www.jetzt.de           HEFT #48  26.11.2001
Du hast ein Problem? Diese   Filme lösen es.

 Filmförderung:
             Texte: Braun, Buchholz, Ebert, Kalle, Kniebe, Koischwitz, Seidl, Schulz, Wehlings
 

 DIE ROLLE DEINES LEBENS.


 Ärger mit dem Vater? Unglücklich verliebt? Die S-Bahn verpasst? Kopf hoch: Deine Probleme sind  längst gelöst. Du musst dir nur die richtigen Filme anschauen.


 Das Problem: Ich weiß nicht, ob sie die Richtige für mich ist.

 Der Film: "In den Straßen der Bronx".

 Die Lösung: Mach den "Türtest", wie ihn Sonny, der Gangsterboss, seinem Ziehsohn Calogero  empfiehlt. Du fährst zu deiner Verabredung mit dem Auto vor, parkst, verschließt die Türen. Sobald  sie aus dem Haus kommt, öffnest du die Beifahrertür und lässt sie einsteigen. Dann gehst du um  den Wagen herum und schaust durch das Rückfenster. Jetzt kommt der alles entscheidende  Moment. Wenn sie nicht rübergreift, um die Tür von innen für dich zu öffnen, damit du einsteigen  kannst - ist sie leider durchgefallen. Sonny sagt: "Dann muss dir klar sein - sie denkt immer nur an  sich. Gib ihr den Laufpass." Vorsicht: Der Test funktioniert nicht bei Autos mit Zentralverriegelung.



 2

 Das Problem: Ich hab ein Riesenproblem. Und keine Ahnung, was ich jetzt tun soll.

 Der Film: "Pulp Fiction".

 Die Lösung: Dein Vater ist auf Dienstreise. Der Wohnungsschlüssel: bei dir, du solltest Blumen  gießen. In seiner Wohnung: eine Waschmaschine. In deiner Wohnung: keine Waschmaschine, aber  ein Berg schmutziger Klamotten. Du wolltest nur schnell waschen. Dass die Waschmaschine  kaputt ist, hat dir keiner gesagt. Dein Vater ist seit drei Minuten von seiner Reise zurück. Das erste,  was er sieht: dich, heulend, knöcheltief im Wasser stehend. Er schreit: "In zwei Stunden ist das  alles wieder picobello!" Du weißt nicht, was du tun sollst. Du bist hilflos. Hysterisch. Du rufst den  Supp an. Der Supp ist der einzige, der dir helfen kann. Der Supp ist dein Freund und kann alles. Der  Supp geht ans Telefon, fragt, wo du bist. Du bist 28 Minuten von ihm entfernt. Der Supp sagt: "Ich  bin in acht Minuten bei dir." Es klingelt. Dein Vater macht auf. "Guten Tag", sagt der Supp, "mein  Name ist Supp, ich löse Probleme." Dein Vater schreit: "In knapp zwei Stunden ist hier alles wieder
 picobello!" Der Supp lächelt und sagt: "Das gibt uns noch Zeit für einen guten Kaffee. Würden Sie  mir einen Kaffee machen?" Er geht an ihm vorbei und sieht sich die Sauerei an. Zu dir sagt er: "Du  sammelst jetzt deine Unterwäsche ein, packst sie in eine Mülltüte." Er wendet sich deinem Vater  zu, der ihm eine Tasse Kaffee hinhält: "Von Ihnen brauche ich jetzt alle verfügbaren Decken." Dein  Vater schreit: "Wie bitte?" Der Supp nimmt ihn beiseite. Ein paar Minuten später geht dein Vater  Decken holen. Eine Stunde später hast du deine Wäsche verschwinden lassen und alles  aufgewischt. Der Supp drückt dir eine Flasche Holzversiegelung in die Hand und lässt dich schnell  damit über den Boden streichen. Nach knapp zwei Stunden verabschiedet sich der Supp. Du bist  beschämt. "Wie kann ich dir danken?", fragst du. "Pass beim nächsten Mal besser auf." Mehr sagt  er nicht. Dann verschwindet er in der Nachmittagssonne. Der Supp ist mein bester Freund. Und  immer, wenn man nicht mehr weiter weiß, braucht man einen besten Freund.



3

 Das Problem: Ich bin schwanger, und ich weiß nicht, wie ich's ihm sagen soll.

 Der Film: "Sissi, die junge Kaiserin".

