S.462 ff  Autobiographie eines Yogi

 Therese Neumann, die stigmatisierte Heilige


Während des Abschiedsbanketts, das mir von meinen lieben Freunden in Los Angeles bereitet wurde, schaute ich lange in die mir vertrauten Gesichter und dachte voller Dankbarkeit: "Herr, wer Dich als den Geber aller Gaben erkannt hat, wird nie das Glück menschlicher Freundschaft entbehren."
Am 9. Juni 1935 verließ ich New York an Bord der Europa. Zwei Schüler, mein Sekretär Richard Wright und eine ältere Dame aus Cincinnati, Frau Ettie Bletsch, begleiteten mich. Wir genossen die friedlichen Tage auf dem Atlantik, die eine willkommene Abwechslung nach den hinter uns liegenden, geschäftigen Wochen boten. Doch unsere Ruhepause war nur kurz: die Geschwindigkeit der modernen Überseedampfer hat auch ihre Nachteile!
Gleich anderen schaulustigen Touristen wanderten wir in der alten Weltstadt London umher. Am Tage nach meiner Ankunft wurde ich gebeten, vor einer großen Versammlung in der Caxton Hall zu sprechen, wo Sir Francis Younghusband mich dem Londoner Publikum vorstellte.
Dann verlebte unsere Gruppe einen herrlichen Tag auf einem Gut in Schottland, wo wir Gäste von Sir Harry Lauder waren. Einige Tage später überquerten wir den Ärmelkanal, der uns zum europäischen Kontinent führte, denn ich beabsichtigte, eine Pilgerfahrt nach Bayern zu machen. Ich fühlte, daß dies die einzige Gelegenheit für mich sein würde, die große katholische Mystikerin Therese Neumann von Konnersreuth zu besuchen.
Vor Jahren hatte ich einen erstaunlichen Bericht über Therese gelesen, der folgende Informationen enthielt:

1) Therese, die am Karfreitag 1898 geboren wurde, erlitt im Alter von 20 Jahren einen schweren Unfall; die Folge davon war, daß sie erblindete und gelähmt wurde.
2) Im Jahre 1923 gewann sie durch ihre Gebete zur hl. Therese von Lisieux auf wunderbare Weise ihr Augenlicht wieder. Später wurde sie ebenso plötzlich von ihrer Lähmung geheilt.
3) Von 1923 an hat sich Therese aller Nahrung und Getränke enthalten, mit Ausnahme einer kleinen geweihten Hostie, die sie täglich zu sich nimmt.
4)1926 erschienen die Stigmata, die heiligen Wundmale Christi, an Thereses Kopf, Brust, Händen und Füßen. Jeden Freitag  1 erlebt sie die Passion Christi an ihrem eigenen Körper.
 

1 Nach den Kriegsjahren erlebte Therese die Passion nicht mehr jeden Freitag, sondern nur an gewissen heiligen Tagen des Jahres. Mehrere Bücher sind über ihr Leben geschrieben worden, unter anderem "Die Sühneseele von Konnersreuth" von Dr. Erwin Freiherr von Aretin (Verlag Siegfried Hacker, Gröbenzell bei München), "Therese Neumann von Konnersreuth" und "Visionen der Therese Neumann" (Schnell & Steiner- Verlag, München/Zürich).

5) Sie spricht normalerweise nur ihren heimatlichen Dialekt, äußert jedoch jeden Freitag während ihrer Trance Sätze in einer fremden Sprache, welche die Gelehrten als Altaramäisch identifiziert haben. Zu bestimmten Zeiten ihrer Vision spricht sie auch hebräisch oder griechisch.
6) Mit kirchlicher Erlaubnis hat sich Therese mehrmals eingehenden wissenschaftlichen Untersuchungen unterzogen. Dr. Fritz Gerlich, der Herausgeber einer deutschen evangelischen Zeitung, der nach Konnersreuth fuhr, „um den katholischen Schwindel zu entlarven", schrieb später eine von großer Ehrfurcht zeugende Biographie über Therese.

