Die Infektion stellt eine der häufigsten Grundlagen krankhafter
Prozesse im menschlichen Körper dar.
Die meisten akut auftretenden Symptome sind Entzündungen, von
der Erkältung angefangen über die Lungenentzündung bis zu
Cholera und Pocken. Bei den lateinischen Krankheitsnamen verrät uns
immer die Endung itis, daß es sich um einen entzündlichen Prozeß
handelt (Colitis, Hepatitis etc.). Auf dem großen Gebiet der Infektionskrankheiten
hat die moderne Schulmedizin auch ihre großen Erfolge errungen durch
die Entdeckung der Antibiotika (z.B. Penicillin) und die Impfung. Starben
früher noch die meisten Menschen an den Folgen einer Infektion, so
gehört dies heute in den medizinisch gut versorgten Ländern eher
zur Ausnahme. Das heißt nicht, daß wir weniger Infektionen
durchmachen, sondern lediglich, daß wir zu deren Bekämpfung
gute Waffen bereitstehen haben.
Wem diese (allerdings übliche) Terminologie etwas sehr »kriegerisch«
vorkommt, sollte nicht übersehen, daß es sich beim entzündlichen
Prozeß tatsächlich um einen »Krieg im Körper«
handelt: Eine gefährlich werdende Übermacht von feindlichen Erregern
(Bakterien, Viren, Toxinen) wird von den Abwehrsystemen des Körpers
angegriffen und bekämpft. Diese Auseinandersetzung erleben wir in
Symptomen wie Schwellung, Rötung, Schmerz und Fieber. Gelingt dem
Körper schließlich der Sieg über die eingedrungenen Erreger,
so hat man die Infektion überstanden, siegen die Erreger, so stirbt
der Patient. An diesem Beispiel sollte es besonders leicht möglich
sein, die Analogie, das heißt, die Entsprechung von Entzündung
und Krieg, schnell nachzuvollziehen. Analogie meint hier, daß sowohl
Krieg als auch Entzündung obwohl kein kausaler Zusammenhang zwischen
beiden besteht die gleiche innere Struktur aufweisen und sich in beiden
das gleiche Prinzip verwirklicht, lediglich auf unterschiedlicher Manifestationsebene.
Die Sprache weiß um diese inneren Zusammenhänge sehr wohl.
Das Wort Entzündung enthält ja bereits den berühmten »zündenden
Funken«, der ein ganzes Pulverfaß zum Explodieren bringen kann.
Der entsprechende englische Ausdruck inflammation heißt wörtlich
Entflammung. Damit befinden wir uns aber inmitten von sprachlichen Bildern,
die wir auch für kriegerische Auseinandersetzungen verwenden: Ein
schwebender Konflikt flammt (oder flackert) wieder auf , man legt Feuer
an die Lunte, die Brandfackel wird in ein Haus geworfen, Europa ging in
Flammen auf usw. Bei so viel Zündstoff kommt es meist früher
oder später zur Explosion, in der sich etwas Aufgestautes plötzlich
entlädt, was wir nicht nur im Krieg, sondern auch in unserem Körper
beobachten können, wenn sich ein kleiner Pickel oder auch ein großer
Abszeß entlädt (und entleert).
Für unsere weiteren Überlegungen ist es wichtig, noch eine
weitere Analogieebene mit einzubeziehen, nämlich die Psyche. Auch
ein Mensch kann explodieren. Doch bei diesem Ausdruck denken wir nicht
an einen Abszeß, sondern meinen eine emotionale Reaktion, in der
sich ein innerer Konflikt zu befreien sucht. Wir werden im folgenden diese
drei Ebenen »Psyche Körper Nationen« ständig synchron
betrachten, um die exakte Analogie zwischen Konflikt, Entzündung,
Krieg sehen zu lernen, die den Schlüssel zum Verständnis der
Krankheit schlechthin darstellt.
Die Polarität unseres Bewußtseins stellt uns Menschen ständig
in den Konflikt, in das Spannungsfeld zwischen zwei Möglichkeiten.
Ständig müssen wir uns entscheiden (dieser Begriff meint ursprünglich,
das Schwert zum Kampf aus der Scheide ziehen!), ständig auf die eine
Möglichkeit verzichten, wollen wir die andere Möglichkeit verwirklichen.
