=>Der Sonntag, Ausgabe Freiburg vom 26.10.2003
 

Grundrecht oder Ware

EU-Kommission will die Trinkwasserversorgung in Deutschland liberalisieren

Von Alexander Huber und Sigrun Rehm


Die Europäische Union hätte gerne mehr Wettbewerb bei der Wasserversorgung in Deutschland. Bislang ist dies weitgehend ein Privileg der Kommunen. Diese wehren sich gegen eine Liberalisierung und sind damit nicht allein: Eine Privatisierung der Wasserversorgung gefährde die Trinkwasserqualität und sorge für steigende Preise, sagen Wettbewerbskritiker.

Es geht um eine einfache Frage: Ist die Wasserversorgung ein Grundrecht oder ist Trinkwasser eine Handelsware wie jede andere auch. Wolfgang Prangenberg, Pressesprecher des Verbandes Kommunaler   Unternehmen (VKU), der sich kürzlich auf seiner Verbandstagung in Mannheim mit der Liberalisierung des Wassermarktes   beschäftigte, sieht jedenfalls bei der EU „einen neuen Gedankengang“ Wasser künftig als Ware anzusehen.
Mit seiner Einschätzung steht er, nicht allein. Das „Handelsblatt“ schreibt: »Eine Liberalisierung und Internationalisierung der Wasserwirtschaft ist wieder aktuell« Dass sich die EU-Kommission nun der Sache angenommen hat, lässt Ängste entstehen. »Die Mühlen in der EU mahlen langsam, aber penetrant«, sagt Prangenberg. Will heißen: Bislang ist noch jede Idee aus Brüssel in der einen oder anderen Form umgesetzt worden. Das fürchtet auch der Gemeindetag    Baden-Württemberg. Mehr noch: Die EU wolle, so die Befürchtung, grundsätzlich in die Selbstverwaltung der Kommunen eingreifen.
Besonders kritisch beäugt werden Pläne aus Brüssel, die künftig   eine   europaweite Zwangsausschreibung für kommunale Dienstleistungen vorsehen. Dadurch könnten sich die Kommunen selbst die Hände binden, denn das komplizierte Ausschreibungsrecht läßt dem Ausschreibenden hinterher oft keine Wahlfreiheit mehr. Das, so das Horrorszenario der Liberalisierungskritiker, könnte Global Player mit Dumping-Angeboten auf den Plan rufen, die, so argwöhnen bereits einige Experten, ohnehin schon ein Auge auf den lukrativen deutschen Wassermarkt geworfen hätten.
Bislang ist die Trinkwasserversorgung in Deutschland ausgesprochen kleinteilig organisiert. Fast überall halten die Kommunen noch ihren Daumen drauf, auch wenn der laufende Betrieb schon oft von privaten oder teilprivaten Dienstleistern organisiert wird - wie von der Badenova (unter anderem in Freiburg und Lörrach) oder von Regioaqua im Raum Rheinfelden, an der neben der Badenova auch Energiedienst beteiligt ist.
Häufig ist aber alles noch fest in kommunaler Hand. Ein Beispiel dafür ist der Wasserverband Südliches Markgräflerland, der Weil, das vordere Kandertal und Efringen-Kirchen versorgt.
Gerade die kleinteilige  Wasserversorgung ist jedoch ,immer wieder Gegenstand der Kritik - sie sei nicht wirtschaftlich. »Small ist nicht unbedingt beautiful«, meint Badenova-Sprecher Erich Möck angesichts 12000 Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland. Die Badenova fürchte den Wettbewerb nicht. Trinkwasserversorgung sei ein kompliziertes Geschäft, für das man Erfahrung und Ortskenntnisse brauche. Da könne nicht jeder einfach so von außerhalb daher kommen.
Klemens Drescher, Lenker des Wasserwerks bei den Waldkirchen Stadtwerken, sieht das genauso: Auf Wasser aus örtlichen Quellen zu setzen, bedeute Qualitätssicherung. »Die politischen Vertreter der Region werden es nie zulassen, dass unser Wasser den Bach runter geht«, so Drescher. Eine Liberalisierung, wie sie auf dem Strommarkt möglich ist, halte er beim Wasser für undenkbar; »Strom kann auch mal drei Wochen in der Leitung stehen -Wasser nicht« Karl-Heinrich Jung, technischer Leiter des Eigenbetriebs Stadtwerke in Emmendingen, wo derzeit Gespräche über neue Konzessionsverträge für die Gas-, Strom- und Wasserversorgung laufen, ist sich sicher: »Eine Liberalisierung der Trinkwasserversorgung wird es nicht geben - sie ist politisch nicht gewollt.«
Erfahrungen in anderen Ländern sprechen eine andere Sprache. In Großbritannien etwa hat sich die Wasserqualität verschlechtert - bei steigenden Preisen. Einigen Kunden wurde gar der Hahn zugedreht, weil sie ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. Bernhard Wiesmeier von »Menschenrecht Wasser«, einer Initiative von »Brot für die Welt«, meint, dass die Privatisierung der Wasserversorgung bislang nirgends die in sie gesetzten Hoffnungen erfüllt habe. Im Gegenteil: Steigende Preise, Verschlechterung der Wasserqualität und Umweltschäden seien meist die Folge.