Ich war jederzeit daran interessiert, Heiligen zu begegnen
- mochten sie im Morgen- oder Abendland leben -, und freute mich daher, als unsere kleine Gruppe am 16. Juli in das altertümliche Dorf Konnersreuth einfuhr. Die bayrischen Bauern zeigten lebhaftes Interesse für unseren Ford (den wir aus Amerika mitgebracht hatten) und seine gemischten Insassen: einen jungen Amerikaner, eine ältere Dame und einen Orientalen mit brauner Hautfarbe, der seine langen Haare unter dem Mantelkragen versteckt hielt.
Thereses sauberes und schmuckes Häuschen neben einem altertümlichen, von Geranien umwachsenen Brunnen lag leider stumm und verriegelt da. Die Nachbarn und selbst der Dorfbriefträger, der gerade vorbeikam, konnten uns keine Auskunft geben. Es begann zu regnen, und meine Begleiter schlugen vor, daß wir wieder abfahren.
"Nein", sagte ich hartnäckig. "Ich bleibe hier bis ich festgestellt habe, wo wir Therese finden."
Zwei Stunden später saßen wir noch immer in unserem Wagen, während der Regen unaufhörlich herniederprasselte. "Herr", protestierte ich schweigend, "warum hast Du mich hierhergeführt, wenn sie spurlos verschwunden ist?"
In diesem Augenblick blieb ein Mann neben uns stehen, der englisch sprach und uns höflich seine Hilfe anbot.
"Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, wo Therese sich aufhält", meinte er. "Aber sie ist öfter bei Professor Wutz in Eichstätt zu Besuch, der an der dortigen Universität Dozent für fremde Sprachen ist. Der Ort liegt etwa 100 km von hier entfernt."
Am folgenden Morgen machte sich unsere Gruppe auf den Weg nach dem friedlichen Eichstätt. Dr. Wutz begrüßte uns äußerst herzlich. "Ja, Therese ist hier", sagte er und ließ sie sogleich von unserem Besuch unterrichten. Bald kam ein Bote mit ihrer Antwort zurück.
"Obgleich der Bischof mich gebeten hat, niemanden ohne seine Erlaubnis zu sprechen, will ich den Gottesmann aus Indien empfangen."
Tief berührt von diesen Worten folgte ich Dr. Wutz zum Wohnzimmer im oberen Stockwerk.. Gleich darauf trat Therese ein und strahlte Frieden und Freude aus. Sie trug ein schwarzes Gewand und ein blütenweißes Kopftuch. Obgleich sie damals 37 Jahre alt war, wirkte sie viel jünger und besaß eine bezaubernde kindliche Frische. Gesund, gut gewachsen, fröhlich und mit rosigen Wangen - so stand sie vor mir, die Heilige, die nichts ißt!
Therese begrüßte mich mit einem freundlichen Händedruck. Wir lächelten uns in stillem Einvernehmen an, und jeder wußte vom anderen, daß er Gott liebte.
Dr. Wutz bot sich freundlicherweise als Dolmetscher an. Als wir uns setzten, bemerkte ich, daß Therese mich mit naiver Neugier betrachtete; Hindus waren offensichtlich eine Seltenheit in Bayern.
"Sie essen nie etwas?" Ich wollte die Antwort gern aus ihrem eigenen Munde hören.
"Nein, nur eine Hostie 2, die ich jeden Morgen um 6 Uhr nehme."

2 Eine eucharistische Oblate aus Mehl

"Wie groß ist die Hostie?"
"Nicht größer als eine Münze und hauchdünn. " Und erklärend fügte sie hinzu: "Ich empfange sie als Sakrament; wenn sie nicht geweiht ist, kann ich sie nicht schlucken."
"Sie können aber nicht zwölf Jahre lang nur davon gelebt haben?“
"Ich lebe von Gottes Licht."
Wie einfach ihre Antwort war - wie "einsteinisch"!
"Ich verstehe! Sie wissen, daß Sie von der Kraft erhalten werden, die aus dem Äther, der Luft und den Sonnenstrahlen in Ihren Körper einströmt."
Ein flüchtiges Lächeln huschte über ihre Züge. "Ich freue mich so, daß Sie verstehen, wie ich lebe."
"Durch Ihr heiliges Leben beweisen Sie täglich die von Christus verkündete Wahrheit: 'Der Mensch lebt nicht vom
Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht."'3

