=>Augenübungen für alle Arten
der Fehlsichtigkeit
=>Kurzsichtigkeit
=>Weitsichtigkeit
=>Alterssichtigkeit
=>Tägliche Übungen
Die unwillkürliche Muskulatur funktioniert, wie und wann sie will; normal, wenn sie entspannt, anormal, wenn sie verkrampft ist. Da jeder der unwillkürlichen Muskeln ein Ausläufer eines jener langen Muskeln ist, die von außen mit dem Augapfel verbunden sind, bezeichnen wir diese unwillkürlichen Muskeln in ihrer Gesamtheit als äußere unwillkürliche Muskulatur.
Die meisten äußeren Muskeln lassen sich von unserem Willen beeinflussen. Wir können ihre Funktion willkürlich bestimmen. Diese willkürlichen Muskeln treten zum Beispiel in Tätigkeit, wenn wir die Augen von der einen nach der andern Seite rollen oder sie nach oben und unten bewegen. Solche Augenbewegungen bewirken allerdings keine Akkommodation; diese wird nur durch Entspannung erreicht.
Versuche, die Akkommodation des Auges durch Augengymnastik zu beeinflussen, haben sich als unwirksam erwiesen. Die Erklärung hierfür ist: Augengymnastik ist eine willkürliche Handlung. Solche Übungen haben keinen unmittelbaren Einfluß auf jene Muskeln, auf die wir einzuwirken bestrebt sind, eben jene, die die Einstellung auf einen nahen oder fernen Punkt bestimmen.
Darum sieht die Bates-Methode von solchen Übungen ab, die einen bewußten Einfluß auf das Auge auszuüben versuchen und in der Tat zu einer Verschlimmerung mangelhafter Sehkraft führen können. Die Bates-Methode hat das Ziel, durch vollkommene Entspannung die Sehtätigkeit zu erhöhen, damit Auge und Gehirn normal zusammenarbeiten können, die Akkommodation der Augen den unwillkürlichen Muskeln überlassen und eine klare Einstellung möglich ist.
Zwei Arten von Entspannung
Die Entspannung, das Geheimnis normalen Sehens, bildet also die Grundlage für unsere Augenübungen. Es gibt zwei Arten von Entspannung.
1. Die Entspannung, der man sich überläßt, wenn man
ruht und die Augen nicht gebraucht.
2. Jene Art der Entspannung, die man ganz selbstverständlich beim
Arbeiten beibehalten soll und die ein rasches und klares Sehen gewährleistet.
Sobald entspanntes Sehen zur Gewohnheit geworden ist, kräftigen
sich die Augen durch den bloßen Gebrauch, wie ja auch jeder andere
Körperteil durch entspannte Tätigkeit gesünder und stärker
wird. So wird beispielsweise auch bei der Behandlung von Schwerhörigen
stets größter Wert auf Entspannung gelegt.
Ein Athlet ist erst dann in guter Form, wenn er entspannt ist. Zeitaufnahmen
von einem guten Boxer oder einem guten Läufer zeigen, wie sie, obwohl
sie ihre Muskeln für kurze Augenblicke anspannen, um mehr Kraft zu
entwickeln, beim Boxen oder Laufen allgemein entspannt bleiben. Hauptsächlich
darum pflegen Sportler vor dem Wettkampf sich durch leichte Übungen
aufzulockern.
Die normale, entspannte Funktion des Auges wird durch die großen
Anforderungen des modernen Lebens stark beeinträchtigt.
Menschen, die ein gemächliches Leben führen, leiden nicht
an überanstrengten Augen. Es wäre dringend geboten, Kindern schon
in den untersten Schulklassen die Kunst des Sichentspannens beim Lernen
und bei der Arbeit beizubringen. Tatsache ist, daß Wissen am leichtesten
erworben und schöpferische Arbeit am besten geleistet wird, wenn das
Gehirn entspannt und ruhig ist. Mancher Schriftsteller hat mir erzählt,
ihm kämen seine besten Einfälle, wenn er völlig entspannt
und ausgeruht sei, und nicht etwa, wenn er sich das Gehirn nach Ideen zermartere.
Dr. Bates hat bewiesen, daß Augen, die genügend Sonnenlicht
bekommen und nicht überanstrengt werden, auch im Alter ihre Kraft
behalten, weil sie beim Gebrauch entspannt waren - das Geheimnis jeder
gesunden Leistungsfähigkeit. Wie außerordentlich gut die Sehkraft
primitiver Völker ist, wird durch folgende Geschichte veranschaulicht:
Einer meiner Studenten, der die eigene Sehkraft für weite Entfernungen
geschult hatte, stellte bei einem Indianerstamm in der Wüste Untersuchungen
an. Eines Tages, während er mit einem alten Indianer in der Wüste
spazierenging, erblickte er durch einen starken Feldstecher am Horizont
einen Hirsch. Er zeigte auf ihn und fragte seinen Begleiter, was für
ein Tier das sei. Der alte Indianer warf den Kopf in den Nacken, richtete
seinen Blick in die Weite und sagte: „Ein Hirsch, der in südlicher
Richtung zieht." Mein Student glaubte, der Alte sei weitsichtig und sehe
in der Nähe schlecht, er leide an der sogenannten ,,Alterssichtigkeit"
unserer Zivilisation. Er nahm deshalb ein wenig Wüstensand, streute
ihn auf seine Hand und zeigte ihn dem Alten. Der sah sich die Hand an und
schilderte genau den daraufliegenden Sand.
Dr. Bates befaßte sich mit dem Sehvorgang selbst, nicht mit dem
Auge. Denn sobald sich das Sehen bessert, bessert sich meist von allein
auch das Augenleiden. Verkrampfung, Überanstrengung und Dezentralisation
- Dezentralisation liegt vor, wenn zum Sehen ein falscher Teil der Netzhaut
und nicht das Sehzentrum gebraucht wird - sind die Ursachen mangelhaften
Sehens oder, wie es in der Fachsprache heißt, eines „Brechungsfehlers“.
Wird die Verkrampfung ausgeschaltet, so berichtigt sich der Brechungsfehler
von selbst. Die Schulmedizin vertritt die gegenteilige Auffassung:
Der Brechungsfehler ist Ursache der Verkrampfung; sie korrigiert den
Brechungsfehler, aber die Verkrampfung bleibt unbeachtet. Obwohl Dr. Bates
Arzt und Chirurg war, ist seine Methode im wesentlichen psychologisch-erzieherischer
Art - nicht medizinischer. Wir, die wir seine Methode lehren, kümmern
uns um physiologische und pathologische Probleme nicht. Es besteht für
uns auch kein Grund dazu. Die Erfahrung lehrt: Wenn Menschen mit mangelhaftem
Sehvermögen richtig sehen lernen, dann werden automatisch auch organische
Augenleiden behoben. Ein entspanntes Auge wird besser durchblutet als eines,
das falsch gebraucht oder überanstrengt wird. Je besser aber ein Organ
durchblutet ist, um so leichter kann es größere Widerstandsfähigkeit
gegen Krankheiten entwickeln und zugleich andere Mängel überwinden.
Nun liegt die Frage nahe, was Sie selbst gegen die Mängel Ihres
Sehens unternehmen können. Lesen Sie aufmerksam die Beschreibung der
Übungen in diesem Buch und führen Sie diejenigen Übungen
aus, die für Ihren besonderen Fall geeignet sind. Lassen Sie sich
davon überzeugen, daß Verkrampfung das Grundübel ist und
die Ursache für Brechungsfehler und andere, noch ernstere Komplikationen.
Nehmen Sie sich fest vor, die Verkrampfung zu überwinden. Führen
Sie die vorgeschriebenen Übungen täglich ebenso regelmäßig
durch, wie Sie Ihre Mahlzeiten einnehmen. Sie werden über die Ergebnisse
erstaunt sein: Sie werden nicht nur besser sehen, sondern auch Ihr gesamtes
Nervensystem wird sich kräftigen und Ihre Leistungsfähigkeit
gegenüber den Beanspruchungen des täglichen Lebens wachsen. Die
Entspannung des Körpers und Geistes bringt sogar eine freudigere seelische
Verfassung mit sich und gibt Ihnen einen hübscheren Gesichtsausdruck.
Wer nur eine Teilbesserung seiner Sehkraft erfährt, muß
die Entspannungsübungen unbedingt fortsetzen, damit die Teilbesserung
erhalten bleibt. Wer dagegen eine vollkommene Normalisierung erreicht,
wird eine dauernde Besserung erleben und kann auf weiteres Üben verzichten,
da ihm seine guten Sehgewohnheiten in Fleisch und Blut übergegangen
sind - und eingefleischte Gewohnheiten bleiben lebenslänglich haften.
Die Fovea, die Sehgrube, die Stelle des schärfsten Sehens, kann
man durch die Pupille des lebenden Auges mit dem Augenspiegel beobachten.
Dr. Bates brachte durch seine besondere Methode der Netzhautbeobachtung
das meiste über ihre Funktion in Erfahrung. Er konnte die Netzhaut
aus einer Entfernung von zwei Metern und mehr beobachten, während
die Versuchsperson ihre Augen normal gebrauchte. Dr. Bates entdeckte, daß
die Fovea, eine Gruppe äußerst empfindlicher Nervenenden, nur
dann scharfes Sehen vermittelt, wenn das Auge seine Tätigkeit in entspanntem
Zustand ausübt; daß sie nur in diesem Zustand »dynamischer
Entspannung« ihre Aufgabe, jeden von dem beobachteten Gegenstand
ausgehenden Lichtstrahl aufzufangen, ausüben kann. Dann, und nur dann
ergibt sich scharfes Sehen.
Ist dagegen das Gehirn angespannt, so verkrampfen sich die willkürlichen
Augenmuskeln; das Auge weicht ab und die einfallenden Lichtstrahlen fallen
statt auf die Stelle des schärfsten Sehens auf die weniger empfindlichen
peripheren Teile der Netzhaut. Die Macula nimmt scharfe, deutliche Bilder
auf, die peripheren Netzhautnerven vermitteln dagegen nur unscharfe, undeutliche
Bilder, die zu verarbeiten wiederum das Gehirn anstrengt. So entsteht ein
unheilvoller Kreislauf. Solches Sehen bedeutet für Auge und Gehirn
eine Anstrengung und ergibt nur undeutliche Bilder. Ist aber die Macula
richtig eingestellt und funktioniert die Fovea gut, werden Auge und Gehirn
nicht angestrengt, und die Bilder sind scharf.