So fehlt uns immer etwas, sind wir immer unheil. Wohl dem, der diese ständige
Spannung, die Konflikthaftigkeit des Menschseins sich eingestehen kann
und spürt, denn die meisten Menschen neigen dazu, zu glauben, daß
das Nichtsehen und Nichtspüren eines Konfliktes ein sicheres Zeichen
dafür sei, keine Konflikte zu haben. Mit der gleichen Naivität
glauben kleine Kinder daran, man könne sich durch das Schließen
der Augen unsichtbar machen. Doch Konflikte kümmern sich nicht darum,
ob man sie wahrnimmt oder nicht, sie sind immer da. Wer jedoch nicht bereit
ist, seine Konflikte in seinem Bewußtsein zu ertragen, zu bearbeiten
und allmählich einer Lösung entgegenzuführen, bei dem sinken
die Konflikte in die Körperlichkeit und werden als Entzündung
sichtbar. Jede Infektion ist ein stofflich gewordener Konflikt. Die in
der Psyche gemiedene Auseinandersetzung (mit all ihren Schmerzen und Gefahren)
erzwingt sich auf der Körperebene ihre Berechtigung als Entzündung.
Betrachten wir diesen Prozeß in seinem Ablauf sowie in seinen
Entsprechungen auf den drei Ebenen Entzündung, Konflikt, Krieg:
1. Reiz: Die Erreger dringen ein. Es kann sich dabei um Bakterien,
Viren oder Gifte (Toxine) handeln. Dieses Eindringen ist nicht so sehr
wie viele Laien immer glauben vom Vorhandensein der Erreger abhängig,
sondern vielmehr von der Bereitschaft des Körpers, diese Erreger hereinzulassen.
Die Medizin nennt dies eine schlechte Immunlage. Das Problem der Infektion
besteht nicht wie die Sterilitätsfanatiker immer glauben im Vorhandensein
von Erregern, sondern in der Fähigkeit, mit ihnen leben zu können.
Bereits diese Aussage läßt sich fast wörtlich auf die Bewußtseinsebene
anwenden, denn auch hier kommt es nicht darauf an, daß der Mensch
in einer keimfreien, das heißt problem- und konfliktfreien Welt lebt,
sondern daß er fähig ist, mit den Konflikten zu leben. Daß
die lmmunitätslage psychisch gesteuert wird, bedarf wohl in diesem
Zusammenhang keiner größeren Ableitung, nachdem sogar im
wissenschaftlichen Lager dieser Zusammenhang immer deutlicher erforscht
wird (Streßforschung usw.).
Viel eindrucksvoller allerdings ist es, diese Zusammenhänge bei
sich selbst aufmerksam zu beobachten. Wer also sein Bewußtsein für
einen Konflikt, der ihn sehr erregen würde, nicht öffnen will,
muß statt dessen seinen Körper für Erreger öffnen.
Diese Erreger setzen sich an bestimmten Schwachstellen des Körpers
fest, welche loci minoris resistentiae(lat. = Orte mit geringerer Widerstandsfähigkeit)
genannt und von der Schulmedizin als angeborene bzw. vererbte Schwächen
angesehen werden. Wer nicht analog denken kann, verwickelt sich an dieser
Stelle meist in einen unlösbaren theoretischen Konflikt. Die Schulmedizin
reduziert die Anfälligkeit bestimmter Organe für Entzündungen
auf diese angeborene Organschwäche, was scheinbar eine weitere Deutung
oder Interpretation unmöglich macht. Der Psychosomatik fiel allerdings
schon immer auf, daß bestimmte Problembereiche mit bestimmten Organen
korrelieren, sie geriet aber mit diesem Konzept in Widerspruch zur schulmedizinischen
Theorie der loci minoris resistentiae.
Dieser scheinbare Widerspruch löst sich jedoch schnell auf, wenn
wir von einem dritten Punkt aus den Streit betrachten. Der Körper
ist sichtbarer Ausdruck des Bewußtseins, so, wie ein Haus sichtbarer
Ausdruck der Idee des Architekten ist. Idee und Manifestation entsprechen
einander, so wie eine Fotografie dem Negativ entspricht, ohne das gleiche
zu sein. So entspricht jeder Körperteil und jedes Organ einem bestimmten
psychischen Inhalt, einer Emotion und einem bestimmten Problemkreis (auf
diesen Entsprechungen bauen beispielsweise Physiognomie, Bioenergetik,
psychische Massagetechniken und ähnliches auf). Ein Mensch inkarniert
mit einem bestimmten Bewußtsein, dessen momentaner Stand Ausdruck
seiner bisherigen Lerngeschichte ist. Er bringt ein bestimmtes Muster von
Problembereichen mit, deren stufenweise Herausforderung und Aufforderung,
sie zu lösen, seinen Schicksalsweg gestalten werden, denn Charakter
+ Zeit = Schicksal. Charakter ist weder vererbt noch durch Umwelt geprägt,
sondern er wird »mitgebracht« er ist Ausdruck des Bewußtseins,
das inkarniert.
Diese Bewußtseinslage mit den spezifischen Problemkonstellationen
und Lebensaufgaben ist das, was beispielsweise die Astrologie über
den Umweg der Messung von Zeitqualität symbolisch im Horoskop darstellt.