3 Matthäus 4, 4. Die Körperbatterie des Menschen wird nicht nur von grobstofflicher Nahrung (Brot) erhalten, sondern auch von der vibrierenden kosmischen Energie (dem Wort, OM), jener unsichtbaren Kraft, die durch das Tor des verlängerten Marks in den menschlichen Körper einströmt. Das verlängerte Mark ist das sechste Zentrum im Körper und liegt im Nacken oberhalb der fünf Chakras (Sanskritwort für "Räder" oder Zentren der ausstrahlenden Lebenskraft) in der Wirbelsäule.
Das verlängerte Mark - eines der wichtigsten Organe, weil es die kosmische Lebensenergie (OM) in den Körper einströmen läßt - steht in polarer Beziehung zum Zentrum des Christusbewußtseins (Kutastha), das sich im "einfältigen" Auge zwischen den Augenbrauen, dem Sitz der menschlichen Willenskraft, befindet. Diese kosmische Energie wird im siebenten Zentrum, dem Gehirn, aufgespeichert, wo sie ein Reservoir unerschöpflicher Möglichkeiten bildet (in den Veden "tausendblättriger Lotos des Lichts" genannt). In der Bibel wird OM als Heiliger Geist bezeichnet; es ist die unsichtbare Lebenskraft, welche die ganze göttliche Schöpfung aufrechterhält. "Oder wisset ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch ist, welchen ihr habt von Gott, und seid nicht euer selbst?" 1. Korinther 6, 19

Wiederum zeigte sie offensichtliche Freude über meine Erklärung. "So ist es wahrhaftig. Einer der Gründe, um derentwillen ich heute auf Erden lebe, ist der, den Menschen zu beweisen, daß sie von Gottes unsichtbarem Licht und nicht nur von Nahrung leben können.“
"Können Sie andere lehren, wie man ohne Nahrung lebt?“
Diese Frage schien sie ein wenig zu erschrecken. "Das kann ich nicht - Gott will es nicht!"
Als mein Blick auf ihre kräftigen und schön geformten Hände fiel, zeigte mir Therese auf beiden Handrücken eine frisch verheilte, viereckige Wunde. Dann ließ sie mich ihre Handflächen sehen, in denen sich eine kleinere, halbmondförmige Wunde befand, die gerade verheilt war. Beide Wunden gingen durch die ganze Hand hindurch. Dieser Anblick rief mir deutlich die breiten, viereckigen Eisennägel mit halbmondförmiger Spitze in Erinnerung, die noch heute im Orient verwendet werden; ich erinnere mich jedoch nicht, sie irgendwo im Abendland gesehen zu haben.
Die Heilige erzählte mir daraufhin einiges über ihre wöchentlichen Trancen. "Ich erlebe als hilflose Zuschauerin die ganze Leidensgeschichte Christi mit." Jede Woche von Donnerstag um Mitternacht bis Freitag mittag um 1 Uhr öffnen sich ihre Wunden und bluten. Dabei verliert sie zehn Pfund ihres gewöhnlichen Gewichts, das 121 Pfund beträgt. Obgleich Therese in ihrem tiefen Mitgefühl während dieser wöchentlichen Visionen unsagbar leidet, freut sie sich dennoch jedesmal darauf.
Ich erkannte sofort, daß ihr Gott diese ungewöhnliche Aufgabe übertragen hatte, um alle Christen von der historischen Tatsache der Kreuzigung Jesu, so wie sie im Neuen Testament beschrieben wird, zu überzeugen; denn ihre dramatischen Visionen offenbaren das zwischen dem galiläischen Meister und seinen Gläubigen bestehende ewige Band.
Von Professor Wutz erfuhr ich nähere Einzelheiten über die Heilige.
"Oft machen wir mit unserer Gruppe, zu der auch Therese gehört, einen mehrtägigen Ausflug in die Umgebung", erzählte er mir. "Therese ißt während der ganzen Zeit überhaupt nichts, während wir anderen drei Mahlzeiten am Tag einnehmen - ein erstaunlicher Kontrast! Dabei bleibt sie frisch wie eine Rose und wird niemals müde. Wenn wir anderen hungrig werden und uns nach einem Gasthaus umsehen, lacht sie vergnügt."
Der Professor teilte uns auch einige interessante physiologische Tatsachen mit. "Da Therese keine Nahrung zu sich nimmt, ist ihr Magen eingeschrumpft. Sie hat keine Ausscheidungen, doch ihre Schweißdrüsen funktionieren normal, und ihre Haut bleibt immer fest und geschmeidig."
Zum Abschied bat ich Therese, bei ihrer nächsten Trance zugegen sein zu dürfen.
"Ja, gern. Kommen Sie bitte nächsten Freitag nach Konnersreuth", sagte sie liebenswürdig. "Der Bischof wird Ihnen die nötige Bescheinigung ausstellen. Ich freue mich sehr, daß Sie nach Eichstätt gekommen sind, um mich zu besuchen."
Dann drückte mir Therese mehrmals herzlich die Hand und begleitete uns bis ans Tor. Herr Wright schaltete das Radio im Auto an, das die Heilige begeistert ausprobierte. Bald aber versammelte sich eine solch riesige Kinderschar um uns,
 



