SRI KRISHNA! RIEF ICH ÜBERRASCHT AUS, als mir ganz unvermutet
die strahlende Gestalt des Avatars erschien. Ich saß am offenen Fenster
meines Zimmers im Regent Hotel in Bombay, als die wunderbare Vision plötzlich
über dem hohen Dach des gegenüberliegenden Gebäudes sichtbar
wurde.
Die göttliche Gestalt nickte mir lächelnd zu und hob grüßend
die Hand. Während ich noch darüber nachdachte, was die Erscheinung
wohl zu bedeuten habe, entschwand er mit einer segnenden Geste. Ich fühlte
mich auf wunderbare Weise erhoben und ahnte, daß mir ein besonderes
geistiges Erlebnis bevorstand.
Meine Rückreise nach Amerika war vorläufig aufgeschoben worden;
ich sollte noch mehrere öffentliche Ansprachen in Bombay halten, ehe
ich zu einem letzten Besuch nach Bengalen fuhr.
Als ich am 19. Juni 1936 eine Woche nach meiner Krishna-Vision
gegen drei Uhr nachmittags auf dem Bett meines Hotelzimmers in Bombay saß
und meditierte, wurde ich plötzlich auf ein wundersames Licht aufmerksam.
Erstaunt öffnete ich die Augen und sah, daß sich der ganze Raum
in eine fremdartige Welt verwandelt hatte, in der sich das Sonnenlicht
in einen überirdischen Glanz verwandelte.
Wer aber kann meine Seligkeit beschreiben, als ich Sri Yukteswar (der
verstorbene Guru/Meister von Yogananda) leibhaftig vor mir stehen sah!
"Mein Sohn!" sagte der Meister, während er mich mit engelhaftem
Lächeln anblickte.
Zum ersten Mal in meinem Leben kniete ich nicht zu seinen Füßen
nieder, sondern ging sofort auf ihn zu und schloß ihn ungestüm
in meine Arme. Welch einzigartiger Augenblick! Die überwältigende
Glückseligkeit, die mich jetzt überflutete, wog allen Schmerz
der vergangenen Monate in reichem Maße auf. "Meister, mein geliebter
Meister, warum habt Ihr mich verlassen? " Im Überschwang der Freude
stieß ich meine Sätze etwas zusammenhanglos hervor. "Warum habt
Ihr mich zum Kumbha-Mela gehen lassen? Was für bittere Vorwürfe
habe ich mir gemacht, daß ich Euch allein gelassen habe."
"Ich wollte dir die Vorfreude nicht verderben, da du so gern den Pilgerort
sehen wolltest, wo ich Babaji zum ersten Male begegnet bin. Außerdem
habe ich dich nur für kurze Zeit verlassen; bin ich nicht wieder bei
dir?"
"Aber seid Ihr es wirklich, Meister derselbe Löwe Gottes?
Ist dieser Körper ein genaues Ebenbild des alten, den ich in den grausamen
Sand von Puri gebettet habe?"
"Ja, mein Kind, ich bin derselbe. Dieser Körper ist aus Fleisch
und Blut. Obgleich ich ihn als ätherische Substanz sehe, erscheint
er deinen Augen als körperliche Form. Ich habe aus den Atomen des
Kosmos einen neuen Körper gebildet, der genau dem physischen Traumkörper
gleicht, den du in deiner Traumwelt im Traumsand von Puri begraben hast.
Ich bin wahrhaftig auferstanden, doch nicht auf Erden, sondern auf einem
Astralplaneten, dessen Bewohner höher entwickelt sind als die Erdenmenschen
und daher meinen hohen Ansprüchen besser genügen. Dort wirst
du mit deinen fortgeschrittenen Jüngern einst ebenfalls hinkommen."
"Unsterblicher Guru, erzählt mir mehr!“
"Liebes Kind", sagte der Meister da lachend, "kannst du deine Umarmung
vielleicht ein wenig lockern?"
"Ja, aber nur ein wenig", sagte ich, denn ich hielt ihn tatsächlich
mit Herkulesarmen umschlungen. Dabei spürte ich denselben leichten
Duft, den ich von seinem irdischen Körper her kannte. Und immer, wenn
ich mir diese herrlichen Stunden vergegenwärtige, fühle ich denselben
beseligenden Schauer über die Innenseiten meiner Arme und Hände
rieseln wie damals, als ich seinen göttlichen Körper berührte.
"Ähnlich, wie Propheten auf die Erde gesandt werden, um den Menschen
zu helfen, ihr irdisches Karma abzutragen, bin ich von Gott beauftragt
worden, als Erlöser auf einem Astralplaneten zu wirkenc“, erklärte
Sri Yukteswar. „Dieser trägt den
Namen Hiranyaloka, was soviel wie 'Erleuchteter Astralplanet' bedeutet.
Dort helfe ich den fortgeschrittenen Wesen, sich von ihrem astralen Karma,
d.h. von astraler Wiedergeburt zu befreien. Die Bewohner von Hiranyaloka
haben bereits eine hohe geistige Entwicklungsstufe erreicht; sie alle haben
während ihrer letzten irdischen Inkarnation durch ausdauernde Meditation
die Fähigkeit erlangt, ihren Körper im Tode bewußt zu verlassen.
Nur wer auf Erden nicht allein in den Savikalpa-Samadhi, sondern auch in
den höheren Zustand des Nirvikalpa-Samadhi
1 eingegangen ist, darf Hiranyaloka betreten.
1 Siehe Seite 308. Im Savikalpa-Samadhi vereinigt sich der Gottsucher vorübergehend mit dem GEIST, kann das kosmische Bewußtsein aber nur im unbeweglichen Trancezustand erleben. Durch ausdauernde Meditation erreicht er schließlich den höheren Zustand des Nirvikalpa-Samadhi, in dem er seine Gotteswahmehmung auch dann nicht verliert, wenn er sich frei umherbewegt und seinen täglichen Pflichten nachgeht. Im Nirvikalpa-Samadhi tilgt der Yogi die letzten Reste seines irdischen Karmas. Dann aber verbleibt noch ein gewisses astrales und kausales Karma, das ihn zwingt, astrale und später kausale Körper auf höheren Schwingungsebenen anzunehmen.
Die Seelen auf Hiranyaloka haben die gewöhnlichen Astralsphären (in denen sich fast alle Erdenmenschen nach ihrem Tod aufhalten) bereits hinter sich gelassen, d.h., sie haben dort den größten Teil ihres astralen Karmas gesühnt. Jedoch nur fortgeschrittene Wesen können ein solches Erlösungswerk in den Regionen der Astralwelt vollbringen. 2 Um sich dann von den letzten Spuren ihres astralen Karmas zu befreien, werden diese Seelen nach dem kosmischen Gesetz in einem neuen Astralkörper auf Hiranyaloka der Astralsonne oder dem Astralhimmel wiedergeboren, wo ich mich gegenwärtig befinde, um ihnen zu helfen. Außerdem leben auch noch nahezu vollkommene Wesen auf Hiranyaloka, die aus der höheren Kausalwelt kommen."
2 Die Schönheiten und Freuden der Astralwelt nehmen die meisten Menschen so sehr gefangen, daß sie sich nicht mehr ernsthaft um geistige Fortschritte bemühen.
Ich hatte mich jetzt so vollkommen auf meinen Guru eingestellt, daß er mir seine Wortbilder teils mündlich, teils durch Gedankenübertragung vermittelte. Auf diese Weise konnte ich sein Gedankenmosaik im Nu erfassen.