(Näheres hierzu siehe »Schicksal als Chance«.) Wenn aber
der Körper Ausdruck des Bewußtseins ist, so findet sich auch
in ihm das entsprechende Muster wieder. Das heißt aber auch, daß
besondere Problembereiche ihre körperliche bzw. organische Entsprechung
in einer bestimmten Anfälligkeit haben. Diesen Zusammenhang benützt
beispielsweise die Irisdiagnostik, ohne jedoch bisher die mögliche
psychologische Korrelation zu beachten.
Der locus minoris resistentiae ist jenes Organ, das immer dann den
Lernprozeß auf körperlicher Ebene übernehmen muß,
wenn der Mensch das dem Organ entsprechende psychische Problem nicht bewußt
bearbeitet. Welches Organ welchem Problem entspricht, wollen wir im weiteren
Verlauf dieses Buches schrittweise klären. Wer diese Entsprechungen
kennt, dem erschließt sich eine ganz neue Dimension hinter dem Krankheitsgeschehen,
auf die all diejenigen verzichten müssen, die es nicht wagen, vom
kausalen Denksystem loszulassen.
Betrachten wir weiterhin den Verlauf der Entzündung, ohne den
Ort des Geschehens hier bereits mitzudeuten, so sehen wir, daß in
der ersten Phase (Reiz) die Erreger in den Körper eindringen. Diesem
Vorgang entspricht auf der psychischen Ebene die Herausforderung durch
ein Problem. Ein Impuls, mit dem wir uns bisher noch nicht auseinandergesetzt
haben, drängt durch die Abwehr unserer Bewußtseinsgrenze und
erregt uns. Er entzündet die Spannung einer Polarität, die wir
nunmehr als Konflikt bewußt erleben. Funktioniert unsere psychische
Abwehr sehr gut, so kann der Impuls unser Oberbewußtsein nicht erreichen,
wir sind immun für die Herausforderung und damit auch gegen Erfahrung
und Entwicklung.
Auch hier gilt das Entweder-Oder der Polarität: Verzichten wir
auf die Abwehr im Bewußtsein, bleibt die körperliche Immunität
erhalten, ist unser Bewußtsein aber immun gegen neue Impulse, so
wird der Körper aufnahmebereit für die Erreger. Der Erregung
können wir nicht entgehen, wir können nur die Ebene wählen.
Auf der Ebene des Krieges entspräche dieser ersten Reizphase das Eindringen
von Feinden in ein Land (Grenzverletzung). Ein solcher Angriff lenkt
selbstverständlich die gesamte militärische und politische Aufmerksamkeit
auf die feindlichen Eindringlinge, alle werden überaktiv, wenden alle
ihre Energie diesem neuen Problem zu, sammeln Truppen, machen mobil, halten
Ausschau nach Verbündeten kurz, man konzentriert sich auf den Unruheherd.
Im Körpergeschehen nennt man diesen Vorgang
2. Exudationsphase: Die Erreger haben sich festgesetzt und bilden einen
Entzündungsherd. Von allen Seiten fließt Gewebswasser zu, und
wir erleben die Schwellung des Gewebes und spüren meist die Spannung.
Verfolgen wir unseren psychischen Konflikt bis in diese zweite Phase, so
wächst auch hier die Spannung. Unsere ganze Aufmerksamkeit zentriert
sich um das neue Problem wir können an nichts anderes mehr denken,
es verfolgt uns Tag und Nacht, wir reden über kein anderes Thema mehr
all unsere Gedanken kreisen ohne Unterlaß um dieses eine Problem.
Auf diese Weise fließt fast unsere gesamte psychische Energie in
den Konflikt, wir nähren buchstäblich das Problem, blähen
es auf, bis es übermächtig angeschwollen wie ein unüberwindbarer
Berg vor uns steht. Der Konflikt hat all unsere psychischen Kräfte
mobilisiert und an sich gebunden.
3. Abwehrreaktion: Der Körper bildet aufgrund der Erreger (= Antigene)
spezifische Antikörper (Bildung im Blut und im Knochenmark). Lymphozyten
und Granulozyten bilden einen Wall um die Erreger, den sogenannten Granulozytenwall,
und die Makrophagen beginnen die Erreger aufzufressen. Der Krieg auf der
Körperebene ist also im vollen Gang: Die Feinde werden umzingelt und
angegriffen. Läßt sich der Konflikt nicht auf der lokalen Ebene
lösen (begrenzter Krieg), so kommt es zur Generalmobilmachung: Das
ganze Volk ist am Krieg beteiligt und stellt seine gesamte Aktivität
in den Dienst der Auseinandersetzung. Im Körper erleben wir diese
Situation als
4. Fieber: Durch den Angriff der Abwehrkräfte werden Erreger zerstört,
und die dabei freiwerdenden Gifte führen zur Fieberreaktion. Im Fieber
beantwortet der ganze Körper die lokale Entzündung durch generalisierte
Temperaturerhöhung. Pro 1 Grad Fieber verdoppelt sich die Stoffwechselrate,
woraus ersichtlich ist, in welchem Maße Fieber die Abwehrvorgänge
intensiviert. Deshalb sagt auch eine Volksweisheit, daß Fieber gesund
ist. So korreliert die Höhe des Fiebers mit der Schnelligkeit des
Krankheitsverlaufes. Deshalb sollte man alle Fieber senkenden Maßnahmen
getrost auf die lebensgefährlichen Grenzwerte beschränken und
nicht jeden Temperaturanstieg mit panischer Angst künstlich senken.