Therese Neumann, C. Richard Wright und Sri Yogananda am 17. Juli 1935 in Eichstätt, Bayern

daß Therese sich ins Haus zurückzog. Etwas später erschien sie oben am Fenster und winkte uns mit kindlichem Lächeln nach.
Am folgenden Tag erfuhren wir von zwei Brüdern Thereses, die beide sehr freundlich und zuvorkommend waren, daß die Heilige nachts nur ein oder zwei Stunden schläft. Trotz der vielen Wunden an ihrem Körper ist sie voller Energie und Tatkraft. Sie liebt Vögel, betreut Fische in einem Aquarium und arbeitet oft in ihrem Garten. Außerdem führt sie eine umfangreiche Korrespondenz, denn zahlreiche katholische Gläubige schreiben ihr und bitten sie um ihren Segen oder ihre Heilgebete; viele sind durch sie von schweren Krankheiten geheilt worden.
Ihr Bruder Ferdinand, der damals etwa 23 Jahre alt war, erklärte, daß Therese die Fähigkeit besitzt, die Krankheiten anderer an ihrem eigenen Körper abzutragen. Seit der Zeit, da sie darum betete, daß die Kehlkopfkrankheit eines jungen Mannes ihrer Gemeinde, der sich auf die Priesterweihe vorbereitete, auf ihren eigenen Kehlkopf übertragen werde, hat sie sich jeglicher Nahrung enthalten.
Am Donnerstagnachmittag fuhr unsere Gruppe zum Haus des Bischofs, der etwas erstaunt auf mein langes, wallendes Haar blickte. Bereitwillig schrieb er uns die nötige Bescheinigung aus. Wir brauchten keine Gebühr zu zahlen; die von der Kirche getroffene Regelung soll Therese nur vor dem Ansturm neugieriger Touristen schützen, die Konnersreuth in den vergangenen Jahren jeden Freitag zu Tausenden überschwemmt hatten.
Wir trafen Freitag morgen gegen halb 10 Uhr im Dorf ein. Ich bemerkte, daß Thereses kleines Häuschen zum Teil mit Glasziegeln gedeckt war, um recht viel Licht einzulassen. Die Türen waren nicht mehr verschlossen, sondern standen gastfreundlich offen. Wir gesellten uns zu einer Reihe von etwa zwanzig Besuchern, die alle eine Bescheinigung in der Hand hielten. Viele waren von weither gekommen, um die mystische Trance mit anzusehen.
Therese hatte meine erste Prüfung im Haus des Professors bestanden, denn sie hatte intuitiv erkannt, daß ich aus einem
geistigen Grunde zu ihr gekommen war und nicht, um eine flüchtige Neugier zu befriedigen.
Meine zweite Prüfung bestand darin, daß ich mich - kurz ehe ich in ihr Zimmer hinaufging - in einen Yoga-Trancezustand versetzte, um mich auf telepathischem und "fernsehendem" Wege mit ihr in Verbindung zu setzen. Dann betrat ich ihr Zimmer, in dem sich bereits viele Besucher befanden, und sah sie in einem weißen Gewand auf ihrem Bett liegen. Ich blieb an der Schwelle stehen, während Herr Wright sich dicht hinter mir hielt, und schaute ehrfurchtsvoll auf das seltsame und erschreckende Schauspiel, das sich uns bot.
Aus Thereses unteren Augenlidern floß unaufhörlich ein dünner Blutstrom von etwa 2 cm Breite. Ihr Blick war auf das geistige Auge in der Stirnmitte gerichtet. Das um ihren Kopf gewickelte Tuch, das die Wunden der Dornenkrone verdeckte, war von Blut durchtränkt, und das weiße Gewand über der Wunde über ihrem Herzen - jener Seitenwunde, die der Körper Christi einst als letzte Schmähung durch den Speer eines Kriegsknechtes erlitten hatte - wies rote Flecken auf.
Thereses Hände waren in einer mütterlich-flehenden Geste ausgestreckt; ihr Antlitz hatte einen gequälten und zugleich göttlichen Ausdruck. Sie schien schmächtiger und sowohl innerlich als auch äußerlich auf geheimnisvolle Weise verwandelt. Ab und zu murmelte sie Worte in einer fremden Sprache und wandte sich mit leicht bebenden Lippen an irgendwelche Personen, die ihrer überbewußten Schau sichtbar waren.
Da ich mich innerlich auf sie eingestellt hatte, begann nun auch ich die Szenen ihrer Vision zu erblicken. Sie beobachtete Jesus, wie er inmitten der höhnenden Menge die Balken seines Kreuzes trug. 4