 Die Lösung: Jungs neigen zu Bequemlichkeit und Angeberei. Da liegt deine Chance. Sissi stürmt,  kaum hat sie von ihrer Schwangerschaft erfahren, ins Arbeitszimmer des Kaisers Franz. Sie trägt  nur einen Morgenrock, aber die Haare sitzen perfekt, ihr Gesicht leuchtet im Überschwang des  Glücks. "Franzl!", ruft sie. Die Minister, gerade zu einer Konferenz zusammengetroffen, schauen  pikiert. "Franzl! Wir bekommen ein Kind!" Romy Schneider beweist perfektes Timing: Überrasche  deinen Partner, sowohl mit deiner Nachricht als auch mit deiner Begeisterung. Sag es ihm, wenn er  gerade mit ein paar Freunden zusammenhockt. Vorher zum Friseur zu gehen, kann nicht schaden.  Was bleibt dem armen Kaiser übrig? Sissi hat die grundsätzliche Einstellung zu diesem Ereignis  schon vorgegeben: Über eine Schwangerschaft hat man sich zu freuen. Jetzt mit einem betroffenen  "Scheiße. Echt?" zu reagieren, würde einen Riesenkrach bedeuten. Das wird er vermeiden wollen.
 Überhaupt ist es das Bequemste für ihn, sich mitzufreuen. Und es sind ja auch noch die Minister  da, etwas kaiserliche Souveränität kann nicht schaden. Vorsicht! Sei dir vorher sicher, dass du dich  selbst freust. Und nenn ihn auf keinen Fall Franzl.



 4

 Das Problem: Ich lebe in einem langweiligen Dorf. Und ich will endlich was erleben.

 Der Film: "Nach fünf im Urwald".

 Die Lösung: Verlasse dein Dorf für einen Tag und eine Nacht. Such das Abenteuer in der Großstadt  - so wie Anna, alias Franka Potente, die von ihrem Leben als Landpomeranze ziemlich genervt ist.  Ihr Vater beschwert sich, wenn sie eine halbe Stunde zu spät aus der Eisdiele heimkommt, und als  bei der Party zu ihrem 17. Geburtstag das Haus der Eltern leicht verwüstet wird, bekommt er einen  Tobsuchtsanfall. Anna haut nach München ab, für einen Tag und eine Nacht. Und sammelt  Erfahrungen. Leider lernt sie nur, dass man in der Großstadt zwar aufregende Menschen treffen  kann, dass die aber bei näherem Hinsehen genauso gewöhnlich und egoistisch sind wie die in ihrem  Dorf. Aber das muss jeder selbst rausfinden. Also: Hau auch mal ab. Schau dir die Großstadt an.  Erlebe deine Abenteuer. Anna kehrt nach ihrem Ausflug entspannt zu ihren Eltern zurück, versöhnt  mit dem Kleinstadt-Leben. Das muss bei dir ja nicht genauso sein.



 5

 Das Problem: Ich versteh mich nicht mit meinem Vater.

 Der Film: Die alte "Star Wars"-Trilogie.

 Die Lösung: Es ist leider wahr. Väter mögen starke Typen sein, im Universum einen legendären Ruf  genießen, Sturmtruppen befehligen und ihr Leben scheinbar im Griff haben - unfehlbar sind sie nicht.  Ganz im Gegenteil: Manchmal weißt du einfach, dass sie für die falschen Ziele kämpfen und nichts  als Unsinn reden. Was aber das Schlimmste ist: Es reicht ihnen nicht, ihr Leben zu vergeuden - sie  können es nicht lassen, auch deine Existenz in gefährliche und korrupte Bahnen zu lenken. Dabei  benutzen sie alle Mittel: Einschüchterung, rohe Gewalt, Lichtschwerter und sogar verlockende  Perspektiven für deinen beruflichen Werdegang. "Du solltest was Ordentliches studieren" ist eine  gefährliche Ansage, aber allerhöchste Vorsicht ist bei dem Satz geboten: "Lass uns das Universum  gemeinsam regieren." In beiden Fällen weißt du: Er will, dass du deine Instinkte ignorierst und auf  die dunkle Seite der Macht überwechselst. Aber nicht mit dir! Hier hilft es nur, der Kraft zu vertrauen,  die du schon als Kind in dir gespürt hast. Trotze deinem Vater und weiche keinen Millimeter zurück,  ganz egal, wie hart die Auseinandersetzungen werden! Das Böse wird dich attackieren, foltern und  in blauen Lichtblitzen schmoren lassen, aber damit erzwingst du die Entscheidung: Wenn dein
 Vater auch nur eine einzige Tasse im Schrank hat, wird er sich schließlich auf deine Seite stellen.  Andernfalls - na ja, nach wenigen Sekunden dürfte alles vorbei sein.



