KAPITEL 9

Die Rückkehr von Pan
 

In  heidnischen  Religionen glaubten die Menschen an viele Göttinnen und Götter, die unterschiedliche Rollen hatten. Von einigen wurde angenommen, daß sie auf uns  herabsehen , uns von hoch oben beurteilen und manchmal auf spektakuläre Weise herabkommen, um in menschliche Angelegenheiten einzugreifen. Anderen wurde nachgesagt, daß sie hinter den Kulissen arbeiten und auf subtile Weise unsichtbar Anteil an unserer Welt nehmen.
Viele heidnische Traditionen gingen davon aus, daß die natürliche Ordnung das Werk der Götter sei. Die Welt der Natur, hieß es, befinde sich unter der Herrschaft eines bedeutenden Gottes, der als Pan bekannt war. Die Vorstellung war, daß er einer Schar von Naturgeistern vorstand, die für die Einzelheiten zuständig waren.
Die Legende weiß, daß in der Antike Männer und Frauen regelmäßig mit diesen Naturgeistern in Kontakt standen. Heute werden Leute, die behaupten  Gnome, Elfen und Feen zu sehen  im allgemeinen  nicht ernst genommen. Es gibt trotzdem Menschen, die behaupten, solche Wesen nicht nur gesehen zu haben, sondern auch, über viele Jahre mit ihnen zusammengearbeitet zu haben. Eine solche Gruppe von Menschen gibt es in Schottland. Sie sind durch ihre dramatischen und fortgesetzten Begegnungen mit Naturgeistern weltberühmt geworden. Diese Ereignisse begannen plötzlich und unerwartet in den frühen  60er Jahren.

Peter Caddy war ein perfekter englischer Gentleman, ein ehemaliger Offizier der Royal Air Force. 1960 hatte er einen guten Posten als Manager eines Luxushotels, mit Blick auf die Moray Förde in Schottland. Daneben, in der Bay of  Findhorn, gab es einen Wohnwagenpark, durch den der Wind pfiff. Wenn er daran vorbeifuhr, kam ihm mehr als einmal der Gedanke in den Sinn:
»Komisch, an einem solchen Ort zu leben, dicht an dicht in diesen winzigen Wohnwagen.«
Es war ein schauriger, bitterkalter Tag im November 1962. Mitten durch eisige Windstöße und Schneeböen  war Peter  Caddy auf dem Weg zum Wohnwagenpark.
Mit seiner Frau Eileen, ihren drei kleinen Söhnen und einer Kollegin vom Hotel, Dorothy Maclean, manövrierte er einen Wohnwagen von neun Metern Länge zu dem trostlosen Platz.
Er und seine Familie waren plötzlich und  unerwartet von einem doppelten  Schicksalsschlag getroffen worden: Arbeitslosigkeit und Obdachlosigkeit.
Die Wochen der Beschäftigungslosigkeit verwandelten  sich in Monate und die Monate in Jahre.
Peter bewarb sich um einen Job nach dem anderen, aber ohne Erfolg. Er besaß gute Empfehlungen  und  Erfahrungen, aber irgend etwas schien ihm immer im Weg  zu sein. Er gab seine Versuche nie auf und verlor auch nie die Hoffnung. Er glaubte fest daran, daß sein Schicksal in Gottes Hand lag.
Beamte des örtlichen Arbeitsamtes schienen dieses Gefühl zu teilen. Ein Inspektor, der mit Peter sprach, gab seiner Skepsis Ausdruck. Warum war Peter Caddy mit seinen erstklassigen Referenzen so lange auf staatliche Unterstützung angewiesen? Peter erklärte, er setze volles Vertrauen in Gott und habe in seinen Anstrengungen, Arbeit zu finden, niemals nachgelassen, aber irgend etwas scheine seinen Weg zu blockieren.