Auf der psychischen Ebene hat der Konflikt in dieser Phase unser ganzes
Leben und unsere ganze Energie absorbiert. Die Ähnlichkeiten zwischen
dem körperlichen Fieber und einer psychischen Erregung sind auffallend
genug, so daß wir auch davon reden, einer Sache entgegenzufiebern
oder uns in fiebriger Erwartung oder Spannung befinden. (Der bekannte Popsong
»Fieber« verarbeitet diese Doppelbedeutung des Wortes.) So
wird uns vor Erregung ganz heiß, unser Herzschlag steigt, man wird
ganz rot (sei es Liebe oder Zorn...), man schwitzt vor Aufregung und zittert
vor Anspannung. All das ist nicht gerade angenehm aber gesund. Denn nicht
nur Fieber ist gesund, noch gesünder ist die Auseinandersetzung mit
Konflikten und dennoch versucht man allerorten, Fieber wie Konflikte möglichst
im Keim zu ersticken und ist auch noch stolz auf die Künste des Unterdrückens
(...wenn Unterdrückung nur nicht so viel Spaß machen würde!).
5. Lyse (Lösung): Nehmen wir an, die Abwehrkräfte des Körpers
waren erfolgreich: Sie haben die Fremdkörper zurückgedrängt,
zum Teil inkorporiert (aufgefressen!), so kommt es zum Zerfall von Abwehrkörpern
und Erregern, das Ergebnis ist der gelbe Eiter (Verluste auf beiden Seiten!).
Die Erreger verlassen in umgewandelter, entschärfter Form den Körper.
Doch auch der Körper ist dadurch verwandelt worden, denn er besitzt
jetzt a) die Information der Erreger, dies nennt man die »spezifische
Immunität«, und b) sind seine gesamten Abwehrkräfte trainiert
und damit auch gestärkt worden, dies wird »unspezifische Immunität«
genannt. Militärisch entspricht dem der Sieg der einen Seite, nachdem
es Verluste auf beiden Seiten gegeben hat. Der Sieger geht dennoch gestärkt
aus der Auseinandersetzung hervor, da er sich auf den Gegner eingestellt
hat, ihn jetzt kennt und in Zukunft spezifisch auf ihn reagieren kann.
6. Tod: Nun kann es aber auch sein, daß die Erreger den Sieg
in der Auseinandersetzung davontragen, was zum Tod des Patienten führt.
Daß wir dieses Ergebnis für die ungünstigere Lösung
halten, liegt lediglich an unserer einseitigen Parteinahme es ist auch
hier wie beim Fußball: Es kommt lediglich darauf an, mit welcher
Mannschaft man sich identifiziert. Sieg ist Sieg, gleichgültig, welche
Seite ihn für sich verbuchen kann und der Krieg ist auch in diesem
Falle beendet. Der Jubel ist auch diesmal groß, aber auf der Gegenseite.
7. Die Chronifizierung: Gelingt es keiner der beiden Seiten, den Konflikt
in ihrem Sinne zu lösen, so kommt es zu einem Kompromiß zwischen
den Erregern und den Abwehrkräften: Die Erreger bleiben im Körper,
ohne zu siegen (Tod), aber auch ohne vom Körper besiegt zu werden
(Heilung im Sinne einer »restitutio ad integrum«). Wir haben
das Bild einer Chronifizierung. Symptomatisch drückt sich dies aus
in ständig erhöhten Zahlen der Lympho- und Granulozyten, der
Antikörper, in leicht erhöhter Blutsenkung (BSG) und etwas Temperatur.
