine Freude löste ganz behutsam die Programm-Fesselung auf.

Andere bohrten Löcher in Asphalt-Ecken ihrer Parkplätze und senkten Samen von Pflaster-Pest hinein.

Die Kraft dieser Wildgewächse übertrug sich auf die ,Gärtner‘ Mensch und Erdengeschöpf wurden Freunde: Diese Pflanzen, für die es nur ,Leben‘... niemals Programmierung gegeben hatte, dankten dem Menschen für ihr ,leben-dürfen‘  ...
 
 

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Solange im Herzen Hoffnung glimmt - und sei es ein Fünkchen - besitzt Programmierung über das Ewige Licht des Glaubens keine Macht, denn Glauben ist untrennbar mit dem Geist des Übergeordneten Bewußtseins verbunden:

Einem jener Träger der UR-Kraft des Lebens.

Des Lebens UR-Kraft ist unzerstörbar, obgleich die Macht ausgefeilter Programme sie überlagern - und damit unter Umständen unerreichbar machen kann.

Zahllose Menschen trugen in der Tiefe ihrer Herzen das Licht des Glaubens. Dieses Licht bewahrte sie davor, Hörige ihrer Programmierung zu werden.

Auch diese Menschen erwachten auf einem, ihnen fremden Planeten:
 

, M u t t e r - E r d e ‘!

Bisher hatten sie ihren Heimat-Planeten lediglich durch die, ihr Bewußtsein überlagernden ,Gefängnis-Gitter‘ der Netzketten erblickt...

Was sich ihnen jetzt darbot, konnten sie nur ganz allmählich begreifen ..:

Das war, als seien sie wiedergeboren worden ...:
Augenblicklich fühlten sie die alles durchstrahlende Liebe der Erdenmutter. Sie schenkte ihnen das Glück, natürlich sich entfaltender Herausforderungen, die das menschliche Leben dem Sein des Geistes entgegenführen ...
 
 
 
 
 
 
 
 

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Lichtmeister lehren
 
 

Ein altes Sprichwort sagt: „Schließt Gott eine Tür, öffnet er ein Fenster ...!“  Zu jener Zeit schlossen sich unzählige Türen

- dafür öffneten sich Fenster in Dimensionen, die menschlichem Geiste ungeahnte Klarheit schenkten.

Nur noch wenige lebten am Rande, die vom ,Wunder-heute‘ nichts wissen wollten. Doch besaß ihre Ablehnung keine Bedeutung mehr

- das ,Gestern‘ war der Zeit entwachsen. Die Menschheit brach in jeder Hinsicht auf ... nicht nur zu Fuß; und wo sie verweilte, begegnete ihr ,Heimat-an-sich‘.

Ein alter Brückenbauer hatte in seiner Jugend Bautechnik und Architektur studiert und später mit der Kühnheit seiner Brückenkonstruktionen die Fachwelt in Atem gehalten. Äther-Brücken aber raubten ihm den Atem ..., er sehnte sich von da an nach dem Meister, der ihn solch hohe Kunst lehrte. Dem fassungslosen Widerstand der Bürokratie schenkte er keine Beachtung - von Beginn an wendete er sich diesem ,Auf-Stand‘ zu.

Seither zog er durch die Lande und nahm glühenden Herzens und mit immer wacher werdenden Sinnen in sich auf, was Getrenntes miteinander verband - sowohl auf der geistigen Ebene als auch auf diese neue natürlich-gewachsene Weise, die der begnadetste Künstler nicht zu träumen vermochte.

Irgendwann überquerte er Äther-Brücken - hin und zurück und wieder hin und zurück, bis er die unterschiedlichen Schwingungsfrequenzen in seinem Innern vernahm, die wie ein Konzert zusammenstimmten. Er begriff, daß deren Harmonie in sich die Grundlage ihrer Tragfähigkeit barg. Erst leise summend, dann mit lauter Stimme griff er ihre Sequenzen auf und erkannte geheime Gesetzmäßigkeiten. Bald schien ihm, er habe tausende von Überführungen studiert, doch konnte er keine verstandesmäßige Bestätigung
 
 
 
 

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erreichen. Eines Tages stand ein fremdes Lichtwesen vor ihm, nahm seine Hand und führte ihn an einen unbekannten Ort.

Fassungslos staunte der alte Brückenbauer. Die Bedeutung dieses Ortes begriff er nicht - konnte sich darin nicht zurechtfinden:

Ohne sie zu hören fühlte er Musik. Sie erschien ihm anders als alle Musik, die er gehört hatte. Er erkannte Farben, doch konnte er sie nicht sehen. Auch sie empfand er anders als das, was er jemals als ,Farbe‘ gesehen hatte. Das verwirrte ihn. Trotzdem wußte er die Wirklichkeit seines Gewahrens.