"Du hast in den heiligen Schriften gelesen", fuhr der Meister fort, "daß Gott die menschliche Seele nacheinander in drei Körper einschloß: den Ideen- oder Kausalkörper, den feinstofflichen Astralkörper , Sitz des Verstandes und des Gefühls und den grobstofflichen irdischen Körper. Die Erdenmenschen sind mit irdischen Sinnen ausgestattet. Die Organe der Astralwesen bestehen aus Bewußtsein und Empfindungen, und ihr Körper aus Biotronen 3. Ein Kausalwesen dagegen lebt nur noch in den seligen Gefilden der Gedanken. Meine Aufgabe besteht darin, jenen Astralwesen zu helfen, die sich darauf vorbereiten, in die Kausalwelt einzugehen oder zu ihr zurückzukehren."
3 Sri Yukteswar (der während dieser langen Unterhaltung Bengalisch sprach) gebrauchte das Sanskritwort Prana. Als Übersetzung habe ich das Wort "Biotronen" geprägt. Die heiligen Schriften der Hindus sprechen nicht nur von Anu, dem "Atom", von Paramanu, "dem, was jenseits des Atoms liegt", d.h. den feineren elektronischen Energien, sondern auch von Prana, der "schöpferischen Lebenskraft". Atome und Elektronen sind blinde Kräfte, während Prana intelligenzbegabt ist. So bestimmt z.B. das Prana oder die Lebenskraft in Sperma und Eizelle das Wachstum des Embryos, das sich nach einem feststehenden karmischen Plan vollzieht.
„Geliebter Meister, erzählt mir bitte
mehr über den astralen Kosmos!" Obgleich ich auf Sri Yukteswars Bitte
hin meine Umarmung gelockert hatte, hielt ich ihn, meinen kostbarsten
Besitz, meinen Guru, der den Tod überlistet hatte, um mich aufzusuchen,
immer noch fest umschlungen.
„Es gibt viele Astralsphären, die von astralen Wesen bevölkert
sind", begann der Meister. "Ihre Bewohner bedienen sich astraler Beförderungsmittel
aus Licht, mit denen sie schneller als die Elektrizität oder radioaktive
Energie von einem Planeten zum anderen reisen.
Das astrale Universum besteht aus feinen Licht- und Farbschwingungen
und ist vielhundertmal größer als der physische Kosmos. Die
ganze grobstoffliche Schöpfung hängt wie eine kleine massive
Gondel unter dem riesigen, leuchtenden Ballon der Astralsphäre. Ebenso
wie es viele physische Sonnen und Sterne gibt, die im Weltraum schweben,
so gibt es auch zahllose astrale Sonnen- und Sternsysteme. Die astralen
Sonnen und Monde sind viel prächtiger als die physischen. Man kann
sie etwa mit dem Nordlicht vergleichen, wobei das astrale Nordlicht der
Sonne strahlender ist als das milde Nordlicht des Mondes. Tag und Nacht
sind in der Astralwelt viel länger als auf Erden.
Das astrale Universum ist unvorstellbar schön, sauber, rein und
geordnet. Dort gibt es keine ausgestorbenen Planeten und kein verödetes
Land. Auch die irdischen Plagen wie Unkraut, Bakterien, Insekten und Schlangen
existieren dort nicht. Während es auf Erden krasse Temperaturunterschiede
und den Wechsel der Jahreszeiten gibt, haben die Astralsphären das
gleichbleibende Klima eines ewigen Frühlings mit gelegentlichem leuchtend
weißem Schneefall und vielfarbigem Lichtregen. Die Astralwelt ist
reich an kristallklaren Seen, leuchtenden Meeren und regenbogenfarbenen
Flüssen.
Das gewöhnliche astrale Universum - nicht der höhere Astralhimmel
von Hiranyaloka - ist von Millionen Astralwesen bevölkert, die
vor kürzerer oder längerer Zeit von der Erde gekommen sind, sowie
von Myriaden Feen, Wassernixen, Fischen, Tieren, Kobolden, Gnomen, Halbgöttern
und Geistern, die alle je nach ihrer karmischen Beschaffenheit
auf entsprechenden Astralebenen leben. Gute und böse Geister wohnen
in getrennten Sphären. Während sich die guten frei um herbewegen
können, bleiben die bösen Geister auf die ihnen zu gewiesene
Zone beschränkt. Genauso wie die menschlichen Wesen auf der Oberfläche
der Erde, die Würmer im Boden, die Fische im Wasser und die Vögel
in der Luft leben, so leben auch die Astralwesen, je nach ihrem Entwicklungsgrad,
in ihrem natürlichen Schwingungsbereich.
Zwischen den bösen, gefallenen Engeln, die aus verschiedenen Astralwelten
ausgestoßen wurden, finden Kämpfe und Kriege statt. Bomben aus
Biotronen und vibrierende mantrische 4
Strahlen dienen ihnen als Waffen. Diese Ausgestoßenen leben in den
finsteren Regionen des niederen Astralkosmos, wo
4 Ein Adjektiv zu Mantra, bestehend aus gesprochenen
oder gesungenen
Lauten, die bei tiefer Konzentration wie
geistige Geschosse wirken. Die
Puranas (die alten Shastras oder Erzählungen)
beschreiben mantrische
Kriege zwischen den Devas und Asuras (den
Göttern und Dämonen).
Ein Asura versuchte einst, einen Deva mit
einem machtvollen Lied zu
schlagen; da er aber eine falsche Betonung
hineinlegte, wurde die geistige
Bombe zu einem Bumerang, der den Dämon
tötete.
sie ihr schlechtes Karma abbüßen.
In den unermeßlichen Gefilden oberhalb des dunklen Astralkerkers
ist alles leuchtend und schön. Der astrale Kosmos kann sich viel leichter
als die Erde dem göttlichen Willen und dem vollkommenen göttlichen
Plan angleichen. Jeder astrale Gegenstand wird in erster Linie durch Gottes
Willen, zum Teil aber auch durch den Willen der Astralwesen erschaffen.
Diese besitzen die Macht, die Form irgendeines Gegenstandes, der bereits
von Gott erschaffen wurde, abzuändern oder seine Schönheit noch
zu steigern. Der Herr hat seinen Astralkindern das Vorrecht gegeben, die
Astralwelt nach Wunsch zu verändern oder zu verbessern. Auf Erden
kann eine feste Substanz nur durch einen natürlichen oder chemischen
Prozeß in einen anderen Aggregatzustand verwandelt werden; die Astralwesen
dagegen können die festen Astralformen allein durch ihren Willen in
astrale Flüssigkeiten, Gase oder in Atomenergie verwandeln.
Auf der dunklen Erde gibt es Mord und Kriege zu Wasser, zu Land
und in der Luft“, fuhr mein Guru fort. „In den astralen Gefilden aber herrscht
eine beglückende Harmonie und Übereinstimmung. Die astralen Wesen
entmaterialisieren und materialisieren ihren Körper nach Wunsch. Auch
Blumen, Fische und Tiere können sich vorübergehend in astrale
Menschen verwandeln. Allen Astralwesen steht es frei, irgendeine Gestalt
anzunehmen und sich mühelos miteinander zu verständigen. Kein
unabänderliches Naturgesetz hindert sie; so kann z.B. jeder astrale
Baum auf Wunsch eine astrale Mango, eine Blume oder irgendeinen anderen
Gegenstand hervorbringen. Allerdings gibt es auch in der Astralwelt gewisse
karmische Begrenzungen, jedoch nicht in bezug auf gewünschte Formen.
Gottes schöpferisches Licht pulsiert in allen Dingen.