Der Beamte fragte daraufhin: »Würden  Sie sagen, daß Gott Sie daran hindert, einen Job zu finden?«
Peter war verblüfft von dieser unerwarteten Frage. Er hörte sich antworten: »Natürlich, ja, das stimmt.«
»In Ordnung«, sagte der Beamte, »wenn wir Ihnen Ihre Unterstützung streichen, wird vermutlich Gott für Sie sorgen.» Peter mußte zugeben, daß er darauf vertraute, und erhielt von da an keine Arbeitslosenunterstützung mehr.

Peter hatte sich in seinem ersten Frühling in dem Wohnwagenpark entschlossen, mit dem Anbau von Gemüse sein Glück zu versuchen, um sich zu beschäftigen und seine verarmte Familie zu ernähren. Er sah sich einer Aufgabe gegenüber, die ihm unerfüllbar erschien. Er brütete über Gartenbüchern, die aber für fruchtbare Gärten im milden englischen Klima geschrieben waren. Es gab kaum Ratschläge, wie auf einer Sanddüne im kalten, feuchten Klima von Schottland Gemüse angebaut werden könnte. Der Boden um seinen Wohnwagen herum bestand aus Queckengestrüpp, Sand, Kies und Sträuchern, und ständig bliesen salzhaltige Winde von der Nordsee herüber. Schon die Idee, hier Gemüse anzubauen, war bizarr.
Peter kämpfte mit den Quecken in seinem anscheinend  hoffnungslosen Versuch, einen Garten anzulegen,  Eileen versuchte, durch Meditation eine »Führung« zu erhalten.
Ihr wurde mitgeteilt, daß sie ihre besondere  Aufgabe  finden würden. Ihr Ehemann solle sich weiter um Jobs bemühen, aber der Zeitpunkt sei noch nicht gekommen.
Peter erschien es am wichtigsten, am Garten weiterzuarbeiten. Er zäunte ein großes  Stück Land ein, um es vor Wind und Kaninchen zu schützen. Mit Hilfe von Eileen, Dorothy und den  Jungen  sammelte er Pferdemist von den  umliegenden  Feldern. Durch das Anhäufen von Stroh, Seetang und Gemüseabfällen als Kompost errichtete er im Sand eine dürftige Lage Humus und begann zu pflanzen.
Eileen und Dorothy  erhielten  jetzt Hinweise für den Garten.
Stück  für Stück dämmerte ihnen, daß sie an einem bahnbrechenden  Experiment teilnahmen. Bei ihrer Arbeit im Garten
wurden sie immer mehr von Naturgeistern unterstützt. Die übernatürlichen Wesen hinter der Natur verbanden  ihre Kräfte mit ihnen. Die Caddys  konnten mit der Hilfe der  »kleinen Wesen« - Gnome, Elfen und Feen - etwas schaffen, das für die Welt von Bedeutung  war.
Als sie begannen, die Anweisungen  zu befolgen, die sie erhielten, verwandelten sich die Dünen. Auf dem Findhorn-Sand, der eigentlich unfruchtbar war wie eine Wüste, wuchsen jetzt Blumen und saftiges grünes Gemüse, die in ihrem Ertrag und ihrer Lebenskraft einmalig waren. Jede Pflanze im Garten gedieh. Innerhalb weniger Monate blühten überall Blumen. Besucher kamen und schüttelten ungläubig die Köpfe; wie konnte es dort so viel Grün und Vitalität geben, wenn  rundherum alles trocken und tot war? Später wuchs das Gemüse zu beeindruckender Größe heran. Findhorn wurde für riesige Kohlköpfe berühmt, die annähernd 40 Pfund wogen. Es gab nicht nur genug, um die Caddys  zu ernähren, der Garten brachte sogar einen Überschuß hervor, der in der Nachbarschaft verkauft werden konnte.

In den folgenden Jahren wuchs das Ansehen des Gartens, und von weit und breit kamen Menschen, um ihn zu besichtigen. Gartenbauexperten waren völlig sprachlos. Professor R. Lindsay Robb, ein ehemaliger landwirtschaftlicher Berater bei den Vereinten Nationen, berichtete über den Garten:
Kraft, Gesundheit und Blühen der Pflanzen in diesem Garten mitten im Winter auf  fast unfruchtbarem Sand sind  weder zu erklären durch die mäßige Kompostbedeckung, noch durch irgendeine andere bekannte biologische Anbaumethode. Da sind andere Faktoren im Spiele. Grundlegende, lebendige Faktoren.