Das machte ihm Mut, sich darauf zu konzentrieren ... sich voll und ganz bewußt auf dieses Wagnis einzulassen.

Plötzlich hatte er‘s geschafft: Wurde selber zu dieser Musik und sah sie mit seinen Augen. Sie schwang sich von einem Abhang zum anderen und bildete Bögen ... Die tragenden Pfeiler aber tönten wie das Gesumm eines einzigen Klanges, der aus vielen einzigen Tönen Spiralen bildete, die sich im Boden verankert hatten:

Vier - acht - sechzehn solcher Spiralen stiegen daraus empor und jede von ihnen summte ihren eigenen Ton.

Das ergab eine herrliche - vielfarbig leuchtende Musik.

Ja ... diese Musik erklang in Farben: Seine Augen erblickten sie und seine Ohren vernahmen ihre Harmonie, deren schwingende Bögen ihm wie Geigenkonzerte erschienen. Gleichzeitig erblickte er Engel, die aus den Bewegungen ihrer Hände Brückenelemente erschufen. Doch konnte er sie vom Klingen der Musik nicht trennen. Er sah das alles mit seinen Menschenaugen ... meinte zu träumen. Dann begriff er: „Das alles bin ich selber!“

Er konnte das nicht fassen: „Diese Spiralen - aus winzigen Tönen gebildet... die Geigenklang-Bögen ..., diese Abhänge, verbunden von gewaltigen Farbsymphonien ...? Oder sollten das ,symphonische Farben‘ sein ...?
 
 
 
 
 

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Ja, niemand anderer als ich selber kann das sein - merkwürdig?“ Das erschien ihm tiefes Geheimnis  ... ein ferner Traum ...? 
„Alle Wirklichkeit ist Traum - wie jeder Traum Wirklichkeit ist!“ sprach eine niemals gehörte Stimme. Doch wußte er sicher, sie ge- hörte dem Engel an, der ihn hier hergeführt hatte.

Ihm wurde klar, daß in diesem Raume Begriffliches nicht existierte: Keine Farbe - kein Klang - kein Abhang oder Übergang ... keine Person oder Stimme. All das hatte hier seine Formen aufgelöst.

„Wo bin ich?“

„Im Urgrund der Äther-Brücken!“ erwiderte die Stimme.

Der Mann erkannte, daß diese Stimme der Engel ... der Engel aber diese Stimme war.

„Um das zu erfassen, muß ich vollkommen in die Stille finden, sonst zerrinnt die Wirklichkeit wie der Traum im Nichts!“ wußte er plötzlich und erlebte nach und nach sein neues Erwachen...
 
 

Ein anderer Baumeister hatte früher Industriegebäude entworfen. Nun suchte auch er einen Lichtmeister.

Vor jedem Äther-Haus öffnete er sein Inneres und fühlte sich tiefer und tiefer ins Wesentliche ihrer Erscheinungen hinein. Er war niemals auf die Idee gekommen, Menschen könnten solche Wunderwerke vollbringen.

„Das denkt nur, wer angesichts überragender Schöpfungen in Existenzängste gerät!“ dachte er und ließ jeden bei seiner Meinung.

Er schwieg oft, bis seine Stimme im Inneren versunken war. Er mußte sie erst herauflocken, um eine Frage zu beantworten oder etwas,  was er nötig hatte, zu erbitten.

Eines Tages öffnete sich vor ihm ein Tempeltor. Er trat ein und versank in Schweigen. Dabei erlebte er lautlose Gespräche mit einem Unsichtbaren.

Seltsam beglückend, ließen sie ihn Zusammenhänge erahnen, welchen
 
 
 

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er seit langer Zeit vergeblich nachgesonnen hatte. Doch geschah das in Tiefen, die zu erreichen sein Verstand vorerst unfähig war: Noch vermochte er nichts Gültiges darüber auszusagen. Trotzdem erlebte der Baumeister jedes neue Gespräch als Geschenk. Er wußte: „Der Meister spricht mit meinem Herzen!“

Dabei erlebte er bewußt dessen vollkommene Liebe und Weisheit. Aus allem, was in seinem Leben jemals bedeutsam gewesen war, fühlte er sich hinausgeführt. Doch verursachte das in ihm keine Ängste  Er war sich der bergenden Kraft dessen bewußt, der mit ihm in Kontakt getreten war und fühlte sich vollkommen sicher, auch wenn seine  Augen meinten, er schwebe dahin.

