Aus  => Krankheit als Sprache der Seele von Rüdiger Dahlke
 

2. Die Prostata und ihre Probleme


Prostatavergrößerungen sind ein weitverbreitetes Problem der reifen Mannesjahre. Durch allmähliche Größenzunahme drückt die Vorsteherdrüse, die die männliche Harnröhre umschließt, den Urinstrom ab. Er wird gedrosselt mit zunehmender Tendenz zur Erdrosselung. Dadurch kann die Blase nur noch gegen Widerstand mit erheblichem (Druck-)Aufwand entleert werden. Das Loslassen wird anstrengend und die Blase nicht mehr völlig entleert. Das macht einerseits häufiges Wasserlassen notwendig und stört so den Schlaf, andererseits verkommt der Harnstrahl, der Stolz vieler kleiner Jungen, zu einem müden Rinnsal. Der große Bogen des Loslassens bricht kläglich in sich zusammen, öffentliche Pissoirs werden peinlich gemieden, denn die (Strahl-)Schwäche wird demütigend empfunden.
Der stolze Strahl, mit dem kleine Buben wetteifern, wer wohl am weitesten kommt (im Leben?), dient in dieser frühen Zeit auch dazu, sich auf nachdrückliche Weise vom, in dieser Hinsicht, entschieden schwächeren Geschlecht abzusetzen. Hinzu kommt, daß die männliche Haltung beim Urinieren eine Machtposition ist. Mit breit gespreizten Beinen, wird der Strahl offensiv nach vorn gerichtet. Der deutsche Begriff »Vorsteherdrüse« für die Prostata taucht hier auf. Beim Spiel der Buben wird das Glied gerade zum Sportgerät. Schon die Bibel verwendet den von Luther lautmalend gewählten Ausdruck »pissen« als ein Symbol männlicher Stärke. Die entsprechende weibliche Haltung wirkt dagegen eher demütig. Die Frau hockt sich hin und läßt in gebückter Haltung Wasser.
Wenn diese Unterscheidungsfähigkeit mit fortschreitendem Alter nachläßt, deutet der Körper an, daß man sich dem schwachen Geschlecht annähert. Er kann nun sein Wasser nicht mehr so einfach und im hohen Bogen abschlagen, eine Situation, mit der Frauen immer leben. Der Organismus macht deutlich, daß die Annäherung an den weiblichen Pol auf körperlicher Ebene stattfindet. Der Verdacht liegt nahe, daß die eigentliche Aufgabe, die Annäherung an den eigenen weiblichen Pol, die Anima, zu kurz kommt und der Körper leben muß, was die Seele meidet.
Das Symptom zeigt die Aufgabe: Es geht um die Rücknahme männlicher Größenphantasien. Der Körper macht ehrlich und zwingt dem Betroffenen die Erkenntnis auf, daß es mit seinem männlichen Strahl und der diesbezüglichen Ausstrahlung nicht mehr so weit her ist. Gleichzeitig konkretisiert sich die Aufgabe der Annäherung an den weiblichen Pol auf übertragener Ebene.
Ein gängiger therapeutischer Hinweis wirft zusätzliches Licht auf das Krankheitsbild. Aufgabe der Prostata ist es, Flüssigkeit zu produzieren, damit beim Geschlechtsverkehr alles gut rutscht und die Samen auf ihrer Reise versorgt sind. Die Größe der Prostata nimmt folglich durch Entleerung ab. Insofern ist der urologische Rat konsequent, der regelmäßige sexuelle Betätigung empfiehlt. Ist der Patient diesbezüglich unwillig oder -fähig, zwingt er den Urologen selbst Hand anzulegen. Der in den After eingeführte Finger kann Druck auf die vergrößerte Prostata ausüben und sie durch diese anale Massage auspressen. Allerdings ist die eigene sexuelle Betätigung überlegen, weil der Samenerguß entlastend hinzukommt.
Das Krankheitssymptom will den Patienten zwingen, sich mehr auf seine Sexualität einzulassen. In diesem Zusammenhang ist interessant, daß in arabischen Kulturen, wo häufige sexuelle Betätigung bis ins Alter für den wohlhabenden Scheich die Regel ist, keine vergleichbaren Prostataprobleme auftreten. Andererseits ist die Prostatahyperplasie auch häufig das Ergebnis von Impotenz. Die Drüse produziert Flüssigkeiten, die dann nicht mehr verbraucht werden. Sie stauen sich, und der Ausbau des Stauraums wird nötig.
Das Krankheitssymptom drängt auf mehr Sexualität und damit zur Anerkennung und Bearbeitung des Themas Polarität. Der Patient hat es offenbar versäumt, sich ausreichend damit zu beschäftigen. So muß ihm mehr körperlicher Kontakt zum weiblichen Geschlecht empfohlen werden und mehr seelischer Kontakt zur eigenen weiblichen Seite. Mit fortschreitendem Alter werden sich die Schwerpunkte von der sexuellen Begegnung zu jener mit der Anima verschieben. Dabei wird aber die körperliche Ebene bei diesem Symptom in dem Maße wichtig bleiben, wie sie bisher zu kurz gekommen ist. Zusätzlich kann auch der männliche Pol auf nachträgliche Bearbeitung warten. Die anschwellende Vorsteherdrüse deutet auch auf die Notwendigkeit von zusätzlichem Wachstum der Männlichkeit hin. Das große Ziel aber bleibt, den Gegenpol in sich zu verwirklichen, nicht auf der Ebene des Urinstrahls, sondern auf der geistig-seelischer Ausstrahlung.
 