4 Während der Stunden vor meiner Ankunft hatte Therese bereits viele Visionen von den letzten Erdentagen Christi gehabt. Ihre Trance beginnt gewöhnlich mit den Ereignissen nach dem Abendmahl und endet mit Jesu  Kreuzestod oder auch mit seiner Grablegung.

Plötzlich hob sie entsetzt den Kopf: Der Herr war unter dem grausamen Gewicht des Kreuzes zu Boden gestürzt. Die Vision verschwand. Von brennendem Mitleid erfüllt, sank Therese erschöpft auf ihr Kissen zurück.
In diesem Augenblick hörte ich einen lauten Aufprall hinter mir. Ich wandte mich kurz um und sah, wie zwei Männer einen Ohnmächtigen hinaustrugen. Da ich aber gerade erst aus meinem überbewußten Zustand herauskam, erkannte ich den Umgefallenen nicht sofort. Wieder richtete ich meine Augen auf Thereses Antlitz, das unter den Blutrinnsalen totenbleich aussah, nun aber ruhiger schien und große Reinheit und Heiligkeit ausstrahlte. Als ich mich später umblickte, bemerkte ich Herrn Wright, der die Hand gegen seine blutende Wange hielt.
"Dick", fragte ich besorgt, "warst du es, der eben umgefallen ist?"
"Ja, ich bin bei dem furchtbaren Anblick ohnmächtig geworden."
"Nun", sagte ich tröstend, "es ist recht tapfer von dir, wiederzukommen und dich erneut diesem Anblick auszusetzen."
Mit Rücksicht auf die geduldig wartenden Pilger nahmen wir schweigend Abschied von Therese und verließen die heilige Stätte.5

5 Ein Bericht des Internationalen Nachrichtendienstes aus Deutschland (vom 26. März 1948) lautete wie folgt: "Am diesjährigen Karfreitag lag eine deutsche Bauersfrau auf ihrem Bett, deren Kopf, Hände und Schultern an denselben Stellen bluteten, an denen der Körper Christi einst die Wundmale von den Nägeln und der Dornenkrone empfangen hatte. Tausende von Deutschen und Amerikanern zogen in ehrfürchtigem Schweigen am Bett der Therese Neumann vorbei." Die Stigmatisierte starb am 18. September 1962 in Konnersreuth. (Anmerkung des Herausgebers)