Ich erinnerte mich an ein vergangenes Leben von mir; nach
dem Stil der Kleidung und Autos zu urteilen, war es um 1930. In diesem
Leben hatte ich ein kleines Geschäft in einer kleinen Stadt im Mittelwesten.
Ich ging schnell auf dem Bürgersteig, als ich einen stechenden
Schmerz in meinem Brustkorb fühlte. Mein ganzer Körper
wankte, und mir war unglaublich schwindlig. Ich versuchte, mich abzustützen,
aber ich wurde von einer Welle der Übelkeit erfaßt. Ich griff
nach Halt, aber ich fiel hin.
Der Schmerz wurde immer heftiger. Ich schloß meine Augen
und fühlte, wie ich nach Luft rang. Mein Herz hämmerte so laut,
daß ich nicht denken konnte.
Ich öffnete für einen Moment meine Augen und sah über
mir die Gesichter der Menschenmenge, die sich angestaut hatte. Ein
Mann, den ich als Angestellten meines Hauses erkannte, beugte
sich zu mir herunter und lockerte meine Krawatte. Eine Frau forderte
jemanden auf, einen Krankenwagen zu rufen. Zu diesem Zeitpunkt wurde mir
bewußt, daß ich einen Herzanfall hatte. Eine neue Welle von
Schmerz überflutete mich, noch viel schlimmer als die erste.
Alles um mich herum verschwamm, dann fühlte ich, wie sich mein
Körper verkrampfte, und ein Schauer überlief mich. Eine Reihe
von Bildern aus meiner Kindheit erschien vor mir. Ihnen folgten
Szenen aus meiner Jugend und dann Szenen meines Erwachsenenlebens.
Ich sah vor meinen Augen in Sekundenschnelle die wichtigsten
Stationen meines Lebens vorüberziehen. Dann wurde ich von Dunkelheit
verschluckt und verlor das Bewußtsein.
Ich habe keine Vorstellung, wie lange ich ohne Bewußtsein war.
Ich war in einer ungewohnten Umgebung, irgendwo in einem Raum.
Alles kam mir sehr neblig und verschwommen vor. Ich konnte in dem Raum
einige Leute sehen, Möbel, Vorhänge, ich konnte sie sogar reden
hören. Aber sie kamen mir wie Phantome vor; sie schienen nicht
körperlich zu sein. Ich ging zu ihnen hinüber und fragte
sie, wer sie wären und wo ich sei. Sie ignorierten mich. Ich wiederholte
meine Frage. Sie schienen von irgend etwas sehr bewegt zu sein. Die Frau
weinte, und die Menschen um sie herum versuchten, sie zu beruhigen. Ich
wurde sehr ungehalten, weil sie mich nicht beachteten und ging näher
an sie heran. Da fing ich an zu argwöhnen, daß mit mir etwas
nicht in Ordnung sei.
Ich bemerkte, daß ich nicht eigentlich zu ihnen hinüberging,
sondern irgendwie neben sie glitt, ohne daß ich mich physisch bewegen
mußte. Ich blickte die Frau an. Sie und die Menschen um sie herum
weinten. Sie kam mir sehr bekannt vor. Ich fühlte, daß ich sie
irgendwann früher in meinem Leben gekannt hatte. Mit Erschütterung
wurde mir klar, daß diese Frau meine Frau war. Sie war umringt von
meinen beiden Söhnen und mehreren meiner Verwandten. Ich rief
sie beim Namen und fragte sie, was nicht in Ordnung sei: sie schien mich
noch immer nicht zu hören. Ich war unschlüssig, was ich tun sollte.
Dann erinnerte ich mich, daß ich heute morgen zur Arbeit gegangen
war und einen Herzanfall erlitten hatte. Ein seltsamer Gedanke kam mir.
«Ich bin tot., dachte ich. «Nun, und was mach ich jetzt?«
Dann erfüllte mich ein Gefühl von Selbstmitleid. Ich dachte,
«Oh Gott, ich will nicht tot sein. Alle, die ich liebe, sind hier,
und sie können mich noch nicht mal sehen.« Ich fühlte mich
elend und blickte sie hilflos an.
Eine Zeitlang beobachtete ich die Menschen in dem Raum. Sie zogen
ihre Mäntel und Hüte an. Ihre Bewegungen kamen mir sehr
mechanisch vor, als ob sie Roboter wären oder Humanoide. Sie
waren mir fremd. Ich verspürte den Drang, mit ihnen zu gehen.
Eine äußere Macht zwang mich, mitzugehen. Als nächstes
war ich wieder außerhalb meines Hauses, neben meinem Auto.
Ich sah, wie mein Schwager damit fuhr. Das machte mich ganz kirre. Ich
wollte ihm sagen, daß er nicht mit meinem Auto fahren sollte, bis
mir wieder einfiel, daß ich tot war. Es spielte wirklich keine Rolle,
ob er nun damit fuhr oder nicht.
Dann fühlte ich, wie ich mich wieder weiterbewegte. Ich fühlte,
daß ich mich per Willen bewegen konnte, überallhin, wo
ich sein wollte. Ich wünschte mir nur, wo ich sein wollte und
war fast sofort da. Ich wünschte mir, bei meiner Familie zu sein,
und als nächstes merkte ich, daß ich mich in einem Raum
befand, in dem sich viele Menschen drängten. Ich wünschte
mir, daß ich nicht um die Menge herumgehen müßte,
und schon konnte ich durch die Leute hindurchgehen.