Niemand wird von einer Frau geboren. Die Astralwesen können ihre
Nachkommen kraft ihres kosmischen Willens materialisieren und ihnen bestimmte
Formen geben. Ein Wesen von der Erde wird, je nach seinen geistigen und
seelischen Neigungen, von einer ihm entsprechenden Astralfamilie angezogen.
Der Astralkörper ist weder Hitze noch Kälte noch anderen
natürlichen Bedingungen unterworfen. Anatomisch gesehen, bestellt
er aus einem astralen Gehirn mit dem teilweise tätigen, allwissenden
'tausendblättrigen Lotos des Lichts' und den sechs erweckten Zentren
in der Sushumna - der astralen Gehirn- und Rückenmarksachse. Das Herz
entzieht dem astralen Gehirn Licht und kosmische Energie und leitet diese
an die astralen Nerven und Körperzellen, oder Biotronen, weiter. Astralwesen
können durch die Kraft dieser Biotronen und durch heilige mantrische
Schwingungen Veränderungen an ihrem Körper vornehmen.
In den meisten Fällen gleicht der Astralkörper der Form des
letzten irdischen Körpers. Gesicht und Gestalt eines Astralwesens
ähneln der jugendlichen Erscheinung seiner letzten irdischen Verkörperung.
Gelegentlich jedoch zieht jemand, wie z.B. ich, seinen älteren Körper
vor." Der Meister, der wie die blühende Jugend aussah, lachte fröhlich.
"Während die dreidimensionale irdische Welt nur durch die fünf
Sinne des Menschen erkannt werden kann, werden die astralen Sphären
durch den allumfassenden sechsten Sinn - die Intuition - wahrgenommen",
fuhr Sri Yukteswar fort. "Die Astralwesen sehen, hören, riechen, schmecken
und fühlen nur durch ihre Intuition. Sie haben drei Augen, von denen
zwei halb geschlossen sind. Das dritte und größte Auge jedoch,
das sich senkrecht auf der Stirn befindet, ist geöffnet. Die Astralmenschen
besitzen alle äußeren Sinnesorgane - Augen, Ohren, Nase, Zunge
und Haut - , nehmen die verschiedenen körperlichen Empfindungen aber
mit ihrem sechsten Sinn wahr. So können sie z.B. mit den Ohren, der
Nase oder der Haut sehen, mit den Augen oder der Zunge hören, mit
den Ohren oder der Haut schmecken usw. 5
5 An Beispielen hierfür fehlt es selbst auf Erden nicht, wie im Fall von Helen Keller und anderen außergewöhnlichen Menschen.
Der physische Körper des Menschen ist zahlreichen Gefahren ausgesetzt
und kann leicht verstümmelt oder verletzt werden. Auch der ätherische
Astralkörper wird zuweilen verwundet oder gequetscht, kann aber sofort
durch reine Willenskraft wieder geheilt werden."
„Gurudeva, sind alle Astralwesen schön?"
"Schönheit ist in der Astralwelt vor allem eine geistige Eigenschaft",
erwiderte Sri Yukteswar. "Aus diesem Grunde legen die Astralwesen kein
großes Gewicht auf ihr Aussehen. Sie haben jedoch die Macht, sich
jederzeit mit neuen, farbenfreudigen Astralkörpern zu bekleiden, die
sie selbst materialisieren. Ebenso wie sich die Menschen auf der Erde bei
besonderen Anlässen festlich kleiden, so nehmen auch die Astralwesen
gelegentlich nach Wunsch eine bestimmte Gestalt an.
Freudenfeste finden auf den höheren Astralplaneten wie Hiranyaloka
z.B. dann statt, wenn sich ein Wesen geistig so hoch entwickelt hat, daß
es sich von der Astralwelt lösen und in den Himmel der Kausalwelt
eingehen kann. Bei solchen Gelegenheiten materialisieren sich die mit Gott
vereinten Heiligen und sogar der unsichtbare Himmlische Vater selbst in
leuchtenden Astralkörpern, um an der Festlichkeit teilzunehmen. Gott
kann jede gewünschte Form annehmen, um seinen geliebten Kindern Freude
zu machen. Bhaktas oder hingebungsvolle Naturen erblicken ihn oft als Göttliche
Mutter. Jesus sah in Gott vor allem den liebenden Vater. Der Schöpfer
hat jedem seiner Geschöpfe Individualität verliehen und muß
daher alle vorstellbaren und unvorstellbaren Ansprüche an seine Vielseitigkeit
in Kauf nehmen." Bei diesen Worten brachen wir beide in fröhliches
Lachen aus.
"Freunde aus früheren Leben erkennen sich in der Astralweit leicht
wieder", fuhr Sri Yukteswar mit seiner klangvollen Stimme fort. "Dort erfreuen
sie sich jener ewigen Liebe und Freundschaft, an der sie auf Erden
besonders in der Stunde des scheinbar endgültigen Abschieds
so oft zweifelten.
Mittels ihrer Intuition können die astralen Wesen den Schleier,
der sie von der irdischen Welt trennt, lüften und die Tätigkeit
der Menschen beobachten; doch die Menschen können nicht in die astralen
Sphären schauen, es sei denn, daß ihr sechster Sinn bis zu einem
gewissen Grad entwickelt ist. Es gibt Tausende von Erdenbewohnern, die
für kurze Augenblicke ein Astralwesen oder eine der Astralwelten erblickt
haben. 6
6 Kinder, die ein reines Herz haben, können manchmal auf Erden eine anmutige Astralgestalt, z.B. eine Fee, erblicken. Andererseits können Drogen und berauschende Getränke, deren Genuß von allen heiligen Schriften untersagt wird, das Bewußtsein des Menschen derart zerrütten, daß er die abschreckenden Gestalten der astralen Hölle sieht.
Die Bewohner von Hiranyaloka befinden sich während der langen astralen
Tage und Nächte gewöhnlich im Wachzustand der Nirvikalpa-Ekstase
und helfen bei der Lösung schwieriger Probleme, die mit der Regierung
des Kosmos und der Befreiung 'verlorener Söhne' (erdgebundener Seelen)
zusammenhängen. Wenn die Bewohner von Hiranyaloka schlafen, haben
sie gelegentlich Traumerlebnisse und astrale Visionen.
Alle Bewohner des Astralkosmos sind jedoch noch seelischen Leiden unterworfen.
So verursacht es den sensiblen Wesen, die auf Hiranyaloka oder ähnlichen
Planeten leben, z.B. tiefen Schmerz, wenn sie sich nicht richtig verhalten
haben oder nicht auf den Grund der Wahrheit gedrungen sind. Diese fortgeschrittenen
Wesen bemühen sich, all ihr Denken und Handeln in Einklang mit den
geistigen Gesetzen zu bringen.
Die Verständigung zwischen den Bewohnern aller Astralwelten geschieht
ausschließlich durch Telepathie und astrales Fernsehen. Es gibt keine
der Irrtümer und Mißverständnisse, wie sie auf Erden durch
das gesprochene und geschriebene Wort entstehen. So wie die Darsteller
auf der Filmleinwand nur aus Licht und Schatten bestehen und sich bewegen
und verschiedenen Tätigkeiten nachgehen, ohne wirklich zu atmen, so
handeln und wandeln die Astralwesen wie intelligent gelenkte und aufeinander
abgestimmte Lichtbilder, ohne Sauerstoff zum Leben zu brauchen. Die Existenz
der Erdbewohner hängt von festen, flüssigen und gasförmigen
Stoffen und der aus der Luft gewonnenen Lebensenergie ab; doch die Astralbewohner
ernähren sich hauptsächlich von kosmischem Licht."