Die mechanische Arbeit des Auges wird von sechs wichtigen Muskeln verrichtet,
die außen am Augapfel ansetzen. Sie sind an dem Weißen des
Auges, der Lederhaut, befestigt.
Vier dieser Muskeln erstrecken sich von vorn nach hinten; sie setzen
vorn nahe der Hornhaut an und enden hinten an der knöchernen Augenhöhle.
Einer liegt über, einer unter und je einer zu beiden Seiten des Augapfels.
Sie heißen Musculi recti oder gerade Augenmuskeln.
Die beiden andern Muskeln, die Musculi obliqui oder schrägen Augenmuskeln,
liegen schief um den Augapfel herum, einer setzt unten an der Lederhaut,
der andere seitlich oben am Augapfel an. Alle sechs langen Muskeln sind,
außer an ihrem Ansatzstück, quergestreift; an den wichtigen
Ansatzstellen sind sie glatt. Der quergestreifte Teil eines jeden Muskels
ist willkürlich und untersteht also unserem Willen. Die glatten Teile
dagegen sind unwillkürlich, sie reagieren ohne bewußten Befehl.
Mit den länglichen, quergestreiften Teilen dieser äußeren
Muskulatur rollen wir die Augen, drehen sie nach oben und unten oder bewegen
sie nach den Seiten.
Die glatten Teile der Muskeln verlängern oder verkürzen unwillkürlich
die Augapfelachse, stellen das Auge also für Nah- und Weitsehen ein.
Beide glatten Muskelgruppen funktionieren tadellos, ziehen die Augapfelachse
in die Länge oder verkürzen sie in vollkommenem Zusammenspiel,
sofern ihre Tätigkeit nicht durch Verkrampfung gestört wird -
mit andern Worten: Wenn sie entspannt bleiben, wie ja auch sonst jede Körperbewegung
von dem ungehemmten Zusammenspiel der entgegengesetzt wirkenden Muskeln
abhängt.
Die willkürlichen Teile der äußeren Muskulatur bewegen
den Augapfel und richten die Pupille auf den Gegenstand, den man sehen
will. Die unwillkürlichen Teile dieser Muskeln dehnen den Augapfel
in die Länge, wenn der Gegenstand nah, und verkürzen ihn, wenn
er fern ist. Vollziehen Verlängerung und Verkürzung des Augapfels
sich normal, fällt das Bild stets auf die richtige Stelle der Netzhaut,
auf die Macula.
Es wird behauptet, daß überanstrengte Augen die Leistungsfähigkeit
des Körpers um neunzig Prozent herabsetzen können. Bei einem
derartig erschöpften Zustand stellt sich ein ständiges Müdigkeitsgefühl
ein und man ist schon erschöpft, bevor der Tag richtig begonnen hat.
Wenn jedoch Gehirn und Auge entspannt sind, stellt sich die normale Nervenkraft
wieder ein, und Kraft und Leistungsfähigkeit steigern sich erheblich.
Stellen Sie die Füße parallel und weit genug auseinander,
um sich im Gleichgewicht halten zu können, und verlagern Sie in rhythmischer
Bewegung das Körpergewicht abwechselnd vom einen Fuß auf den
andern, wie Sie es bei Elefanten im Zirkus gesehen haben. Indes Sie sich
von der einen nach der andern Seite wiegen, lassen
Sie Kopf und Schultern mit den Bewegungen mitgehen; heben Sie die Arme,
die von den gelockerten Schultern schlaff herabhängen, etwas und lassen
Sie sie frei mitschwingen. Zählen Sie laut im Rhythmus der Bewegungen.
Das ist sehr wichtig, da man beim Sprechen oder Singen den Atem nicht anhalten
kann. Das Anhalten des Atems ist eine Begleiterscheinung der Verkrampfung.
Tiefes, rhythmisches Atmen ist Voraussetzung für Entspannung und gutes
Sehen. Betrachten Sie das Schwingen nicht als Übung, sondern als angenehme
Hingabe an den Rhythmus, so wie beim Walzer. Die Entspannung wird gefördert,
wenn Sie beim Schwingen eine Walzerplatte spielen lassen oder ein Lied
summen.
Vergewissern Sie sich, daß Nacken-, Brust- und Schultermuskeln
locker sind und ihre Stellung bequem ist. Schwingen Sie sachte den ganzen
Körper nach der einen und der andern Seite. Bis zum sechzigsten Schwung
entwickelt sich die gewünschte Entspannung, und von da bis zum hundertsten
Schwung genießen Sie erst das Gefühl der vollkommenen Befreiung
der Nerven und Muskeln: jeder Wirbel des Rückgrats ist gelockert und
alle inneren Organe sind entspannt. Und das beste dabei ist, daß
die Augen, ohne daß es ihrem Besitzer bewußt wird, die vielen
unwillkürlichen vibrierenden Bewegungen mitmachen, die zum besseren
Sehen beitragen. Kümmern Sie sich aber nicht um die Augen; diese unwillkürlichen
Bewegungen können Sie doch nicht wahrnehmen. Festzustellen sind sie
nur an dem Eindruck, das Zimmer ziehe in entgegengesetzter Richtung an
den Augen vorüber, als wäre es ein Eisenbahnzug, der hin- und
herfährt. Sie wiegen sich hierhin, dahin - kommt es Ihnen nicht vor,
als gleite das Zimmer an Ihnen vorüber? W a r n u n g: Betreiben Sie
diese Schwünge nicht als Gymnastik. Eine Schülerin erklärte
mir: »Ich bin begeistert vom Elefantenschwung! Meine Taille ist viel
schlanker geworden und das Doppelkinn verschwindet.« Sie warf den
Körper gewaltsam rechtsherum und linksherum und drehte dabei den Kopf,
soweit sie nur konnte. Alle Vorteile des Schwungs gingen dabei verloren:
Die Lockerung der unwillkürlichen Muskeln, die leichte Massage der
Rückenwirbel, die wohltuende Erleichterung für die Herz-, Lungen-
und Darmtätigkeit, die Erweiterung der Blutgefäße zugunsten
eines besseren Blutkreislaufs.
Überkommt Sie beim Schwingen ein leichter Schwindel, so stimmt
die Bewegung der Augen mit der des Körpers nicht überein. Achten
Sie darauf, sich ganz von den schwingenden Bewegungen tragen zu lassen.
Sobald Geist und Augen sich daran gewöhnt haben, die Umwelt an sich
vorüberziehen zu lassen, ohne irgendwelche Gegenstände zu fixieren
oder an ihnen mit dem Blick hängenzubleiben, werden Übelkeit
beim Fahren - im Zug oder im Fahrstuhl - und sogar Seekrankheit der Vergangenheit
angehören. Machen Sie morgens beim Aufstehen hundert Körperschwünge;
Sie werden Ihren Körper von den Spannungen befreien, die während
des Schlafens entstanden sind, denn viele Menschen verkrampfen sich auch
im Schlaf. Vor dem Zubettgehen machen Sie wieder hundert Schwünge,
und Ihre Nerven und Muskeln werden auch im Schlaf entspannt bleiben.
Ein Forscher, aus dem dunkelsten Afrika zurückgekehrt, brachte
einen Film mit, der die Gesundheitszustände und die Gewohnheiten der
Eingeborenenstämme schilderte, die er besucht hatte. Die Flußbewohner,
so berichtete er, fischen mit der Hand in den Stromschnellen, völlig
ungeschützt gegen die unerbittliche afrikanische Sonne und den blendenden
Widerschein des Wassers. Ihre herrlichen Gestalten, die wir im Film sahen,
sind kerngesund. Mit raschem Blick und flinken Bewegungen fangen sie mit
der bloßen Hand, ohne jedes Angelgerät, ihre Beute. Die Pygmäen
dagegen, die im Urwald zwischen Wurzeln, Moder und Schlingpflanzen leben,
wo nie die Sonne hinscheint, sind kränklich, rachitisch und schwachsichtig.
Der Sonnenschein tut dem menschlichen Körper und den Augen not; er
ist eine Gabe Gottes für alle Lebewesen. Wenn Sonnenschein und helles
Licht Sie stören, kann das auf die irrige Auffassung zurückzuführen
sein, die Augen müßten gegen starkes Licht geschützt werden.
Glücklicherweise kommt man von dieser Idee immer mehr ab. Oder haben
Sie Ihre Augen etwa zu Treibhauspflanzen gemacht und ihre Fähigkeit
geschwächt, das zum Sehen notwendige Licht zu vertragen und zu verwerten?
Augen sind Lichtempfänger. Die Netzhaut muß durch Licht angeregt
werden, um Schatten wahrnehmen zu können. Ist man angespannt, wird
das eindringende Licht von den Augen übertrieben stark und wie ein
Schock empfunden. Alle Teile des Auges verkrampfen sich dabei und unterbinden
den normalen Kreislauf. Die Folge sind Schmerzen und Unbehagen. Sie können
aber Ihre Augen allmählich daran gewöhnen, das Sonnenlicht ohne
Unbehagen zu vertragen. Diese Fähigkeit der Augen ist äußerst
wichtig; denn Sonnenschein, das beste Licht, ist für die Gesundheit
der Augen und für normale Funktion unentbehrlich. Gutes Sehen braucht
Licht, nicht Dunkelheit.
Die Sonne tut Wunder an den Augen. Sie löst verkrampfte Muskeln.
Jeder, der Sonnenbäder nimmt, weiß, wie sich Muskeln, Nerven
und Sehnen durch die Wärme der Sonne wenigstens zum Teil entspannen.
Genauso verhält es sich bei der Augenmuskulatur. Sonnenlicht regt
den Sehnerv an und hilft der Netzhaut, den Sehpurpur rasch zu erneuern.
Augen, die Sonnenlicht entbehren, sehen schlecht, der Sehnerv ist mangelhaft
durchblutet und ungenügend angeregt und der Sehpurpur in der Netzhaut
wird nur langsam ersetzt.