Zu Beginn der  Entwicklung des Gartens hatte Dorothy Maclean mit übernatürlichen Wesen kommuniziert, die Devas genannt werden - das sind die Geister ganzer Pflanzengattungen. Dorothy stellte eine direkte Verbindung  her zwischen der  Caddy-Familie und den Devas, die sie in ihrer täglichen Arbeit, beim Pflanzen, Pflegen und Ernten anleiteten. Die Devas gaben Ratschläge, wie und wo spezielle Gemüsesorten gepflanzt werden konnten, um die besten Resultate zu erzielen und wo sie besser  weggelassen werden sollten.
Dorothy beschreibt die Devas in „Der Findhorn-Garten“  als Teil einer ganzen Hierarchie von spirituellen Wesen, die mit der natürlichen Welt befaßt sind, »vom erdhaftesten Gnom zum höchsten Erzengel«. Sie erläutert, daß die Devas als Architekten gesehen  werden  könnten, die die Arbeit des Aufbaus von Erdreich, Gemüse und tierischen Formen überwachen.
Die Devas besitzen für alle Formen um uns herum das archetypische Muster, und sie steuern die Energie, die gebraucht wird, um sie zu materialisieren .... Während die Devas als »Architekten«  der Pflanzenarten gelten können, könnten die Naturgeister oder Urwesen wie Gnome und  Feen als Kraftwesen  gesehen werden, die den Entwurfsplan umsetzen und die Energie anwenden, die ihnen von den Devas übermittelt wird.

Diese übernatürlichen Wesen  arbeiten, so wie Dorothy  es darstellt, direkt mit Energie. Sie fassen  den  Garten nicht als Materie auf, sondern als Energieformen hinter der physikalischen  Struktur, die wir sehen. Sie zitiert sie:
Wir sehen die Dinge nicht wie du sie siehst, als feste, äußerliche Materialisationen, sondern in ihrer inneren, lebensspendenden Bedeutung. Wir arbeiten mit dem, was sich hinter dem befindet, was du siehst oder anfaßt. Aber beides ist miteinander verbunden, wie unterschiedliche Oktaven derselben  Melodie.

Für sie war der Garten nicht eine Ansammlung unterschiedlicher Formen und Farben, ... sondern eher Linien von Energie, die sich bewegen ... innerhalb dieses Energiefeldes  war jede Pflanze ein individueller Wirbel von Aktivität..
Zwischen dieser Hierarchie von Geistern und den Menschen ergab sich eine weitere unschätzbare Verbindung durch einen Schotten,  R.Ogilvie Crombie, der in enge Verbindung  mit Findhorn  kam. Crombie, der liebevoll »Roc« genannt wurde, kommunizierte direkt mit einzelnen Naturgeistern. Roc konnte spezielle Botschaften an die Caddys übermitteln, die im Garten arbeiteten. Zum Beispiel informierte er Peter Caddy, der dabei  war, einige Stechginsterbüsche zu beschneiden, darüber; daß er die Gnome störte!
Roc widerstrebte es zuerst, öffentlich über seine außergewöhnlichen  Erfahrungen  zu sprechen. Wie die meisten  Leute neigte er dazu, den Glauben an Gnome, Elfen und  Feen als Aberglauben abzutun. Aber mit der Zeit wurde er von der Realität dieser Wesen überzeugt und sprach ganz offen über sie. Der folgende Bericht ist seiner Beschreibung  einer Reihe spektakulärer Erfahrungen  entnommen. Wir geben  ihm  hier Raum, weil er auf die Möglichkeit hindeutet, daß nicht nur Naturgeister; sondern auch die Götter der altertümlichen  Mythologie mehr als bloße Fantasieprodukte sind.