Die nicht bereinigte Situation bildet einen Herd im Körper, an dem
nun ständig Energie gebunden ist, die dem Rest des Organismus fehlt:
Der Patient fühlt sich abgeschlagen, müde, antriebslos, lustlos,
apathisch. Er ist nicht ganz krank und nicht ganz gesund, kein echter Krieg
und kein echter Friede, eben ein Kompromiß und als solcher faul wie
alle Kompromisse dieser Welt. Der Kompromiß ist das hohe Ziel der
Feigen, der »Lauwarmen« (Jesus sagt: »Ich möchte
sie ausspeien aus meinem Munde. Sei heiß oder kalt«), die ständig
Angst haben vor den Konsequenzen ihres Handelns und der Verantwortung,
die sie dadurch auf sich nehmen müssen. Doch der Kompromiß ist
niemals eine Lösung, denn er stellt weder das absolute Gleichgewicht
zwischen zwei Polen dar, noch hat er die Kraft zu einen. Der Kompromiß
bedeutet Dauerzwist und somit Stagnation. Militärisch ist es der Stellungskrieg
(vgl. Ersten Weltkrieg), der weiterhin Energie und Material verbraucht
und damit alle anderen Bereiche wie Wirtschaft, Kultur usw. erheblich schwächt
bzw. lahmlegt.
Im psychischen Bereich entspricht der Chronifizierung der Dauerkonflikt.
Man bleibt im Konflikt stecken und findet weder Mut noch Kraft, eine Entscheidung
herbeizuführen. Jede Entscheidung kostet Opfer, wir können eben
gleichzeitig nur das eine oder das andere tun , und diese notwendigen Opfer
flößen Angst ein. So erstarren viele Menschen in der Mitte ihres
Konfliktes, unfähig, dem einen oder dem anderen Pol zum Siege zu verhelfen.
Ständig wägen sie ab, welche Entscheidung die richtige und welche
die falsche sei, ohne zu begreifen, daß es richtig und falsch im
abstrakten Sinne nicht gibt, denn um einmal heil zu werden, brauchen wir
ohnehin beide Pole, doch können wir sie innerhalb der Polarität
nicht gleichzeitig, sondern nur nacheinander verwirklichen also fangen
wir mit einem an, entscheiden wir uns!
Jede Entscheidung befreit. Der chronifizierte Dauerkonflikt aber zieht
nur ständig Energie ab, was auch psychisch zur Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit
bis zur Resignation führt. Wenn wir uns aber zu einem Pol des Konfliktes
durchringen, spüren wir schnell die dadurch freiwerdende Energie.
Wie der Körper gestärkt aus der Infektion hervorgeht, so geht
auch die Psyche gestärkt aus jedem Konflikt hervor, denn durch die
Auseinandersetzung mit dem Problem hat sie gelernt, hat durch die Beschäftigung
mit den zwei widerstrebenden Polen in sich ihre Grenzen erweitert und ist
somit bewußter geworden. Aus jedem durchlebten Konflikt ziehen wir
als Gewinn eine Information (Bewußtwerdung), die analog der spezifischen
Immunität den Menschen befähigt, in Zukunft mit dem gleichen
Problem auf ungefährliche Weise umzugehen.
Jeder durchlebte Konflikt lehrt überdies den Menschen auch, überhaupt
mit Konflikten besser und mutiger umzugehen, was der unspezifischen Immunität
im Körper entspräche. So wie auf der Körperebene jede Lösung
hohe Opfer, besonders auf der Gegenseite, fordert, so muß auch die
Psyche bei der Entscheidung reichlich Opfer bringen:
Da müssen so manche bisherigen Anschauungen und Meinungen, manche
liebgewonnenen Lebenshaltungen und manche vertrauten Gewohnheiten dem Tode
überantwortet werden. Doch alles Neue setzt den Tod des Alten voraus.
So, wie größere Entzündungsherde im Körper häufig
Narben zurücklassen, so bleiben auch in der Psyche manchmal Narben
zurück, die wir dann rückblickend als Erinnerungen an tiefe Einschnitte
in unserem Leben betrachten.
Früher wußten alle Eltern, daß ein Kind nach einer
durchstandenen Kinderkrankheit (alle Kinderkrankheiten sind Infektionskrankheiten)
einen Reifungs- bzw. EntwickIungssprung gemacht hat. Das Kind ist nach
einer Kinderkrankheit nicht mehr das gleiche wie vorher. Die Krankheit
hat es im Sinne der Reifung gewandelt. Doch nicht nur Kinderkrankheiten
lassen reifen. So, wie der Körper aus jeder überstandenen Infektionskrankheit
gestärkt hervorgeht, geht der Mensch aus jedem Konflikt reifer hervor.
Denn nur Herausforderungen machen stark und tüchtig. Alle großen
Kulturen entstanden durch hohe Herausforderungen, und selbst Darwin führte
die Entwicklung der Arten auf die gelungene Bewältigung der Umweltbedingungen
zurück ... . mit diesem Hinweis ist der Darwinismus nicht gleichzeitig
akzeptiert!).