"Geliebter Meister, essen die Astralwesen überhaupt etwas? Ich
nahm seine wunderbaren Erläuterungen mit Herz, Geist und Seele in
mich auf. Anders als die flüchtigen Sinneseindrücke, die nur
von vorübergehender, relativer Wirklichkeit sind und darum bald wieder
verblassen, sind überbewußte Wahrnehmungen ewig wahr und unvergänglich.
Die Worte meines Gurus haben sich meiner Seele so unauslöschlich eingeprägt,
daß ich mir dieses göttliche Erlebnis jederzeit, wenn ich in
den Samadhi eingehe, in allen Einzelheiten wieder vergegenwärtigen
kann.
"Der astrale Boden bringt leuchtende, strahlenähnliche Pflanzen
hervor", erwiderte er. "Die Astralbewohner nehmen Früchte und Pflanzen
zu sich und trinken einen Nektar, der sich aus schimmernden Lichtquellen
ergießt oder in astralen Bächen und Strömen fließt.
So wie auf Erden die Bilder entfernter Menschen aus dem Äther herbeigeholt
und durch den Fernsehapparat sichtbar gemacht werden, um sich später
wieder im Raum zu verlieren, so können die Astralbewohner die im Äther
schwebenden unsichtbaren astralen Bilder von Pflanzen und Früchten
durch ihren Willen herbeiziehen. Ähnlich können sie allein durch
ihre grenzenlose Vorstellungskraft herrliche Gärten erschaffen, die
sich später wieder im unsichtbaren Äther auflösen. Die Bewohner
himmlischer Sphären wie z.B. Hiranyalokas bedürfen also kaum
der Nahrung; noch unabhängiger aber sind die nahezu vollkommenen Wesen
in der Kausalwelt, deren einzige Nahrung aus dem Manna der Glückseligkeit
besteht.
Ein Astralwesen begegnet zahllosen Freunden und Verwandten: Vätern,
Müttern, Ehefrauen, Ehemännern und Kindern, mit denen es in früheren
Inkarnationen verbunden war 7 und
die von Zeit zu Zeit in den verschiedenen Regionen des Astralkosmos auftauchen.
Daher weiß es nicht, wen es am meisten lieben soll, und lernt auf
diese Weise, allen die gleiche göttliche Liebe zu schenken und in
ihnen allen verschiedene Ausdrucksformen Gottes, d.h. Seine Kinder zu sehen.
Die äußere Erscheinung ehemaliger Angehöriger mag sich
mehr oder weniger verändert haben, je nachdem, welche neuen Charakterzüge
sie im letzten Leben entwickelt haben; und dennoch erkennt ein Astralwesen
mit untrüglicher Intuition alle wieder, die ihm einst auf einer anderen
Daseinsebene nahegestanden haben, und heißt sie in ihrer neuen astralen
Heimat willkommen. Jedes Atom der Schöpfung besitzt unveränderliche
Individualität 8; aus diesem
7 Buddha wurde einst gefragt, warum man alle Menschen gleich lieben solle. "Weil jedes Wesen (irgendwann einmal in irgendeiner tierischen oder menschlichen Form) einem jeden von uns nahegestanden hat", erwiderte der große Lehrer.
8 Die acht Elementarkräfte die wesentlichen Bestandteile allen erschaffenen Lebens, vom Atom angefangen bis zum Menschen sind: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther, Sinnesbewußtsein (Manas), Intelligenz (Buddhi) und Individualität oder das Ich (Ahamkara). (Vergl. BhagavadGita VII, 4)
Grunde können die Astralwesen ihre Freunde ohne weiteres wiederfinden,
ganz gleich, in welchem Gewand diese erscheinen ebenso wie man auf
Erden, bei näherem Hinsehen, einen Schauspieler in seinen verschiedenen
Verkleidungen wiedererkennt.
Jeder Mensch lebt während einer bestimmten Zeitspanne auf einem
Astralplaneten. Die Lebensspanne in der Astralwelt ist viel länger
als auf Erden. Ein einigermaßen fortgeschrittenes Wesen verbringt
nach irdischem Zeitmaß 500 - 1000 Jahre in der Astralwelt. Aber ebenso
wie gewisse Mammutbäume andere Bäume um Jahrtausende überleben
und wie einige Yogis mehrere hundert Jahre alt werden, während der
Durchschnittsmensch noch vor Vollendung seines 60. Lebensjahres stirbt,
so bleiben einige Astralwesen viel länger als gewöhnlich in den
Astralsphären. Besucher der Astralwelt leben dort für kürzere
oder längere Zeit, je nach der Beschaffenheit ihres irdischen Karmas,
das sie zur festgesetzten Zeit wieder auf die Erde zurückzieht.
Ein Astralwesen kennt keinen qualvollen Todeskampf, wenn die Zeit gekommen
ist, seinen Lichtkörper abzuwerfen. Dennoch werden manche bei dem
Gedanken, ihre Astralform gegen die feinere Kausalform einzutauschen, von
einer leichten Unruhe befallen. In der Astralwelt gibt es keinen gewaltsamen
Tod, keine Krankheit und kein Altern. Diese drei Geißeln liegen wie
ein Fluch über der Erde, wo der Mensch seinem Bewußtsein gestattet
hat, sich ganz und gar mit einem gebrechlichen, irdischen Körper zu
identifizieren, dessen Existenz von Sauerstoff, Nahrung und Schlaf
abhängt.
Beim körperlichen Tod tritt Stillstand der Atmung und Auflösung
aller fleischlichen Zellen ein. Der astrale Tod dagegen besteht in der
Auflösung der Biotronen - jener kosmischen Energieeinheiten, aus denen
sich der Körper eines Astralwesens zusammensetzt. Beim körperlichen
Tod löst sich das Bewußtsein des Menschen von der fleischlichen
Hülle und gewahrt statt dessen seinen feinstofflichen Körper
in der Astralwelt. Wenn seine Zeit drüben abgelaufen ist, erlebt er
den astralen Tod; auf diese Weise pendelt sein Bewußtsein zwischen
Geburt und Tod auf Erden und Geburt und Tod in der Astralwelt hin und her.
Dieser sich ständig wiederholende Kreislauf astraler und irdischer
Verkörperungen ist das unentrinnbare Schicksal aller unerleuchteten
Wesen. Was wir in den heiligen Schriften über Himmel und Hölle
lesen, erweckt oft schlummernde Erinnerungen in uns, die aus tieferen Schichten
als denen des Unterbewußtseins kommen und uns zahlreiche Erlebnisse
in den seligen Astralregionen und der leidvollen irdischen Welt ins Gedächtnis
zurückrufen.“
"Geliebter Meister", bat ich, "teilt mir bitte noch nähere Einzelheiten
über den Unterschied zwischen der irdischen und der astralen Wiedergeburt
mit."
"Als individuelle Seele gesehen, ist der Mensch im wesentlichen ein
Kausalkörper", erklärte Sri Yukteswar. "Die Kausalform ist der
Nährboden für die 35 Ideen Gottes - die grundlegenden oder kausalen
Gedankenkräfte , die Gott später aufteilte, um aus 19 dieser
Elemente den feinstofflichen Astralkörper und aus den 16 übrigen
Elementen den grobstofflichen irdischen Körper zu bilden.