Bei seelischen Spannungen wirkt Sonnenschein beruhigend. Ihre Sorgen
werden Sie weniger bedrücken, eine Lösung wird leichter gefunden
werden, wenn Sie in frischem Tempo einen Spaziergang in der Sonne machen.
Das Sonnenlicht reguliert die Tätigkeit der Tränendrüsen,
so daß sie die richtige Menge an Tränenflüssigkeit zur
Befeuchtung und Desinfektion der Augen absondern. Die Tränenkanälchen,
die die Feuchtigkeit aus den Augen durch die Nase ableiten, bleiben, wenn
sie von der Sonne genügend bestrahlt sind, offen und durchgängig.
Augen, die von der Sonne gut bestrahlt sind, leiden nicht an Juckreiz und
Entzündung der Augenlider. Über das Gefühl, sie hätten
Sand in den Augen, klagen meist Menschen, deren Augen übermäßig
beansprucht werden.
Nehmen wir an, daß Ihre Augen nicht an frische Luft und helles
Licht gewöhnt sind und insbesondere die Sonne nicht vertragen. Gewöhnen
Sie sie daran! Aber nur allmählich; stürzen Sie nicht gleich
in den Sonnenschein hinaus und versuchen Sie nicht, in den Himmel zu starren.
Sie sollten überhaupt nie starren, am allerwenigsten in die Sonne.
Mildern Sie statt dessen den Schock, der durch einen zu starken und plötzlichen
Gegensatz verursacht wird, indem Sie die Augen nach und nach ans Licht
gewöhnen. Stellen Sie sich in den sonnigen Hauseingang oder an den
Rand eines Mauerschattens. Schließen Sie die Augen und wiegen Sie
sich, das Gesicht der Sonne zugewandt, wie es der Elefant tut, bewegen
Sie dabei den Kopf von der einen Schattenseite durch das Sonnenlicht nach
dem Schatten der andern Seite. Stützen Sie sich, wenn nötig,
mit der Hand an etwas Festes, damit Sie das Gleichgewicht behalten. Es
wird Ihnen vorkommen, als zöge die Sonne an ihrem Gesicht vorüber.
Atmen Sie tief, während Sie schwingen, und stellen Sie sich vor, die
Sonne pendele vor Ihrem Gesicht hin und her, von einem Ohr zum andern.
Bald wird das helle Licht Ihnen nicht mehr unangenehm, sondern wohltuend
sein. Betreiben Sie, wenige Minuten nur, aber mehrmals am Tage, diese Gewöhnung
an die Sonne, bis sie Ihnen nicht mehr unangenehm ist und das Gesicht dabei
ruhig und die Augenlider entspannt bleiben. Dann erst kommt der nächste
Schritt.
Schirmen Sie mit der Hand das eine Auge vollkommen ab, halten Sie die
Hand aber so locker, daß sich das Auge mit dem andern zugleich bequem
öffnen und schließen kann. Beginnen Sie nun mit dem Elefantenschwung
und vergessen Sie nicht, tief zu atmen. Blinzeln Sie im Vorbeischwingen
den Boden an. Heben Sie dann Kopf und Ellbogen und blinzeln Sie direkt
in die Sonne. Sie werden erstaunt sein, weder ein Unbehagen noch einen
Schock zu verspüren. Blinzeln Sie mit dem andern Auge auf die gleiche
Weise. Versuchen Sie aber nicht, mit beiden Augen zugleich die Sonne anzublinzeln,
obwohl auch das unschädlich wäre. Wir alle haben auf der Landstraße
oder am Meer in die Sonne geblinzelt, ohne daß es schädliche
Nachwirkungen gegeben hätte. Dennoch bedeutet es eine größere
Anstrengung, mit beiden Augen zugleich in die Sonne zu blinzeln, und für
alle unsere Entspannungsübungen gilt, daß die leichteste und
bequemste Art der Durchführung auch die beste ist.
Wie lange Sie sich bei diesen Übungen der Sonne aussetzen sollen,
werden Sie selbst am besten beurteilen können. Vorteilhafter ist öfteres
und kurzes Bestrahlen. Je nachdem, wie sich Ihre Augen an die Helligkeit
gewöhnt haben und es Ihnen angenehm ist, bleiben Sie in der Sonne.
Üben Sie nicht etwa so lange, bis die Lider brennen. An einem kalten
Wintertag werden Sie mehr Sonne vertragen als an einem heißen Mittag
in der Wüste. Weniger in der Sonne zu sein, aber dafür öfter,
ist bekömmlicher, als in der Sonne förmlich zu braten. Lassen
Sie sich von den Sonnenfleckchen und -fünkchen, die vor Ihren Augen
flimmern, nicht beunruhigen; sie sind nur Nachbilder, die auf der Netzhaut
zurückbleiben und sofort verschwinden, wenn die Augen für einige
Minuten verdunkelt werden. Eine stumpfe Netzhaut nimmt Bilder schon nach
dem ersten Sonnenbad klarer auf. Gehen Sie nach dem Sonnenbad ins Haus
und decken Sie die Augen für die doppelte Zeitdauer der Bestrahlung
mit den Händen zu. Bei zunehmender Kräftigung der Augen werden
die Nachbilder verschwinden, ohne daß Sie die Augen erst durch Zudecken
ausruhen müssen.
Bedenken Sie, daß es der Schock von dem plötzlichen Gegensatz,
nicht die Helligkeit an sich ist, der den Augen anfangs nicht behagt. Sonnen
Sie die geschlossenen Augen, sooft Sie vom dunklen Zimmer ins helle Licht
hinausgehen und bevor Sie sich in den Wagen setzen und gegen das Licht
fahren.
Wenn Sie das In-die-Sonne-Blinzeln gewissenhaft üben, werden Sie
bald von heller Zimmerbeleuchtung oder entgegenkommendem Scheinwerferlicht
nicht mehr geblendet werden.
Die Sonne wird Ihre Augen glänzend machen wie Edelsteine. Machen
Sie sie nicht stumpf, schwächen Sie sie nicht durch das Tragen einer
dunklen Brille.
Die Sonne ist Speise und Trank für die Augen.
Jeder weiß, daß zum Gesundsein tiefes Atmen notwendig
ist. Manches körperliche Leiden ist erst durch richtiges Atmen geheilt
worden. Wenige aber wissen, daß gutes Atmen auch für gutes Sehen
unentbehrlich ist. Jeder kann sich selbst davon überzeugen, wie ihm
„schwarz vor den Augen“ wird, wenn er den Atem lang genug anhält.
Dennoch halten fast alle Schwachsichtigen den Atem an, wenn sie etwas sehen
wollen, oder atmen bestenfalls so flach, als gehe es nur darum, dem Körper
bloß ein Fünkchen Leben zu lassen. Die Arbeit am Zeichenbrett
strengt den technischen Zeichner meist an und ermüdet ihn. Auf Befragen
gibt er zu, vor lauter Eifer das Atmen vergessen zu haben. Das gilt ebenso
für Künstler, Buchhalter, Stenotypisten und andere, die im Sitzen
arbeiten. Die Augen bedürfen des Sauerstoffes und einer guten Durchblutung;
erreicht wird das durch tiefes Atmen.
Es gibt viele Atemmethoden. Wir haben festgestellt, daß das Seufzen
für die Augen die wirksamste Art des Atmens ist.
Das Einatmen vollzieht sich mit mehr oder weniger Kraftaufwand - die
Muskeln müssen dabei arbeiten. Wenn der Atem angehalten wird, spannen
sich die Muskeln, das Gesicht läuft dabei rot oder sogar blau an.
Wir alle kennen das eigensinnige Kind, das, um der Mutter oder dem Kindermädchen
Angst zu machen und seine Launen durchzusetzen, den Atem anhält. Beim
Ausatmen ergibt sich eine vollkommene Entspannung. Beim Seufzen entspannen
sich sämtliche Körperteile, alles gibt nach, und während
die Luft aus den Lungen entweicht, wird der ganze Körper gereinigt.
Für die Augen ist dieser Vorgang von sofortigem Vorteil. Ein Beispiel:
Ein Mann, der am Erblinden war und dessen Augenlicht allmählich
wiederhergestellt wurde, vermochte zunächst den jeweiligen Gegenstand
nur beim Seufzen zu erkennen. Freilich mußte er, um ausatmen zu können,
erst tief Atem holen.
Das Gähnen, ein Zeichen für Sauerstoffmangel, bringt den
Blutkreislauf in Gang und ist sowohl anregend wie entspannend. Ein Seufzer
aber bezweckt und bewirkt ausschließlich die Lockerung und Lösung
der Spannungen.
Das Seufzen ist ein natürlicher Vorgang. Ein kleines Kind seufzt
auf, wenn es das Köpfchen zur Seite dreht und in tiefen Schlaf fällt.
Ein kleiner Hund seufzt, nachdem er sich zu einem friedlichen Schläfchen
auf den Teppich gelegt hat. Kinder, die aus Angst oder Wut einen Weinkrampf
bekommen, seufzen heftig, wenn die Spannung sich löst. Der Seufzer
ist der Übergang zu normalem Zustand; das Kind kann wieder lächeln.
Im Krankenhaus gilt der erste Seufzer nach einer Operation als Zeichen,
daß die Krisis vorüber ist.
Will man einen Gegenstand klarer sehen, so wird das besser gelingen,
wenn man tief ausatmet. Das Sehvermögen wird sofort schärfer
und bessert sich bei schwachen Augen für einen Moment. Achten Sie
darauf, tief und rhythmisch zu atmen, namentlich dann, wenn Sie die Augen
besonders beanspruchen. Gutes Atmen ist für gutes Sehen unentbehrlich,
da es während der Augenblicke gespannter Aufmerksamkeit und des damit
verbundenen Anhaltens des Atems dem mit Kohlensäure überladenen
Blut neuen Sauerstoff zuführt.