Während er weiterzog, erkannte er, daß seine Vergangenheit verschwunden war ... er hatte seine Ausbildung vergessen. Nicht ein Lehrsatz - nicht die kleinste Formel waren in seinem Kopf haften geblieben. „Na gut“, dachte er, „Äther-Bauten könnte ich mit Hilfe solchen Wissens nicht errichten ... was soll der akademische Ballast?“ War das eine Erleichterung: „Zentnerlasten habe ich abgeworfen - ich bin gespannt, wie das weitergeht ...!“

Von nun an vernahm er mit vollem Bewußtsein die Weisungen seines Meisters. In jedem Äther-Bau lernte er neues dazu und verstand ein Geheimnis dieses Lebens nach dem anderen. Er fühlte die Liebe seines Herzens bis hinein in seine Hände und gewahrte, was ihm bisher verschlossen geblieben war:

Verborgene Schönheit - niemals gehörte Musik und Lebensformen aus fremden Dimensionen. Das erfüllte ihn mit ehrfürchtigem Staunen, es machte ihn glücklich und schenkte ihm Frieden. Das alles strahlte durch ihn hindurch und verband ihn seiner Umwelt. Oft hörte er ,Farbgesänge‘ - eine besondere Musik voll Wunder. Er wünschte sich, sie mit seinen Händen zu gestalten - seltsam? Doch war er sich dessen bewußt, daß sein Verstand nicht alles ist.
 
 
 
 
 
 

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Bald empfand er deutlicher, daraus ließe sich vieles formen was gut zu benutzen wäre, obgleich sein Verstand der Ansicht war:

„Musik und Materie sind Gegensätze; sie haben nichts miteinander zu tun!“ Oder doch ...?

Eines Tages betrat er einen einsamen Garten.

Inzwischen hatte er unzählige zauberhafte Gärten gesehen - jeder einzelne war ein Traum für sich. Aber dieser ...

Einen so phantastischen Erdenflecken hatte er niemals geschaut

- ihm schien, als haben sich hier die Geheimnisse von Elfen und Nymphen miteinander vermählt.

Was er auch betrachtete, atmete verwunschene Schönheit:

Funkengold-Blüten und knorrige Stämme mit Ästen, als habe sich das Baumwesen während der Wachstumszeit ständig krumm und schief gelacht. Knospengeheimnis und Blätter wie Samt und Seide ... Tiere, so verträumt-liebevoll, als seien sie Märchenengel. Zu alledem erschollen Vogellieder, wie er sie nirgendswo vernommen hatte. Die Falter aber schimmerten wie Juwelen.

„Ist dieser Ort herrlich“ ... hier wollte er sich ausruhen, nicht das Paradies konnte schöner sein.

Mit jedem Blick nahm er Köstlichkeiten wahr: Ein Trollgesicht entpuppte sich als Stein, Gnomenschatten und Zwergentiere - eine Drachenwurzel schielte mit Astlochaugen nach etwas Genießbarem. An anderer Stelle entdeckte er eine Staude voll gereifter Früchte darin noch immer Blütenschimmer schwang. Wunder über Wunder gewahrte er mit jedem Blick.

Vom Staunen müde geworden, schlossen sich seine Augen.

Als er aufwachte, fühlte er sich von ,Farb-Gesängen‘ ganz und gar erfüllt: Seine Hände kribbelten regelrecht, er konnte sie nicht ruhig halten und sprang auf. Seine Füße begannen, die Musik der klingenden Farben zu tanzen, seine Hände aber verlangten,
 
 
 
 
 

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sie zu formen - strichen ausgleichend, als gebieten sie einer steigenden Masse ... tupften hier, pochten dort und bildeten Gestalten, denen sie Plätze zuwiesen.

Seine Finger schnellten empor - bewegten sich kreisend, erschufen Blüten und Früchte ... und während er mit den Nägeln pickte, blitzten Kristalle auf und fügten sich zu Vliesen. Währenddessen tanzten die Füße Figuren, die von den Musikrhythmen gestaltet wurden.

Dann fühlte er sich emporgehoben: Ringsum wuchsen tropfsteinartige Bögen zu einer Kuppel zusammen - abertausend Schneeflocken-Kristalle füllten gefestigt die Zwischenräume und das Sonnenlicht glitzerte durch sie hindurch.

Das alles war wie ein Traum gewesen. Als er daraus erwachte, war auf der Wiesenfläche, die so leer gewesen war, als gehöre sie nicht hier her - ein Äther-Haus gewachsen ... ein wunderschönes 

- ja ein lustiges Haus ... ihm war, als sängen und lachten die Kristalle - beinahe so, als hörten seine Ohren ihr Vergnügen.

