Hier erläutert Jesus anhand seiner eigenen Probleme mit Verwandten und dem damaligen Standardleben (dasselbe wie heute) wie hart für ihn der Weg zur Erleuchtung war und mit welchen Zweifeln er kämpfen mußte und welche Folgen es für die Menschheit hat, jedesmal wenn sich jemand doch dem Standardleben ergibt und den Weg der Erleuchtung abbricht.
18. KAPITEL
Als der Rishi seine Rede beendigt hatte, kamen eine Anzahl Leute auf
unser Lager zu; unter ihnen war Jesus. Wir hatten beobachtet, daß
sie sich, unweit vom Lager entfernt, auf einem Abhang zusammengefunden
hatten, aber wir vermuteten, sie wollten unter sich für eine private
Besprechung zusammenkommen, wie dies überall in der Umgegend geschah.
Als sie näherkamen, erhob sich Weldon, ging Jesus entgegen und
ergriff seine beiden Hände. Es war kein Vorstellen nötig, sie
waren alle nahe Freunde des Rishi und von Jesus. Was uns anbelangt, so
kamen wir uns vor wie ganz kleine Atome, die bereit waren, in irgendeiner
Felsspalte, wo sich ein bißchen Erde zeigte, Wurzel zu fassen.
Alle setzten sich um unser Lagerfeuer. Weldon fragte Jesus, ob er nicht
über die Bibel zu uns sprechen wolle. Dieser Vorschlag wurde unserseits
freudig begrüßt, und Jesus begann:
»Laßt uns das Gebet Davids im 23. Psalm betrachten: >Der
Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.< Ihr werdet sehen, daß
dies nicht ein Bittgebet war. Die Hauptbedeutung dieser Worte liegt darin,
daß das Eine Große Prinzip uns auf den Weg führt, auf
dem wir gehen sollen; das Große Prinzip geht vor uns her, und es
ebnen sich die Wege. Das Große Prinzip bereitet für uns den
Weg so, wie ein guter Hirte es tut für seine ihm vertrauenden
und von ihm abhängigen Schafe; wir können also sagen: >Wohin
mich auch mein Vater führt, mir ist nicht bange.<
Der gute Hirte weiß, wo alles zu finden ist, wessen seine Schafe
bedürfen; darum dürfen wir sagen: >Mir wird nichts mangeln.<
Mit David können wir sagen: >Mir kann nichts mangeln<, denn ICH
BIN bleibt bewahrt vor jedem Übel.
Für alles, was unsere physische Natur braucht, ist vorgesorgt.
Nicht nur grüne Auen sind da, sondern auch noch Überfluß
ist vorhanden zum Aufheben. Wir dürfen vollkommen sicher sein, daß
jeder Wunsch schon erfüllt und im voraus bedacht ist. Wir können
alle Besorgnis fallen lassen und mit David sagen: >Er führet mich
auf grüne Weiden und leitet mich zu stillen Wassern.< Die Stille
ihrer blauen Tiefe gibt unserem Gemüte Frieden und beruhigt unser
banges Herz.
Wo Körper und Seele in Ruhe sind, überflutet das höchste
Prinzip unsere Seele mit dem reinen Lichte des Lebens und der Kraft. Das
Licht in uns erglüht in der Glorie unseres Herrn, dem Gesetze, in
dem wir alle eins sind. Dieses strahlende Licht des Geistes erneuert unser
Verständnis; wir stehen unserem wahren Selbst unmittelbar gegenüber
und wissen uns eins mit dem Unendlichen, und jeder wird von diesem Prinzip
ausgesandt, um die Vollkommenheit des Vaters zu manifestieren. In der völligen
Ruhe unserer Seele werden wir unserem wahren Selbst zurückgegeben
und wissen, daß wir heil sind; also >er erquicket meine Seele, und
ob ich schon wandelte im Tale der Todesschatten, so fürchte ich doch
kein Leid< Was können wir befürchten in der verschwenderischen
Fülle dieses Gottesprinzips? Hier ruht unsere physische Natur aus,
Gott besänftigt unser Gemüt, Gott gibt unserer Seele Ruhe, Gott
erleuchtet uns für unsern Dienst. Und wenn doch von innen heraus alles
so vollkommen vorbereitet ist, was für äußere Prüfungen
wären imstande, uns zu erschrecken und uns Leid zuzufügen? Gott
ist in uns, in einem jeden von uns, für einen jeden ist Er eine immer
gegenwärtige Hilfe in Zeiten der Not.
>In Ihm leben und weben und sind wir< und haben in Ihm unser Wesen.