Eines Nachmittags im März 1966 ging  Roc in den Royal Botanic Gardens of Edinburgh spazieren. Er setzte sich unter eine ausladende Buche. Plötzlich bemerkte er eine kleine Figur, die in gut 20 Metern Entfernung vor ihm tanzte. Sie war etwa 1 Meter groß. Er stellte erstaunt fest, daß es sich um einen  Faun handelte, so  wie er in der Mythologie beschrieben  ist. Er war halb Mensch,  halb Tier. Er hatte spitze Ohren, ein spitzes Kinn und  zwei kleine Hörner auf seiner Stirn. Seine zotteligen  Beine endeten in gespaltenen  Hufen, und seine Haut war honigfarben. Die Kreatur schien ganz real und  körperlich zu sein - Roc hatte erst vermutet, es wäre ein Schuljunge, der für eine Aufführung kostümiert war. Er beobachtete ihn erstaunt und mochte kaum seinen Augen  trauen.
Der Faun tanzte zu Roc hinüber und setzte sich vor ihn hin. Roc beugte sich vor und sagte: »Hallo!«
Der Faun sprang verblüfft auf seine Füße. »Kannst du mich ,sehen?« fragte er.
»Ja«, antwortete Roc.
Der Faun erwiderte: »Das glaube ich nicht. Menschen können uns nicht sehen!« Er bat Roc, sein Aussehen  zu beschreiben und das, was er tat. Dann tanzte der Faun in kleinen Kreisen  und fragte ihn, was er täte. Roc beschrieb seine Possen, woraufhin der Faun entgegnete: »Du mußt mich sehen!«
Der Faun, dessen  Name Kurmos war, setzte sich dann neben Roc und  fragte: »Warum sind menschliche Wesen so dumm?« Viele Naturgeister, sagte er, hätten das Interesse an der menschlichen Rasse verloren, seit sie das Gefühl bekommen hätten, daß nicht an sie geglaubt würde und daß sie unerwünscht seien. »Wenn  Ihr denkt, Ihr kommt ohne uns klar, versucht es doch!«
Kurmos erzählte, daß er in den Gärten lebte und daß seine Arbeit darin bestand, den Bäumen beim Wachsen  zu helfen. Roc lud ihn ein, mit in seine Wohnung  zu kommen. Der Faun war vorher noch  nie in einer menschlichen Wohnung  gewesen und nahm die Einladung entzückt an. Als Roc mit Kurmos an seiner Seite durch Edinburghs Straßen wanderte, fragte er sich, wie die geschäftigen Passanten wohl reagieren würden, wenn sie sehen könnten, was er sah.
In Rocs Wohnung  war Kurmos von den Buchreihen  in den Bücherregalen fasziniert. Roc erklärte ihm, wofür sie da sind, was Kurmos verblüffte. »Warum?« rief er aus. »Du kannst doch bestimmt alles Wissen bekommen, das du haben willst, einfach indem du es willst!« Als Kurmos die Wohnung  verließ, rannte er leichtfüßig die Treppen  hinunter, verschwand  aber, bevor er die Haustür erreicht hatte.
Das nächste Mal, als Roc den Botanischen Garten besuchte, rief er den Namen des Fauns und Kurmos erschien. Aus diesen ungewöhnlichen Treffen zog Roc tiefe Befriedigung. Sie stellten sich aber als das Vorspiel für noch erstaunlichere Vorfälle heraus.
Einmal im April ging  Roc spätabends die Princes  Street in Edinburgh entlang.
Plötzlich trat er in eine außergewöhnliche Atmosphäre ein. Sie war dichter als Luft und verschaffte ihm ein Gefühl von Wärme und ein Kribbeln, wie eine Mischung aus Nadelstichen und  kleinen elektrischen Schlägen. Gleichzeitig war seine Aufmerksamkeit erhöht, und er hatte ein großartiges Gefühl der Erwartung.
Dann bemerkte er, daß er nicht allein war. Ein Faun, der größer war als er, wanderte an seiner  Seite. Er strahlte enorme Kraft aus. Ruhig  gingen sie noch ein bißchen weiter. Plötzlich drehte er sich zu Roc und wisperte: »Nun, hast du keine Angst vor mir?«
»Nein«, entgegnete  Roc.