6

Das Problem: Ich krieg am Ende nie die Frau.

Der Film: "Der schwarze Falke".

Die Lösung: Auf seinen Streifzügen durch die Wüste Arizonas hat John Wayne oft einen smarten Buddy dabei: Montgomery Clift, William Holden oder, in seinem besten Film "Der schwarze Falke", Jeffrey Hunter. Für den ist er wie ein Vater, rettet ihm mehrmals den Hals - nur um dann zuzusehen, wie Hunter am Ende in die Arme eines hübschen Mädchens fällt. John Wayne zieht einsam weiter - so wie im echten Leben, wenn der beste Freund mit einem Mädchen abzieht. Womöglich genau dem Mädchen, das du mal auf Kosten eines blauen Auges vor einem aufdringlichen Italiener bewahrt, dem Mädchen, dem du nächtelang Kassetten gezogen und einmal bei Kokaii mit deiner Kreditkarte ausgeholfen hast. Das Geld hast du nie zurückverlangt. Und jetzt veschwindet sie mit Jeffrey Hunter! Tröste dich. John Wayne sieht man in der Schlusseinstellung mit lässigem Gang zur Tür raustreten, in der Unendlichkeit verschwinden. Der Mann hat sein Leben in der Balance. Er ahnt:
Glück ist nur ein flüchtiger Moment. Statt dem kurzen Vergnügen hinterherzureiten, bewahrt er sich lieber die Illusion von der großen Liebe. Und wartet. Man kann sein Haus niederbrennen, sein Pferd erschießen, sein Geld stehlen. Aber niemand raubt ihm diese Illusion. Du wartest auf ein Happy End? "That'll be the day", würde John Wayne sagen.



7

Das Problem: Lateinunterricht finde ich scheiße.

Der Film: "Das Leben des Brian".

Die Lösung: Lateinschüler wissen, dass Latein die Hölle ist. Lateinklausuren sind die Hölle der Höllen. Und die Hölle der Höllen aller Höllen ist eine Lateinabfrage an der Tafel. Gott sei Dank gibt es für diesen Moment der Qual eine Rettung: Am Abend vor der befürchteten Abfrage solltest du nicht lernen, sondern ein Video (erste Person Singular, Präsens, Indikativ: "Ich sehe") ausleihen. "Das Leben des Brian". Vorspulen bis zur Mauer des Palastes von Pontius Pilatus, an die Brian auf Latein den Satz "Römer, geht nach Hause" pinseln will, der Revolution wegen. Angucken, wie ein römischer Legionär vorbeikommt und fragt: "Was haben wir denn da? Romanes eunt domus? Menschen, genannt Römer, gehen das Haus?" Sich den Anblick des Legionärs vergegenwärtigen, auswendig lernen, deklinieren. Dann ohne Angst in die Lateinstunde gehen - und in Gedanken den Lehrer bei jeder seiner Fragen in einen albernen Harnisch stecken und zum Legionär machen, mit
jämmerlichem Helm auf dem Kopf. Deine Note macht es nicht besser. Aber wenigstens hast du ein bisschen Spaß.



8

Das Problem: Ich hab Angst. Angst vor der nächsten Klausur, vor der nächsten Verabredung, vor dem Typen, der vor der Schule auf mich wartet. Angst, all die Kämpfe, die noch vor mir liegen, zu verlieren.

Der Film: "Rocky III - Das Auge des Tigers".

