Das Problem der Begrenztheit der fossilen
Energievorräte hat augenblicklich in der Öffentlichkeit keine Konjunktur. Politik,
Industrie, Presse und Umweltgruppen sind sich erstaunlich einig, daß es zwar prinzipiell
ein Ressourcenproblem gibt, daß dieses aber für die nächsten Jahrzehnte und
möglicherweise auch Generationen kein wirklich reales Problem darstelle. Obwohl der Club
of Rome die Öffentlichkeit Anfang der 70er Jahre für das Thema sensibilisiert hatte und
die Welt dann zwei Ölkrisen erlebte, die jedoch innerhalb weniger Jahre überwunden
werden konnten, ist heute fast überall das Gefühl verbreitet, daß das Problem nicht
aktuell sei und keine große Aufmerksamkeit verdiene. Die Gesellschaft pflegt einen sehr kurzfristigen Umgang mit langfristigen Entwicklungen. Der Schluß, daß das Problem der Reserven eigentlich keine Beachtung verdiene, weil in den vergangenen 25 Jahren die Katastrophe nicht eingetreten ist, ist jedoch aberwitzig. Er gleicht der Meinung eines Menschen, der, nachdem er eine schwere Krankheit überstanden und dann viele Jahre überlebt hat, nun zu dem Schluß kommt, daß das Problem des eigenen Todes wohl doch nicht existiere. Ressourcenschonung - Vermeidung des Verbrauchs begrenzter natürlicher Vorräte - und Senkenschonung" - also Vermeidung der Folgen ungezügelter Ressourcennutzung - stellen die beiden wesentlichen Komponenten einer nachhaltigen Lebens- und Wirtschaftsweise dar. Im Sinne der Nachhaltigkeit verdienen beide Argumente gleiche Beachtung. Heute findet in der energiepolitischen Debatte wenigstens der zweite Aspekt gebührende Aufmerksamkeit. Die Folgen des ungezügelten Energieverbrauchs sind Gegenstand internationaler Konferenzen und bereits heute für jeden sichtbar, der sie sehen will. Dagegen verläuft die Verknappung der Ressourcen schleichend und unsichtbar. Demgemäß wird der Ruf nach einer nachhaltigen Wirtschaftsweise fast ausschließlich mit der Emissionsproblematik begründet. Tatsächlich aber hat sich von einer breiten Öffentlichkeit unbemerkt die langfristige Versorgungslage insbesondere beim Erdöl dramatisch zugespitzt. Wir vertreten hier die These, daß die Ressourcenfrage innerhalb weniger Jahre die Energiediskussion wieder dominieren oder zumindest gleichrangig beeinflussen wird. Wir wollen mit diesem Beitrag die Vorstellung erschüttern, daß in Sachen Ölversorgung alles in Ordnung" sei. Es sind sehr wohl bereits in den nächsten zehn Jahren auch chaotische Umbrüche denkbar. Wir wissen sicher nicht, wie die Zukunft sein wird, aber es gibt gute Gründe, zu glauben, daß das am wenigsten wahrscheinliche Szenario dasjenige ist, das davon ausgeht, daß die nächsten 20 Jahre so sein werden wie die vergangenen 20 Jahre. Wir wollen zeigen, daß eine große Diskrepanz zwischen den grundlegenden Fakten und den tatsächlichen Handlungen der wichtigen Akteure auf der einen Seite und der öffentlichen Wahrnehmung auf der anderen Seite besteht. In der Presse finden sich isolierte Meldungen über Fakten" wie neue Ölfunde, gestiegene Weltölreserven etc., die nicht in einen interpretierenden Zusammenhang gestellt werden. Wir wollen den Blick schärfen für das Spiel", das unserer Meinung nach eigentlich gespielt wird, und für die dahinterstehenden Interessen. Erst dann werden die langfristigen Strukturen klarer sichtbar. Erdöl ist auch heute noch mit fast 40% Anteil der wichtigste Energieträger. Die jährlich veröffentlichten statischen Reichweiten (eine Kennzahl, die besagt, wieviele Jahre