Ermutigend ist die Tatsache, daß keine Anstrengung von Dauer
ist. Zuweilen strengt man sich weniger an, und in solchen Zeiten bessert
sich sofort das Sehen; im Augenblick aber, da die Anstrengung größer
wird, ist die Sehkraft gemindert. Jeder kurzsichtige Mensch, der zeitweise
keine Brille trägt, hat die Erfahrung gemacht, daß er die Ferne
plötzlich mit einer Klarheit sieht, als hätte er eine Brille
auf. Im Anfang wird es sich nur um kurze Augenblicke normalen oder gar
übernormalen Sehens handeln, da die alte Gewohnheit, absichtlich sehen
zu wollen, gleich wieder einsetzt. Dennoch ermutigt der flüchtige
Genuß normalen Sehens den Kurzsichtigen, sich allmählich genügend
zu entspannen, um die normale Augenfunktion aufrechterhalten zu können.
Die Psychologen sind sich darüber einig, daß Angst die Muskeln sich zusammenziehen läßt. Die beiden schrägen Muskeln, die den Augapfel umfassen und ihn verlängern, sind bei kurzsichtigen Augen verkrampft. Sie lockern sich und arbeiten mit ihren Gegenmuskeln, den geraden Augenmuskeln nur dann richtig zusammen, wenn Auge und Gehirn entspannt sind. Also besteht gutes Sehen aus der guten Gewohnheit, entspannt zu sehen. Gute Gewohnheiten lassen sich nur durch Übungen im richtigen Gebrauch der Augen entwickeln, die dann normal, und ohne daß man bewußt darauf achtet, ihren Dienst tun. Dr. John Dewey erklärt: Erst wenn durch regelmäßiges Üben die Zusammenarbeit zwischen Auge und Gehirn so vervollkommnet ist, daß sie von selbst eintritt, ist richtiges Sehen hergestellt.
Kurzsichtige Augen fürchten die Entfernung so sehr, daß sie
alles Interesse am Weitsehen verlieren und sich auf eine engbegrenzte Umwelt
einstellen. Diese geistige Teilnahmslosigkeit ist eine schlechte Gewohnheit.
Solche Augen müssen lernen, sich wieder mit dem Begriff „Ferne“ zu
befreunden und sich für das, was „da draußen“ geschieht, zu
interessieren. Dies ist der erste Schritt zu ihrer Erlösung aus der
Verkrampfung.
Ein kurzsichtiges Mädchen klagte mir: „Ich kann aber nicht einmal
die andere Seite des Zimmers sehen!“ Ich fragte: „Was sehen Sie da nicht?
Sie sehen doch die Wand, wie hoch und wie breit sie ist. Sie sehen die
Tür, wenn sie aufgeht, und die Fenster mit ihren Jalousien. Was ist
sonst da? Schauen Sie hin und sagen Sie es mir.“ Auf den Befehl hin, Einzelheiten
zu schildern, beschrieb sie ein Ölgemälde, den darauf abgebildeten
Gegenstand, das Büchergestell, die Vasen darauf, die Lampe, den Sessel,
den Schreibtisch und schließlich das Schreibzeug, Bleistift, Feder
und ein Lineal auf dem Löschblatt des Schreibtisches. Es wurde ihr
klargemacht, daß der Fehler nicht bei ihren Augen lag, sondern bei
ihrem Gehirn, das die Augen nicht vorteilhaft zu gebrauchen verstand. Dasselbe
Mädchen ging ein andermal durch ein Zimmer, in das leuchtend grüne
neue Polstermöbel gestellt worden waren. Die Farbe der alten Möbel
war mattbraun gewesen. Der Gegensatz war für jemanden, der wie sie
das Zimmer gut kannte, auffallend genug. Ich fragte: „Wie gefallen Ihnen
die neuen Möbel?“ „Ach, sind sie gekommen?“ fragte sie überrascht.
Sie war unmittelbar an ihnen vorbeigegangen, ohne die Veränderung
zu merken. Das Sofa und zwei Polstersessel waren so groß, daß
sie auch der Kurzsichtigste hätte sehen können. Das Mädchen
hatte einfach nicht hingeschaut. So gehen kurzsichtige Menschen durchs
Leben: Das Gehirn verlernt das Sehen.
Überanstrengung der Augen ist eine äußerst heikle Sache;
man weiß nicht, wann und wie man es dazu kommen läßt,
sonst würde man es unterlassen. Sobald die Überanstrengung da
ist, ist der Schaden schon geschehen, denn sie entzieht dem Organismus
neunzig Prozent seiner Sehkraft. Sogar eine Brille ist nicht imstande,
die Spannungen zu beseitigen oder die Augenmuskeln zu lockern, die nach
wie vor verkrampft bleiben. Die Augengläser übernehmen lediglich
die Arbeit, die den Akkommodationsmuskeln obliegt. Sobald die Verkrampfung
behoben ist und die festgehaltenen Energien dem normalen Gebrauch wieder
zugeführt werden, nehmen Kraft, Ausdauer und Energien mächtig
zu.
Die Augengläser sind bei diesen Übungen abzulegen
Kurzsichtige Menschen müssen, um entfernte Gegenstände ohne
Augengläser sehen zu können, folgendes wissen:
1. Das kurzsichtige Auge muß lernen, in Formvergleichen zu denken,
denn so sieht das normale Auge - indem es vergleicht. Schauen Sie alles,
was Sie sehen, daraufhin an, ob es groß oder klein ist, gerade oder
gebogen, lang oder kurz, dick oder dünn, breit oder schmal. Augen,
denen Dinge in einer Entfernung von mehr als drei Metern verschwommen oder
als unerkennbare Masse erscheinen, sind nicht gewöhnt, die Umrisse
zu beachten, die scharfen Kanten, an denen das Licht durch den Gegenstand
gebrochen wird. Sie denken nicht daran, die Gestalt des Gegenstandes festzustellen
und so das Gehirn bei seiner Aufgabe zu unterstützen, den Gegenstand
zu erkennen.
Eine gute Übung ist es, sich bei geschlossenen Augen die großen
Buchstaben des Alphabets mit dem Zeigefinger auf den Handteller in Blockschrift
zu zeichnen und sich die Form der einzelnen Buchstaben genau vorzusagen.
„A“ ist ein Dreieck, „B“, „C“ und „D“ sind runde Linien, „E“ ist ein Rechteck,
„F“ ist schlank und so weiter. Es ist erstaunlich, wie interessant die
Buchstaben dabei werden können.
2. Gewöhnen Sie es sich an, beim Sehen den Gegenstand nach seinen
Feinheiten und Einzelheiten mit den Augen abzusuchen. Wie oft muß
ich von Kurzsichtigen hören: „Nun, da Sie mich auf diese Einzelheit
aufmerksam gemacht haben, sehe ich sie ganz gut. Ich hatte sie vorher gar
nicht bemerkt.“ Der Grund, warum die Augen sie nicht bemerkten, ist, daß
sie nicht über den ganzen Gegenstand hinweggewandert waren, ihn nicht
abgetastet hatten.
Ihr Blick war an ihm in seiner Gesamtheit als an einem großen
Fleck hängengeblieben und hatte versucht, ihn als ein Ganzes aufzunehmen,
ihn sozusagen in sich aufzusaugen. Aber Gehirn und Augen können nicht
auf diese Weise arbeiten. Beide müssen in raschester Folge über
jede kleinste Einzelheit des Gegenstandes hinwandern, jedes Teilchen für
sich im Bruchteil einer Sekunde wahrnehmen, bis auch der kleinste Teil
beachtet worden ist.
Mit anderen Worten: Gewöhnen Sie Ihre Augen daran, sich rasch zu
bewegen. Eine ausgezeichnete Übung ist, ganze Reihen von Dingen schnell
zu zählen. Versuchen Sie nicht, es genau zu machen; tun Sie nur, als
ob Sie zählten. Sie werden feststellen, daß Ihre Augen, wenn
Sie täglich üben, immer weniger Dinge dabei überspringen.
Was Sie zählen sollen? Die Zacken eines Musters, Wiederholungen in
einem Stoff, Blumen auf der Tapete, Streifen auf einem Stoff, Bücher
auf Bücherbrettern, die Fenster eines vorbeifahrenden Zuges oder einer
Straßenbahn, die Köpfe vor Ihnen in einem Hörsaal, die
Vögel auf einem Telegraphendraht.
Wenn es Ihnen schwerfällt, sich Gesichter zu merken, so gewiß
deshalb, weil Sie sie nie genau angesehen haben. Lernen Sie, alle Züge
eines Gesichtes aufmerksam zu betrachten, mit dem Blick von einem zum anderen
Auge zu wandern, von einer zur anderen Augenbraue, von der Nase zum Mund
und Kinn und zurück zu den Augen. Vergleichen Sie die Größe
der beiden Augen und ihren Ausdruck. Prägen Sie sich die Ebenmäßigkeit
oder Unebenheiten der Augenbrauen und Ohren ein, studieren Sie die Nase,
den Mund, das Kinn. Sie werden recht interessante Einzelheiten finden,
wenn Sie entdecken, was sich dabei alles zeigt. Wenn Sie einmal das ganze
Gesicht genau gesehen haben, werden Sie sich auch daran erinnern können.
Angestrengte Augen neigen dazu, das Gesicht mit einem einzigen starren
Blick wie ein Löschblatt in sich aufsaugen zu wollen; sie heften den
Blick an eine Einzelheit. Selbstverständlich können Sie sich
dann an den Rest nicht erinnern.
3. Gewöhnen Sie es dem Geist an, sich für die Entfernung
und für Dinge, die in der Entfernung sind, zu interessieren. Kurzsichtige
Augen fühlen sich entfernten Gegenständen gegenüber derart
hilflos, daß sie gar nicht erst wagen, einen Blick, der versagen
könnte, auf sie zu werfen. Und so rücken die Grenzen ihrer Welt
immer enger zusammen, bis es ihnen gar nicht mehr in den Sinn kommt, weiter
wegzuschauen, ob „da draußen“ etwas zu sehen ist. Nicht einmal Augengläser
können diese geistige Gewohnheit ändern. Das Auge muß unentwegt
nach etwas Sichtbarem suchen und dadurch das Verlangen nach Antwort auf
die Frage „Was ist es?“ verstärken.
4. Bringen Sie den Augen bei, den Unterschied in der Erscheinung ein
und desselben Gegenstandes zu studieren, der von nahem und von weitem gesehen
wird; also zu erkennen, wie sich die Dinge perspektivisch verändern.
