Hat jemand Hunger nach Liebe, ohne daß dieser Hunger adäquat
gestillt wird, so taucht er als Hunger nach Süßigkeiten wieder
im Körper auf. Heißhunger auf Süßigkeiten und Naschereien
ist immer Ausdruck von nicht befriedigtem Liebeshunger. Die Doppelbedeutung
der Worte süß und naschen wird sehr anschaulich, wenn wir von
einem süßen Mädchen sprechen, das man am liebsten vernaschen
würde. Liebe und Süßigkeit gehören eng zusammen. Naschsucht
bei Kindern ist ein deutliches Indiz dafür, daß sie sich nicht
genügend geliebt fühlen. Eltern protestieren gerne zu schnell
gegen eine solche Möglichkeit mit dem Hinweis, daß sie »doch
alles für ihr Kind täten«. Doch »alles tun«
und »lieben« sind nicht zwangsläufig das gleiche. Wer
nascht, sehnt sich nach Liebe und Bestätigung. Dieser Regel kann man
getrost mehr vertrauen als der Selbsteinschätzung seiner Liebesfähigkeit.
Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder mit Süßigkeiten überhäufen
und dadurch kundtun, daß sie nicht bereit sind, ihrem Kind Liebe
zu geben und ihm deshalb auf einer anderen Ebene einen Ausgleich anbieten.
Menschen, die viel denken und intellektuell arbeiten, haben ein Verlangen
nach salziger Nahrung und herzhaften Speisen. Stark konservativ eingestellte
Menschen bevorzugen konservierte Nahrung, speziell Geräuchertes, und
mögen starken Tee, den sie bitter trinken (allgemein gerbsäurehaltige
Nahrung). Menschen, die gut gewürztes, ja sogar scharfes Essen bevorzugen,
zeigen an, daß sie auf der Suche nach neuen Reizen und neuen Eindrücken
sind. Es sind Menschen, die die Herausforderungen lieben, auch dann, wenn
sie manchmal schwer verträglich und schwer verdaubar sind. Das ist
ganz anders bei den Personen, die Schonkost essen - kein Salz, keine Gewürze.
Diese Menschen schonen sich vor allen neuen Eindrücken. Sie gehen
angstvoll allen Herausforderungen aus dem Weg, haben Angst vor jeder Konfrontation.
Diese Angst kann sich bis zur Breinahrung des Magenkranken steigern. Breinahrung
ist Babykost - was deutlich zeigt, daß der Magenkranke regrediert
ist in die Undifferenziertheit der Kindheit, in der man weder unterscheiden
noch zerlegen können muß und sogar auf das (ach so aggressive)
Zubeißen und Zerkleinern der Nahrung verzichten darf. Er vermeidet,
harte Kost zu schlucken.
Besondere Angst vor Gräten symbolisiert Angst vor Aggressionen.
Angst vor Kernen zeigt Angst vor Problemen - man will dann ungern bis auf
den Kern der Dinge stoßen. Doch auch dazu gibt es eine Gegengruppe:
die Makrobiotiker. Diese Menschen suchen die Probleme. Sie wollen um jeden
Preis den Kern der Dinge erfahren und sind daher offen für harte Kost.
Das geht so weit, daß sogar eine Ablehnung der problemlosen Bereiche
des Lebens spürbar wird: Bei den süßen Nachspeisen fordern
sie noch etwas, wo man fest zubeißen kann. Damit verraten die Makrobioten
eine gewisse Angst vor Liebe und Zärtlichkeit bzw. die Schwierigkeit,
Liebe anzunehmen. Einige Menschen schaffen es sogar, ihre Konfliktfeindlichkeit
so ins Extrem zu treiben, daß sie schließlich auf einer Intensivstation
intravenös ernährt werden - dies ist zweifellos die sicherste
Form, ohne Eigenbeteiligung konfliktfrei dahinzuvegetieren.
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