»Der Krieg ist der Vater aller Dinge«, sagt Heraklit, und
wer diesen Satz recht versteht, weiß, daß dieser Ausspruch
eine der fundamentalsten Weisheiten ausdrückt. Der Krieg, der Konflikt,
die Spannung der Pole liefern die Energie des Lebens und sichern so allein
den Fortschritt und die Entwicklung. Solche Sätze klingen gefährlich
und mißverständlich in einer Zeit, in der die Wölfe Schafspelze
angelegt haben und in dieser Kostümierung ihre verdrängten Aggressionen
als Friedensliebe präsentieren.
Es geschah mit Absicht, daß wir die Entwicklung der Entzündung
Schritt für Schritt mit der Ebene des Krieges verglichen haben, denn
dadurch bekommt unser Thema jene Schärfe, die vielleicht verhindern
kann, daß das Gesagte zu schnell mit kopfnickendem Einverständnis
überlesen wird. Wir leben in einer Zeit und einer Kultur, die bis
ins Extrem konfliktfeindlich sind. Auf allen Ebenen versucht man, den Konflikt
zu vermeiden, ohne dabei zu bemerken, daß diese Einstellung sich
gegen jede Bewußtwerdung wendet. Zwar ist es den Menschen nicht möglich,
innerhalb der polaren Welt Konflikte durch funktionale Maßnahmen
zu vermeiden, doch führen gerade deshalb solche Versuche zu immer
komplizierteren Verschiebungen der Entladungen auf anderen Ebenen, deren
innere Zusammenhänge kaum noch jemand überblickt.
Unser Thema, die Infektionskrankheit, ist dafür ein gutes Beispiel.
Zwar haben wir in der obigen Darstellung die Struktur des Konfliktes und
die Struktur der Entzündung parallel betrachtet, um deren Gemeinsamkeit
zu erkennen, jedoch laufen beide gerade nicht (oder nur selten) parallel
im Menschen ab. Vielmehr ersetzt die eine Ebene die andere im Sinne des
Entweder-Oder. Gelingt es einem Impuls, die Abwehr des Bewußtseins
zu durchdringen und dadurch einem Menschen einen Konflikt bewußt
zu machen, so findet der skizzierte Prozeß der Konfliktbearbeitung
allein in der Psyche des Menschen statt, und es kommt in der Regel zu keiner
somatischen Infektion. Öffnet sich der Mensch jedoch nicht für
den Konflikt, indem er alles abwehrt, was seine künstlich aufrechterhaltene
heile Welt in Frage stellen könnte, dann stürzt der Konflikt
in die Körperlichkeit und muß als Entzündung auf der somatischen
Ebene durchlebt werden.
Die Entzündung ist der Konflikt auf der stofflichen Ebene. Man
sollte daher nicht den Fehler machen, seine Infektionskrankheiten oberflächlich
zu betrachten, um zu dem Schluß zu kommen, »da hatte ich doch
gar keine Konflikte«. Gerade dieses Nichtsehen des Konfliktes führt
ja zur Erkrankung. Für eine solche Hinterfragung braucht es größere
Mühe als nur einen flüchtigen Blick, es bedarf einer entlarvenden
Ehrlichkeit, die der Psyche meistens so viel Unbehagen verschafft, wie
die Infektion dem Körper. Gerade dieses Unbehagen wollen wir aber
immer vermeiden.
Es ist richtig, Konflikte tun immer weh egal, auf welcher Ebene wir
sie erleben, sei es Krieg, innerer Widerstreit, Krankheit, schön sind
sie nie. Doch das Schön oder Nichtschön ist keine Ebene, auf
der wir argumentieren dürfen, denn wenn wir uns einmal eingestehen,
daß wir nichts vermeiden können, stellt sich diese Frage gar
nicht mehr.
Wer sich eben nicht erlaubt, psychisch zu explodieren, bei dem explodiert
es im Körper (Abszeß) , kann man da noch die Frage nach schöner
oder besser stellen? Krankheit macht ehrlich!
Ehrlich sind letztlich auch all die hochgelobten Bemühungen unserer
Zeit, Konflikte auf allen Ebenen zu vermeiden. Vor dem Hintergrund des
bisher Gesagten sehen wir wohl auch die bisherigen erfolgreichen Bemühungen
bei der Bekämpfung der Infektionskrankheiten im neuen Licht. Der Kampf
gegen Infektionen ist der Kampf gegen Konflikte auf der stofflichen Ebene.
Ehrlich war hierbei auf jeden Fall die Namensgebung der Waffen: Antibiotika.
Dieses Wort setzt sich zusammen aus den beiden griechischen Wörtern
anti = gegen und bios = das Leben. Antibiotika sind demnach »Stoffe,
die gegen das Leben gerichtet sind« das ist Ehrlichkeit!