Einstimmig sagen wir: >Alles ist gut.<
So kann jeder sprechen: >Die Liebe Gottes führt mich geradeaus
in die Hürde hinein. Mir wird der rechte Pfad gezeigt, und ich werde
zurückgeführt, wenn ich mich entferne und verirre. Die Macht
der Liebe Gottes zieht mich zu dem hin, was für mich gut ist. Alles,
was mir Leid zufügen könnte, wird von mir ferngehalten.<
Jeder kann mit David sagen: >Denn du bist bei mir, dein Stecken und
Stab trösten mich.<
Wenn ihr dieses Werk aufnehmt und wenn ihr die Wahrheiten oder die
allem Leben zugrunde liegenden wissenschaftlichen Tatsachen und die Wege,
sie euch anzueignen, wahrnehmt, macht ihr damit den ersten Schritt, und
die Erleuchtung und die Wonne übersteigen derart jedes bisherige Erleben,
daß ihr euch entschließt, weiterzugehen. Dann aber wird den
Zweifeln, der Furcht, den Entmutigungen gestattet, sich einzuschleichen,
und euer Vorwärtsgehen scheint aufgehalten zu werden. Ihr kämpft
in der einen und dann in der andern Richtung, und es kommt euch vor, als
ob ihr den Grund und Boden verlieren würdet. Der Kampf scheint für
menschliche Wesen zu schwer zu sein, und ihr fangt an, euch nach den Fehlschlägen
umzusehen, die sich rings um euch zeigen.
Ihr sagt: >Rings herum sterben die Kinder Gottes, und in unseren Generationen
hat keiner das Ideal des unvergänglichen ewigen Lebens erreicht und
auch nicht den Frieden, die Harmonie und die Vollkommenheit erlangt, die
mein Ideal sind.< Ihr sagt, diese Vollendung könne erst nach dem
Tode erlangt werden! Ihr laßt euch gehen und findet es eine zeitlang
viel leichter, mit dem großen Strom der Menschheit euch treiben zu
lassen in abwärtsführender Richtung.
Und wieder hat die Rasse einen Rückgang zu verzeichnen. Wiederum
hat einer, der große geistige Erleuchtung und Verständnis gewonnen
hatte und der zum Erfolg bestimmt gewesen wäre, versagt, und das Rassenbewußtsein
bindet die Menschheit wieder stärker. Generation um Generation verleiht
ihm größere Macht, zäheren Halt. Ist es ein Wunder, daß
die menschliche Natur schließlich schwach und matt wird? Jeder einzelne
folgt dem Vorangehenden in der ewigen Tretmühle, ein Blinder folgt
dem andern, immer und immerfort ins Reich der Vergessenheit, hinein in
den großen Wirbel, wo nicht nur der Körper in die Auflösung
hineingedrängt wird und in den Verfall, sondern wo auch die Seele
zwischen den unaufhaltsamen Mahlsteinen der menschlichen Auffassungen und
Irrtümer zermürbt wird.
Wenn ihr doch nur wie ich und so mancher andere erkennen würdet,
daß es viel leichter ist, das eigene Problem in einer einzigen
irdischen Erfahrung zu lösen, als immer und immer wiederzukommen und
sich ein Rassenbewußtsein über Gut und Böse anzueignen,
das allmählich zu einer Kruste verhärtet, zu der Schicht um Schicht
hinzugefügt worden ist durch jede nachfolgende Lebenserfahrung, bis
es übermenschlicher Kraft und Hammerschläge bedarf, um sie aufzubrechen
und das wirkliche Selbst zu erlösen.
Ehe ihr diese Schale brecht und euer wahres Selbst erlöst, werdet
ihr in diesem Strudel immer wieder untertauchen; ihr könnt euch anstrengen,
bis ihr euch genügend emporgearbeitet habt, um einen flüchtigen
Blick über den Horizont mit >größerer Aussicht< zu werfen.
Doch hier werdet ihr den Kampf wieder aufgeben; wohl ist euer mentales
Blickfeld klarer geworden, aber euer Körper ist noch in der Schale
eingekerkert. Bedenkt, daß das ausschlüpfende Küken, das
mit dem Kopf erst seine Schale zerbrach, mit seiner Arbeit weiterfahren
muß; denn es muß völlig frei werden von seiner Schale,
von seiner alten Umgebung, ehe es in das Neue hineinwachsen kann, das es
fühlte und wahrnahm, sobald es die Eierschale durchbrochen hatte,
der es entwachsen ist.
Ihr bedenkt nicht, daß ich, als Knabe mit meinem Vater in einer
Zimmermannswerkstätte arbeitend, einsah, daß es für das
aus Gott geborene, sogenannte menschliche Wesen etwas Höheres gibt
als während einer kurzen Zeit in die menschliche Existenz hineingeboren
zu werden, während der die Mühlsteine menschlicher Gesetze, abergläubischer
Ansichten und Vorschriften einen zermalmen, und so während einer Zeit
von etwa siebzig Jahren sich durch diese Existenz hindurchzukämpfen,
dann in einen Himmel aufzusteigen zu der glorreichen Belohnung, Harfe spielen
und Psalmen singen zu dürfen, was keinen logischen Hintergrund haben
kann, außer vielleicht in den leichtgläubigen Gemütern
derjenigen, die die Opfer der Priesterschaft meiner Zeit waren.