das verbleibende Öl bei heutigem Verbrauch noch reichen würde), aber auch niedrige Preise suggerieren eine problemlose Ölversorgung für die kommenden Jahrzehnte. Die kritische Analyse dieser Veröffentlichungen jedoch läßt auch eine ganz andere Betrachtungsweise zu, die auf eine baldige Änderung auf den Ölmärkten schließen läßt. Wenn man über die Rolle des Öls in unserer Energieversorgung spricht, so muß man auch über andere als nur die technischen und wirtschaftlichen Dimensionen sprechen: insbesondere auch über die Verteilungsgerechtigkeit (wer auf der Welt benutzt das Öl heute wofür?) und über die Gerechtigkeit zwischen den Generationen. Diese Fragen betreffen natürlich nicht nur die endliche Ressource Öl, sondern genauso Gas, Uran und Kohle. Eine stärkere Berücksichtigung der Endlichkeit der Rohstoffe wird
auch den Ruf nach einer grundsätzlichen Änderung unseres Umgangs mit Energie stärker
werden lassen. Wir sind der Meinung, daß, gerade weil das beginnende Versiegen der
Erdölquellen bald sichtbar werden wird, auch eine gewisse Hoffnung angebracht ist. Diese
Erkenntnis wird einen heilsamen Einfluß auf unsere Vorstellungen und schließlich auf
unseren Umgang mit Energie ausüben. In dem Maße, wie sich eine Änderung der
Ölversorgungslage abzeichnet, wird sich das System ökonomisch in eine neue Richtung
bewegen. Dann werden zum ersten Mal die Märkte auch die langfristigen Knappheiten
ansatzweise widerspiegeln. Dann wird es aus wirtschaftlichen Gründen ebenso
aussichtsreich sein, das neue Geschäft eines zukunftsfähigen Umgangs mit Energie zu
erschließen, wie das verbleibende Erdöl zu fördern.
Wenn die Ölförderung ihr Maximum überschreitet, entsteht eine zunehmende
Lücke zwischen Energienachfrage und Energieversorgung, die nach Deckung ruft. Was sind
die wahrscheinlichen Alternativen zum Öl? Zunächst scheint es naheliegend, einfach zum dann
nächstgünstigsten Energieträger überzuwechseln. Genau das haben wir weltweit in den
letzten Jahren ja mit der verstärkten Nutzung von Erdgas bereits gemacht. Jedoch kann ein
solcher Übergang allenfalls eine kurze Verschnaufpause gewähren, er bringt uns einer
langfristig tragfähigen Energieversorgung nicht näher. Sicher wird die zu beobachtende
Entwicklung, Gas als relativ sauberen und leicht zu handhabenden Energieträger in
möglichst viele Anwendungen zu bringen, sich noch einige Zeit fortsetzen. Doch es ist
klar absehbar, daß, je mehr man versuchen wird, Erdöl durch Erdgas zu ersetzen, sich
dies in sehr kurzer Zeit als nicht realisierbar herausstellen wird. Erdöl und Erdgas
werden dann ungefähr gleichzeitig zur Neige gehen. Kann die Kernkraft eine Alternative sein? Neben allen anderen
Problemen der Kernkraft haben wir auch hier eine begrenzte Verfügbarkeit der natürlichen
Ressource Uran. Gängige Zahlen besagen, daß der heutige Kraftwerkspark auf der Welt mit
den bekannten Uranvorkommen noch etwa 80 Jahre betrieben werden kann. Heute hat Kernkraft
einen Anteil von weit unter 10 % am Primärenergieverbrauch der Welt. Wollte man diesen
Anteil auf etwa 20 % steigern - was längst noch nicht reicht, um das ausfallende Erdöl
zu ersetzen -, so würde sich die Reichweite des Rohstoffes Uran auf 20 Jahre verkürzen -
keine sehr überzeugende Perspektive.
Die Kernkraft bietet keinen gangbaren Ausweg aus dem Dilemma. Die
Vorstellung, über die Nutzung der Kernkraft unseren bisherigen Lebensstil in den
industrialisierten Ländern unverändert fortsetzen zu können, ist daher eine Illusion.