Die 19 Elemente des Astralkörpers sind mentaler, emotionaler und
vitaler Art. Diese Elemente sind: Erkenntnisvermögen, Ichbewußtsein,
Gefühl, Geist (Sinnesbewußtsein), die fünf Werkzeuge der
Erkenntnis die feinstofflichen Gegenstücke der fünf Sinne:
Gesicht, Gehör, Geruch, Geschmack und Tastsinn , die fünf Werkzeuge
der Tätigkeit, welche für die körperlichen Vorgänge
der Zeugung, Ausscheidung, des Sprechens, Gehens und der Fingerfertigkeit
verantwortlich sind, und die fünf Werkzeuge der Lebenskraft, welche
die Zellbildung, Assimilation, Elimination, den Stoffwechsel und Kreislauf
im Körper bewirken. Diese feinstoffliche astrale Hülle
überlebt die irdische Form, die aus 16 grobstofflichen, chemischen
Elementen besteht.
Gott erschuf in Sich selbst verschiedene Ideen und projizierte
sie dann als Träume. So entstand die kosmische Traumwelt, die sich
wie eine schöne Frau mit dem prunkvollen Schmuck der Relativität
behängt hat.
In den 35 Gedankenkategorien des Kausalkörpers hat Gott die 19
astralen Elemente und die sie ergänzenden 16 physischen Elemente bis
ins einzelne ausgearbeitet. Zuerst verdichtete Er die feinstofflichen Schwingungskräfte
und erzeugte somit den
Astralkörper; dann verdichtete Er die grobstofflichen Elemente
und erschuf den physischen Körper. Bedingt durch das Relativitätsgesetz,
das aus der Ursprünglichen Einheit eine verwirrende Vielfalt schuf,
unterscheidet sich der kausale Kosmos und der Kausalkörper vom astralen
Kosmos und vom Astralkörper; und ebenso unterscheidet sich der physische
Kosmos und der physische Körper von den anderen Formen der Schöpfung.
Der irdische Körper ist ein fester manifestierter Traum des Schöpfers.
Auf der Erde gibt es die ewigen Gegensätze: Gesundheit und Krankheit,
Lust und Schmerz, Gewinn und Verlust, und die menschlichen Wesen finden
in der dreidimensionalen Welt überall Begrenzung und Widerstand. Wenn
der Lebenswille des Menschen durch Krankheit oder andere Ursachen gebrochen
wird, tritt der Tod ein, und das schwere Gewand des Fleisches wird vorübergehend
abgeworfen. Die Seele bleibt jedoch weiterhin im Astral- und Kausalkörper
eingeschlossen 9.
9 Unter Körper versteht man jede grob- oder feinstoffliche Hülle, in der die Seele eingeschlossen ist. Die drei Körper werden als "Käfige des Paradiesvogels" bezeichnet.
Die Kohäsionskraft, die alle drei Körper zusammenhält,
sind die Wünsche; es ist diese Triebkraft der unerfüllten Wünsche,
welche die Knechtschaft des Menschen verursacht.
Körperliche Wünsche wurzeln im Egoismus und in der Sinnenlust.
Der Zwang, den die Sinne ausüben, und die sinnlichen Verlockungen
sind stärker als der Wunsch nach astralen oder kausalen
Wahrnehmungen.
Astrale Wünsche wurzeln in geistigen Genüssen, die sich durch
Schwingungen mitteilen. So lauschen die astralen Wesen z.B. der ätherischen
Musik der Sphären und berauschen sich am Anblick der Schöpfung,
die sich ihnen in ewig wechselnden Lichterscheinungen offenbart. Astrale
Wesen können das Licht auch riechen, schmecken und berühren.
So hängen die astralen Wünsche also mit der Fähigkeit
der Astralwesen zusammen, jeden gewünschten Gegenstand unmittelbar
als Lichtform zu verdichten und in Gedanken oder Träumen herrliche
Erlebnisse hervorzurufen.
Kausale Wünsche können nur durch geistige Wahrnehmungen erfüllt
werden. Die nahezu freien Wesen, die nur noch in die Kausalhülle eingeschlossen
sind, nehmen den ganzen Kosmos als projizierte Traumgedanken Gottes wahr.
Sie können alles und jedes durch bloße Gedanken materialisieren.
Daher empfindet ihre sensible Seele jede körperliche Lust oder astrale
Freude als grob und beklemmend. Die Kausalwesen befreien sich von ihren
Wünschen, indem sie diese augenblicklich materialisieren. 10
10 So half z.B. Babaji Lahiri Mahasaya, sich von seinem im Unterbewußtsein schlummernden Wunsch nach einem Palast 'der aus einem früheren Leben stammte' zu befreien. (Siehe Seite 398)
Da sie nur noch von dem feinen Schleier des Kausalkörpers umgeben
sind, können sie wie der Schöpfer ganze Universen
ins Leben rufen. Alle Welten bestehen aus kosmischem Traumstoff; deshalb
besitzt ein Wesen, das nur noch mit einem feinen Kausalkörper bekleidet
ist, ungeheure Kraft der Verwirklichung.
Die Seele, die von Natur unsichtbar ist, kann nur dann wahrgenommen
werden, wenn sie sich mit einem oder mehreren Körpern bekleidet. Das
bloße Vorhandensein eines Körpers bedeutet also, daß er
aufgrund unerfüllter Wünsche entstanden ist.
11
11 Er aber sprach zu ihnen: "Wo das Aas ist, da sammeln sich auch die Geier“. (Lukas 17, 37) Überall, wo die Seele in einem physischen, astralen oder kausalen Körper eingeschlossen ist, versammeln sich auch die Geier der Wünsche und halten die Seele gefangen. Sie nähren sich von den menschlichen Schwächen, die in der inneren Bindung an die Sinnenfreuden oder an die Freuden der Astral- und Kausalwelt bestehen.
Solange die menschliche Seele in ein, zwei oder drei körperliche
Gefäße eingeschlossen ist, die fest mit dem Korken der Unwissenheit
und der Wünsche verschlossen sind, kann sie nicht mit dem Meer des
GEISTES verschmelzen. Wenn das grob stoffliche, körperliche Gefäß
im Tode zerstört wird, bleiben noch die beiden anderen Behälter
der astrale und der kausale
bestehen und hindern die Seele daran, sich bewußt mit dem
Allgegenwärtigen Leben zu vereinigen. Erst wenn man Weisheit und dadurch
Wunschlosigkeit erlangt hat, lösen sich die anderen beiden Gefäße
auf. Dann endlich ist die kleine Menschenseele frei und wird eins mit der
Unermeßlichen Unendlichkeit."
Ich bat meinen göttlichen Guru, mir die
erhabene und geheimnisvolle Kausalsphäre noch näher zu erläutern.
"Die Kausalwelt ist von unbeschreiblicher Feinheit", erwiderte er.
"Um sie zu verstehen, müßte man über eine derartig starke
Konzentrationskraft verfügen, daß man sich bei geschlossenen
Augen den unermeßlichen Astralkosmos sowie den physischen Kosmos
- den leuchtenden Ballon mit der festen Gondel - nur noch als Idee vergegenwärtigen
kann. Wenn es einem durch eine solch übermenschliche Konzentration
gelänge, diese beiden Welten und ihre verwirrende Mannigfaltigkeit
in reine Ideen zu verwandeln oder aufzulösen, würde man die Kausalwelt,
das Grenzgebiet zwischen Geist und Materie, erreichen. Dort nimmt man alle
erschaffenen Dinge - feste, flüssige und gasförmige Stoffe, Elektrizität,
Energie und alle Lebewesen: Götter, Menschen, Tiere, Pflanzen und
Bakterien - lediglich als Bewußtseinsformen wahr, ähnlich wie
man bei geschlossenen Augen noch weiß, daß man existiert, obgleich
man seinen Körper nicht mehr sehen kann.