Die folgenden Übungen bezwecken, die Augen an der Entfernung zu interessieren.
Zur Vorbereitung baden Sie die Augen in der Sonne oder in hellem
Licht und decken sie dann mit den Handtellern zu. Während Sie sie
zugedeckt halten, richten Sie Ihre Gedanken auf eine Kegelbahn. Stellen
Sie im Geist die Kegel in einer Reihe auf, malen Sie sie sorgfältig
an und behalten Sie die Reihenfolge der Farben im Gedächtnis. Nehmen
Sie eine Kegelkugel, mit der Sie die Kegel umwerfen wollen. Verfolgen Sie,
wie die Kugel Ihre Hand verläßt, über die Bahn rollt und
den ersten Kegel umwirft Wiederholen Sie dies, bis alle neun Kegel umgeworfen
sind.
1. Setzen Sie sich am Ende eines langen, gut beleuchteten Raumes
bequem in einen Stuhl, um die Einrichtung anzuschauen. Betrachten Sie zuerst
die zwei nächstgelegenen Gegenstände zu beiden Seiten, indem
Sie den Kopf erst nach der einen, dann nach der andern Seite drehen. Schließen
Sie die Augen und prägen Sie sich gut ein, wie die beiden Gegenstände
aussehen.
2. Gehen Sie nun zu den beiden nächsten Gegenständen über,
die ein wenig weiter entfernt liegen, schauen Sie sie abwechselnd sorgfältig
an, während Sie den Kopf von der einen nach der andern Seite drehen.
Schließen Sie die Augen und drehen Sie den Kopf in Richtung des zuerst
betrachteten Gegenstandes, dann in Richtung des andern.
3. Erinnern Sie sich an das, was Sie gesehen haben, öffnen Sie
die Augen, sehen Sie es wieder an und setzen Sie die Übung mit noch
weiter entfernten Gegenständen zu beiden Seiten fort.
4. Wagen Sie sich mit den Augen schrittweise immer weiter vor, von
Gegenstand zu Gegenstand, wobei Sie Ihr Interesse auf das beschränken,
was Sie betrachten, und mit Ihren Augen jeden Gegenstand genau abtasten.
Stellen Sie seine Formen fest und nehmen Sie dabei möglichst viele
Einzelheiten auf.
5. Sie werden wahrscheinlich sehr bald bei Gegenständen zu beiden
Seiten des Raumes angelangt sein, die so weit entfernt sind, daß
Sie sie nicht mehr erkennen können. Beschäftigen Sie sich mit
den beiden Unbekannten, halten Sie sich kurz bei diesem, dann bei jenem
auf. Vergessen Sie nicht, die Augen immer wieder zu schließen, sie
rasten zu lassen und tief und oft zu atmen. Strengen Sie sich nicht an;
lassen Sie das Sehen auf sich zukommen und die Augen tun, was sie wollen.
Stellen Sie Vermutungen an, wie es das normale Auge tut. Möglicherweise
wird der eine oder andere Gegenstand dann im Bewußtsein oder vor
dem Auge plötzlich klar aufblitzen. Auf welche Weise er Ihnen auch
deutlich wird:
nehmen Sie es hin; mit der Zeit trägt es zum besseren Sehen bei.
6. Wenn aber nichts dergleichen geschieht, dann begeben Sie sich zu
den Gegenständen hin und untersuchen Sie sie aus nächster Nähe.
Warum gelang es Ihnen nicht, sie zu erkennen? Haben Sie Größe
und Gestalt aus der Entfernung falsch gesehen? Versäumten Sie, die
Gegenstände nach ihren Einzelheiten mit dem Blick abzutasten? Inwiefern
sehen sie in der Nähe anders aus als aus der Ferne?
7. Kehren Sie nun zu Ihrem Sessel zurück, decken Sie die Augen
zu und stellen Sie sich die Gegenstände so vor, wie Sie sie aus der
Nähe gesehen haben. Holen Sie tief Atem und atmen Sie aus, während
Sie die Augen öffnen; vielleicht werden Sie von einem kurzen Augenblick
klaren Sehens überrascht.
Machen Sie diese Übungen nicht lange auf einmal, sondern lieber
alle Tage ein wenig. Was am ersten Tag unmöglich schien, wird beim
nächsten Mal leichter sein.
Kinos bieten Ihnen eine gute Gelegenheit, das Weitsehen zu fördern.
Betrachten Sie ohne Augengläser die Leinwand. Setzen Sie sich nahe
genug, um ohne Anstrengung sehen zu können, etwa in die Mitte der
ersten oder zweiten Reihe. Denken Sie daran, oft zu blinzeln, tief und
rhythmisch zu atmen und die Leinwand nach Einzelheiten abzusuchen. Schließen
Sie ab und zu kurz die Augen oder schauen Sie auf eine dunkle Stelle, um
die Augen durch den Kontrast von Hell und Dunkel ausruhen zu lassen. Handelt
es sich um einen Film mit vielen Außenaufnahmen, so nehmen Sie jede
Gelegenheit wahr, tief in den Hintergrund, in die im Film gebotene Entfernung
zu schauen. Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung ist der Kinobesuch
für die Augen gut und kann zur Besserung der Kurzsichtigkeit dienen.
Da alles in ständiger Bewegung ist, ist es unmöglich, den Blick
starr auf eine Stelle zu heften; Filme zwingen die Augen, sich zu bewegen.
Haben Sie beim ersten Kinobesuch ohne Brille in der ersten Reihe gesessen,
so werden Sie im Verlauf einiger Wochen feststellen, daß Sie in immer
größerem Abstand von der Leinwand sitzen und sehen können.
Früher als Sie geglaubt haben, werden Sie sogar in der ersten Balkonreihe
sitzen und den Film genauso gut zu sehen vermögen. Der schräge
Blick nach unten ist den Augen wohltuend, die Kopfhaltung bequemer für
das Genick. Jetzt werden ihre weitsichtigen Bekannten wieder gern mit Ihnen
zusammensitzen.
Vergessen Sie nicht unsere Regel für den Gebrauch der Augen:
Bequemlichkeit ist alles. Lassen Sie die Augen nicht müde werden.
Ist noch ein Beifilm dabei, wird Ihnen am Anfang die Ausdauer fehlen, die
dazu notwendig ist, einen ganzen Abend ohne Brille zu verbringen. Sie haben
sich zu lange auf Ihre Krücken verlassen. Dann müssen Sie die
Augen für eine Weile mit den Händen zudecken oder die Brille
aufsetzen. Aber je mehr sich die Augen daran gewöhnen, ohne diese
Hilfe zu sehen, um so länger werden Sie aushalten, ohne zu ermüden.
Halten Sie, wenn möglich, den Kopf so, daß Sie schräg hinab
auf die Leinwand blicken; schauen Sie ohne Verkrampfung hin und denken
Sie daran, zu atmen.
Eine vorzügliche Übung ist es, sich einen interessanten Film
anzusehen und dann ein zweites Mal hinzugehen, diesmal aber die Augen mit
den Händen abzudecken und den ganzen Film im Geist an sich vorbeiziehen
zu lassen, während man zuhört. Das Sehen wird zweifelsohne viel
klarer sein, wenn Sie dann die Hände wegnehmen.
Nichts ist so gut für die Verbesserung der Sehweite und Sehschärfe
wie das Kegelspiel. Eine moderne Kegelbahn ist gut beleuchtet und durchlüftet.
Beobachtet der Spieler die Kegelkugel in seiner Hand, während er zum
Wurf ausholt, und wirft er dann einen raschen Blick auf die Kegel, oder
anders: schaut er erst einmal auf die Kegel, wenn er zum Zielen ausholt,
und verfolgt er dann beim Wurf die Kugel mit den Augen, wenn sie auf die
Kegel zurollt, so wird ihm der Wurf besser gelingen.
Für Kurzsichtige ist es zweckmäßig, die stehengebliebenen
Kegel schnell zu überblicken und ihre Zahl zu schätzen. Je länger
man spielt, um so sicherer wird man schätzen.
Sogar das Anschreiben der Spielergebnisse kann von Nutzen sein. In
manchen modernen Kegelbahnen werden die am Pult mit dem Bleistift notierten
Punkte im gleichen Augenblick auf eine erhöhte Tafel in einiger Entfernung
gestrahlt. Das handgeschriebene Spielergebnis mit dem auf die Tafel gestrahlten
zu vergleichen, tut für die Entwicklung des Weitsehens Wunder.
Vor und nach der Übung decken Sie die Augen ab und lassen die
Sonne oder Licht darauf scheinen.
1. Stellen Sie sich an eine Stelle, von wo aus Sie an einer langen
Reihe von Telegraphenmasten entlangblicken können. Richten Sie Ihre
Aufmerksamkeit auf den ersten Mast und drehen Sie Ihre Nase dahin, wohin
Sie schauen. Gleiten Sie mit dem Blick an der linken Seite des Mastes hinauf
bis zur Spitze, wobei Sie den Kopf heben, und dann auf der rechten Seite
wieder ganz herunter bis zum Boden. Achten Sie auf alles, was Sie sehen:
auf Astlöcher oder Risse im unteren Teil und auf Querbalken und Streben
weiter oben, die an den Enden Isolatoren aus Porzellan tragen.
2. Zählen Sie die Drähte und gleiten Sie an den Drähten
weiter bis zum nächsten Mast.
3. Nachdenklich und langsam wiederholen Sie das Heruntergleiten am
nächsten Mast; tun Sie es mit der gleichen Sorgfalt wie beim ersten.
4. Vergleichen Sie sein Aussehen mit dem des ersten. Sie sollen den
Eindruck bekommen, daß dieser weiter weg ist als der erste. Durch
diese Übung wird das Gefühl für Entfernung geübt.
5. Schließen Sie die Augen, ruhen Sie aus und atmen Sie.
6. Öffnen Sie die Augen wieder und gleiten Sie die Drähte
entlang vom ersten Mast zum zweiten; mehrere Male hin und her.
7.Gehen Sie zum dritten Mast über und wiederholen Sie dasselbe.