Zutiefst beglückt schaute unser Baumeister in die schimmernde Pracht und sein Herz flehte: „Laß mich dem Meister begegnen, der solche Werke erschafft!“ Er fühlte sich diesem Hause wie einem eigenen Kinde verbunden.

Eine Lichtgestalt trat zu ihm. Er öffnete voller Ehrfurcht sein Herz, um dessen Weisung zu empfangen. Dabei erkannte er, daß dies sein lang ersehnter Meister war. Statt der Weisung erfuhr er dessen Freude: „Das ist dein Meisterwerk - willst du‘s dir ansehen?“

„Mein  ... ,Meisterwerk‘ ...?“ der Mann konnte das Haus mit seinem Traum der Farb-Gesänge und seinem Tanze nicht verbinden. Er begriff nicht, was er damit zu schaffen hatte und erkundigte sich verwundert: „Du sagtest, dieses Haus sei mein - Werk?“ „Aber ja - laß uns hineingehen!“ Der Lichte durchschritt die weit
 
 
 
 
 

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geöffnete Tür und unser Freund folgte ihm. Dabei hörte er deutlich den Jubel der Kristalle in seinen Ohren klingen: Musik, die sich auf seiner Haut anfühlte, als sprühten unzählige Fünkchen durch sie hindurch in jede seiner Zellen.

Die Schönheit der Räume überwältigte ihn fast, doch war hier noch viel zu tun. Während er darüber nachsann, klangen erneut vibrierend  Farb-Gesänge in ihm auf - er schaute seinen Meister an.

Der nahm ihn in die Arme und tanzte mit ihm den Schöpfungstanz zusammen. Dabei erlebte der Baumeister bewußt, was ihm zuvor als Traum erschienen war:

Hände ließen fließen - Füße schufen schreitend - klingend ertönten ihre Stimmen und bestimmten mit ihren Rhythmen die Maße ... ihre Herzen aber verströmten Freude in jede der Formen. Alles zusammen einte sich zu Impulsen, die Licht mit der aus dem Boden aufsteigenden Masse verbanden und sie zu dem gestalteten, was die künftigen Bewohner dieses Hauses nötig hatten:

Vollmond gleich, rundete sich ein Lampenball - dort wuchs ein Tisch mit gläserner Platte, in deren Unendlichkeit Blüten und Sterne schimmerten. Ringsum ordneten sich bequeme Sitze und an anderer Stelle formte sich ein Ruhelager, bereit, müden Leibern Entspannung und Freude zu schenken. In Wandnischen entstanden Fächer und füllten sich mit Geräten, die vielerlei Dienste verrichten konnten. Faltentücher aus Funken und Tönen schlossen die Öffnungen.

In einem Winkel erhob sich ein leuchtender Kristall.

Die Tänzer verharrten. Der Lichtbruder erhob seine Hände und segnete das Haus und alles, was zu ihm gehörte. Der Raum ward von tiefer Stille erfüllt. Da wußte der Mensch:

„Hier begegne ich Gott ..., Ihm, der überall ist ...

doch an diesem Punkt konzentriert sich Seine Kraft dieses Hauses!“
 
 
 
 
 

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Die Farb-Gesänge klangen wieder auf - das Haus erfüllte sich mit lauter Wundern. Zum Abschluß gelangten sie an einen Schacht. Unser Freund beugte sich darüber und erschrak: blickte in abgrundtiefes Dunkel hinab. Sein Schrecken aber löste in ihm eine Lichtspirale aus. Sie schoß wie ein Blitz nach unten und verband sich mit der aufsteigenden Masse zur Wendeltreppe.

Der Mann umschloß seinen Lichtbruder und führte ihn im Takt der Gesänge über die Stufen bis sie in einem Gewölbe standen, das weit unterhalb des Kellerbodens lag: Der Geburtsstätte aller Kristalle, die sich zu diesem Haus vereinigt hatten.

Jetzt erkannte er jedes der Teilchen wieder: Hier spiegelte sich im Kleinen, was sich über ihnen ausgedehnt hatte:

„Heimstatt - ,Urgrund‘ des Lebens, das sich entfalten will ...!“

Der Meister blickte seinem Schüler fest in die Augen. Der verstand ... konzentrierte seine Aufmerksamkeit im größten der Kristalle und nahm dessen Schwingung in sich auf. Dann wandte er sich dem nächsten zu und so einem nach dem anderen bis hin zum kleinsten. Dabei einte er jede dieser Frequenzen in seinem Inneren zu einem einzigen Punkt.

In diesem Augenblick empfand er sich selbst als winzigen Punkt.

