Ernährung  aus dem Buch »=> Krankheit als Weg « von Dr.Rüdiger Dahlke


Hat jemand Hunger nach Liebe, ohne daß dieser Hunger adäquat gestillt wird, so taucht er als Hunger nach Süßigkeiten wieder im Körper auf. Heißhunger auf Süßigkeiten und Naschereien ist immer Ausdruck von nicht befriedigtem Liebeshunger. Die Doppelbedeutung der Worte süß und naschen wird sehr anschaulich, wenn wir von einem süßen Mädchen sprechen, das man am liebsten vernaschen würde. Liebe und Süßigkeit gehören eng zusammen. Naschsucht bei Kindern ist ein deutliches Indiz dafür, daß sie sich nicht genügend geliebt fühlen. Eltern protestieren gerne zu schnell gegen eine solche Möglichkeit mit dem Hinweis, daß sie »doch alles für ihr Kind täten«. Doch »alles tun« und »lieben« sind nicht zwangsläufig das gleiche. Wer nascht, sehnt sich nach Liebe und Bestätigung. Dieser Regel kann man getrost mehr vertrauen als der Selbsteinschätzung seiner Liebesfähigkeit. Es gibt auch Eltern, die ihre Kinder mit Süßigkeiten überhäufen und dadurch kundtun, daß sie nicht bereit sind, ihrem Kind Liebe zu geben und ihm deshalb auf einer anderen Ebene einen Ausgleich anbieten.
Menschen, die viel denken und intellektuell arbeiten, haben ein Verlangen nach salziger Nahrung und herzhaften Speisen. Stark konservativ eingestellte Menschen bevorzugen konservierte Nahrung, speziell Geräuchertes, und mögen starken Tee, den sie bitter trinken (allgemein gerbsäurehaltige Nahrung). Menschen, die gut gewürztes, ja sogar scharfes Essen bevorzugen, zeigen an, daß sie auf der Suche nach neuen Reizen und neuen Eindrücken sind. Es sind Menschen, die die Herausforderungen lieben, auch dann, wenn sie manchmal schwer verträglich und schwer verdaubar sind. Das ist ganz anders bei den Personen, die Schonkost essen - kein Salz, keine Gewürze. Diese Menschen schonen sich vor allen neuen Eindrücken. Sie gehen angstvoll allen Herausforderungen aus dem Weg, haben Angst vor jeder Konfrontation. Diese Angst kann sich bis zur Breinahrung des Magenkranken steigern. Breinahrung ist Babykost - was deutlich zeigt, daß der Magenkranke regrediert ist in die Undifferenziertheit der Kindheit, in der man weder unterscheiden noch zerlegen können muß und sogar auf das (ach so aggressive) Zubeißen und Zerkleinern der Nahrung verzichten darf. Er vermeidet, harte Kost zu schlucken.
Besondere Angst vor Gräten symbolisiert Angst vor Aggressionen. Angst vor Kernen zeigt Angst vor Problemen - man will dann ungern bis auf den Kern der Dinge stoßen. Doch auch dazu gibt es eine Gegengruppe: die Makrobiotiker. Diese Menschen suchen die Probleme. Sie wollen um jeden Preis den Kern der Dinge erfahren und sind daher offen für harte Kost. Das geht so weit, daß sogar eine Ablehnung der problemlosen Bereiche des Lebens spürbar wird: Bei den süßen Nachspeisen fordern sie noch etwas, wo man fest zubeißen kann. Damit verraten die Makrobioten eine gewisse Angst vor Liebe und Zärtlichkeit bzw. die Schwierigkeit, Liebe anzunehmen. Einige Menschen schaffen es sogar, ihre Konfliktfeindlichkeit so ins Extrem zu treiben, daß sie schließlich auf einer Intensivstation intravenös ernährt werden - dies ist zweifellos die sicherste Form, ohne Eigenbeteiligung konfliktfrei dahinzuvegetieren.

S.175-176