Die Yogini, die ohne Nahrung
lebt
Bald schlingerten wir in
zwei ausgefahrenen Furchen weiter, während die Frauen uns vom Eingang
der Hütten mit weit aufgerissenen Augen entgegenblickten, die Männer
neben und hinter uns einherstapften und die Kinder voranhüpften, um
die Prozession zu vervollständigen. Unser Auto war wahrscheinlich
das erste, das über diese Wege fuhr, auf denen bestimmt die "Ochsenkarren-Gewerkschaft"
allmächtig ist. Man stelle sich vor welch ein Aufsehen unsere Gruppe
erregte, die von einem Amerikaner in einem ratternden Auto angeführt
wurde, bis ins Innere der dörflichen Festung vordrang und deren ehrwürdige
Abgeschiedenheit störte.
Endlich hielten wir in einer
engen Gasse - nur noch dreißig Meter von Giri Balas Haus entfernt.
Nach dem langen
Kampf mit den schlechten
Wegverhältnissen und dem mühseligen Endspurt genossen wir nun
die Frucht des Sieges. Langsam fuhren wir auf das große, zweistöckige
Backsteingebäude zu, das die aus luftgetrockneten Ziegeln erbauten
benachbarten Hütten überragte. Wie wir an dem Bambusgerüst,
das in tropischen Gegenden viel verwendet wird, erkennen konnten, wurde
das Haus gerade renoviert.
In fieberhaft-freudiger
Erwartung hielten wir vor dem offenen Tor und erwarteten die Frau, die
durch Gottes Segen
ohne jede irdische Nahrung
lebte. Noch immer umgaben uns die staunenden Dorfleute - junge und alte,
nackte und bekleidete. Die Frauen waren etwas zurückhaltender, aber
dennoch neugierig, während die Männer und Knaben sich ungeniert
an unsere Fersen hefteten, um sich dieses einmalige Schauspiel nicht entgehen
zu lassen. Bald darauf erschien eine kleine Gestalt am Eingang - Giri Bala!
Sie war in ein Tuch aus matter, goldfarbener Seide gehüllt. In der
bescheidenen Art der Inderinnen kam sie zögernd vorwärts und
lugte aus den Falten ihres Swadeshi-Tuches zu uns herüber. Im Schatten
des über den Kopf geworfenen Tuches leuchteten ihre Augen wie glühende
Kohlen. Wir waren bewegt, als wir ihr gütiges Antlitz erblickten,
das von großer Selbst-Verwirklichung und Weltentrücktheit zeugte.
Schüchtern näherte
sie sich uns und erklärte sich schweigend damit einverstanden, daß
wir mehrere Photos und Filmaufnahmen von ihr machten.6
6 Herr Wright
hat während der letzten Feier der Wintersonnenwende in Serampur auch
Filmaufnahmen von Sri Yukteswar gemacht
Geduldig und scheu ließ sie alle phototechnischen Vorbereitungen - das Ausprobieren der richtigen Stellung und Beleuchtung - über sich ergehen. Schließlich hatten wir viele Bilder von der einzigen Frau der Welt, die seit über 50 Jahren ohne Nahrung und Getränke lebt, für die Nachwelt festgehalten. (Therese Neumann hat seit 1923 gefastet.) Giri Bala wirkte im höchsten Grade mütterlich; sie war völlig in ein lose herabfallendes Tuch eingehüllt, so daß man nur ihr Gesicht mit den niedergeschlagenen Augen, ihre Hände und winzigen Füße sehen konnte. Ein Antlitz von seltenem Frieden und unschuldiger Würde - ein breiter kindlicher Mund mit bebenden Lippen, eine zierliche Nase, schmale, leuchtende Augen und ein versonnenes Lächeln."
Einen ähnlichen Eindruck
von Giri Bala hatte auch ich. Ihre Geistigkeit umgab sie wie ein
leuchtender Schleier. Sie grüßte mich mit dem traditionellen
Pranam, wie es sich einem Mönch gegenüber ziemt. Ihre natürliche
Anmut und das stille Lächeln, mit dem sie uns willkommen hieß,
war uns mehr wert als alle schönen Worte. Vergessen war unsere beschwerliche,
staubige Reise.