Bei dieser Übung werden Sie täglich schärfere und detailliertere
Bilder erhalten und mit der Zeit den siebten und achten Mast besser sehen
können als anfangs den ersten und zweiten.
1. Entschließen Sie sich, öfter und tief zu atmen, wenn
Sie die Augen zum Nahsehen gebrauchen. Atmen Sie, um zu sehen!
2. Die Augäpfel sollen sich beim Lesen weich anfühlen. Entspannen
Sie die Augenlider und vermindern Sie den Druck in der Augenhöhle;
das befreit sie von der Verkrampfung (siehe das Kapitel „Zusammenfassung
täglicher Entspannungsübungen“). Schließen Sie des öfteren
die Augen, um sich zu vergewissern, ob sich die Augen weich anfühlen;
versuchen Sie dieses Gefühl wiederzubekommen, wenn es Ihnen verlorengeht.
3. Schließen Sie öfters die Lider, um die Augen sich erholen
zu lassen und sie zu bespülen. Damit beugen Sie Trübungen und
Augengrieß vor.
4. Sooft Sie untertags in die Ferne sehen, blicken Sie anschließend
zum Ausgleich rasch auf etwas Nahes, und seien es nur Ihre Armbanduhr oder
Ihre Fingernägel.
5. Gewöhnen Sie Ihre Augen daran, die betrachteten Gegenstände
scharf abzuzeichnen und zu umreißen. Das wird Ihre Beobachtungsgabe
schärfen, indem Sie sich bei entfernten Dingen, die Sie ja gut sehen
können, daran gewöhnen, die Augen richtig hin und her wandern
zu lassen; eine Gewohnheit, die Sie dann auch auf nahe Dinge, die Sie schwerer
sehen können, übertragen.
Der erste Schritt zur Wiederentwicklung des Sehvermögens ist die
Ausschaltung seelischer Spannungsursachen. Dies erreichen Sie durch geistige
Entspannung, wie es im Kapitel „Allgemeine geistige Entspannung“ angegeben
ist. Menschen mit solchen Augen müssen sowohl das körperliche
wie auch das geistige Starren unterbrechen, da sie dabei sozusagen nur
in einer ruckartigen Folge von Wahrnehmungen denken und lesen können.
Wir müssen Geist und Blick zu einem flüssigen Bewegungsablauf
erziehen und genauso mit dem Kopf wie mit den Augen lesen. Sogar die Anhänger
der schulgerechten Methode sind zu dieser Einsicht gekommen und lehren
nun, daß „Sehen mehr bedeutet, als nur optisch scharf wahrzunehmen“.
Der nächste Schritt ist die Entspannung der Augen. Machen Sie
all die Entspannungsübungen aus dem Kapitel „Zusammenfassung täglicher
Entspannungsübungen“, besonders die Morgenübungen; denn gerade
weitsichtige Augen müssen gelockert und geöffnet und von dem
Druck der von oben schwer auf dem Augapfel lastenden Lider und Augenbrauen
befreit werden.
Legen Sie besonderes Gewicht auf das Abdecken und Baden der Augen in
der Sonne. Seltsamerweise scheuen gerade solche Menschen, deren Augen es
am nötigsten haben, sowohl den Sonnenschein wie den erforderlichen
Zeitaufwand, die Fähigkeit des Entspannens durch Abdecken der Augen
zu entwickeln. Aber mit Beharrlichkeit kann man es dahin bringen, das helle
Licht zu vertragen und die Ruhe zu genießen, die durch das Abdecken
der Augen erzeugt wird.
Ratschläge für alternde Augen: Baden Sie die Augen in der
Sonne oder in hellem Licht und machen Sie dabei den Elefantenschwung. Die
körperliche Bewegung beruhigt die Nerven und steigert die angenehme
Wirkung des Abdeckens der Augen. Lassen Sie sich das Abdecken der Augen
auf keinen Fall langweilig werden und zwingen Sie sich nicht, stillzusitzen,
wenn Sie innerlich kribbelig sind und all die Dinge im Sinn haben, die
Sie erledigen könnten, während Sie sich diese Erholung von zehn
Minuten gönnen. Bedenken Sie, daß eine kleine Pause zur Entspannung
ein Zeitgewinn ist. Nach dem wohltuenden Abdecken der Augen werden Sie
Ihre Gedanken besser sammeln können, Ihre Leistungsfähigkeit
ist erhöht und Sie brauchen weniger Zeit für Ihre Arbeit. Mit
anderen Worten: Sie werden sich dann nicht geistig und körperlich
„im Kreise drehen“. Lassen Sie das Radio eine angenehme Musik, eine interessante
Erzählung oder ein gutes Hörspiel vortragen, wenn Sie die Handteller
über die sanft geschlossenen Augen so halten, daß sie wie eine
weiche, warme, dunkle Schale auf ihnen liegen. Stützen Sie die Ellbogen
auf ein Kissen, damit die Arme nicht ermüden. Geben Sie sich einer
frohen Stimmung hin, denken Sie nicht an Unangenehmes. Seufzen Sie tief
und nehmen Sie sich vor, Ihre Ruhepause richtig auszukosten.
Jetzt sind Ihre Augen zum Gebrauch bereit. Bedenken Sie:
1. Sie werden jetzt nicht krampfhaft versuchen, etwas Gedrucktes zu
sehen; denn je mehr Sie sich anstrengen, desto eher werden Sie verwischt,
schmerzhaft und undeutlich sehen.
2. Sie werden nicht künstlich mit Hilfe der Augenlider und Brauen
versuchen, deutlicher zu lesen. Solche drückenden und verzerrenden
Einwirkungen sind schlecht für die Augen und verhindern eine Besserung
und dauerndes gutes Sehen.
3. Denken Sie daran, daß die Erinnerung an mangelhaftes und undeutliches
Sehen die Sehkraft verschlechtert. Lassen Sie es deshalb nicht zu, daß
Ihr Geist sich mit der Erinnerung an astigmatische Fehler abgibt. Schließen
Sie statt dessen die Augen und denken Sie an etwas früher Geschehenes,
das scharf und deutlich abgegrenzt war. Stellen Sie sich geistig auf vollkommenes
Sehen ein.
4. Baden Sie die Augen in der Sonne oder im hellen Licht und decken
Sie sie während des Übens mit den Händen oft zu. Ruhen Sie
sich, wenn irgend möglich, aus, noch ehe Sie müde werden.
Jeder kennt den Spruch: „Vorbeugen ist besser als Heilen.“ Sagen Sie
sich: Wenn Sie ausruhen, bevor Sie müde sind, werden Sie nie erschöpft
sein.
5.Versorgen Sie sich mit bestem Licht, wenn möglich mit Sonnenlicht,
sonst mit gutem Tageslicht oder einem gleichwertigen künstlichen Licht
(siehe das Kapitel „Zentralisation und Licht“). Wenn Sie in der Sonne lesen,
halten Sie das Buch so, daß es nicht blendet.
6.Machen Sie während des Lesens oft die geistigen Übungen;
sie entspannen das Gehirn und lockern die gespannten Augenmuskeln.
Eine ausgezeichnete Vorbereitung für die Leseübungen ist,
neben dein Sonnenbaden und Zudecken, die Kalenderübung im Kapitel
„Steigerung des Weitsehens“. Wenn Sie mit dem kleinen Taschenkalender (Übung
C) üben, wobei Sie von den kleinen Zahlen auf die großen, entfernten
schauen, dann benutzen Sie im Anfang keinen zu kleinen Kalender, sondern
einen, den Sie mühelos sehen können. Halten Sie ihn, wenn nötig,
in Armesweite von den Augen entfernt. Im Lauf der Zeit, wenn ihre Sehkraft
zunimmt, werden Sie den Kalender nach und nach näher rücken können.
Schauen Sie die „1“ auf dem Kalender in Ihrer Hand, dann die auf dem großen
Kalender und schließlich wieder die kleine Zahl in der Hand an. Damit
geben Sie dem verkürzten Augapfel Gelegenheit, sich zweimal zum Nahsehen
zu verlängern und nur einmal weit zu sehen. Denken Sie daran, die
Augen nach jeder „Rundfahrt“ zu schließen, einige Male zu schwingen
und zu atmen. Lassen Sie die Augen jedesmal leicht auf den Zahlen ruhen,
statt nach ihnen zu schnappen oder klares Sehen erzwingen zu wollen. Nehmen
Sie den jeweiligen Eindruck gelassen hin, schließen Sie die Augen
und stellen Sie sich die Zahl klar vor, so wie sie erscheinen m ü
ß t e.
1. Decken Sie mit dem Handteller ein Auge so lose zu, daß
es sich zusammen mit dem andern öffnen kann. Krümmen Sie die
andere Hand zusammen, wie ein Wahrsager es verlangt, wenn er die Linien
lesen will.
2. Halten Sie die Hand in Armesweite und streifen Sie mit dem Blick
hin und her über all die Weinen Linien.
3. Schließen Sie die Augen und fahren Sie im Geist fort, mit
dem Blick über die Handfläche hin- und herzuwandern, und stellen
Sie sich dabei die Linien vor, die Sie jeweils sehen.
4. Holen Sie tief Atem, rücken Sie die Hand näher, öffnen
Sie die Augen und blicken Sie wieder über die Hand hin.
5. Wiederholen Sie: Hin- und herschauen, Augen schließen, sich
erinnern. Bringen Sie die Hand immer näher ans Gesicht, bis sie ganz
nahe vor der Nase steht. Sie werden einige Linien noch immer mühelos
sehen, weil Sie den Augapfel schrittweise verlängert haben.
6. Wiederholen Sie die Übung nun mit dem anderen Auge und der
anderen Hand.
7. Und jetzt: Eine Ruhepause mit Sonnenbad und Zudecken der Augen.
8. Wiederholen Sie dann das Ganze mit beiden Augen zusammen. Sie müßten
schon viel besser sehen können. W a r n u n g: Versuchen Sie jetzt,
da Sie mit beiden Augen üben, nicht, die Hand so dicht vor die Nase
zu halten, wie Sie es bei einem Auge getan haben; es kann Ihnen Unbehagen
verursachen.
Wenn Sie diese Übung mit Erfolg gemacht haben, gehen Sie zur Fingerabdruckübung
über.