Diese Lebensfeindlichkeit der Antibiotika stimmt auf zwei Ebenen. Wenn
wir uns daran erinnern, daß der Konflikt der eigentliche Motor der
Entwicklung, das heißt des Lebens, ist, dann ist jede Unterdrückung
eines Konfliktes gleichzeitig auch ein Angriff auf die Dynamik des Lebens
an sich.
Doch auch im engeren medizinischen Sinne sind Antibiotika lebensfeindlich.
Entzündungen stellen akute, das heißt aber auch schnelle und
aktuelle Problembereinigungen dar, durch die vor allem Toxine über
den Eiterprozeß aus dem Körper herausgebracht werden. Werden
solche Reinigungsprozesse durch Antibiotika häufig und langfristig
unterbunden, müssen die anfallenden Toxine im Körper abgelagert
werden (meist im Bindegewebe), was bei überstiegener Kapazität
zur cancerösen Entwicklung ausartet. Es entsteht der Mülleimereffekt:
Man kann den Mülleimer entweder häufig entleeren (Infektion)
oder aber so lange Müll sammeln, bis das im Müll entstandene
Eigenleben das ganze Haus gefährdet (Krebs). Antibiotika sind Fremdstoffe,
die der Betroffene nicht durch eigene Mühe erarbeitet hat, sie betrügen
ihn deshalb um die eigentlichen Früchte seines Krankseins: den durch
Auseinandersetzung erarbeiteten Lerngewinn.
Unter diesem Blickwinkel sollte man auch das Thema »Impfung«
kurz betrachten. Wir kennen zwei grundsätzliche Arten der Impfung:
die aktive und die passive Immunisierung. Bei der passiven Immunisierung
werden Abwehrstoffe verabreicht, die in anderen Körpern gebildet wurden.
Zu dieser Form der Impfung greift man, wenn eine Krankheit bereits ausgebrochen
ist (z.B. Tetagam gegen den Tetanuserreger). Auf der psychischen Ebene
entspräche dem die Übernahme von fertigen Problemlösungen,
Geboten und Moralvorschriften. Man schlüpft in fremde Patentrezepte
und meidet damit jede eigene Auseinandersetzung und Erfahrung; ein bequemer
Weg, der kein Weg ist, da ihm die Bewegung fehlt.
Bei der aktiven Immunisierung werden geschwächte (entschärfte)
Erreger verabreicht, damit der Körper aufgrund dieses Reizes selbst
Antikörper bilden kann. Unter diese Form fallen alle prophylaktischen
Impfungen, wie Polioschluckimpfung, Pockenimpfung, Tetanol zur Tetanusprophylaxe
usw. Dieser Methode entspricht im psychischen Bereich das Üben von
Konfliktlösungen in harmlosen Situationen (militärisch: Manöver).
Viele pädagogische Bemühungen und auch die meisten Gruppentherapien
fallen in diesen Bereich. In entschärften Situationen sollen Konfliktlösungsstrategien
erlernt und erworben werden, die den Menschen befähigen, mit ernsten
Konflikten bewußter umgehen zu können.
Alle diese Überlegungen sollten nicht als Rezepte mißinterpretiert
werden. Es geht nicht um die Frage, »ob man sich impfen lassen darf
oder nicht« oder »ob man niemals Antibiotika verwenden darf«.
Es ist letztlich völlig gleichgültig, was man tut solange man
weiß, was man tut! Bewußtsein heißt unser Anliegen, nicht
fertige Ge- oder Verbote.
Es stellt sich wohl noch die Frage, ob das körperliche Krankheitsgeschehen
grundsätzlich in der Lage ist, einen psychischen Prozeß zu ersetzen.
Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leicht, da die gedankliche Trennung
von Psyche und Körper nur ein theoretisches Hilfsmittel ist, in der
Realität aber niemals so eindeutig getrennt erlebt werden kann. Denn
was auch immer im Körper abläuft und geschieht, erleben wir immer
auch in unserem Bewußtsein, in der Psyche. Wenn wir uns mit einem
Hammer auf den Daumen schlagen, sagen wir: Der Daumen tut weh. Das ist
jedoch nicht ganz richtig, denn der Schmerz ist ausschließlich im
Bewußtsein, nicht im Daumen. Wir projizieren lediglich die psychische
Empfindung »Schmerz« auf den Daumen.
Gerade weil der Schmerz ein Bewußtseinsphänomen ist, können
wir ihn so gut beeinflussen: durch Ablenkung, Hypnose, Narkose, Akupunktur.