Alles, was der Mensch in seiner Phantasie tun kann, kann ein Kausalwesen
in Wirklichkeit tun. Intelligente Menschen mit lebhafter Vorstellungskraft
können sich in Gedanken zwischen extremen Gegensätzen bewegen,
können von einem Planeten zum anderen schweben, oder sich in den endlosen
Abgrund der Ewigkeit stürzen; sie können gleich einer Rakete
in den sternübersäten Himmel emporsteigen und wie ein Scheinwerferlicht
über die Milchstraßensysteme des Weltraums gleiten. Die Wesen
in der Kausalwelt können aber noch mehr tun:
sie können ihre Gedanken mühelos materialisieren, und dies
ohne irgendwelche stofflichen und astralen Widerstände oder karmischen
Begrenzungen.
Die Kausalwesen erkennen, daß der physische Kosmos nicht in erster
Linie aus Elektronen und der astrale Kosmos nicht im wesentlichen aus Biotronen
besteht, sondern daß beide in Wirklichkeit aus unendlich kleinen
Bruchteilehen des göttlichen GEISTES geschaffen sind, der durch Maya,
das Gesetz der Relativität (das dem Anschein nach die Schöpfung
von ihrem Schöpfer trennt), gespalten und aufgeteilt worden ist.
Seelen in der Kausalwelt nehmen sich gegenseitig als individualisierte
Funken des glückseligen GEISTES wahr. Die einzigen 'Dinge', mit denen
sie sich umgeben, sind Gedankenbilder. Für die Kausalmenschen besteht
der Unterschied zwischen ihren Körpern und Gedanken nur in der Vorstellung.
Genauso, wie sich der Mensch mit geschlossenen Augen ein weißes Licht
oder einen bläulichen Nebeldunst vorstellen kann, so können die
Kausalwesen allein durch ihre Gedanken sehen, hören, riechen, schmecken
und fühlen. Sie erschaffen alles aus der Kraft ihres kosmischen Geistes
und lösen es auf dieselbe Weise wieder auf.
Geburt und Tod vollziehen sich in der Kausalwelt nur in Gedanken. Die
einzige Speise, welche die Kausalmenschen zu sich nehmen, ist die Ambrosia
ewig neuer Erkenntnis. Sie trinken aus dem Quell des Friedens, schweben
über den unberührten Boden göttlicher Wahrnehmungen und
treiben im endlosen Meer der Freude dahin. Sieh, wie ihre leuchtenden Gedankenkörper
an Abermillionen aus GEIST-Stoff erschaffener Planeten, an neu entstandenen
Universen, an Weisheitssternen und Traumgebilden aus goldenen Spiralnebeln
vorüber gleiten, die alle im Schoß der Unendlichkeit ruhen!
Viele Wesen bleiben mehrere tausend Jahre im Kausalkosmos. Durch immer
tiefere Ekstase befreit sich die Seele schließlich von ihrem kleinen
Kausalkörper und geht in den unermeßlichen Kausalkosmos ein.
Alle einzelnen Gedankenwellen
- Macht, Liebe, Wille, Freude, Frieden, Intuition, Stille, Selbstbeherrschung
und Konzentration - lösen sich dann im unerschöpflichen Meer
der Glückseligkeit auf. Nicht länger mehr braucht die Seele ihr
Glück in einer individuellen Bewußtseinswelle zu suchen; sie
ist in das große Kosmische Meer eingegangen, das alle Wellen in sich
birgt - ewige Freude, ewiges Lachen, ewiges Leben.
Wenn die Seele aus dem Kokon der drei Körper hinausgelangt ist,
entrinnt sie auf immer dem Gesetz der Relativität und wird zum unnennbaren
Ewigen Dasein. 12
12 "Wer überwindet, den will ich machen
zum Pfeiler in dem Tempel meines Gottes“ und er soll nicht mehr hinausgehen
(d.h., soll sich nicht mehr wiederverkörpern)
... Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Stuhl zu
sitzen, wie ich überwunden habe und mich gesetzt mit meinem Vater
auf seinen Stuhl" Offenbarung 3, 12; 21
Schau den Schmetterling der Allgegenwart, in dessen Flügel Sonnen,
Monde und Sterne eingeätzt sind! Die Seele, die zum GEIST geworden
ist, bleibt allein in der Sphäre des lichtlosen Lichts, des dunkelsten
Dunkels, des gedankenlosen Gedankens und berauscht sich in ekstatischer
Freude am Kosmischen Schöpfungstraum Gottes."
"Eine freie Seele!" rief ich ehrfürchtig aus.
"Wenn sich die Seele endlich aus den drei körperlichen Hüllen
der Täuschung befreit", fuhr der Meister fort, "vereinigt sie sich,
ohne ihre Individualität zu verlieren, mit dem Unendlichen. Christus
hatte diese endgültige Freiheit bereits erlangt, ehe er als Jesus
geboren wurde. In seinen früheren Inkarnationen hatte er drei Entwicklungsstufen
zurückgelegt die in seinem letzten Erdenleben durch die drei
Tage von Tod und Auferstehung versinnbildlicht wurden und schließlich
die Macht gewonnen, voll und ganz zum GEIST aufzusteigen.
Der unentwickelte Mensch muß zahlreiche irdische, astrale und
kausale Inkarnationen durchmachen, ehe er sich von seinen drei Körpern
lösen kann. Einem Meister, der seine endgültige Freiheit erlangt
hat, steht es frei, als Prophet zur Erde zurückzukehren und andere
Menschen auf den Weg zu Gott zu führen. Oder er kann, wie ich, im
Astralkosmos leben und den dortigen Bewohnern einen Teil ihres Karmas abnehmen;
dadurch hilft er ihnen, den Kreislauf der Wiedergeburten im astralen Kosmos
zu beenden und für immer in die Kausalsphäre einzugehen. 13
13 Hiermit deutete Sri Yukteswar an, daß er, ebenso wie in seiner irdischen Inkarnation, wo er gelegentlich die Krankheit eines seiner Jünger auf sich genommen hatte, um dessen Karma zu erleichtern, auch als Erlöser in der Astralwelt die Fähigkeit hat, anderen einen Teil ihres astralen Karmas abzunehmen; dadurch beschleunigt er ihre Entwicklung und bereitet sie für die höhere Kausalwelt vor.
Auch kann eine befreite Seele in der Kausalwelt bleiben, um den dortigen
Wesen zu helfen, ihre Zeitspanne im Kausalkörper zu verkürzen
und endgültig befreit zu werden."
"Auferstandener Meister, ich möchte gern mehr über das Karma
wissen, das die Seele zwingt, in die drei Welten zurückzukehren."
Ich hätte meinem allwissenden Meister in alle Ewigkeit zuhören
können. Niemals hatte ich während seines Erdenlebens in so kurzer
Zeit so viel von seiner Weisheit in mich aufnehmen können. Jetzt gewann
ich zum ersten Mal einen tiefen Einblick in die geheimnisvollen Bereiche
zwischen Diesseits und Jenseits.
"Das irdische Karma, d.h. die irdischen Wünsche des Menschen,
muß völlig ausgelöscht sein, ehe dieser für immer
in der Astralwelt bleiben kann", erklärte mein Guru mit seiner melodischen
Stimme. "Es gibt zwei Arten von Astralwesen. Diejenigen, die noch irdisches
Karma zu sühnen haben und daher wieder in einen grobstofflichen Körper
zurückkehren müssen, gelten nach ihrem körperlichen Tod
nur als Besucher, nicht als ständige Bewohner der Astralwelt.