Die kleine Heilige setzte
sich mit gekreuzten Beinen auf der Veranda nieder. Obgleich man ihr das
Alter anmerkte, wirkte sie nicht gebrechlich. Sie hatte eine reine, braune
Haut und einen frischen Teint.
"Mutter", sagte ich auf
Bengali, "über 25 Jahre habe ich auf diese Pilgerfahrt gewartet. Sthiti
Lal Nundy Babu hat mir von Eurem heiligen Leben erzählt."
Sie nickte. "Ja, mein guter
Nachbar aus Nawabganj."
"Während dieser Jahre
bin ich über die Meere gezogen, habe aber mein Vorhaben, Euch eines
Tages zu besuchen, nie vergessen. Das erhabene Drama, das Ihr hier im Verborgenen
spielt, soll der Welt, die seit langem ihre innere, göttliche Nahrung
vergessen hat, nicht vorenthalten bleiben."
Die Heilige blickte einen
Augenblick lang auf und lächelte mit heiterem Interesse.
"Baba (der verehrte Vater)
weiß es am besten", antwortete sie demütig.
Ich war erleichtert, daß
sie sich nicht verletzt fühlte. Man weiß nie, wie Yogis und
Yoginis darüber denken, wenn man etwas über sie veröffentlichen
will. Gewöhnlich scheuen sie sich davor und bleiben lieber unerkannt,
um sich in aller Stille der Erforschung ihrer Seele zu widmen. Eine innere
Stimme sagt ihnen, wann die Zeit gekommen ist, an die Öffentlichkeit
zu treten und den geistigen Suchern zu helfen.
"Mutter", fuhr ich fort,
"vergebt mir, wenn ich Euch deshalb viele Fragen stelle. Antwortet bitte
nur, wenn Ihr wollt. Ich werde auch Verständnis für Euer Schweigen
haben."
Da breitete sie in anmutiger
Geste ihre Hände aus. "Ich will gern antworten, wenn eine unbedeutende
Person wie ich zufriedenstellende Antworten geben kann."
"Ihr seid durchaus nicht
unbedeutend", widersprach ich eifrig. "Ihr seid eine große Seele."
"Ich bin die bescheidene
Dienerin aller." Und verschmitzt fügte sie hinzu: "Meine Lieblingsbeschäftigung
besteht darin, für andere zu kochen und ihnen das Essen zu servieren."
Eine seltsame Beschäftigung
für eine fastende Heilige, dachte ich.
"Sagt mir bitte, Mutter,
ob es stimmt, daß Ihr ganz ohne Nahrung lebt? Ich möchte es
gern aus Eurem eigenen Munde hören."
"Ja, das stimmt." Sie schwieg
einige Augenblicke, und ihre nächste Bemerkung zeigte, daß sie
in Gedanken nachgerechnet hatte. "Seit ich zwölf Jahre und vier Monate
alt war, bis zu meinem jetzigen 68. Lebensjahr - d.h. über 56 Jahre
- habe ich weder gegessen noch getrunken."
"Kommt Ihr nie in Versuchung
zu essen?"
"Wenn ich Hunger hätte,
müßte ich auch essen." Mit welch einfacher und doch königlicher
Würde sie diese aphoristische Wahrheit aussprach, die einer Welt,
die sich um drei tägliche Mahlzeiten dreht, nur allzugut bekannt ist!
"Aber irgend etwas nehmt
Ihr doch zu Euch!" wandte ich ein.
"Natürlich", sagte
sie lächelnd, denn sie hatte mich sofort verstanden.
"Ihr zieht Eure Nahrung
aus den feineren Energien der Luft und des Sounenlichts7
und
aus der kosmischen Kraft, die
7
"Alles, was wir essen, ist Strahlung; unsere Nahrung stellt eine bestimmte
Energiemenge dar“ verkündete Dr. George Crile aus Cleveland am 17.
Mai 1933 vor einer Versammlung von Medizinern in Memphis. Nachstehend Auszüge
aus einem Bericht über seine Rede:
"Diese
überaus wichtige Strahlung, welche die für den elektrischen Stromkreislauf
des Körpers - d.h. für das Nervensystem - notwendigen elektrischen
Ströme erzeugt, wird der Nahrung durch die Sonnenstrahlen zugeführt.