1. Decken Sie mit dem Handteller ein Auge zu. Strecken Sie den Arm
aus und halten Sie die Spitze des Zeigefingers so vor sich, daß Sie
mit dem andern Auge all die feinen Linien verfolgen können, für
die sich die Fingerabdruckspezialisten interessieren.
2. Schließen Sie die Augen, stellen Sie sich die soeben gesehenen
Linien vor und rücken Sie, ohne die Augen zu öffnen, den Finger
um etwa drei Zentimeter näher.
3. Atmen Sie tief aus und öffnen Sie langsam die Augen, den Blick
auf die Fingerkuppe gerichtet. Verfolgen Sie wieder all die winzigen Tastlinien,
die sich dem Auge zeigen.
4. Wiederholen Sie das mit geschlossenen Augen und bringen Sie den
Finger noch ein kleines bißchen näher an das Auge, ohne ein
deutliches Sehen erzwingen zu wollen. Warten Sie, bis sich das Sehen von
selbst einstellt.
Diese Übung verlängert langsam den Augapfel, indem sie die
geraden Muskeln lockert und die schrägen Muskeln veranlaßt,
sich zusammenzuziehen, wodurch der Augapfel verlängert wird, so daß
man in der Nähe sehen kann. Die Übung ist leicht, da nichts gedeutet
werden muß. Sie strengen sich also dabei nicht an, das Gehirn bleibt
entspannt. Wenn Sie die Sonne auf die Fingerkuppe scheinen lassen, wird
die Übung noch leichter sein. Diese einfache Übung kann, ohne
daß es auffällt, zu jeder Zeit und überall gemacht werden
und bewirkt eine allmähliche Lockerung des Augapfels.
Diese Übung soll das Zentralisieren fördern und das Auge
lehren, einen einzigen winzigen Punkt für den Bruchteil einer Sekunde
am besten zu sehen. Je kleiner der Punkt, der gesehen wird, um so vollkommener
ist das Sehen. Bemühen Sie sich nicht, die Punkte klar zu sehen, lassen
Sie sie von selbst deutlich werden; das kann geschehen, wenn Sie den Kopf
von einem zum andern Punkt hin- und herwiegen.
1. Nehmen Sie zwei Zahnstocher, wenn möglich farbige. Suchen Sie
einen roten und einen grünen heraus. Halten Sie den roten senkrecht
in der linken Hand, den grünen ebenso in der rechten Hand, beide Hände
etwa einen halben Meter auseinander.
2. Schließen Sie nun die Augen und wiegen Sie leicht den Kopf
von einer Seite zur andern, richten Sie die Nase und die Gedanken erst
auf die Spitze des einen Zahnstochers, dann auf die Spitze des andern.
3. Öffnen Sie die Augen und sehen Sie die eine, dann die andere
Spitze an, während Sie viermal den Kopf hin- und herbewegen.
4. Die Augen wieder schließen, das Kopfwiegen fortsetzen und
an das denken, was Sie eben gesehen haben, indes Sie die Zahnstocher näher
zusammenrücken. Wenn sie Ihnen dann verwischt oder doppelt erscheinen,
kümmern Sie sich nicht darum. Sie w i s s e n ja, wie scharf
und deutlich die Spitzen sind; machen Sie sich also, sooft Sie die Augen
schließen, eine klare Vorstellung von ihnen. Beim erneuten Öffnen
der Augen kann es sein, daß Sie die Spitzen deutlicher sehen.
Achten Sie darauf, daß Sie sich das Gefühl, wie Sie die
eine der kleinen Zahnstocherspitzen verlassen und zur andern hinüberwandern,
genau einprägen. Jedesmal, wenn Sie die Augen für vier Kopfschwünge
schließen, rücken Sie die Zahnstocher einander um drei Zentimeter
näher, bis der Abstand zwischen ihnen nur noch so breit ist wie ein
Zahnstocher. Können Sie nun immer noch Augen und Gehirn erst auf die
eine, dann auf die andere Spitze einstellen? Lautet die Antwort ja, dann
zentralisieren Sie richtig, und wenn Sie nun ein Buch zu lesen versuchen,
wird der Druck aller Wahrscheinlichkeit nach deutlicher sein.
Bei allen diesen Übungen soll das Gefühl der Entspannung
bewußt empfunden werden, denn Entspannung ist ein Gefühl. Bei
feineren Arbeiten ist es nie ein Zeitverlust, die Augen kurz zu schließen
und zu entspannen. Nach diesen Annäherungsübungen werden Sie
vielleicht auf der Karte Nr. 2 weiter lesen können als Sie es je zuvor
vermocht haben, oder länger in einem Buch.
Wir sind oft gebeten worden, einen Plan aufzustellen, nach dem sich
Menschen richten können, die beim Augentraining keinen erfahrenen
Lehrer zur Seite haben. Anschließend geben wir einen täglichen
Übungsplan.
Während Sie im Bett liegen und langsam erwachen, sind die Muskeln
schlaff, der Atem geht langsam und der Herzschlag ist noch ruhig. Viele
Menschen aber sind im Schlaf verkrampfter als bei Tage. Diese Übungen
lockern die Spannungen, beschleunigen die Durchblutung und geben Ihnen
den richtigen Start für den Tag.
1. Strecken Sie zur Lockerung gespannter Sehnen und Muskeln, die
sich in schwerem Schlaf verkrampft haben, sachte Ihre Glieder, jeden Teil
und alle willkürlichen Muskeln nach allen Richtungen, als wenn sie
aus Gummi wären. Kein Tier springt aus dem Schlaf, ohne sich vorher
tüchtig gestreckt zu haben.
2. Gähnen Sie, den Mund weit aufgemacht wie ein Nilpferd, lassen
Sie den Unterkiefer herabfallen und legen Sie dabei den Kopf weit zurück.
Das macht die Lungen frei zum tiefen Atmen. Nichts ist zum Entspannen wirksamer
als das Gähnen. Beobachten Sie einen Hund oder ein Baby, um es richtig
zu machen.
3. Winden Sie sich wie ein Fisch. Stellen Sie sich vor, wie ein Fisch
die Wirbelsäule bewegt, wenn er durchs Wasser schwimmt. Versuchen
Sie es ihm nachzumachen, indem Sie die eigene Wirbelsäule von der
Schädelbasis bis zum letzten Wirbel drehen. Dann wird der Körper
ganz gelöst sein.
Diese Übungen gelten den Nerven und Muskeln, die den Augapfel
umgeben.
1. Auf- und Abbewegen der Augenbrauen
Menschen, deren Augen überanstrengt sind, lassen unbewußt das Gewicht der Augenbrauen und oberen Lider hemmend auf den Bewegungen des Augapfels lasten und vermehren dadurch die Spannungen. Deshalb sollen die Gesichtsmuskeln besonders um die Augen herum gelockert werden. Ziehen Sie die Augenbrauen hoch, als wenn Sie überrascht wären, entlasten Sie die Augen vom Druck der schweren Brauen. Halten Sie abwechselnd eine Augenbraue hoch und ziehen Sie die andere hinunter. Anfangs wird es Ihnen vielleicht schwerfallen, aber mit ein wenig Übung wird es gelingen. Sie lernen so, die Lider ohne die Augenbrauen zu bewegen. Bei manchen Menschen bewegt sich sogar die ganze Stirn mit, wenn sie blinzeln. Machen Sie diese Übung täglich drei- bis viermal.
2. B l i n z e l n Sie, das Gewicht der Brauen von den Augen gehoben, rasch zehnmal hintereinander leicht und locker, wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, ohne irgendwelche anderen Muskeln daran zu beteiligen. Schließen Sie dann die Augen und wiegen Sie zum Ausruhen den Kopf hin und her. Machen Sie wieder zehnmal den leichten Lidschlag und ruhen Sie sich danach wieder aus. Steigern Sie die Übung jeden Morgen um zehn Augenschläge, bis Sie die Kraft entwickelt haben, zehnmal zehn Augenschläge mit Ruhepausen dazwischen und ohne zu ermüden zu machen. Der Muskeltonus der Lider wird gestärkt und Sie blinzeln infolgedessen im Verlauf des Tages öfters und natürlicher. Nur wenige Menschen blinzeln oft genug, damit das Auge mit der dafür vorgesehenen Tränenflüssigkeit richtig bespült und desinfiziert wird.
3. M a s s a g e d e s A u g a p f e l s
Drücken Sie die Augenlider fest zu und öffnen Sie sie dann
so weit wie möglich. Dieser Druck massiert den Augapfel gründlicher
und besser, als Sie es mit der Hand könnten. Drücken Sie die
Lider vier- oder fünfmal fest zu und öffnen Sie sie jedesmal
wieder weit. Passen Sie dabei auf, daß Sie die Augenbrauen und das
Gesicht nicht verziehen - es soll ja keine Gesichtsgymnastik sein. Lassen
Sie die Lider allein arbeiten, um den Muskeltonus zu stärken. Die
Durchblutung des Augapfels wird dadurch beschleunigt und die Lidmuskeln
kräftigen sich.
Eine der witzigsten und zugleich einfachsten Entspannungsübungen,
die je von einem Lehrer unserer Schule erfunden wurde, ist das Bilderzeichnen
mit der Nase. Es hilft, das Nackenwirbelgelenk zu lockern und löst
das unwillkürliche Vibrieren der Augen aus. Für jeden bringt
es Vorteile; es ist allgemein sehr beliebt.
Schließen Sie die Augen und bilden Sie sich ein, Ihre Nase wäre
ein langer Zeichenstift. Sie werden nun mit der Nase Bilder zeichnen und
Wörter in der Luft schreiben. Der Kopf dreht sich dabei in seinem
Zapfengelenk über der Wirbelsäule. Machen Sie aber aus dieser
Übung keine Turnübung. Sie dient ausschließlich dem Zweck,
den Kopf an der Schädelbasis zu lockern, wo die Spannungen am stärksten
sind.
1. D e r K u c h e n
Zeichnen Sie mit dem Nasen-Zeichenstift die runde Form eines Kuchens
und bemühen Sie sich, sie sehr gleichmäßig zu machen. Sie
werden den Kreis in beiden Richtungen
mehrmals sorgfältig ziehen müssen, damit er schön glatt
wird. Nun überlegen Sie sich, was für ein Kuchen es werden soll.