Wesen mit ungetilgtem irdischem Karma dürfen nach ihrem Tod in
der Astralwelt nicht in die höhere Kausalsphäre
- die Sphäre kosmischer Ideen eingehen, sondern müssen
zwischen der physischen und astralen Welt hin und herwandern, wo sie sich
abwechselnd eines irdischen Körpers aus 16 grobstofflichen Elementen
und eines Astralkörpers aus 19 feinstofflichen Elementen bewußt
sind. Unentwickelte Menschen jedoch fallen nach dem Verlust ihres irdischen
Körpers meist in einen tiefen, dumpfen Todesschlaf und sind sich der
wunderbaren Astralgefilde kaum bewußt. Nach dieser astralen Ruhepause
kehren sie auf die körperliche Ebene zurück, um weitere Erfahrungen
zu sammeln. Allmählich aber gewöhnen sie sich durch ihre wiederholten
Besuche an die feinstoffliche, astrale Welt.
Die ständigen Bewohner des astralen Universums dagegen sind frei
von allen materiellen Wünschen und brauchen daher nicht mehr in die
grobe Schwingungssphäre der Erde zurückzukehren. Solche Wesen
haben nur noch ihr astrales und kausales Karma abzutragen. Nach ihrem astralen
Tode betreten sie die unendlich feinere Kausalwelt und kehren nach einer
vom kosmischen Gesetz bestimmten Zeitspanne wieder zu Hiranyaloka oder
einem anderen hochentwickelten Astralplaneten zurück, wo sie in einem
neuen Astralkörper geboren werden, um ihr noch verbleibendes astrales
Karma zu sühnen.
Mein Sohn", fuhr Sri Yukteswar fort, „nun wirst du besser verstehen,
daß ich auf göttliches Geheiß auferstanden bin, um vor
allem jene Seelen zu erlösen, die nach ihrer Rückkehr von der
Kausalsphäre in der Astralwelt wiedergeboren werden, und nicht so
sehr die anderen Astralwesen, die noch Spuren irdischen Karmas haben. Letztere
können sich nicht zu den hochentwickelten Astralplaneten, zu denen
auch Hiranyaloka gehört, erheben.
Wie die meisten Menschen auf dieser Erde noch nicht gelernt haben,
zu meditieren und sich die höheren Freuden der Astralwelt vorzustellen
und sich daher, sobald sie gestorben sind, nach den unvollkommenen irdischen
Freuden zurücksehnen, so können sich auch viele Astralwesen nach
der natürlichen Auflösung ihres Astralkörpers noch nicht
den erhabenen Geisteszustand der Kausalwesen vorstellen. Sie sehnen sich
nach dem gröberen und prunkvolleren Astralhimmel zurück. Solche
Menschen haben noch schweres astrales Karma zu sühnen, ehe sie nach
ihrem astralen Tode ständig in der kausalen Welt der Gedanken bleiben
können, die sie nur noch um ein geringes von ihrem Schöpfer trennt.
Nur wer sich nach keinen weiteren Erlebnissen in dem für das Auge
so verlockenden Astralkosmos sehnt und nicht in Versuchung geführt
werden kann, zu ihm zurückzukehren, darf in der Kausalwelt bleiben.
Dort sühnt die eingeschlossene Seele ihr noch verbleibendes kausales
Karma, d.h., sie zerstört die Saat aller ehemaligen Wünsche und
entfernt den letzten der drei Korken der Unwissenheit. Dann endlich wirft
sie ihre letzte Hülle - den Kausalkörper - ab, um mit dem Ewigen
zu verschmelzen.
Verstehst du nun? „ ,fragte der Meister mit bestrickendem Lächeln.
"Ja, durch Eure Gnade! Ich weiß nicht, wie ich meine Freude und
Dankbarkeit in Worte fassen soll."
Niemals hatte mir irgendein Buch oder Epos ein derart tiefes Wissen
vermittelt. Obgleich die heiligen Schriften der Hindus die Kausal- und
Astralwelt und die drei Körper des Menschen erwähnen, schienen
mir die gedruckten Worte im Vergleich mit dem lebendigen Zeugnis meines
auferstandenen Meisters jetzt blaß und nichtssagend. Für ihn
gab es kein unbekanntes "Land, von dessen Ufern kein Wanderer wiederkehrt“
14
14 "Hamlet", Akt III, Szene 1
"Das wechselseitige Durchdringen der drei Körper zeigt sich auch
in der dreifachen Natur des Menschen", fuhr mein großer Guru fort.
"Im Wachzustand ist sich der Mensch mehr oder weniger aller drei Körper
bewußt. Wenn seine Sinne mit Schmecken, Riechen, Tasten, Hören
und Sehen beschäftigt sind, wirkt er vor allem durch seinen physischen
Körper. Wendet er Willens- und Vorstellungskraft an, wirkt er in erster
Linie durch seinen Astralkörper. Und wenn er tief nachdenkt, Innenschau
oder Meditation übt, wirkt er hauptsächlich durch seinen Kausalkörper.
Ein Genie empfängt seine kosmischen Ideen dadurch, daß es die
meiste Zeit mit seinem Kausalkörper verbunden bleibt. In diesem Sinne
gibt es also vorwiegend 'materielle', 'tatkräftige' oder 'intellektuelle'
Menschen.
Der Mensch identifiziert sich täglich etwa 16 Stunden mit seiner
körperlichen Hülle. Dann schläft er ein. Wenn er träumt,
bleibt er in seinem Astralkörper und erschafft ebenso mühelos
wie die Astralwesen beliebige Gegenstände. Im tiefen und traumlosen
Schlaf aber versetzt er sein Bewußtsein, d.h. sein Ichbewußtsein,
für einige Stunden in den Kausalkörper; ein solcher Schlaf ist
erquickend. Solange er jedoch träumt, ist er mit seinem astralen und
nicht mit seinem kausalen Körper in Verbindung und fühlt sich
nach dem Schlaf nicht völlig erfrischt."
Ich hatte Sri Yukteswar während der ganzen Zeit liebevoll beobachtet.
"Engelhafter Guru", sagte ich, "Euer Körper sieht genauso aus
wie vor einigen Monaten, als ich ihn in Puri beweinte."
"Nun ja, mein neuer Körper ist ein genaues Abbild des alten. Ich
materialisiere und entmaterialisiere diese Gestalt nach Wunsch viel
häufiger, als ich es auf Erden tat. Durch augenblickliche Entmaterialisation
kann ich mit dem 'Lichtexpreß' von einem Planeten zum anderen, oder
sogar vom astralen zum kausalen oder physischen Kosmos reisen." Lächelnd
fügte mein göttlicher Guru hinzu: "Obgleich du in diesen Tagen
so viel umhergereist bist, war es nicht schwer für mich, dich in Bombay
zu finden.
"0 Meister, wie sehr ich unter Eurem Tod gelitten habe!" "Bin ich denn
tot? Ist diese Behauptung nicht ein wenig widersinnig?" Sri Yukteswars
Augen glänzten vor Liebe und Heiterkeit.
„Auf Erden hast du nur geträumt und sahst in diesem Erdentraum
meinen Traumkörper", fuhr er fort. "Später hast du das Traumbild
begraben. Und jetzt ist mein feinstofflicher Traumkörper, den du vor
dir siehst und im Augenblick sogar recht fest umarmst, auf einem feineren
Traumplaneten Gottes auferstanden. Eines Tages werden dieser feinstoffliche
Traumkörper und der Traumplanet wieder vergehen; denn auch sie existieren
nicht ewig. Alle Traumschöpfungen müssen schließlich bei
Gottes erweckender Berührung zerstieben. Mein Sohn Yogananda, lerne
den Traum von der Wirklichkeit unterscheiden!"