Sphärenmusik erklang. Der Punkt dehnte sich - die Kristalle gewannen Weite und erfüllten sich mit der Musik: Jedes von ihnen wurde Unendlichkeit, darin junge Welten geboren wurden. Und eine jede für sich offenbarte ihre Schöpfungsgeschichte. Zugleich aber verschmolzen sie im Urgrund des Seins zur Einheit.

Dem Manne zeigte sich das gleich äußeren Bildern des Lebens der Erdenmutter, die ihm ihre geheimnisvollen Tiefen offenbarten:

„Schneeflocken unterm Sternenzelt ... in jeder Flocke blitzte das ganze Firmament ...“

„Weiter Wasserspiegel im Vollmondschein: Die Fläche erschien
 
 
 
 
 

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als Milliarden Lichtpünktchen, die ein einziges Auge in sich vereinte ...“

„Regen im Dämmerlicht - Tropfen für Tropfen reflektierten Strahlfunken der Sonne, die hinter dem Horizonte versunken war ...“ Das schwoll zum alles-ergreifenden Tone an, der in sich selber verstummte: Jeder Kristall gewann seine eigene Form zurück, die ihn gegen jedes andere abgrenzte. Dahinter verbarg sich die Unendlichkeit - entschwand dem Bewußtsein des Mannes.

Er empfand das als tiefsten Schmerz - er mußte weinen. Zugleich aber bildete sich eine Wasserfläche inmitten des Bodens. Darin einten sich der Schmerz des Werdens mit der Freude des Vergehens: Über und unter ihr wie ringsumher funkelten Kristallfacetten - alle, die sich in diesem Hause zusammengefunden hatten. Sie sangen wie vordem ihr lachendes Lied. Das Wasser aber umschloß die Einheit all ihrer Unendlichkeiten:

Leuchtende - aus Sternenstrahlen erschaffene Klarheit.

Jetzt kehrte die Stille in des Mannes Herz zurück. Ihr Tanz war beendet.

Überglücklich stieg der Bau-Meister neben seinem Lichtfreunde die Stufen hinan. Sie gingen in die Küche - eingeladen von deren Gemütlichkeit.

„Du hast jetzt erlebt, wie Elementarkraft sich gestalten läßt, bist du mit kosmischem Lichte verbunden,“ sagte der Hüter, und schaute seinem Gefährten fest in die Augen. Sein Blick strahlte vor Freude: „Auch du bist Meister - unser Mitarbeiter auf der Erde ... wir heißen dich in unserem Kreise willkommen!“

Er berührte ein Kristallgefüge der Wand mit der Fingerkuppe.

Eine Schranktüre öffnete sich. Der Bruder füllte zwei Becher aus

einer Karaffe. Sie stießen an und ließen sich‘s schmecken:

Wein - so voll Feuer, daß dem Jungmeister die Augen übergingen.
 
 
 
 
 

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Er lachte vergnügt. Das hatte er nicht erwartet. Dann erkundigte er sich nach allem, was er noch nicht ganz verstanden hatte. Das wurde ein Gespräch zwischen Brüdern. Schließlich überlegte unser Freund: „Wer wird wohl hier wohnen?“ ... „Du mit deiner Familie!“ „Aber ich bin doch allein?“

„Nicht mehr lange - du wirst leben - lieben und lehren ...!“ Damit verschwand der Lichthüter und überließ seinen Meisterschüler sich selbst.

Der saß auf einem Stuhl, der kürzlich unter seinen  Händen entstanden - auf einer Stelle, die noch gestern nichts als Wiese gewesen war und machte sich mit dem Gedanken vertraut, innerhalb weniger Stunden Besitzer eines selbst geschaffenen Hauses zu sein:

Nicht nach Bauplänen und mit viel Maschinenradau erbaut.... Nein, er hatte es mit Hilfe seiner Hände und der Freude seines Herzens

- mit seinen Liedern und Tänzen aus dem erschaffen, was ihm aus kosmischem Licht und Erdenmutter-Kraft zur Verfügung gestellt worden war: Der Vereinigung Göttlicher Kräfte mit seiner eigenen Energie. Niemals konnte dieses Haus vom Lichte ..., niemals von der Energie seines Herzens getrennt werden!

Das Unglaublichste daran war: Er selber durfte darin leben!

Er erhob sich und schritt durch die Räume. Er schaute sich alles ganz genau an und entdeckte eine Überraschung nach der anderen:

Das Haus war vollkommen eingerichtet und jedes war schön und praktisch zugleich.

Aus den Wänden strahlte wohlige Wärme ... dieses Haus war mit Sicherheit  das ganze Jahr hindurch von der ,Allgemeinen-Heiz-Zentrale‘ unabhängig ...

