General-Anzeiger Montag 25.Januar 1999 Panorama S.35
Nahrungseinschränkung weckt die Lebensgeister
STUDIE Untersuchungen an Menschen in der ,,Biosphere
2" untermauerten die Erfahrungen aus dem Tierreich
ANAHEIM. Die ,,ewige Jugend" kommt allein durch Verzicht und läßt
sich mit Pillen nicht erkaufen. Das gelte für den Menschen ebenso
wie im Tierreich, bekräftigten US-Forscher im kalifornischen Anaheim.
Je magerer die Ernährung, desto länger und gesünder lebe
man - echte Mangelernährung ausgenommen. Dies untermauerten mehrere
Studien, die Experten jetzt auf der 151. Jahrestagung des Amerikanischen
Verbandes zur Förderung der Wissenschaft (AAAS) vorstellten. Die AAAS
gilt als weltgrößte Informationsbörse für Forscher
der verschiedensten Disziplinen.
Professor Roy Walford, Pathologe der Universität von Kalifornien
in Los Angeles (UCLA), untermauerte mit Daten von den acht Teilnehmern
der experimentellen ,,Biosphere 2", was von Mäusen, Ratten und Affen
bereits bekannt war. Die Studie sei ein wichtiger wissenschaftlicher Nachweis
dafür, daß es auch Menschen hilft, wenn Schmalhans ihr Küchenmeister
ist. Die Bionauten, darunter Walford selbst, lebten zwei Jahre lang von
der Außenwelt isoliert unter der berühmten Glasglocke bei Tuscon
(Arizona). Auf ihren Tisch kam nur das, was sie selbst anpflanzten.
Ihr Speiseplan bestand aus frischem Gemüse, Früchten und
Körnern, hin und wieder einem Ei oder selbstgemolkener Ziegenmilch.
Trotz harter körperlicher Arbeit gab es durchschnittlich nur karge
1 800
Kalorien pro Tag ,,Wir waren immer etwas hungrig", räumte der
Mediziner ein.
Die vier Männer und vier Frauen verloren zwischen 18 und zehn
Prozent ihres Gewichtes. Der Stoffwechsel verlangsamte sich, sagte Walford.
Die Körpertemperatur sank um mehr als ein Grad, der Blutdruck war
um 20 Prozent geringer als zuvor. Regelmäßige Tests von Cholesterin
und Blutfetten zeigten Traumwerte an, und die Risikofaktoren für Diabetes
und Blutzucker verringerten sich um 30 Prozent.
Durch den Abbau überschüssiger Pfunde wurden aber auch giftige
Rückstände von Pflanzenschutzmitteln und anderen Umweltgiften
im Körper freigesetzt, die sich mit Vorliebe in Fettpölsterchen
ablagern. Walford registrierte im ersten Jahr des ,,Biosphere 2"-Experimentes
erhöhte Giftwerte im Blutstrom aller Bionauten. Erst im zweiten Jahr
gingen die Werte langsam zurück.
Das Ergebnis entsprach genau dem, was andere Forscher schon bei Tieren
beobachtet hatten, ergänzte James Nelson von der Universität
Texas in San Antonio. Je weniger Nager und Affen zu essen bekommen, desto
seltener erleiden sie Krebs, Autoimmunkrankheiten, Diabetes
und Herzversagen. Gleichzeitig wächst ihre Lebenserwartung, was eine
Studie an Mäusen zeigte. Der lebensverlängernde Effekt nimmt
parallel zum Hunger zu, erläuterte
Walford. dpa
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