Diese aus dem Vedanta stammende Vorstellung 15
15 Leben und Tod sind nichts anderes als relative Vorstellungen. Der Vedanta erklärt, daß Gott die einzige Wirklichkeit ist, daß die ganze Schöpfung, d.h. alles individuelle Dasein, Maya oder Illusion sei. Diese Philosophie des Monismus gipfelte in Sri Shankaracharyas Kommentaren zu den uralten Upanishaden (Zusammenfassung der Veden).
beeindruckte mich zutiefst, und ich schämte mich, daß
ich den leblosen Körper des Meisters in Puri betrauert hatte. Endlich
verstand ich, daß mein Guru schon immer in Gott erwacht gewesen war,
daß er sein Leben, seinen Tod und seine jetzige Auferstehung nur
als relative göttliche Ideen des kosmischen Traumdramas ansah.
"Ich habe dir nun die Wahrheit über mein Leben, meinen Tod und
meine Auferstehung mitgeteilt, Yogananda. Trauere nicht um mich, sondern
verbreite überall die Kunde von meiner Auferstehung. Verkündige
allen, daß ich von dieser Erde, die ein Traum Gottes ist, zu einem
Astralplaneten einem anderen Traum Gottes aufgefahren bin.
Neue Hoffnung wird dann in die Herzen der irdischen Träumer einkehren,
die noch unter Kummer und Todesfurcht leiden."
"Ja, Meister! „ Wie gern wollte ich meine Freude über seine Auferstehung
mit anderen teilen!
"Für die meisten Menschen dieser Erde waren meine Anforderungen
ungewöhnlich hoch. Oft habe ich dich mehr als nötig gescholten.
Du aber hast all meine Prüfungen bestanden; deine Liebe leuchtete
durch alle Wolken des Tadels hindurch." Und zärtlich fügte er
hinzu: „Ich bin heute auch deshalb zu dir gekommen, um dir zu sagen: Nie
mehr werde ich dich mit strengem, tadelndem Blick ansehen. Nie mehr werde
ich dich schelten."
Wie sehr hatte ich die Zurechtweisungen meines großen Gurus vermißt!
Jede von ihnen war mir ein Schutzengel gewesen.
„Liebster Meister, scheltet mich tausendmal scheltet mich in
diesem Augenblick!"
"Ich werde es nie mehr tun." Obgleich seine göttliche Stimme ernst
klang, schwang dennoch ein heimliches Lachen in ihr. "Wir werden gemeinsam
lächeln, solange sich unsere beiden Formen noch im Maya-Traum Gottes
voneinander unterscheiden. Einst aber werden wir beide mit dem Kosmischen
Geliebten verschmelzen. Dann wird unser Lächeln zu Seinem Lächeln
werden, und unser vereinter Freudengesang wird in der Ewigkeit widerhallen
und alle auf Gott eingestellten Seelen erreichen."
Dann klärte mich Sri Yukteswar noch über gewisse Dinge auf,
die ich hier nicht wiedergeben kann. Während der zwei Stunden, die
er in meinem Hotelzimmer in Bombay blieb, beantwortete er all meine Fragen.
Mehrere Prophezeiungen von weltumfassender Bedeutung, die er an jenem Junitag
des Jahres 1936 äußerte, haben sich bereits erfüllt.
"Ich verlasse dich nun, geliebtes Kind!" Bei diesen Worten fühlte
ich, wie sich der Meister aus meinen Armen löste.
"Mein Kind", sagte er mit einer Stimme, die auf den Grund meiner Seele
drang, "jedesmal, wenn du in den Nirvikalpa-Samadhi eingehst und mich rufst,
werde ich, wie heute, leibhaftig zu dir kommen.“
Mit diesem himmlischen Versprechen entschwand Sri Yukteswar meinen
Blicken. Dann hörte ich eine Stimme, die wie melodischer Donner aus
den Wolken zu kommen schien: "Sage es allen: Wer durch Nirvikalpa-Verwirklichung
erkennt, daß diese Erde nur ein Traum Gottes ist, kann zu dem feinstofflichen
Traumplaneten Hiranyaloka aufsteigen und mich dort in einem auferstandenen
Körper finden, der genau meinem irdischen gleicht. Yogananda, sage
es allen!“
Vergangen war der Trennungsschmerz. Der Kummer über seinen Tod,
der mir so lange meinen inneren Frieden geraubt hatte, ergriff nun beschämt
die Flucht. Statt dessen überflutete mich eine unbeschreibliche Glückseligkeit.
In dieser ekstatischen Flut öffneten sich die seit langem "verstopften“
Poren meiner Seele und wurden durchlässig und rein. Gleich einem Film
rollten meine ehemaligen Inkarnationen vor meinem inneren Auge ab, und
alles gute und schlechte Karma jener Traumfiguren löste sich in dem
kosmischen Licht auf, das der Meister während seines göttlichen
Besuches über mich ausgegossen hatte.
In diesem Kapitel meiner Autobiographie bin ich dem Befehl meines Gurus
nachgekommen und habe die frohe Botschaft von seiner Auferstehung verbreitet,
obwohl sie einmal mehr eine gleichgültige Generation verwirren könnte.
Gefallen an gemeinen Dingen kennt der Mensch zur Genüge; Verzweiflung
ist ihm nicht fremd. Doch dies sind Abnormitäten, die nichts mit seiner
wahren Bestimmung zu tun haben. Sobald er es ernstlich will, kann er den
Weg in die Freiheit antreten. Zu lange hat er sich von seinen pessimistischen
Ratgebern einreden lassen: "Du bist Erde", anstatt sich auf seine unsterbliche
Seele zu besinnen.
Ich war nicht der einzige, dem das Vorrecht zuteil wurde, den auferstandenen
Guru zu sehen.
Eine von Sri Yukteswars Chelas, eine alte Frau, die von allen liebevoll
Ma (Mutter) genannt wurde, hatte ein ähnliches Erlebnis. Da sie in
der Nähe der Einsiedelei von Puri wohnte, war der Meister oft bei
seinem Morgenspaziergang vor ihrer Haustür stehengeblieben, um mit
ihr zu plaudern. Am Abend des 16. März 1936 kam Ma zum Ashram, um
ihren Guru zu besuchen.
„Der Meister ist doch vor einer Woche gestorben!" sagte Swami Sebananda,
der inzwischen die Leitung der Einsiedelei übernommen hatte, und blickte
sie traurig an.
"Das ist unmöglich!" widersprach sie lächelnd.
"Leider nicht", sagte Sebananda und erzählte ihr dann in allen
Einzelheiten, was sich zugetragen hatte. "Kommt", sagte er, "ich will Euch
in den Vorgarten führen und Euch seine Grabstätte zeigen. "
Doch Ma schüttelte den Kopf. "Für ihn gibt es kein Grab!
Heute morgen um 10 Uhr kam er, wie gewöhnlich, auf seinem Spaziergang
an meinem Haus vorbei und blieb vor der Tür stehen. Ich unterhielt
mich mehrere Minuten lang mit ihm im hellen Tageslicht.
'Komm heute abend zum Ashram', sagte er.
Und hier bin ich. Welcher Segen sich über dieses alte, graue Haupt
ergießt! Der unsterbliche Guru wollte mir zu verstehen geben, daß
er mich diesen Morgen in einem überirdischen Körper aufgesucht
hat."
Da kniete Sebananda ergriffen vor ihr nieder.
"Ma", sagte er, "Ihr habt mir eine schwere Last vom Herzen genommen.
Nun weiß ich, daß er auferstanden ist!"