Dieses war ein ganz und gar glückliches Haus ...

und er selber fühlte sich beglückt und beschenkt wie niemals in seinem Leben ...
 
 
 
 
 

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Vision des Biologen
 
 

Ewiges-Jetzt bildet den UR-Grund, darin alles gleichzeitig IST. Die Materiewelt hingegen, gewährt jeder Form die eigene, für ihre Entwicklung notwendige Zeit: ,Zeit‘ verläuft ausschließlich im Zustand der Trennung ab, und jedes Geschehen ist die logische Folge des vorhergegangenen Geschehens.

Der Mensch begreift die Gleichzeitigkeit Ewigen Jetztes weder, noch kann er sie nachvollziehen. Die Möglichkeit persönlicher Entscheidung - seiner individuellen Entfaltung - wird ausschließlich im Leben der Getrenntheit gewährleistet.

,Übergeordnetes Bewußtsein Des Geistes‘, schwingend im Ewigen Jetzt, wirkt bis ins Materiesein und ,spricht‘ zu geöffneten Menschen. Doch Vorhersagen kommen aus dieser Ebene nicht! Prophezeihungen entstammen niedrigeren Ebenen. Sie treffen ein oder nicht und was nicht eintrifft, wird vergessen. Darum erscheinen Prophezeihungen zuverlässiger als sie tatsächlich sind.

Das Erste Gesetz ALL-EINEN-LEBENS, ermöglicht die Freie Entscheidung. Unreife Menschen aber verlassen sich auf die Prophezeihung, denn es fehlt ihnen der Mut sich frei zu entscheiden.

Unser Biologe gelangte mit Hilfe des Welten-Baumkörnchens ins Ewige-Jetzt und erkannte hier die Einheit Der Zeit. Darin stellte die Erdenmutter ein winziges Teilchen dar.

Er richtete seine Aufmerksamkeit auf seine Große Mutter und wußte von ihrem Schrei, konnte jedoch dessen Ursache nicht erkennen. Darum ließ er sich auf ihn ein - wurde selber dieser ,Schrei‘ und erfuhr: „Die Zerstörung der Naturgesetze, welche Erdenleben aufrechterhalten, verursachten die Todesangst der Erdenmutter!“

Denn ihre Lebenszeit war nicht zum Abschluß gekommen ... sie durfte sich auf ihr Sterben noch nicht einlassen ...:

Die Ära der Krönung ihres Lebens, lag noch ungelebt im Dunkel ...
 
 

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Dessen Antwort erkannte unser erleuchteter Freund als Einheitliches Sein. Doch können seine Wahrnehmungen lediglich als ,Zeitlupen-Geschehnisse‘ berichtet und verstanden werden:

Geschleudert von glühenden Menschenseelen, durchschlugen Blitze tausendfach das Zentrum der Einheit. Sie wurden von der Macht und Weisheit kosmischer Hüter verstärkt und ins Ziel geleitet. Ihre, die Programmierung durchbrechende Kraft, öffnete schwingenden Lichtenergien Kanäle in die Herzen bereitwilliger Menschen - schenkten ihnen Stille und erweiterten ihren Kontakt zum Übergeordneten Bewußtsein, welches auf solche Weise Handlungsfreiheit gewonnen hatte.

Im Äther-Reich entstanden Energiewirbel, vermehrten sich und befreiten immer neue Menschen. Dieser innere Vorgang aber blieb dem äußeren Bewußtsein verborgen. Darum verursachte er nirgendswo Alarm, welcher Gegenmaßnahmen eingeleitet hätte.

Im Astralbereich aber bildeten sich Spannungsfelder, die unsern Beobachter zu zerreißen drohten:

Machtkämpfe zwischen zerstörerischen Energiefeldern und den Gebeten jener, die sich der Erdenmutter angeschlossen hatten.

Die menschlichen Machthaber waren sich zwar ihrer Gegenspieler bewußt, leugneten jedoch deren geistige Möglichkeiten. Niemals hätten sie zugegeben, daß ,Gebet‘ anderes bewirke als ein Hirngespinst. Darum schwang die Übermacht der betenden Massen jenseits der Grenze ihres Fassungsvermögens. Sie ahnten nicht, daß deren Licht begonnen hatte, ihren Widerstand aufzulösen und ... daß dieser Prozeß,für sie unmerklich in vollstem Gange war.

Währenddessen schnellte die Spannung ins Unermeßliche empor:

Unser Freund erlebte Trauer, obgleich ihn Freude erfüllte. Er fühlte sich gefesselt und war doch frei. Gespalten - durchlebte er Verzweiflung und Glückseligkeit in sich als ,Einheit‘.
 