Die verbleibenden 20 Jahre in unserem Beispiel reichen noch nicht einmal aus, die
Wirtschaftlichkeit der dann neu zu bauenden Reaktoren sicherzustellen. Es funktioniert
also weder von den Ressourcen her, noch ökologisch, noch ökonomisch. Wir meinen, daß
die Visionäre der Kernkraft das Ressourcenproblem vor einigen Jahrzehnten genauso gesehen
haben und die Brütertechnologie als eine Voraussetzung für eine bedeutende und
langfristige Rolle der Kernkraft verstanden haben. An die schnellen Brüter aber glaubt
heute niemand mehr. Schon damit ist das Urteil gesprochen, selbst wenn man davon absieht,
daß es ja schon einiger Unverfrorenheit bedarf, für ein Schließen der Energielücke
für wenige Jahrzehnte die Nachkommen über Jahrtausende mit den Folgen zu belasten. Liegt also die Zukunft der fossilen Energien bei der Kohle? Die
Nutzung fossiler Energien durch den Menschen begann mit ihr. Trotzdem sind die
Kohlevorräte immer noch größer als die aller anderen fossilen Energieträger und
reichen bei heutigem Verbrauch in der Tat noch für 200 bis 300 Jahre. Da gerade die
oberflächennahen Vorkommen relativ billig erschlossen werden können, ist hier sicherlich
die zukünftige Förderung in den nächsten 50 Jahren eher von Umweltaspekten geprägt als
von der Begrenztheit der Ressourcen. Jedoch zeigen alle Erfahrungen, daß bei zunehmendem
Einsatz der Kohle die lokalen Emissionsprobleme enorm zunehmen. Ein historischer Überblick über die Nutzung fossiler Energien
zeigt, daß die Kohle, die älteste in großem Stile genutzte Ressource, über mehrere
Jahrhunderte den Aufbau und die Beschleunigung der Industrialisierung antreiben konnte.
Erdöl begann dann für fast ein Jahrhundert, diesen Aufstieg zu unterstützen. Auf dem
mittlerweile erreichten hohen Niveau des Energieumsatzes erscheint jedoch jeder neue
endliche Energieträger in seiner Langfristperspektive zunehmend lächerlich. Erdgas wird
gerade mal ein halbes Jahrhundert einen bedeutenden Anteil an der Weltenergieversorgung
erreichen. Die Kernenergie wird niemals einen bedeutenden Anteil im zweistelligen
Prozentbereich erreichen können. Je höher unser Energieverbrauch liegt, um so deutlicher
sichtbar wird die Sackgasse der fossilen und nuklearen Energieträger.
Es ist höchste Zeit, wieder
grundsätzlich über unseren Umgang mit Energie nachzudenken.
Die bisherigen Ausführungen haben sich nur mit der Verfügbarkeit von Erdöl
befaßt. Diese Sichtweise ist wichtig, muß aber um einige grundsätzliche Überlegungen
erweitert werden. Welche moralischen Fragen wirft die Nutzung endlicher Energien auf? Und
wie sieht ein nachhaltiger oder zukunftsfähiger Umgang mit Energie aus? Die Nutzung von endlichen Energieressourcen wie Erdöl, Erdgas,
Kohle und Uran unterscheidet sich prinzipiell von der Nutzung erneuerbarer Energien, die
sich aus dem ständigen Energiefluß der Sonne speisen. Die Nutzung nichterneuerbarer
Energien ist allein schon deswegen nicht nachhaltig, weil sie eben nicht auf Dauer
aufrechterhalten werden kann. Das klingt trivial und ist es auch, und eigentlich weiß es
auch jeder - aber die sich aus dieser Tatsache ergebenden Schlußfolgerungen sind sehr
grundsätzlich und sehr weitreichend und werden vielleicht gerade deswegen meist nicht
gezogen. Verteilungsgerechtigkeit Beim Verbrauch einer endlichen Ressource stellt sich in besonderem
Maße die Frage ihrer gerechten Nutzung: der gerechten Verteilung in Hinblick auf die
gerade lebenden Menschen wie auch auf künftige Generationen. Wir wissen, daß es um die Verteilungsgerechtigkeit beim Öl ganz
schlecht bestellt ist: Heute nutzen ungefähr 20 % der Menschen (die Bevölkerung der
industrialisierten Länder) 80 % des geförderten Öls. Wir beruhigen uns gern mit dem
Gedanken, daß dies zwar bedauerlich, aber im Augenblick unvermeidlich und überhaupt nur
vorübergehend sei. Mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung der Entwicklungs- und
Schwellenländer (die wir selbstverständlich für wünschenswert und machbar halten)
lassen sich die Dinge dann in Zukunft immer mehr angleichen. Nur leider: So ist es mit
Sicherheit genau nicht! Dummerweise ist fast die Hälfte des Erdöls schon verbraucht.
