Nützliches zur Kriminalität und wie man mit ihr umgehen sollte

Sie alle sind in die Dynamik der Dramatisierung verstrickt und haben in der Politik und den Medien quasi natürliche Verbündete. Dabei ließe sich mit ein bisschen Distanz die Dramatik der Bedrohung auf ein vernünftiges Maß reduzieren. Damit würden dann auch alternative Reaktionsweisen sichtbar, die nicht eine immer dichtere Überwachung, schärfere Gesetze, mehr Angst sowie überlastete Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden zur Folge hätten.

Betrachtet man etwa das sogenannte organisierte Verbrechen, so zeigt ein Blick in andere Gesellschaften, dass es sich hier um ein Phänomen handelt, das wichtige gesellschaftliche Funktionen erfüllt. Die USA, für Probleme des Verbrechens immer schon erschreckendes Vorbild Europas, haben seit dem letzten Jahrhundert mehrere ethnisch geprägte Einwanderungswellen erlebt. Dabei zeigt sich ein Muster, das sich auf folgende Formel verkürzen lässt: Die erste Generation der Einwanderer etabliert sich im illegalen Sektor, die zweite steigt auf in den legalen Bereich, die dritte geht in die Politik.

Das lässt sich an der Geschichte der Kennedys ebenso zeigen wie an den in die USA emigrierten Iren oder Italienern, die zunächst das illegale Glücksspiel und den Alkoholschmuggel kontrollierten, deren Söhne dann zur Polizei gingen und deren Enkel auf dem Capitol Hill landeten. Der illegale Sektor der Ökonomie – nichts anderes bedeutet organisiertes Verbrechen – ist die erste Stufe der sozialen Leiter, die Einwanderer in ihrer neuen Heimat erklimmen können. Wird ihnen der weitere Weg nicht abgeschnitten, so wachsen sie aus diesem Gewerbe heraus. Verbaut man ihnen allerdings die Aufstiegsmöglichkeiten, wie es etwa hier zu Lande nach wie vor der Fall ist, so trägt man dazu bei, dass sie sich dort unten etablieren.

Ähnliches gilt für die Jugendkriminalität. Abweichendes Verhalten ist jugendtypisches Verhalten. Die überwiegende Mehrzahl der in jungen Jahren auffällig gewordenen Täter bricht die kriminelle Karriere von selbst ab. Jugendkriminalität wächst wie Akne. Stabilisierend auf dem dauerhaften Weg in die Kriminalität aber wirken sich Strafen aus. Entgegen aller Alltagsweisheit der Law-and-Order-Politik haben diejenigen eine bessere Legalprognose für ihr späteres Leben, die in ihrer Jugend nicht massiv bestraft werden. Derart entdramatisierte Überlegungen finden allerdings in der Öffentlichkeit meist ebenso wenig Gehör wie der Hinweis, dass ein Hauptgewinn im Lotto eher die Ausnahme ist und man sein Geld besser anders anlegen sollte.

REINHARD KREISSL