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21.05.2002
Karin und ich haben unser Zelt eingepackt mit Schlafsack etc. Es steht
uns zwar auf dem Weideort ein
Wohnwagen zur Verfügung, aber wir wollen "Bodennäher" schlafen.
Schon auf dem Merkaba-Seminar, an dem wir als Assistenten letztes Wochenende
teilgenommen hatten, hatten wir ohne Unterlage
(Isomatte/Luftmatratze) geschlafen. Ich fand es anfangs vom Boden her
kalt, empfand aber die folgenden
Tage keine Kälte mehr und war ganz stolz darauf morgens ohne anschließende
stundenlange
Verspannung aufzuwachen. Den ersten Schritt hatte ich also geschafft:
Vom weichen Matratzenbett auf
den "harten" Erdboden.
Nachdem wir das Zelt aufgeschlagen und die Sachen ausgepackt hatten,
zeigte uns der Schäfer wie man den Elektrozaun des Pferchs ein- und
ausschaltet, woran man erkennt, daß ein Mutterschaf frisch
gelammt hat (das Hinterteil ist frisch blutig), wann man sicher sein
kann, daß ein Mutterschaf ein Lamm
angenommen hat (es läßt es am Euter saugen ohne es wegzustoßen)
und daß man und wie man sich
ein Lamm schnappen kann, das Mutterschaf umlegt und das Lamm an die
Zitzen anlegt. Außerdem
zeigte er uns wie man mit farbigen Fettstiften das Mutterschaf und
seine Lämmer kennzeichnet, damit
man sie voneinander unterscheiden kann. Das ist insofern wichtig als
es sein kann, daß innerhalb von 6
Stunden 8 neue Lämmer in der Herde sein können und manche
jungen Mutterschafe fortrennen und sich
nicht um ihre Lämmer kümmern, die dann irgendwo einsam in
der Herde herumtorkeln und von keinem
anderen Schaf angenommen werden. Man schnappt sich ein solches Lamm
und hebt es an den
Vorderfängen hoch. Mit ihrem Lamm kann man das Mutterschaf so
nah heranlocken, daß man es mit
dem Fettstift auf dem Rücken, am Hals, am Kopf, an den Ohren oder
am Hinterteil kennzeichnen kann.
Für jedes von ihr stammende Lamm erhält es einen Strich und
die Lämmer dieselbe Anzahl von Strichen
an derselben Stelle und in derselben Farbe. Schafe, die kurz vorm Ablammen
stehen, recken ihre Köpfe
in die Höhe wie ein Delphin im Wasser. Um Schafe zu fangen, muß
man an ihnen vorbeigehen und so tun
als ob man sie nicht meint und sie dann am Hinterlauf packen und anheben.
Er stellte uns noch seinen
Hirtenhund Cora vor, ein großer, schlanker Hund mit einem braunen
und einem hellblauen Auge. Er ist
sehr aufmerksam, aber lieb wenn er einen erstmal kennt.
Ein ungeschorenes Schaf ging hinten etwas eingekniffen, als ob es den
Hintern einziehen würde und war
total verschissen. Der Schäfer schnappte es sich (trotz seines
Bandscheibenvorfalles) und fand in seinem
Fell oberhalb des Schwanzes Dutzende von Würmern/Maden. Man konnte
das Fell an dieser Stelle
einfach samt der Würmer aus der Haut herausziehen. Die Haut vernarbte
in den nächsten Tagen.
22.05.2002
In der Nacht gab es von 22 Uhr bis 7 Uhr 6 neue Lämmer, die gekennzeichnet
werden mußten. Beim
Schäfer sah das Kennzeichnen der Schafe immer so leicht
aus, ich aber hatte wahre Heldenkämpfe mit
den flinken und auch schweren Schafen auszustehen bis ich ihnen ihre
2 Striche aufgemalt hatte. Das
eine Schaf hatte ich am Vorderlauf, aber es zog mich 2 Meter über
die bekackte Wiese. Eine
Schafsmutter verhielt sich wie eine Rabenmutter und ließ ihre
Lämmer nicht ans Euter. Wieder focht ich
einen Heldenkampf aus bis ich die Mutter auf den Rücken gelegt
hatte, um ihr Lamm anzulegen, während
Karin mit Cora spazierenging, damit sie sich an uns gewöhnte.