Atome, so behauptet Dr. Crile, sind Sonnensysteme. Sie sind Energieträger,
in denen die Sonnenstrahlung gleich unzähligen gespannten Federn aufgespeichert
ist. Diese zahllosen Träger der Atomenergie werden von uns als Nahrung
aufgenommen. Wenn sie dem menschlichen Körper einverleibt werden,
entladen sich diese straffen Behälter - die Atome - und gehen in das
körperliche Protoplasma ein, wo die Strahlung neue chemische Energie'
d.h. neue dektrische Ströme erzeugt. 'Unser Körper setzt sich
aus diesen Atomen zusammen" sagte Dr. Crile. 'Sie bilden unsere Muskeln,
unser Gehirn und unsere Sinnesorgane (Augen, Ohren usw.)."' Eines Tages
wird die Wissenschaft Methoden entdecken, die es dem Menschen ermöglichen,
direkt von Sonnenenergie zu leben. "Chlorophyll ist der einzige bekannte
Stoff in der Natur, der aus irgendeinem Grunde die Macht besitzt, als 'Sonnenlichtspeicher'
zu fungieren"' schrieb William L. Laurence in der New York Times. "Es fängt
die Energie des Sonnenlichtes ein und speichert sie in der Pflanze auf.
Ohne diesen Vorgang könnte überhaupt kein Leben existieren. Wir
erhalten die lebensnotwendige Energie von der Sonnenenergie, die in der
pflanzlichen Nahrung aufgespeichert ist, oder aus dem Fleisch der pflanzenfressenden
Tiere. Die Energie, die wir aus der Kohle und dem Öl gewinnen, ist
Sonnenenergie, die das Chlorophyll vor Millionen Jahren in den Pflanzen
eingefangen hat. Wir leben also durch Vermittlung des Chlorophylls von
der Sonne."
durch das verlängerte
Mark in Euren Körper einströmt.“
"Der Vater weiß es."
Wiederum stimmte sie mir in ihrer sanften, unaufdringlichen Art zu.
"Mutter, erzählt mir
bitte etwas aus Eurem Leben. Wir in Indien und sogar unsere Brüder
und Schwestern jenseits des Meeres sind sehr daran interessiert."
Da legte Giri Bala ihre
übliche Zurückhaltung ab und begann ungezwungen zu plaudern.
"So sei es", sagte sie mit
leiser, aber fester Stimme. "Ich wurde hier in dieser waldigen Gegend geboren.
Über meine Kindheit gibt es nichts Bemerkenswertes zu berichten, mit
Ausnahme der Tatsache, daß ich einen unbändigen Appetit hatte.
Im Alter von neun Jahren
wurde ich verlobt.
'Kind', warnte mich meine
Mutter des öfteren, 'bemühe dich, deine Eßgier im Zaum
zu halten. Später wirst du in der Familie deines Mannes unter Fremden
leben müssen; was soll man dort von dir denken, wenn du deine Tage
mit nichts anderem als mit Essen zubringst?'
Das Unheil, das sie vorausgesehen
hatte, traf ein. Ich war erst zwölf Jahre alt, als ich zu der Familie
meines Mannes nach Nawabganj zog. Meine Schwiegermutter schalt mich morgens,
mittags und abends wegen meiner Eßgier. Ihr Schelten war jedoch ein
verborgener Segen, denn es rief meine schlummernden geistigen Neigungen
wach. Eines Morgens machte sie sich in erbarmungsloser Weise über
mich lustig.
'Ich werde dir bald beweisen,
daß ich überhaupt keine Nahrung mehr anrühre, solange ich
lebe', sagte ich, bis ins Mark getroffen.
Doch meine Schwiegermutter
lachte spöttisch. 'So!' rief sie aus, 'wie willst du wohl leben, ohne
zu essen, wenn du nicht einmal ohne zu fressen leben kannst?'
Darauf konnte ich ihr keine
Antwort geben. Doch ein eiserner Entschluß wurde plötzlich in
mir wach. Ich zog mich an einen einsamen Ort zurück, um zu meinem
Himmlischen Vater zu beten.
'Herr', flehte ich ohne
Unterlaß, 'sende mir bitte einen Guru, der mich lehren kann, von
Deinem Licht anstatt von Nahrung zu leben.