Ein Apfelkuchen? Stechen Sie sorgfältig ein großes „A“ in die
Mitte und seien Sie dabei mehr darauf bedacht, den Buchstaben schön
sauber zu zeichnen, als die Arbeit schnell zu machen. Bei jedem Strich
soll der Nasen-Zeichenstift gerade nach vorn - nicht hinauf - gestoßen
und der Kopf jedesmal gerade wieder zurückgezogen werden. Dann teilen
Sie mit Strichen die einzelnen Kuchenstücke ein, die das Messer später
herausschneiden soll. Tun Sie dies alles mit Überlegung und Sorgfalt,
nach jedem Strich setzen Sie wieder in der Mitte an. Nun kerben Sie in
rhythmischen Bewegungen den Rand ringsum ein. Zum Schluß setzen Sie
mit dem Nasen-Zeichenstift in freiem Schwung und Schönschrift Ihren
Namen obenauf. Vergessen Sie nicht, bei allen t's den Querstrich und bei
den i's den Punkt zu machen!
2. D a s v i e r b l ä t t r i g e K l
e e b l a t t
Zeichnen Sie mit Ihrer Bleistiftnase einen hübschen, dicken Achter,
dann einen ebenso schönen, liegenden Achter. Wenn Sie geschickt sind,
können Sie den stehenden über den liegenden Achter zeichnen und
haben dann ein vierblättriges Kleeblatt.
Versuchen Sie nun, ohne die Nase vom Kleeblatt fortzubewegen und ohne
die geschwungene Form zu verletzen, alle Rundungen in rhythmischer Folge
nachzuziehen.
3. D i e O - K e t t e
Jeder von uns hat schon im Laden gestanden und Füllfederhalter
ausprobiert. Meistens machen wir dann eine Schleife und daraus eine zusammenhängende
Reihe von O's, wie wir es in der Schule gelernt haben. Zeichnen Sie diese
O's mit dem Nasen-Zeichenstift. Haben Sie die O's oben oder unten angefangen?
Wie dem auch sei, machen Sie sie nun umgekehrt und zeichnen Sie noch eine
lange Kette.
Das alles mag sehr phantastisch und umständlich klingen, und dennoch
ist es wissenschaftlich begründet, denn sobald das Gehirn sich eine
Form oder eine Bewegung vorstellt und der Körper sie ausführt,
beginnen die Augen hin- und herzuwandern und sehen besser. Die Übungen
lösen die Spannungen an der Schädelbasis, dort, wo die meisten
Spannungen sitzen und wo ein empfindliches Nervengewebe, die Medulla, liegt.
Die Übungen wirken auf die Nerven wie eine leichte Massage, sie beruhigen
und entspannen sie, was auch den anderen Sinnesorganen zugute kommt. Wann
Sie auch immer Entspannung nötig haben, machen Sie eine Reihe von
Zeichnungen mit der Nase. Denken Sie sich etwas aus, das Sie schreiben
oder zeichnen möchten.
Dieser Schwung wurde von Dr. Bates als erster Schritt zur Lösung
von Spannungen angegeben.
Solange Sie noch im Bett liegen, schließen Sie die Augen und
halten den Zeigefinger nahe vor die Nase. Drehen Sie den Kopf auf dem Kissen
von einer Seite auf die andere und denken Sie dabei an den Finger, der
am Gesicht vorbeizieht. Öffnen Sie nun die Augen und fahren Sie fort,
den Kopf zu bewegen; der Finger scheint mit gleichmäßiger, rhythmischer
Bewegung von einem Ohr zum andern zu ziehen. Fixieren Sie den Finger nicht,
während er vorbeizieht, sondern lassen Sie den Blick in gleicher Richtung
mit der Nase über die Zimmerdecke hin- und herschweifen. Setzen Sie
den Schwung zwanzig- oder dreißigmal fort, abwechselnd mit offenen
und geschlossenen Augen, bis sie sich gelöst, wohl und geschmeidig
fühlen und der Finger sich wirklich zu bewegen scheint. Dies löst
schnelle Vibration des Auges aus. Bedenken Sie, daß das Vibrieren
etwas ist, das im Auge unwillkürlich geschieht, nicht etwas, das wir
mit dem Auge tun können. Das Vibrieren spürt man nicht; wenn
der Finger sich zu bewegen scheint, dann haben Sie die Gewähr, daß
das Vibrieren eingesetzt hat.
So einfach dieser Schwung ist, so wirksam ist er, denn er vermag sogar
Kopfschmerzen zu heilen oder zu verhüten. Er läßt sich
jederzeit während des Tages im Sitzen oder im Stehen üben. Achten
Sie darauf, den Kopf gerade auf der Wirbelsäule zu halten. Der Nacken
soll durch den Schwung gelockert, nicht verrenkt werden, die Übung
eine Entspannung, nicht eine Anstrengung sein. Sie wird Ihnen als erste
Hilfe gegen Überspannung gute Dienste leisten.
Auf dem Rücken liegend, die Ellbogen auf Kissen gestützt,
um jede Anstrengung zu vermeiden, decken Sie die geschlossenen Augen mit
den Händen zu und überlassen sich für fünf oder zehn
Minuten Ihrem bevorzugten Vorstellungsbild oder einer Ihnen wohltuenden
geistigen Übung. Danach sind die Augen entspannt.
Machen Sie beim Aufstehen hundertmal den Elefantenschwung. Achten
Sie darauf, das Gefühl zu bekommen, die Welt bewege sich an Ihnen
vorbei. Haben Sie die Möglichkeit, diesen Schwung vor einem sonnigen
Fenster zu üben, so können Sie gleichzeitig die Augen in der
Sonne baden.
Lassen Sie die Augen sogleich nach dem Aufstehen und während
des Tages so oft wie möglich von der Sonne bestrahlen. Halten Sie
die geschlossenen Lider bei jeder Gelegenheit in den Sonnenschein, auch
dann, wenn die Zeit zu knapp ist, in die Sonne zu blinzeln, aber vertreiben
Sie anschließend etwaige gelbe Flecke und Nachbilder durch Zudecken
der Augen. Die Sonne entspannt verkrampfte Muskeln, regt die Durchblutung
und die Tätigkeit der Netzhaut an, löst die Spannungen im Auge
und sichert störungsfreies Sehen. Scheint die Sonne nicht, so nehmen
Sie als Ersatz das hellste verfügbare Licht, denn die Augen brauchen
Licht.
Achten Sie darauf, den Kopf gerade auf der Wirbelsäule zu tragen.
Viele Menschen halten den Kopf seitlich geneigt, schieben das Kinn vor
oder ducken den Kopf beim Hinaufschauen. Überprüfen Sie die Kopfhaltung,
indem Sie den Kopf vor- und zurückbeugen, ihn dann, von der Nase geführt,
von einer Seite nach der andern drehen. Wenn beide Bewegungen möglich
sind, dann halten Sie den Kopf richtig.
Gewöhnen Sie sich an, stets mit der Nase auf das zu zeigen, was
Sie sehen wollen, dann ist der richtige Blickwinkel gesichert.
Kontrollieren Sie die Gewohnheiten der Augenlider. Blinzeln Sie nicht
zu kräftig und reißen Sie die Augen nicht übertrieben weit
auf. Blinzeln Sie oft beim Schauen.
Starren Sie nicht, wenn Sie etwas betrachten. Denken Sie daran, daß
Sie einen Gegenstand dann richtig sehen, wenn Sie ihn aufmerksam mit dem
Blick rundherum abtasten.
Sooft Sie etwas in der Nähe betrachten, werfen Sie zwischendurch
zum Ausgleich einen Blick in die Ferne. So werden die Augen für verschiedene
Entfernungen anpassungsfähig erhalten.
Betrachten Sie Ihre nähere und weitere Umwelt mit Interesse. Konzentrieren
Sie sich auf Ihre Vorstellungsbilder.
Versuchen Sie nicht, zwei Dingen zugleich Aufmerksamkeit zu schenken
- ein Buch zu lesen und auf das Radio zu hören. Die Konzentration
des Gehirns und mit ihr die der Augen wird dadurch gestört.
Achten Sie darauf, während der Arbeit die Kiefer nicht zu verkrampfen
oder mit den Zähnen zu knirschen. Dies führt zu schlimmsten Spannungen,
die man für viele Zahn-, Augen- und Ohrenleiden verantwortlich macht.
W a r n u n g: Machen Sie sich zum Vorsatz, die Augen zu schonen, wenn
Sie krank sind oder sich von einer Krankheit erholen. Die Augen sind dann
ebenso anfällig wie der übrige Körper; durch andauerndes
Lesen während der Genesung können die Augen ernstlich geschädigt
werden.
Denken Sie bei allen Entspannungsübungen an unseren Grundsatz:
Gutes Sehen geschieht mühelos und schmerzlos. Wenn Sie bei einer Übung
Unbehagen empfinden, dann machen Sie etwas dabei falsch.
Sie sollen sich auf die täglichen Übungen freuen und sie
gern machen. Sie werden sich durch sie viel wohler fühlen und für
die Zeit, die Sie ihnen widmen, reich belohnt sein.
Stetigkeit und Ausdauer bei der Ausführung des täglichen
Pensums lassen Sie die Übungen immer besser machen und festigen die
guten Sehgewohnheiten. Geben Sie aber das Üben auf, bevor Sie normales
Sehen erreicht haben, so fallen Sie in die alten Gewohnheiten zurück
und verkrampfen sich von neuem. Durch die Liebe zur Sache jedoch werden
gute Ergebnisse erzielt.
Sind die Augen einmal fähig, stets entspannt zu bleiben, bessert
sich das ganze Nervensystem, was sich in erhöhter Leistungsfähigkeit
bemerkbar macht. Ihr ruhiges Wesen und Ihr frohes Gemüt werden sich
auf Ihre Umgebung übertragen, denn Spannungen züchten Spannungen,
Entspannung verbreitet Ruhe. Auch der Spiegel wird Sie belohnen, denn entspannte
Augen, die von finster zusammengezogenen Brauen befreit sind, wirken größer,
offener und heiterer.