Wenn wir also (erst einmal unabhängig von ökonomischen Verteilungsmechanismen) ab morgen
eine gerechte, die Ungleichheiten der Vergangenheit korrigierende Verteilung vornehmen
wollten, so könnte jeder der bisherigen Habenichtse höchstens mit einem Viertel dessen
bedacht werden, was die Reichen sich in der Vergangenheit genehmigt haben - mehr ist
einfach nicht da. Die Schieflage in Bezug auf die Verteilungsgerechtigkeit kann
prinzipiell nie mehr ausgeglichen oder geheilt werden. Wo ist die moralische
Rechtfertigung dafür? Letztlich heißt das, daß unser Modell für die Entwicklung der
Entwicklungsländer eine Farce ist: Nie und nimmer kann es das Ziel sein, den Lebensstil
der Industrieländer auf die gesamte Welt zu übertragen. Das ist, wie wir am Beispiel Öl
gezeigt haben, schlicht nicht möglich und würde außerdem innerhalb weniger Jahre zum
Kollaps führen. Die Meinung, die nichtindustrialisierten Länder brauchten nur endlich so
tüchtig" zu werden wie wir, und dann würde es schon gerecht zugehen, entbehrt
jeder Grundlage. Erst wenn wir verinnerlicht haben, daß wir uns auf Basis des
Verzichtes" der Entwicklungsländer ein angenehmes Leben leisten, werden wir
offen sein, hier ein Problem zu akzeptieren. Noch drastischer ist die Benachteiligung in Bezug auf künftige
Generationen. So nutzen heute einige wenige Generationen die in Jahrmillionen
angesammelten Bodenschätze. Mit welchem Recht beuten wir heute die nicht erneuerbaren
Vorräte der Erde aus? Die Rechtfertigung kann sicher nicht über die Berufung auf den
Markt" erfolgen. Der Markt spiegelt keine langfristigen Knappheiten, allein
schon deswegen nicht, weil künftige Generationen nicht ihre Preisgebote auf dem Markt
für Öl abgeben können - vielleicht wären sie bereit, mehr zu bezahlen als wir... Sie
werden, so wie die Dinge stehen, aus den fossilen Energien nur noch wenig Nutzen ziehen
können, und müssen trotzdem die Folgen unserer Lebensweise tragen. Diese Problematik der
Verteilungsgerechtigkeit wird heute am Beispiel des Erdöls konkret erlebbar, gilt aber in
zeitlich nur geringfügig geändertem Rahmen ebenso für Erdgas, Kohle und nukleare
Brennstoffe. Nachhaltiger oder zukunftsfähiger Umgang mit Energie In einer endlichen Welt kann nichts unendlich wachsen. Das gilt für
den Rohstoffverbrauch ebenso wie für die Produktion materieller Güter. Ein langfristig
verträglicher Umgang mit der Natur kann nur im Gleichgewicht von Verbrauch und Erzeugung
stattfinden. Wir können unseren Energieverbrauch auf Dauer nicht durch Vorratsenergie,
also durch Bodenschätze, decken, sondern nur über einen uns ständig zugeführten
Energiefluß, also die Sonne. Was dies tatsächlich bedeutet, sei im folgenden Vergleich zweier
erd- und menschheitsgeschichtlicher Entwicklungssprünge - eines natürlichen mit einem
anthropogenen - skizziert: In der weiteren Vergangenheit vor etwa 2 Mrd. Jahren war die
Entdeckung der Photosynthese durch Pflanzen die Voraussetzung für die weitere
Entwicklungsgeschichte der Erde: Erst der Übergang von der Methanogenese - also der
Energiegewinnung der Mikroorganismen durch den Umsatz von Wasserstoff und Kohlendioxid zu
Methan und Wasser - zur wesentlich effizienteren Photosynthese - also der Energiegewinnung
der Mikroorganismen durch Sonnenlicht - erlaubte in relativ kurzer Zeit die Entwicklung
einer derartigen Artenvielfalt, wie wir sie bis vor kurzem noch erlebten. Daß wir heute
von einer drastischen Dezimierung dieser Vielfalt innerhalb weniger Jahrzehnte sprechen
müssen, sei hier nur angemerkt. Bei diesem Entwicklungssprung wurde die Kreislaufwirtschaft in die
Natur eingeführt": Ausgangs- und Endprodukte der Photosynthese werden immer
wieder ineinander umgewandelt, wobei die treibende Kraft die Sonnenenergie ist. Dies
bildete den Schlüssel für die Beschleunigung der Evolution. Die Autotrophen mit der