(Wer obige Behauptung für überspitzt hält, möge sich
bitte an das Phänomen des Phantomschmerzes erinnern!) Alles, was wir
in einem körperlichen Krankheitsprozeß erleben und durchleiden,
geschieht ausschließlich in unserem Bewußtsein. Die Unterscheidung
»psychisch« oder »somatisch« bezieht sich lediglich
auf die Projektionsfläche. Ist jemand krank vor Liebe, so projiziert
er seine Empfindungen auf etwas Nichtkörperliches, nämlich Liebe,
während ein an Angina Erkrankter seine Empfindungen auf seinen Hals
projiziert, doch leiden können beide nur in ihrer Psyche. Die Materie
und somit auch der Körper kann immer nur als Projektionsfläche
dienen, ist selbst aber niemals ein Ort, wo ein Problem entstehen, und
deshalb auch kein Ort, wo ein Problem gelöst werden kann. Als Projektionsfläche
kann der Körper ein ideales Hilfsmittel zur besseren Erkenntnis darstellen,
doch die Lösungen kann nur das Bewußtsein finden. So stellt
jeder körperliche Krankheitsverlauf lediglich eine symbolische Problembearbeitung
dar, deren Lerngewinn das Bewußtsein befruchten soll. Das ist auch
der Grund, warum jede durchlebte Krankheit einen Reifeschritt nach sich
zieht.
So entsteht ein Rhythmus zwischen körperlicher und psychischer
Bearbeitung eines Problems. Kann ein Problem im Bewußtsein allein
nicht gelöst werden, so wird der Körper als materielles Hilfsmittel
eingesetzt, in dem das ungelöste Problem in symbolischer Form dramatisiert
wird. Der dabei gewonnene Lerneffekt wird nach überstandener Krankheit
an die Psyche zurückgegeben. Gelingt es nun der Psyche trotz der gewonnenen
Erfahrungen immer noch nicht, das Problem zu begreifen, sinkt es erneut
in die Körperlichkeit, damit weitere praktische Erfahrungen gesammelt
werden können. (Nicht umsonst bezeichnen Begriffe wie begreifen und
verstehen sehr konkrete Körperhaltungen!) Dieser Wechsel wird so lange
wiederholt, bis die gemachten Erfahrungen das Bewußtsein befähigen,
das Problem oder den Konflikt endgültig zu lösen.
Diesen Vorgang können wir uns durch folgendes Bild verdeutlichen:
Ein Schüler soll Kopfrechnen lernen. Wir stellen ihm eine Aufgabe
(Problem). Kann er sie im Kopf nicht lösen, drücken wir ihm zur
Hilfe ein Rechenbrett in die Hand (Materie). Er projiziert nun das Problem
auf das Rechenbrett und kann durch diesen Umweg das Problem lösen
(und zwar auch im Kopf). Wir geben ihm danach eine weitere Aufgabe, die
er wieder ohne Rechenbrett lösen soll. Gelingt es nicht, bekommt er
erneut das Hilfsmittel und dies so lange, bis er schließlich auf
sein Rechenbrett verzichten kann, da er die Aufgaben nun im Kopf rechnen
kann ohne materielle Hilfsmittel. Gerechnet wird letztlich immer im Kopf,
niemals auf dem Rechenbrett aber die Projektion des Problems auf die sichtbare
Ebene erleichtert den Lernprozeß.
Ich stelle diesen Punkt deshalb so ausführlich dar, weil aus dem
wirklichen Begreifen dieses Zusammenhangs zwischen Körper und Psyche
eine Konsequenz folgt, die wir gar nicht für selbstverständlich
halten: daß nämlich der Körper nicht der Ort ist, wo ein
Problem gelöst werden kann! Die gesamte Schulmedizin geht jedoch gerade
diesen Weg. Alle blicken fasziniert auf das Körpergeschehen und versuchen,
das Kranksein auf der Körperebene zu lösen.
Doch hier gibt es gar nichts zu lösen. Das wäre genauso wie
der Versuch, bei jeder Lösungsschwierigkeit unseres Schülers
das Rechenbrett umzubauen. Menschsein findet im Bewußtsein statt
und spiegelt sich im Körper. Ständig den Spiegel zu polieren,
verändert nicht den, der sich darin spiegelt. (Gebe Gott, es wäre
so einfach!) Wir sollten aufhören, im Spiegel Ursache und Lösung
aller reflektierten Probleme zu suchen, sondern sollten den Spiegel benutzen,
um uns selbst zu erkennen.
Infektion - ein stofflich gewordener Konflikt
Wer zu Entzündungen neigt, versucht, Konflikte zu vermeiden.
Bei einer infektiösen Erkrankung sollte man sich folgende Fragen
stellen:
1. Welchen Konflikt in meinem Leben sehe ich nicht?
2. Welchem Konflikt weiche ich aus?
3. Welchen Konflikt gestehe ich mir nicht ein?
Um das Thema des Konfliktes zu finden, sollte man die Symbolik des
betroffenen Organs oder Körperteils genau beachten.