Dann fiel ich plötzlich
in Ekstase. Als ich wieder zu mir kam, machte ich mich in seliger Stimmung
auf den Weg zum Nawabganj-Chat am Ganges. Unterwegs begegnete ich dem Priester
der Familie meines Mannes.
'Ehrwürdiger Herr',
redete ich ihn voller Vertrauen an, 'sagt mir bitte, wie ich ohne Nahrung
leben kann.'
Er starrte mich an, ohne
etwas zu erwidern. Schließlich sagte er tröstend: 'Komm heute
abend zum Tempel, Kind. Ich will eine besondere vedische Zeremonie für
dich leiten.'
Diese ausweichende Antwort
entsprach jedoch nicht meinen Erwartungen. Und so ging ich weiter, bis
ich den Ghat erreicht hatte. Die Morgensonne schimmerte bereits auf den
Wellen, als ich in den Ganges stieg, um mich wie vor einer heiligen Einweihung
zu reinigen. Während ich in meinem nassen Gewand das Flußufer
verließ, materialisierte sich mein Meister im hellen TagesLicht vor
mir.
'Liebe Kleine', sagte er
voller Mitgefühl, 'ich bin der Guru, der dir von Gott gesandt wurde,
um deine flehentliche Bitte zu erfüllen. Dein ungewöhnliches
Gebet hat Ihn tief bewegt. Von heute an sollst du nur noch von astralem
Licht leben, denn die Atome deines Körpers werden vom nie versiegenden
kosmischen Strom gespeist werden.'''
Giri Bala verfiel in Schweigen.
Ich nahm Herrn Wrights Notizblock und Bleistift zur Hand und übersetzte
ihm einige ihrer Aussagen.
Da nahm die Heilige mit
kaum hörbarer Stimme den Faden ihrer Erzählung wieder auf. "Der
Chat war menschenleer; dennoch breitete mein Guru eine Aura schützenden
Lichts um uns aus, damit kein vereinzelter Badender uns später stören
konnte. Dann weihte er mich in eine Kria-Technik ein, die den Körper
unabhängig von grobstofflicher Nahrung macht. Diese Technik schließt
ein bestimmtes Mantra 8
und
eine Atemübung ein, die jedoch so schwierig ist, daß die meisten
Menschen
8 Ein Lied mit machtvollen Schwingungen. Die wörtliche Übersetzung des Sanskritwortes Mantra lautet: "Gedankeninstrument". Nach Webster's New International Dictionary (Websters neues internationales Wörterbuch) versteht man unter Mantra "vollkommene, unhörbare Laute, die eine Ausdrucksform der Schöpfung sind. Wenn ein Mantra als Silben vokalisiert wird, stellt es eine universelle Terminologie dar." Die grenzenlose Macht der Töne hat ihren Ursprung im OM (dem "Wort" oder der schöpferischen Schwingung des Kosmischen Motors).
sie nicht ausführen
können. Kein Elixier und keine Magie ist im Spiel; nichts anderes
als der Kria."
In der Art amerikanischer
Zeitungsreporter, denen ich unwillkürlich einiges abgeguckt hatte,
stellte ich mehrere Fragen an Giri Bala, die meiner Meinung nach von Interesse
für die Welt sein würden. Sie gab mir nach und nach folgende
Antworten:
"Ich habe nie Kinder gehabt;
ich bin seit vielen Jahren Witwe. Ich schlafe sehr wenig, weil Schlafen
und Wachen dasselbe für mich bedeuten. Nachts meditiere ich, und am
Tag mache ich meine Hausarbeit. Ich fühle in geringem Maße den
Klimawechsel der verschiedenen Jahreszeiten. Krank bin ich niemals gewesen.
Ich fühle nur wenig Schmerz, wenn ich mich
versehentlich verletze.
Ich habe keine körperlichen Ausscheidungen. Ich kann meinen Herzschlag
und Atem regulieren. In meinen Visionen sehe ich oft meinen Guru und andere
große Seelen."
"Mutter", fragte ich, "warum
lehrt Ihr andere Menschen nicht die Methode, ohne Nahrung zu leben?"
Doch meine Hoffnung für
die hungernden Millionen wurde sogleich zunichte gemacht.