»Warum nicht? Alle menschlichen  Wesen  haben vor mir Angst!«  rief die außergewöhnliche Figur
»Ich fühle nichts  Böses in deiner Gegenwart«, erklärte Roc. »Ich sehe keinen Grund, warum du mir etwas antun solltest.«
»Weißt du, wer ich bin?« fragte er.
In diesem Augenblick wurde ihm plötzlich klar, wer die Figur war. »Du bist der große Gott Pan!«
»Dann solltest du Angst  haben«, antwortete Pan. »Euer Wort Panik kommt von der Furcht, die meine Anwesenheit auslöst.«
»Nicht immer«, sagte Roc ruhig und leise, »ich habe keine Angst.«
»Kannst du mir einen Grund dafür nennen?« fragte Pan.
»Es liegt vielleicht daran, daß ich mich zu deinen  Untertanen hingezogen  fühle, den  Erdgeistern und  Waldwesen«, erklärte Roc.
»Glaubst du an meine Untertanen?«
»Ja!«
»Liebst du meine Untertanen?« »Ja, das tue ich.«
»Wenn das so ist, liebst du mich?«
»Warum nicht?«
»Liebst du mich?«
»Ja!«
Pan blickte Roc an, mit einem seltsamen Lächeln und einem tiefen Glitzern in seinen geheimnisvollen braunen Augen. »Du weißt natürlich, daß ich der Teufel bin!« wisperte er. »Gerade hast du gesagt, du liebst den Teufel!«
»Nein, du bist nicht der Teufel«, erwiderte Roc. «Du bist der Gott der Wälder, Weiden und Felder. In dir ist kein Teufel, du bist Pan.«
»Hat mich die frühe christliche Kirche nicht als Modell für den Teufel genommen?« ereiferte sich Pan. »Sieh dir meine gespaltenen Hufe an, meine zotteligen Beine und die Hörner auf meiner Stirn!«
»Das stimmt! Aber die Kirche hat alle heidnischen Götter und Geister zu Teufeln, Unholden und Kobolden gemacht«, antwortete Roc.
»Hat sich die Kirche denn geirrt?« drängte Pan.
»Die Kirche handelte mit den besten Absichten«, erklärte Roc, »aber es war falsch. Die althergebrachten Götter sind nicht unbedingt Teufel.«
Pan ging jetzt sehr dicht neben  Roc. »Dir macht es nichts aus, daß ich neben dir gehe?« fragte er. »Du fühlst wirklich nicht Widerwillen oder Furcht?«
»Überhaupt nicht.«
»Ausgezeichnet!« rief Pan aus.
Roc fragte Pan dann, ob er seine Flöten dabei hätte. Pan lächelte über die Frage und erwiderte: »Du weißt, daß ich sie habe.« Und da waren sie, zwischen seinen Händen.
Pan spielte eine seltsame Melodie. Roc stellte fest, daß er sie schon  früher in den Wäldern gehört hatte, sie war aber so unfaßbar gewesen, daß er sich hinterher nie an sie erinnern konnte. Unterdessen hatten  sie Rocs Zuhause erreicht. Als Roc auf die Eingangstür zuging, verschwand Pan.

Im Mai besuchten  Roc und Peter Caddy die kleine Insel  vor der schottischen Küste. Sie standen in einem Steinring, dem Ort einer Einsiedlerzelle. Es heißt, daß sich  St. Columba an diesen Ort zurückgezogen hatte.
Plötzlich entdeckte Roc eine große Gestalt, die vor ihm auf dem Boden lag. Es schien ein Mönch  in einem braunen  Gewand zu sein, der eine Kapuze über dem Kopf hatte.
Die Figur erhob sich leise vom Boden und schob die Kapuze zurück. Es war Pan.
Er lächelte und erklärte:
Ich bin der Diener des allmächtigen Gottes. Ich und meine Untertanen sind bereit, dem Menschen zu Hilfe zu kommen - trotz der Art, wie er uns behandelt und die Natur mißbraucht - wenn er an uns glaubt und uns um unsere Hilfe bittet.