Ihr seht ja gar nicht, daß ich nach diesem großen Erwachen,
dieser Erleuchtung in mir, lange Tage und Nächte des Kampfes in Abgeschlossenheit
und Schweigen verbringen mußte, einsam, ganz in mich versunken, allein
mit mir selber. Dann, als das Selbst überwunden war, kamen die weit
größeren und bittereren Erfahrungen in persönlichen Auseinandersetzungen
mit denen, die ich so sehr liebte und denen ich so gerne das Licht gezeigt
hätte, das ich erblickte. Ich wußte, daß es das helleuchtende
Licht war, das den Pfad eines jeden Gotteskindes erhellt, das erschaffen
wird oder in die Welt kommt.
Ihr könnt nicht ermessen, wie groß die Versuchung war, einfach
so weiterzufahren und Zimmermann zu bleiben, wie es für mich bestimmt
gewesen war, und als solcher die kurze, dem Menschen durch die Hierarchie
und Orthodoxie zugeteilte Spanne Zeit zu verleben, anstatt ein Leben auf
mich zu nehmen, das ich in einem flüchtigen Lichtblick wahrgenommen
hatte, der mich durch den Schlamm und Schmutz des Aberglaubens, der Streitereien
und des Unglaubens hindurchsehen ließ.
Es ist euch ganz unmöglich, einzusehen, welche körperlichen
Qualen, welche schmachvollen Beleidigungen auf mich gehäuft wurden,
nur allein schon von meinem eigenen Verwandten, abgesehen von allen anderen,
denen ich das von mir wahrgenommene Licht zu zeigen bestrebt war. Ihr wißt
nicht, daß es eines weit stärkeren Willens bedurfte als meines
eigenen, der mir half, durch alle diese Prüfungen hindurchzugehen.
Wie wenig könnt ihr wissen von den Leiden und Kämpfen, den Versuchungen
und Niederlagen, durch die ich hindurch mußte. Wie ich zu Zeiten
mit geballten Fäusten und zusammengebissenen Zähnen mich vorwärtskämpfte
im Wissen und in der Erkenntnis, daß das Licht wirklich da war; auch
dann, wenn es bloß ein letzter flackernder Funke schien und wenn
er zeitweise ganz erloschen und das Dunkel an seine Stelle getreten zu
sein schien. Gerade dann war in mir etwas immer stark und vorherrschend,
nämlich das Wissen, daß hinter dem Schatten das Licht so hell
wie immer leuchtete. Und ich ging voran, überwand den Schatten und
sah das Licht, das mir viel heller erschien durch die zeitweilige Verdunkelung.
Selbst als sich der Schatten als das Kreuz erwies und ich darüberhinweg
das endgültige Erwachen des siegreichen Morgens erblickte, dessen
Herrlichkeit alle Begriffe des sterblichen Menschen übersteigt, des
Menschen, der noch umgarnt ist von Furcht, Zweifel und Aberglauben. Gerade
diese Wahrnehmung trieb mich an, den Kelch bis zur Neige auszutrinken,
damit ich das, wovon ich redete, aus eigener Erfahrung, aus eigenem Erleben
kenne. Das Wissen nämlich, daß der Mensch, der Gottes freien
Willen besitzt und ihn verbindet mit seinem eigenen freien Denken und reinen
Motiv, sich selber den Beweis geben könne von der Göttlichkeit
Gottes und davon, daß der Mensch, Sein wahrer Sohn, nach Seinem Bilde
und Gleichnis geschaffen, ebenso göttlich ist wie der Vater. Und daß
diese Göttlichkeit der wahre Christus ist, den ein jeder in sich selber
und in allen Gotteskindern wahrnehmen kann.
Dieses ist der wahre Christus, das Licht, das jedes Kind erleuchtet,
das in die Welt kommt. Es ist der Christus Gottes, unseres Vaters, in dem
und durch den wir alle ewiges Leben haben und Licht und Liebe und wahre
Bruderschaft - dies ist die wahre Vaterschaft, die echte Sohnschaft zwischen
Gott und den Menschen.
In diesem Licht des wahren Verstehens der Wahrheit braucht ihr weder
einen König noch eine Königin, weder eine Krone noch einen Papst
oder Priester. In der richtigen Auffassung seid ihr selber König,
Königin, Papst und Priester, mit Gott vereint, steht ihr selbständig
und fest. Ihr erweitert diese wahre Auffassung und bezieht das ganze Weltall
und alles, was darinnen ist, mit ein. Und mit der euch von Gott verliehenen
schöpferischen Fähigkeit umgebt ihr es mit all der Vollkommenheit,
in der Gott es erschaut und mit der Er es umgibt«