 
 
 
 

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Die Spannung überschritt das Maß der Kraft - der Schrei löste sich ..., fetzte netzgleich durch die Erdatmosphäre und schoß an unzählbaren Stellen durch die Bodendecke. Dabei verankerte er im Zentrum des Muttererde-Schoßes ein Samenkorn von übermächtiger Leuchtkraft, darin alles Gestein auf seinem Wege verglühte. Das Körnchen aber keimte aus und schlug Wurzeln:

Der Welten-Baum wuchs empor.

Auf der Erde entflammten jene Feuer ... verbrannten, was das Leben der Großen Mutter gefährdete und erloschen - statt in den Sprühnebeln menschlicher Feuerwehr - im himmlischen Regen, dessen Wasser lösten, was die Flammen nicht erreichen konnten.

Unaufhaltsam-unmerklich entfaltete sich währenddessen der Welten-Baum - erhob sich weit-weit über die Erdoberfläche hinaus, über Tiefen und Höhen bis in die Atmosphäre empor. Er breitete seine Krone schützend im Ätherreich aus - umspannte den Planeten mit einem Mantel grüngoldener Blätter, deren Licht alles gesunden ließ, was seiner Strahlung geöffnet war.

Das alles wurde unser wissenschaftlicher Beobachter gewahr. „Natürlich weiß ich das lange“, erinnerte er. „Aber ich konnte es nicht zulassen - hatte eine Wahnsinnsangst vor diesen Feuern

- meinte, sie würden mich verschlingen!“ Jetzt ließ er sich auf jede Phase des Reinigungsprozesses der Erde bewußt ein: „Nicht eines der Produkte, welches menschliche Unwissenheit erschuf, hat das Geschehen überstanden“, stellte er verwundert fest, „Irrtümer, die seit Tausenden von Jahren die Katastrophen der Endzeit vorbereitet hatten, sind ausgelöscht - einfach verschwunden!“

Wie ein Mensch nach Abschluß seiner Entwicklungszeit eine neue Haut bekommt, gesundete die Erdenmutter und auf ihr alles Leben‘, was sie empfangen -  geboren - genährt und getragen hatte, um es am Ende wieder in sich aufzunehmen ...
 
 
 
 

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Welten-Baum-Wunder entfalteten ein neues Paradies ... Ununterbrochen durchstrahlte die Sonne den ihr zugewandten Teil der Krone. Knospen erwachten in ihrem Licht - öffneten sich mit kristallinem ,Kling‘ ... Blüten über Blüten entfalteten sich - eine herrlicher als die andere: Jede von ihnen ,Sonne-für-sich‘, sandten sie ihre Schönheit ins Erdenleben und dieses empfing ihre Gaben und dankte mit Glückseligkeit ...

Vögel in vielfarbigem Silbergefieder jubelten in der Ätherkrone ihre Lieder, nach deren Takt die Blüten tanzten ...

Elfen erwachten.

Wonne-webend, zogen sie Freudenschleier durch Zweige und Äste ... beschenkten die Blüten mit Sternentau-Perlen und wisperten ihnen Geschichten ins Ohr.

Unter Mond- und Sternenstrahlen schlossen die Blüten ihre Augen. Während ihre Seelen sich mit Engelsträumen füllten, begann in ihnen heimliches Werden:

Früchte reiften, darinnen nicht nur Silber-Gesänge, Elfen-Geschichten und Schimmer von Sternentau-Perlen ihre Kräfte entfalteten ... da war viel ... vieles mehr:

Das ganze Spektrum der Welten-Baum-Kraft ...

Wir wissen das:

Haben es ja selber miterlebt ...
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

- 134 -
Vollendete Vermählung
 
 

All das und tausendfach größeres schwang in seinem Bewußtsein. Er empfand die lichte Urkraft des Weltenbaum-Körnchens, dessen Wirken in seinem Innern ,All-Gewißheit' wachgerufen hatte. Doch fehlte etwas ..., eine Veränderung hatte stattgefunden, die sich seinem Verständnis zu entziehen schien. „Was ist mit mir los ..., wo bin ich“, fragte ein abhanden gekommenes Teil in ihm, „in diesem Felsental - ja ... aber?“ Da entdeckte er seinen Körper wie erloschen, bewegungslos am Boden liegen.

Seine Freunde traten hinzu, neigten sich über ihn und schauten einander schweigend in die Augen.

„Sieht nicht gut aus!“ stellte einer fest. Sie fühlten den Puls, tasteten den Leib nach Verletzungen ab und einer rannte, um ein Meßgerät zu holen. Dann setzten sie einen Beatmungsapparat ein.