Bei mir artet das immer in Bodenkampf
aus - ich habe allerdings keine Angst vor den Tieren (außer vor
dem Bock - wegen Schilderungen vom
Schäfer), weil ich mir nicht anders zu helfen weiß als die
alten Tricks aus Judo und Ringen aus meiner
Jugend anzuwenden, um die Tiere aus dem Gleichgewicht zu bringen und
sie zu Boden zu werfen. Aber
gerade das wollte ich ja vermeiden. Ich wollte sie nur umLEGEN aber
nicht umWERFEN. Der Schäfer
mußte mir unbedingt nochmal zeigen wie er das macht. Zu allem
Überfluß bekam ich dann auch noch
kein Kolostrum aus ihrer Zitze heraus! So bauten wir am Nachmittag
noch einen Holzpferch, um zwei
Rabenmütter mit ihren Jungen für einen Tag einzusperren bis
sie erkannt hatten, daß sie
zusammengehören. Uns wurde dann noch gezeigt wie man einen Hydranten
öffnet, Wasser in ein 100
Liter-Faß füllt, um es zur Tränke zu rollen. Am Nachmittag
ließen wir dann die ganze Herde frei und
lernten wie man sie im Zaum hält.
Es war wie eine Schulklasse, die Ferien erhält und losstürmt,
gefolgt von den Kindern des Kindergartens.
Irgendwann nach dem großen Freßrausch erinnerten sich die
Mütter plötzlich ihrer Lämmer und rannten
wieder zurück - manchmal auch an ihnen vorbei und suchten sie
dort wo niemand mehr war. Als die
ganze Herde wieder zusammen war, wurde es beschaulicher. Als es mal
regnete gingen die meisten
Schafe unter die Bäume. Einmal sah ich eine Mutter ihre Lämmer
suchen. Eins fand sie durch
gegenseitige Erkennungsrufe. Das andere antwortete ihr nicht obwohl
es nur einen Meter von ihr entfernt
in einer anderen Schar von Lämmern vor sich hin döste. Nach
einer Viertelstunde Suche fand die Mutter
es endlich und trat ihm erstmal absichtlich auf den Kopf, damit es
wieder wach wurde und ihr folgte
(Ohrfeige fürs Nicht Gehorchen?). Interessant ist auch, daß
die Muttertiere absichtlich mit dem Fuß hart
aufstampfen, wenn sie einen verscheuchen möchten. Die jungen Böcklein
schließen sich schnell
zusammen und betreiben das bekannte Bockspringen im Rudel und tollen
manchmal durch die ganze
Herde. Ich erkannte auch, daß die Herde über ein Leit-Schaf
verfügt (nicht Leit-Bock!), ein sehr großes
Schaf, das sich mir als einziges mit viel Selbstbewußtsein näherte
und trotz aller Abwehrversuche aus
der Herde ausbrach, um sein schon älteres Lamm aus dem Pferch
abzuholen. Wenn die Herde Hunger
hat, nähert sich mir dieses Leittier, um mich aufzufordern die
Herde jetzt aus dem Pferch zu lassen.
Wenn die Herde Hunger hat, schauen sie alle uns als Schäfer ausdauernd
an und mähen ganz laut und
ausdauernd.
Es war schwer die Herde nachher wieder in den Pferch zu bekommen, weil
die jungen Lämmer oft ganz
hinten waren und einige Mütter immer wieder kehrt machten, weil
sie nicht wußten, daß ihr fehlendes
Lamm bereits vorausgelaufen bzw. einer vorauslaufenden anderen Mutter
gefolgt war.
Um 21 Uhr letzter Rundgang durch die Herde, Neugeborene kennzeichnen
und im Elektrozaun
nachschauen ob dort halbtote Lämmer sich verheddert haben. Ein
Lamm ist erstickt, weil die Mutter es
zuerst hinten abgeleckt hat und die Fruchtblase ihm noch über
die Schnauze hing. Das alles innerhalb
von 20 Minuten.
23.05.2002
3 neue Lämmer in der Herde über Nacht. Eine Mutter von gestern
mit einem Lamm hatte noch eine
nachträgliche Totgeburt. Sie ist völlig erschöpft. Karin
und ich legen ihr die Hände auf und führen ihr ihr
Lamm zu. Ich denke und fühle dabei "Dein Wille geschehe" (egal
ob nun für das Schaf der Tod oder das Leben folgen soll). Tatsächlich
schafft es das Lamm, daß die Mutter sich wieder auf die Beine rappelt,
sich alsbald aber wieder hinlegt. Das lebende Lamm versucht bei anderen
Müttern zu saufen, wird aber natürlich abgelehnt. Ich will es
bei der Mutter mit dem placenta-toten Lamm von gestern anlegen. Es wird
wieder ein wahrer Kampf mit dem Tier, das mich bei Regen durch die Scheiße
zieht, daß ich nachher die Hose wechseln muß. Trotzdem säuft
es nicht. Gegen Nachmittag erholt sich das erschöpfte Muttertier und
läßt sogar das total erschöpfte Lamm wieder saufen! Der
Schäfer nimmt am Abend beide mit nach Hause, um sie dort aufzupäppeln.