"Nein", sagte sie, indem
sie den Kopf schüttelte. "Mein Guru hat mir strengstens untersagt,
das Geheimnis preiszugeben. Er beabsichtigt keinesfalls, in das Schöpfungsdrama
Gottes einzugreifen. Die Bauern würden es mir nicht danken, wenn ich
viele Leute lehrte, ohne Nahrung zu leben; das würde bedeuten, daß
die köstlichen Früchte am Boden liegen bleiben und verderben.
Anscheinend sind Elend, Hungersnot und Krankheit die Geißeln unseres
Karmas, die uns letzten Endes dazu verhelfen, den wahren Sinn des Lebens
zu verstehen."
"Mutter", fragte ich nachdrücklich,
"aus welchem Grund seid Ihr ausersehen worden, ohne Nahrung zu leben?"
"Um zu beweisen, daß
der Mensch GEIST ist", sagte sie, während göttliche Weisheit
aus ihrem Antlitz leuchtete. "Um zu beweisen, daß der geistig Fortgeschrittene
allmählich lernen kann, nicht mehr von Nahrung, sondern vom Ewigen
Licht zu leben. "9
9
Die Fähigkeit, ohne Nahrung zu leben, wie Giri Bala sie besaß,
wird in Patanjalis Yoga-Sutras III 31 erwähnt. Die Yogini wendet eine
bestimmte Atemübung an, die auf das Vishuddha-Chakra, das fünfte
Zentrum feiner Energien, in der Wirbelsäule einwirkt. Das Vishuddha-Chakra,
das der Kehle gegenüberliegt, regiert das fünfte Element, Akash
oder Äther, der die inner-atomaren Zwischenräume der körperlichen
Zellen durchdringt. Konzentration auf dieses Chakra (Rad) gibt dem Gottsucher
die Fähigkeit, von der im Äther enthaltenen Energie zu leben.
Therese
Neumann, die ebenfalls ohne grobstoffliche Nahrung lebt, übt allerdings
keine wissenschaftlichen Yoga-Techniken. Die Erklärung für diese
Unterschiede ist in dem verwickelten individuellen Karma des einzelnen
zu suchen. Viele Leben, die Gott geweiht waren, liegen bereits hinter einer
Therese Neumann und Giri Bala; doch die Art und Weise, wie sie dies zum
Ausdruck bringen, ist verschieden. Von den christlichen Heiligen, die ohne
Nahrung lebten und die zugleich Stigmatisierte waren) seien hier folgende
erwähnt: die hl. Lidwina von Schiedam, die sel. Elisabeth von Rent,
die hl. Katharina von Siena, Dominica Lazarri, die sel. Angela von Foligno
und die im 19. Jahrhundert lebende Louise Lateau. Der hl. Nikolaus von
der Flüe (Bruder Klaus, ein Einsiedler, der im 15. Jahrhundert lebte
und mit seinen intensiven Einheitsbestrebungen die Schweizerische Eidgenossenschaft
rettete) hat 20 Jahre ohne Nahrung gelebt.
Dann versank die Heilige
in tiefe Meditation; ihr Blick tauchte nach innen, und ihre sanften, stillen
Augen wurden ausdruckslos. Ein kleiner Seufzer kündigte die ekstatische,
atemlose Trance an; dann war sie für einige Zeit in das Reich,
in dem es keine Fragen mehr gibt - den Himmel innerer Freude -, entflohen.
Leise senkte sich die tropische
Nacht auf das Land, und das Licht der kleinen Kerosinlampen flackerte über
den Köpfen der vielen Dorfbewohner, die schweigend im Dunkel kauerten.
Tanzende Glühwürmchen und die fernen Öllaternen vor den
Hütten woben helle, geisterhafte Muster in die samtweiche Nacht. Die
schmerzliche Stunde des Abschieds war gekommen, denn wir hatten eine lange
und beschwerliche Rückreise vor uns.
"Giri Bala", sagte ich,
als die Heilige die Augen öffnete, "gebt mir bitte ein Andenken mit
- einen Streifen von einem Eurer Saris.“
Bald darauf kehrte sie mit
einem Stück benarischer Seide in der Hand zurück und warf sich
plötzlich vor mir nieder.
"Mutter", sagte ich ehrfurchtsvoll,
"laßt mich lieber Eure heiligen Füße berühren."