Fragen
1. Inwieweit fühle ich meine männliche Ausstrahlung geschwächt? Fühle ich mich zu alt und verbraucht zum Sex?
2. Wo kämpfe ich gegen zäh wachsende Widerstände an?
3. Was stimmt mit meinem Loslassen nicht? Wo staue ich etwas an?
4. Bin ich im Leben zu kurz gekommen?
5. Wo habe ich den großen Bogen raus? Wo habe ich ihn aus den Augen verloren?
6. Welche Rolle spielt das Weibliche in meinem Leben, welche das »schwache Geschlecht«? Welche die (sexuelle) Begegnung mit ihm?
7.Inwieweit bin ich der Weiblichkeit in mir begegnet?


3. Das Hüftgelenk


Das Hüftgelenk ist die Basis unseres Ausschreitens und somit die Heimat unserer Schritte und Fortschritte im Kleinen wie im Großen, im Guten wie im Bösen. Jede Reise beginnt mit einem Schritt, und auch jede Ausschreitung. Schmerzen im Hüftgelenk, zumeist auf eine Arthrose zurückgehend, verhindern solches Ausschreiten und signalisieren den Betroffenen, daß nicht mehr mit großen Fortschritten zu rechnen ist. Sie kommen nur noch unter Schmerzen (im Leben) voran. Neben sogenannten Abnutzungserscheinungen kommen als medizinische Basis vor allem rheumatische* Probleme in Frage.
Die Aufgabe wäre, sich in die aufgezwungene Ruhe zu fügen, anzuerkennen, wie schwer Fortschritt und Bewegung fallen, und statt äußerer innere Schritte zu tun. Mit dem Eingeständnis, daß die Artikulationsfähigkeit auf dieser Ebene verloren ist, rücken äußere Ziele in weite Ferne. Zugleich kann den Betroffenen bei dieser Gelegenheit aufgehen, daß es möglich bleibt, in der erzwungenen Ruhe innere Ziele zu artikulieren und auch zu erreichen. Das verbrauchte Gelenk signalisiert in seinem zähen, wie ungeschmiert anmutenden Lauf, daß äußere Wege zu begrenzen sind. Die Situation ist festgefahren. Das legt Ruhe nahe. Ist diese tief genug, wird aus ihr schließlich wieder Bewegung folgen, und zwar innere.
Der heute gängige Ausweg ist das künstliche Hüftgelenk, ein ebenso genialer wie entwicklungsfeindlicher Trick, der einem erlaubt, weiter zu leben, als wäre nichts passiert. Auch hierin liegt noch die Chance zu Ehrlichkeit, sofern man sich eingesteht, daß der in Zukunft erzielte Fortschritt ein künstlicher ist, da man strenggenommen gar nicht mehr auf eigenen Beinen steht. Das legt wiederum nahe, sich von nun an in äußeren Dingen mehr auf fremde Hilfe zu verlassen und dafür bei inneren Dingen selbständiger zu werden. Es läßt sich auch der Hinweis daraus ableiten, daß der äußere Fortschritt ein künstlich erzwungener sein darf, solange der echte auf einer anderen Ebene stattfindet.
 

Fragen
1. Wie bin ich vorangekommen im Leben? Wie ging's vorwärts? Habe ich nur auf äußere Ziele geachtet? Habe ich sie erreicht?
2. Sind meine Ziele überhaupt auf äußeren Wegen erreichbar?
3. Wo habe ich mich festgefahren oder verrannt?
4. Welche Rolle spielen Ruhe und innere Einkehr für mich?
5. Wo bin ich innerlich gelandet, und wo will ich noch hin?
6. Habe ich gelernt, mich auf äußere Hilfen zu stützen, sie für meine inneren Bedürfnisse nutzbar zu machen?