Wir entfernen noch einige Nachgeburten von der Weide.
24.05.2002
10 neue Lämmer über Nacht. Wir sind den ganzen Morgen am
Sortieren welches Lamm zu welchem Schaf gehört und sie zu kennzeichnen.
Dummerweise hatte ich zwei Lämmer angezeichnet, die bei einer neuen
Mutter lagen als ein anderes neues Muttertier herkam und sich eines davon
als ihres abholte. Es hatte sich einfach zu einer anderen Mutter schlafengelegt.
Immer wieder gibt es auch ein paar freche ältere Lammböcklein,
die versuchen den frisch geborenen Lämmern die Biestmilch der Mutter
wegzusaufen (vermutlich schmeckt sie besser), die jedoch erforderlich ist,
um den Lämmern einen Krankheitsschutz zu verpassen und ihre Verdauung
überhaupt für spätere Nahrung vorzubereiten. Wenn
ein Lamm nach 6 Stunden immer noch keine Biestmilch bekommen hat, dann
ist es zum Sterben verurteilt.
Ein Lamm steht überhaupt nicht auf und wir bringen es nur mühsam
auf die wackligen Beine und legen es der Mutter an die Zitzen bevor die
Biestmilch abgesäugt worden ist. Das Lamm überlebt jedoch den
Tag nicht aus mangelndem Lebenswillen. Bei einem Lamm sind wir nicht sicher
zu welcher Mutter es gehört und sperren es zusammen mit dem vermutlichen
Muttertier in den kleinen Holzpferch zusammen mit einer weiteren Mutter,
die 3 Lämmer hat und sich immer nur um zwei gleichzeitig gekümmert
hat. Da am Abend der große Pferch vom kleinen Pferch wegverlegt wird,
lege ich über Nacht um den kleinen Pferch ein energetisches Dreifach-Gitter
und bitte um Unsichtbarkeit, damit kein Fuchs sich die Lämmer schnappt.
Am Nachmittag zeigt uns der Schäfer wie man die Herde mit Zurufen
zusammenhält ("Zurück!"/"Wohin?") und von Stellen fernhält,
die die Herde nicht abgrasen soll, weil die mit Rasenmähern bearbeitet
werden. Erstaunlicherweise scheinen die Tiere genau zu wissen, was sie
nicht dürfen, denn oftmals reagieren sie auf Anbrüllen aus der
Entfernung mit Zurückweichen aus ihrer grasenden Vorwärtsbewegung.
Wenn alles nichts nützt, dann läßt er Cora in/vor die sich
zu weit vorwagenden Tiere jagen ("Cora, da! Hol sie dir! Hopp! Hopp! Hopp!"
und dazu mehrere Pfiffe). Cora soll dann auf Zuruf langsamer ("Langsam")
rennen und von der Herde ablassen ("Aus"/"Zurück"/"So ist gut"), denn
die Tiere fangen manchmal panikartig an in die Herde zu rennen, wenn der
Hund angeflogen kommt, obwohl er dabei nie bellt. Es besteht dabei die
Gefahr, daß sie die in der Herde befindlichen Lämmer umrennen
und ihnen auf ihre noch zerbrechlichen Beine treten. Cora muß sich
erst wieder ihr Selbstbewußtsein erarbeiten, denn manche Muttertiere
werden ihr gegenüber sehr mutig und eines hat Cora sogar schon gebissen.
Wieder mal wird die Koppel/der Pferch für die ganze Herde verlegt.
Der Schäfer lockt die ganze Herde durch Zurufe ("Komm! Komm! Hopp!
Hopp!") an hinter ihm herzugehen in den neuen Pferch. Karin und ich meditieren
erst um 22 Uhr die Merkaba. Es bleibt doch weniger Zeit für uns übrig
als wir gedacht haben. Wir programmieren funktionierende Kommunikation
zwischen den Schafen und uns.
25.05.2002 Samstag
Bis Mittag haben wir 5 neue Lämmer in der Herde. Dazu kommt ein
totgeborenes, das schon kalt auf der Koppel lag. Wir finden 5 Nachgeburten.
Das Kennzeichnen ging diesmal gut. Karin und ich machen Teamarbeit. Ich
halte die Jungen, indem ich mit meinen Armen eine Koppel bilde. Das Muttertier
versucht immer wieder ihre Lämmer abzuschnuppern und kommt dabei nah
genug, um ihre Striche abzubekommen. Die beiden isolierten Muttertiere
werden mit ihren Lämmern wieder der Herde zugeführt, die beim
Öffnen des großen Pferchs am liebsten wieder ausgebrochen wäre.