Methanogenese hingegen verbrauchten das Reservoir an vorhandenem Wasserstoff. Damit war
ihre Entwicklungsfähigkeit durch das Angebot an Wasserstoff, der fast ausschließlich
durch vulkanische Aktivitäten nachgeliefert wurde, begrenzt. Anders hingegen in der jüngeren menschlichen Vergangenheit: Bis vor
etwa 200 Jahren wurden fast alle menschlichen Energieumsätze durch die Sonne angetrieben:
- Die direkte Sonnenstrahlung diente der Erzeugung von
Niedertemperaturwärme, z.B. zum Wäschetrocknen oder dem Erwärmen von Wohnraum, - Biomasse diente zum Feuermachen und damit der Erzeugung von
Prozeßwärme, - Wind- und Wasserkraft wurden zur Verrichtung von Arbeit
eingesetzt, und - letztlich wurde wesentliche Arbeit durch Muskelkraft von Mensch
und Tier verrichtet. Erst die durch die Nutzung von Kohle, Öl und Gas möglichen hohen
Energieumsätze ermöglichten die Industrialisierung in dem bekannten Ausmaß - mit einer
nie dagewesenen Änderungsgeschwindigkeit vieler Entwicklungen wie Bevölkerungswachstum,
mechanisch angetriebene Verkehrsmittel, Verschwendung von Ressourcen, Beeinträchtigung
der Umwelt. Die Nutzung des unbegrenzten Energieflusses der Sonne, der auf
niedrigem Niveau mit einer geringen Energiedichte erfolgte, wurde gegen die Nutzung eines
Vorratsenergieträgers eingetauscht. Damit aber stimmen die Voraussetzungen für ein
langfristiges Wachstum nicht mehr. Es wird ein ungesundes Wachstum, das zwar kurzfristig
höhere Energieumsätze erlaubt, dessen zeitliche Grenze aber absehbar wird. Wir leben
sozusagen über unsere Verhältnisse". Früher, als die Belastungsgrenzen des
Ökosystems der Erde zumindest global unerreichbar erschienen, wurde die Frage nach der
Lebensfähigkeit eines Systems nie gestellt. Es wurde a priori unterstellt, daß das
kurzfristig erfolgreiche System auch das langfristig richtige ist. Es ist zwangsläufig,
daß wir uns nach Ausbeutung dieser Ressourcen durch wenige Generationen wieder auf einen
langfristig verträglichen Weg begeben müssen. Wie hätte wohl eine Entwicklung ausgesehen, die - aus welchen
Gründen auch immer - auf dieses Zwischenhoch der Energievorräte" verzichtet
hätte und statt dessen kontinuierlich ihren Energiebedarf dem durch effizientere
Techniken möglichen Energieangebot der Sonne angepaßt hätte. Zweifelsohne wäre diese
Entwicklung wesentlich langsamer vor sich gegangen. Aber vermutlich wäre auch viel mehr
Zeit gewesen, Irrwege und Sackgassen bereits auf lokaler Ebene zu erkennen und ohne
globale Auswirkungen zu korrigieren. Unstrittig ist, daß das heutige Lebensniveau auch
mit einer rein auf Sonnenenergie basierenden Energiewirtschaft erreicht werden kann. Tragfähigkeit (Wieviel Energieumsatz verträgt die Erde?) Das Ökosystem der Erde verträgt nicht jeden beliebig hohen vom
Menschen verursachten Umsatz von Energie. Dieser wenig beachtete Umstand fordert eine
weitere Begrenzung, die unter dem Begriff Suffizienz zusammengefaßt wird. Nachhaltige
Wirtschaftsweise bedeutet auch, Energieumsätze zu begrenzen. Dies mag zunächst
verwirren, da wir uns doch viel mehr darum sorgen, möglichst hohe Energiedichten zu
erreichen. Doch mit grundsätzlichen Überlegungen läßt sich zeigen, daß eine
Wirtschaftsweise, die jedem Menschen einen höheren Dauer-Energieumsatz als etwa 1-2 kW
zubilligt, dauerhaft nicht verträglich ist. Und wer mit dem Begriff Suffizienz eine
eingeschränkte, asketische oder freudlose Lebensweise verbindet, der mag sich vor Augen
halten, daß eben dieser geforderte Energieumsatz dem Wohlstand der Schweiz zu Ende der
60er Jahre zugrunde lag, sofern man gegenüber damals um den Faktor zwei effizientere
Technologien unterstellt. Ist dies eine unzumutbare Einschränkung, daß man derartigen
Wohlstand der ganzen Welt zumutet? In unserem Zusammenhang möchten wir diesen Aspekt aber nur
anreißen und auf die Ausführungen von anderen Autoren verweisen [7].