„Laßt das“, rief er ihnen zu, „mir geht es gut - alles ist in Ordnung. Ich weiß endlich, was ,Leben‘ ist!“ Aber sie kümmerten sich nicht um ihn - mußten sich um diesen Körper bemühen ...

„Klar“, erkannte er, „ihr meint, wie ich‘s früher getan, dieser Leib sei ,ich‘. Könnte ich euch nur klarmachen, welch furchtbares Gefängnis die gesamte Wissenschaft bedeutet!“

Während er sie beobachtete, wurden seine Freunde abgelöst. Einen Augenblick schien‘s, als lebte der Körper wieder auf. ,Er‘ aber wußte, daß das nicht geschah. „Wie ich meine Erfahrungen machte, müssen sie ihre machen, laß sie.“ Er wandte seine Aufmerksamkeit ab und erlebte sich im gleichen Moment ,zweifach‘:

Gewahrte das Lichtband zwischen seinem ,Hier‘  und ,Dort‘.

Langsam als überwinde es Widerstände wuchs es ,Hier‘ und verringerte sich ,Dort‘.  Dieses klammerte sich ans Band - faßte auf Grund der Beatmung neue Hoffnung ... ,Hier‘ aber besaß die Kraft des Übergeordneten Bewußtseins. Das legte tröstend seine Hand
 
 

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auf das ,Dort‘ und sprach:

„Lebe du hinfort ,Erde‘ - deine Zeit hat sich noch nicht erfüllt. Ich segne dich mit der Kraft meines Lichtes und danke dir für alle Erfahrungen, die du mir möglich gemacht hast. Sei nun Erde ... gehe in die Große Mutter ein, die dir ihre Seligkeit schenkt ...“

Da zog das ,Dort‘ seine Hände in sich zurück und gewährte ihm seine Freiheit.  In diesem Augenblick erfuhr er im ,Ewigen Jetzt‘ die Einheit seiner Erdenleben. Das empfand er intensiv als ,ICH‘, so als habe jemand ein Theaterstück inszeniert, das Akt für Akt seine Inkarnierungen darstellt. Doch war das nicht alles:

Ihm fehlte das zum ,ICH‘ gehörende ,BIN‘.

Dann hatte sich das Lichtband vollkommen in das ,Hier‘ konzentriert. Das Theaterstück war erloschen.

Damit vollzog sich die Einheit seines unendlich-ewigen Lebens:

Er gewahrte Welten des ,Nicht-mehr-Sichtbaren‘ ... jene Sphären, die Wissenschaft niemals erforschen wird und die des Überdimensionalen, welche der heutigen Wissenschaft zwar als Möglichkeit

- nicht aber beweisbar erscheint.

Der Erleuchtete erfuhr:

,ICH BIN ALL‘! ihm wurde bewußt, daß seine Vermählung mit der Kraft des Welten-Baum-Samens alles verlöschen  und alles geschehen ließ ... Das war seine letzte Erfahrung.

Damit gab er sich an die reinste Liebe hin, die Menschengeist ahnen kann:

,Sein‘, das die Grenzen bewußten Seins überschreitend, sich dem

ALL-SEIN anheimgibt.
 
 
 
 
 
 

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W E L T E N - B A U M

Inhalt

 

  1    Vorwort 

  2    Einleitung 

  4    Ausgangsbasis 

  6    ` G E I S T ´ 

  7    Beängstigendes Geschehen 

  9    Unerklärliche Stimmen

10    Entdeckung der Geologen

12    Die verkarsteten Zonen

16    Folgen des  ,Nicht-Programmierten‘ 

22    Befreiung der Tiere 

29    Tiefgreifende Erkenntnis 

31    Körper-Bewußtsein 

33   Wunder über Wunder 

35    Begegnung

36    Ausbruch

38    Äther-Bauten

44    Amtsmaßnahmen

47    Der Staatsanwalt
 
 
 
 
 
 
 
 

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  58    Behörden-Probleme

  61    Generaldirektor der WeBasABö

  67    Türen schließen ...
          Tore öffnen sich

  71    Der Kampf des Wissenschaftlers

  75    Der Wanderer

  81    Tiefen-Taucher

  86    Kristall-Konzerte

  89    Explosive Erkenntnis

  93    Welten-Baumkörnchen

  99    Heimkehr

105    Neubeginn

110    Des Lebens Macht ...
          Diener des LEBENS

112    Außenseiter

117    Regierungswechsel

121    Lichtmeister lehren

131    Vision des Biologen

135    Vollendete Vermählung