Wir gehen mit Cora spazieren und lassen sie manchmal frei laufen und
besichtigen ein wenig das Firmengelände. Dann mache ich hier meine
Aufzeichnungen. Ich habe mal die Schafe gezählt: 159 Mutterschafe
(1 Bock) und 50 Lämmer. Der Schäfer sagte nachher, daß
es 167 Mutterschafe seien.
03.06.2002 Montag
Seit gestern Abend sind Karin und ich nicht mehr beim Schäfern.
Karin hat eine vierwöchige Unterbrechung ausgehandelt, damit wir Einführungsseminare
abhalten können. Im Juli wollten wir fortsetzen.
Zum Glück wurde das Wetter besser, sodaß man sich nicht
mehr dreimal am Tag umziehen mußte: Morgens kalt und naß (warme
Regenjacke und Gummistiefel), mittags heiß und trocken (kurze Hose,
Jacke aus, Badeschlappen) nachmittags windig und evtl. Schauer (Blaumann,
Turnschuhe). Es war dort auch ein unglaublicher Lärm: Früh morgens
flogen am Wochenende im Minutentakt die schweren Luftlinienflieger etwa
300 m über uns hinweg in die Einflugschneise nach Frankfurt, 50m neben
unserm Zelt eine zweispurige Schnellstraße und 100 m nördlich
von uns eine Eisenbahnlinie und daneben Autobahn.
Ursprünglich hatte ich gedacht beim Schafehüten viel Zeit
zu haben. Ich wollte noch einige Internet-Vorhaben Offline vorbereiten,
Bücher lesen, meditieren. In einem kleinen Büchlein von 90 Seiten
bin ich im Zeitraum von 12 Tagen von Seite 60 bis zum Ende gekommen. Es
hat gerade einmal täglich für eine nicht immer gemeinsame Merkaba-Meditation
gereicht geschweige denn für einen längeren Aufenthalt in der
schamanischen Traumlandschaft.
Sobald die Schafe auf die Weide getrieben waren, war man ständig
beschäftigt, die Schafe daran zu hindern schon zu weit vorzulaufen,
zurück zum Pferch zu laufen, den Wald abzufressen oder gar über
die Straße zu laufen und die gegenüberliegenden Geranientöpfe
zu plündern. Einige Mutterschafe legten sich immer mal wieder mit
unserem Hund Cora an und rammten ihn. So hatte Cora zunehmend Angst vor
den Tieren und wollte nicht immer rennen, um sie zurückzuscheuchen.
Machmal wollte sie sich regelrecht mit den Schafen verbrüdern und
schleckte ihnen mit der Zunge die Ohren aus. Karin und ich wollten uns
eigentlich darin üben die Tiere gedanklich zu steuern.
Einmal hatte ich Gelegenheit für längere Zeit mit einem Teil
der Herde am Waldrand allein zu sein. Ich setzte mich vor den Waldrand
und konzentrierte mich darauf den Tieren mitzuteilen, daß der Waldrand
für sie tabu ist und das saftige Gras in der gegenüberliegenden
Richtung wächst. Es funktionierte nur, wenn ich die Konzentration
beibehielt. Sobald ich meine Gedanken schweifen ließ, grasten sie
wieder in Richtung Waldrand.
Am letzten Tag fand Karin ein sehr großes und altes Lamm liegen,
das den Kopf verquer hängen ließ, zitterte und man nicht wußte
was tun. Karin gab dem Lamm Reiki, aber es floß keine Energie. Ich
probierte es auch nochmal und hatte die Vision, daß die Seele des
Lamms aus dem Tier nach oben austrat: Es würde sterben. Der Schäfer
sagte, daß manche Lämmer zu schnell wachsen und eine sogenannte
Brei-Niere hätten. 2 Stunden später war das Lamm tot. Er wollte
es zuhause sezieren und untersuchen, ob es möglicherweise etwas Epidemisches
sei. Seine Frau kam, um uns die nächsten Wochen abzulösen. Sie
brachte Erdbeerkuchen, Sahne und Kaffee mit und wir verspeisten das alles,
die Motorhaube ihres Autos als Tisch benutzend.
Es hatte sich auch herausgestellt, daß der Schäfer seinen
Bandscheibenvorfall ausschließlich mit Massage und Chiropraktik behandeln
lassen wollte und eine Operation verweigerte. Er hatte darauf spekuliert,
daß Karin und ich bis Dezember die Schafe hüten wollten.
Ende Juni erfahren wir, daß der Rücken des Schäfers
besser geworden ist und er unsere Dienste nicht mehr benötigt. |