Roc traf Pan im September wieder. Roc hatte an einem Wochenendkurs teilgenommen, den  Sir George Trevelyan  in Attingham Park leitete, einem Erwachsenenbildungs- und Versammlungszentrum in einem staatlichen  Haus in Shropshire. Was dann geschah, schildert Roc so:
Bevor  ich am Montagmorgen heimfuhr, hatte ich noch das Bedürfnis, den sogenannten  »MileWalk« in den ausgedehnten  und schönen  Parkanlagen von Attingham zu gehen.  Ich  folgte dem Mile Walk, bis ich zu dem Rhododendron Walk kam, der von manchen  als Ort großer spiritueller Kraft angesehen wird. An seinem  Eingang steht eine große Zeder mit einer Bank daneben. Ich setzte mich einige Zeit und erfreute mich an der Schönheit des Platzes. Nach einer Weile stand ich wieder auf und nahm den Rhododendron  Walk. Als ich den Weg  ging, fühlte ich eine sehr starke Konzentration von Kraft, und meine Wahrnehmung wuchs wieder  in hohem Grade an. Farben und Formen wurden  leuchtender und klarer. Ich nahm jedes einzelne Blatt an Büschen und Bäumen bewußt wahr, jeden Grashalm am Wege, in unvorstellbarer Deutlichkeit. Die physische Wirklichkeit mußte noch klarer gewesen sein; eine seltsame Schärfung  meines Sehvermögens ließ es so erscheinen,. Das ist ein so überwältigendes Erlebnis, daß man es unmöglich in Worte fassen  kann. Alles war ungeheuer lebendig und wirklich, Innen und Außen  fast bedrohlich nahe  Realität. Es war ein so klares Gefühl, in vollkommener Weise eins  zu Sein mit der Natur, wie auch eins mit dem Göttlichen; ein tiefes Glücksgefühl erfüllte mich.
Ich fühlte, daß Pan an meiner Seite ging; da war eine sehr starke Verbindung zwischen uns. Er trat hinter mich und dann in mich hinein. Wir wurden eins, und ich sah alles um mich herum mit seinen Augen. Gleichzeitig war ein Teil von  mir - der aufnehmende, beobachtende Teil - beiseite getreten. Dieses Erlebnis war nicht eine Form der Besitzergreifung, sondern Identifizierung.
In dem Moment, als er in mich trat, füllten sich die Wälder mit Myriaden von Lebewesen - Elementargeister, Nymphen, Dryaden, Faune, Elfen, Gnome, Feen - viel zu zahlreich, als daß ich sie hätte einordnen können. Sie unterschieden sich schon durch die Größe:
Da waren ganz kleine Wesen, die ein Bruchteil eines Zentimeters groß waren; sie schwärmten über eine Gruppe von  Giftpilzen. Am größten waren wunderschöne  Elfenwesen, etwa einen Meter hoch. Alle begrüßten  mich voller Freude, einige von  ihnen umtanzten mich  im Kreise. Die Naturgeister lieben ihre Arbeit und haben ihre Freude daran, der sie in der Bewegung, im Tanz Ausdruck geben. Ich hatte das Gefühl, außerhalb von Zeit und Raum zu sein. Alles geschah  im Jetzt. Es ist unmöglich, mehr als einen schwachen  Eindruck von der Unmittelbarkeit dieses  Erlebnisses  weiterzugeben, aber ich möchte dieses Gefühl des Entzückens, der Freude und Begeisterung, die ich dabei empfand, betonen. Trotz der intensiven  Fröhlichkeit herrschte  ein tiefer Frieden, ein Wohlgefühl und ein volles geistiges Bewußtsein.