Die Aufmerksamkeit aller war auf die Vorderseite des Raums gerichtet.
Ich sah erstaunt, daß da mein Körper in einem Sarg lag. Ich
bekam das dringende Bedürfnis, in meinen Körper zurückzukehren
und wieder lebendig zu sein.
Aber im selben Augenblick wußte ich, daß das unmöglich
war; mein Körper war tot, ich würde niemals wieder lebendig
sein. Alles was ich tun konnte, war abwarten und zusehen. Ich sah, wie
alle Leute kamen, die ich gekannt hatte und mich betrachteten. Ich sah
meine Familie, Freunde, den Priester meiner Kirche. Ich fand es sehr
interessant zu sehen, wie aufgewühlt viele von ihnen waren.
Ich sah, daß manche Leute sehr verstört waren und ziemlich viel
weinten. Andere waren nur gekommen, weil es von ihnen erwartet wurde. Das
ärgerte mich. Ich sah den Gesichtsausdruck von jedem einzelnen.
Dann fühlte ich, wie mich die Macht wieder in
Bewegung brachte. Ich hatte genug gesehen, ich wollte gehen.
Ich kann nicht sagen, wie lange ich auf der Erde blieb, weil ich keinen
richtigen Zeitbegriff hatte. Ich wanderte von Ort zu Ort und besuchte all
die vertrauten Plätze, an denen ich während meines
Lebens gewesen war. Ich ging zum alten Haus meiner Mutter, zu meiner
alten High School und vielen anderen Plätzen. Am Ende spürte
ich, daß ich die Erde verlassen mußte. Ich gehörte nicht
mehr hierher...
Ich befand mich in einer anderen Welt. Um mich herum waren schreckliche
Geräusche. Ich konnte ein ständiges Donnern und
Pfeifen hören und ein lautes Dröhnen und unmenschliche Schreie.
Die Stelle, wo ich war, war voll von kaputten Dingen, verdrehten Trümmern,
wie ein Schrotthaufen. Die Luft war von diesigem Rauch erfüllt. Eine
Menge Wesen waren überall um mich herum. Viele von ihnen bekämpften
sich gegenseitig. Ihr Geheul und ihre Schreie waren so laut, daß
ich wegrennen wollte. Ich trieb mich eine lange, lange Zeit in dieser Welt
herum.
Manchmal wollte ich Leute wie mich selbst sehen. Ich fühlte mich
wie ein Fremder in einem fremden Land. Mehrere Male versuchten die Wesen
dort - schrecklich aussehende Geschöpfe, die total verunstaltet waren
- mich zu quälen. Ich fand heraus, daß sie weggingen, wenn ich
sie nicht beachtete.
Dann verließ ich diese Welt und befand mich in einem Reich der
Ideen. Das war eine schönere Welt als die andere. Sie war voller Stimmen,
Gesang, Musik und solchen Dingen. Auch ich war in dieser Welt anders.
Das heißt, als ich in der verzerrten Welt war, glich mein Körper
dem, den ich nach meinem Tod auf der Erde benutzt hatte. Aber dieser
Körper hatte mich verlassen, als ich in diese Welt eintrat. Ich war
jetzt nicht physisch, ich war nicht wie vorher gestaltet, mit Händen
und Armen. Ich war leichter und klarer. Ich war mehr so wie ein Geist...
Ich blieb in dieser Welt und kam dann weiter zu einer noch schöneren,
die voller unterschiedlicher farbiger Lichter war. Sie waren wunderschön.
Die ganze Zeit konnte ich eine Art Musik hören. Aber es war nicht
das, was wir normalerweise für Musik halten. Alles was existierte,
befand sich in einer bestimmten Harmonie. Das Leben selbst war Musik. Auch
in dieser Welt war mein Wesen anders. Es war leichter und leuchtender.
Es gefiel mir hier sehr gut.
In dieser Welt sah ich Leute, von denen ich wußte, daß
sie vor mir gestorben waren. Mein Vater und mehrere andere kamen. Sie begrüßten
mich. Sie sahen nicht so aus, wie sie auf der Erde ausgesehen hatten.
Sie waren Wesen voll Licht, aber ich wußte, wer sie waren. Sie hießen
mich mit großer Freude willkommen.
Dann kam ich in eine noch höhere Welt. Sie hatte Millionen
von Ebenen. Die Ebenen unter mir konnte ich sehen, aber die Ebenen über
mir nicht richtig, das Licht dort blendete mich. Ich konnte sehen, daß
die Leute auf den Ebenen unter mir nicht so bewußt waren wie ich.
Ich rastete hier; ich wußte, es war ein Ort des Ausruhens.
Ich wurde von goldenem Licht durchdrungen.
Die Ruhepause erscheint mir jetzt so weit entfernt. Als ich all dies
sah, war es deutlicher, aber selbst dann hätte ich es nicht beschreiben
können. Es gibt keine Worte dafür. Es ist bei Gott sein, das
ist die beste Art, wie ich es beschreiben kann.