Die Lösung: Wenn du glaubst, dass du ganz unten bist, im Kellerloch des Lebens, ausgeknockt von schweren Niederlagen, wenn dich die Angst im Würgegriff hat - dann kann dir auch Rocky nicht helfen, sondern nur noch seine Frau. Du brauchst eine, die wie Adrian Balboa ist. Verabrede dich mit ihr an einem Strand, dort, wo Adrian ihren Mann in seiner dunkelsten Stunde wieder zum Gewinner machte. Du selbst sagst nichts, du stehst nur dumm da. Sie wird dich an all die Kämpfe erinnern, die du schon gewonnen hast. Du wirst davon natürlich nichts hören wollen und nur höhnisch durch die Nase lachen. Dann wird sie sagen: "Du willst mir erzählen, das all diese Kämpfe nicht echt waren? Ich glaube das nicht. Es ist aber egal, was ich glaube, weil du derjenige bist, der vor Angst schlotternd durch die Gegend rennt. Sieh doch nur, was aus dir geworden ist." Dann schaust du an dir herunter. Siehst nur eine wehleidige Memme. Und Frau Balboa sagt: "Aber es ist egal, ob ich es dir sage oder nicht, weil du derjenige bist, der damit fertig werden muss." Aber wie? Wie sollst du diese Klausur bestehen, das Mädchen ansprechen, dem Typen eine mitgeben? "Du musst auch glauben, dass du es schaffst. Nicht für irgendwelche Leute, nicht für den Titel, nicht für Geld und nicht für mich. Aber für dich. Nur für dich, für dich allein." Und in dem Moment, wo du gerade sagen willst, dass das so ungefähr das Dämlichste ist, was du je gehört hast, ertönen Fanfaren. Zehn Minuten später bist du dann Weltmeister aller Klassen.



9

Das Problem: Ich stehe auf dem falschen Bahnsteig und muss zusehen, wie meine S-Bahn abfährt.
Ohne mich.

Der Film: "French Connection".

Die Lösung: Du könntest jetzt wie Gene Hackman in einem der coolsten Filme der siebziger Jahre der S-Bahn hinterherschreien: "Da drinnen sitzt ein Mörder. Stoppen sie den Zug!" Aber wie bei Gene Hackman würde auch dir niemand zuhören, und dann musst du die Verfolgung aufnehmen.
Dazu brauchst du: ein Auto, eine Straße, die an der S-Bahnlinie entlangführt. Und gute Nerven. Halte ein Auto an. Mit den Worten "Polizeieinsatz, ich brauch ihr Auto" ziehst du den Fahrer aus dem Wagen und fährst los. Vollgas. Immer an der Bahnlinie entlang. Achte auf Frauen mit Kinderwagen. In den Rückspiegel schauen ist unnötig, behalte lieber die S-Bahn im Blick. Früher oder später wirst du sie einholen. Nur eines ist noch besser, wenn du die S-Bahn knapp verpasst: Schau einfach nur so lässig, wie es Gene Hackman in "French Connection" die ganze Zeit tut. Wie jemand, der schon alles im Leben gesehen hat. Dem es völlig egal ist, ob sein Zug gerade abgefahren ist. Wenn nicht gerade ein Mörder darin sitzt.



10

Das Problem: Ich kann mich nicht entscheiden: Will ich zu den Guten gehören oder zu den Bösen?

Der Film: "Face/Off".

Die Lösung: John Travolta ist in "Face/Off" der Polizist Sean Archer, auf der Suche nach dem Killer Castor Troy (Nicolas Cage). Travolta ist der Gute, klar. Aber während er mit seiner lahmen Ehefrau und seiner schwierigen Tochter in einem Reihenhaus irgendwo in der Vorstadt wohnt und sich mit einem 14-Stunden-Job quält, lebt Nicolas Cage in einen unglaublichen Apartement in Downtown Los Angeles, mit den schöneren Mädchen, den cooleren Freunden, mehr Geld und den besten Drogen. Er ist böse und verrückt. Okay. Aber er hat das aufregendere Leben. Was? Du denkst dir auch manchmal, dass ein Leben auf der dunklen Seite vielversprechender wirkt als ein Spießer-Dasein mit Vorgarten? Tja. Travolta wechselt die Seite, tauscht seine Identität mit Cage - der Polizist wird zum Verbrecher, trägt dessen Gesicht, nimmt dessen Drogen, küsst dessen Freundin... und hat eine Höllenzeit. Währenddessen hockt Cage zu Hause bei Travolta rum, hat sich als Polizist verkleidet - und schenkt Travoltas Langweiler-Familie die Zeit ihres Lebens: Die Ehefrau hat wieder guten Sex, die Tochter soll ruhig rauchen, aus dem biederen Vorstadt-Haus zaubert er einen romantischen Traum voller Kerzen und Piano-Musik. Fazit: Es ist egal, wie spießig es um dich herum aussieht. Hauptsache, du bist cool. Und wenn du bei den Guten stehst, wirst du am Ende
wenigstens nicht erschossen. <