Die Ereignisse und Vorstellungen, die mit dem Findhorn-Garten in Verbindung gebracht werden, mögen von vielen Leuten als weit hergeholt angesehen werden. Diese ungewöhnlichen  Erfahrungen des Übernatürlichen sind leicht von der Hand zu weisen oder als absurd abzutun. Vielleicht behandeln Skeptiker diese Vorgänge als Wunschdenken; es  kann leicht gesagt  werden, daß diese Erlebnisse eben nur  im Geist stattfanden. Es wird oft angenommen, daß Pan und die Naturgeister  nicht real sind, daß sie reine Halluzinationen  oder Fantasieprodukte sind.
Viele Leute halten  Engel, Feen und dergleichen für pure psychische Phänomene und unterstellen, daß sie nur in den Köpfen von denjenigen existieren, die behaupten, sie zu sehen. Wir sind dagegen der Meinung, daß diese übernatürlichen Wesenheiten  nicht rein »geistige« Fantasien sind, sondern reale Energieformen, die mit Fähigkeiten wahrgenommen werden können, die die meisten von  uns offenbar verloren haben. Wir glauben  nicht an sie, weil wir für diese Realität blind sind.
Roc  war als Wissenschaftler geschult und räumt ein, daß das Bewußtsein bei seinen »Gesprächen« eine wesentliche Rolle spielt. Er sieht dabei nicht mit seinen  Augen und hört nicht mit seinen  Ohren. Wesen  wie Kurmos, die in den Gärten leben, sind Bewohner einer anderen Existenzebene. Die Worte, die er in seinem Kopf hört, sagt Roc, tauchen  möglicherweise  als Gedanken auf, die in seinen  Geist projiziert und dann von seinem Bewußtsein übersetzt werden.
Das Bewußtsein ist bei diesen Erlebnissen offenbar beteiligt. Seine Rolle könnte darin bestehen, Energiefeldern, die ansonsten formlos sind, eine Form zu geben. Es ist nicht so, daß diese Wesen  nur Mythen sind, wir kleiden sie in ein vertrautes mythologisches Gewand, das vielleicht aus dem kollektiven Unbewußten stammt.
Diese Ideen  werden gestützt durch Dorothy  Macleans Wahrnehmung  der Naturgeister. Nach ihr haben diese Wesen  keine besondere Form. Ihre Form verändert sich, wenn sie sich von einem Reich zum andern bewegen. Im Kontakt mit Menschen werden sie in einer Form sichtbar, die für uns verständlich ist:
Ihre Formen spiegeln  ihre Funktionen  wider. Ein Zwerg wird zum Beispiel normalerweise mit einer Spitzhacke dargestellt, was auf unsere menschliche Vorstellung seiner Arbeit mit dem mineralischen Reich hindeutet.  Engel werden andererseits  mit Flügeln gemalt und oft so, als würden sie etwas tragen...
Mit anderen Worten, diese Wesen scheinen eine bestimmte Form zu haben, aber sie sind nicht wirklich auf eine Gestalt oder einen Ort beschränkt. Pan ist zum Beispiel eine »universelle Energie«.
Die meisten von  uns nehmen heute keine Naturgeister oder anderen übernatürlichen Wesen mehr wahr. Wir haben nicht die nötige Empfindsamkeit, um sie zu sehen; Kurmos, der Faun, war sehr überrascht, daß er von Roc gesehen wurde; er war es gewohnt, unsichtbar zu sein.
Trotzdem scheint es so zu sein, daß übernatürliche Wesen uns genau im Blick haben. Kurmos, Pan und die Gnome im Garten von Findhorn waren alle sehr mit Menschen vertraut.
Übernatürliche Wesen  können unsere Welt wahrnehmen, weil sie in ihre umfassendere Domäne fällt; unsere Welt ist Teil der größeren, übernatürlichen Umgebung. Es ist, als ob diese Naturgeister eben nur außerhalb unserer Raum-Zeit sind und uns von hinter der Lichtgrenze beobachten. Die Lichtgrenze könnte mit einem Einweg-Spiegel verglichen werden. Für die meisten von uns ist er völlig undurchsichtig. Wir können  nicht durch ihn in andere Welten »sehen«. Übernatürliche Wesen sind aber offenbar  in der Lage, durch ihn hindurch auf uns zu blicken.