Die nächsten Jahre bis zum Erreichen des weltweiten Fördermaximums wird es
wahrscheinlich noch eine Serie von heftigen Preisausschlägen nach oben und nach unten
geben. Erst nach dem Überschreiten des Fördermaximums wird die Instabilität der
Ölpreise wohl beendet sein. Der Markt spiegelt dann die langfristigen Knappheiten wider.
Das Ölpreis-Niveau wird deutlich höher sein als heute. Damit entsteht für Verbraucher
und Investoren ein langfristiges Signal, und man wird versuchen, Öl systematisch durch
andere Energieträger zu ersetzen. Wie schnell diese Anpassungsprozesse sein werden, und
welchen Effekt sie auf das Preisniveau haben werden, ist im Detail nicht vorherzusagen.
Wir glauben, daß die Einsparpotentiale sehr viel größer sind als man gemeinhin annimmt.
Man denke nur an das Beispiel Auto. Es ist kaum mehr als eine Frage der Gewohnheit und der
gesellschaftlichen Wertschätzung, ob man etwa große Autos durch kleine ersetzt. Der
eigentliche Gebrauchsnutzen ist wenig beeinflußt. Langfristig wird Öl als Energieträger immer weniger wichtig
werden. Die Reichweite von Öl wird keine praktisch relevante Bedeutung mehr besitzen.
Vermutlich wird man irgendwann aufhören, Öl in größerem Umfang zu fördern, so wie man
auch in Deutschland dabei ist, mit der Kohleförderung aufzuhören, obwohl noch reichlich
Kohle in der Erde liegt. Es ist ganz wichtig, daß die Endlichkeit des Öls als ein aktuelles
Problem wahrgenommen wird und nicht als eines, das man erst in einigen Jahrzehnten
ernsthaft angehen muß. Erst dann kommt in die Köpfe, daß wir mit einem grundlegenden
Umbau unserer Energieversorgung jetzt beginnen müssen, schnell beginnnen müssen, und
daß es dazu keine Alternativen gibt. Für uns erklären die geschilderten Zusammenhänge auch
hinreichend, warum z.B. eine so große und mächtige Firma wie Shell eben nicht in
Kernenergie, sondern zunehmend gleich in erneuerbare Energien investiert. Wir können
gerade beobachten, wie einige der großen Öl- und Gaskonzerne dabei sind, die Weichen
für eine regenerative Energiezukunft zu stellen. Man kann diesen Firmen nicht vorwerfen,
daß sie die Öffentlichkeit nicht mit der Nase darauf stoßen, daß bald ein neues Spiel
gespielt werden wird. Natürlich möchte man parallel dazu die zeitliche Lücke - bis die
Erneuerbaren einen Großteil der Energieversorgung übernehmen können, das Ende der
Verfügbarkeit von Erdöl aber bereits deutlich wird - durch einen kräftigen Beitrag des
Erdgases nutzen. Die entsprechenden Investitionen sind schnell abgeschrieben, daher lohnt
aus der Sicht der Firmen auch ein Engagement für relativ kurze Zeitspannen. Die große gesellschaftliche Aufgabe, die gangbaren Alternativen zu
finden und zu entwickeln, bedarf der Anstrengung aller. Wir brauchen möglichst viele
Optionen im Bereich der Nutzung erneuerbarer Energieträger. Da wir ja wissen, daß dieser
Weg unausweichlich ist, andererseits die Marktsignale uns noch einige Jahre in der
Illusion wiegen, daß es nicht so sei, ist es eine Aufgabe der Politik, durch eine
Besteuerung der fossilen Energien den Strukturwandel zu beschleunigen und weitere
Investitionen in die Sackgassen zu verhindern. Doch auch den großen Umweltbewegungen
kommt hier die wichtige Aufgabe zu, den Boden für die notwendige Politik zu bereiten.
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