Zerrüttet das Heilerzentrum die dörfliche Ordnung?

 
 Liegt im Zwist mit dem Ortsbürgermeister von Roth: Anne Hübner, Heilerin und hellsichtiges Medium.

05.09.2007 -
Klein ist die Ortsgemeinde Roth, eine ländliche Idylle inmitten grüner Felder und sanfter Hügel. Hier kennt jeder jeden, und alle kennen die „Attraktion“ des Dorfes: die Heilerschule. Unter den 260 Seelen des Dorfes in der Nähe von Stromberg gibt es zwei, die, so sagen sie, Wunder wirken können: Der Geistheiler und spirituelle Meister Pjotr Elkunoviz und seine Lebenspartnerin Anne Hübner, Heilerin und hellsichtiges Medium.

Vor elf Jahren gründeten beide in Roth das „Zentrum für geistiges Heilen“. Die „Herstellung der ‚Göttlichen Ordnung’“ ist das Ziel der dort tätigen Heiler. Doch mit der großen Schar der Heilsuchenden, die nach Roth pilgern, kam „irdische Unordnung“ ins Dorf. Die Gemeinde fühle sich vom der Flut der Heilsuchenden überfordert, das Heilerzentrum habe, so der Vorwurf des Ortsbürgermeisters, ohne Genehmigung Bauten erstellt. Eine aktuelle Folge dieses Dorfkonfliktes: Die Ortsgemeinde Roth hat den Landkreis Bad Kreuznach vor dem Verwaltungsgericht Koblenz verklagt.

„Ich habe nichts gegen die Heilerschule“, beteuert Helmut Höning gleich zu Beginn des Gespräches mit dem WochenSpiegel. Der Bürgermeister der kleinen Gemeinde wirkt bodenständig, pragmatisch. Ein geerdetes Kind seiner Heimatregion, einer, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält – ansonsten. Doch die Auseinandersetzungen mit und um die Heilerschule haben Höning vorsichtig gemacht: „Ich möchte hier kein Öl ins Feuer gießen“, sagt er. Und schon gar nicht, so der Eindruck, vor dem Prozess am Verwaltungsgericht. Was dran ist an den spirituellen, geistigen Kräften, die in seinem Dorf in der Heilerschule Wunder wirken sollen, dazu sagt Höning nichts. Was ihn und die Mitglieder des Gemeinderates ärgert, sind irdische Dinge: „Das Heilerzentrum baut ohne Genehmigung“, so der Bürgermeister.

Ein Beispiel dafür sei der große Parkplatz des Heilerzentrums. „Für bauliche Veränderungen und Bauten im Außenbereich hat die Ortsgemeinde das Planungsrecht, doch für den Parkplatz hat die Gemeinde nie einen Bauantrag gesehen. Der ist einfach gebaut worden.“ Was den Bürgermeister zusätzlich fuchst: „Der Parkplatz wird weiter genutzt, obwohl - meines Wissens - keine Nutzung gestattet ist.“ Der Parkplatz ist nicht der einzige Dorn im Auge der Gemeinde. Auch bei der Errichtung des Kleintierzoos im Außengelände habe das Zentrum für geistiges Heilen durch seine Bautätigkeit oft ohne Einverständnis der Gemeinde Fakten geschaffen. Abhilfe versprach sich Roth von der Kreisverwaltung als unterer Bauaufsichtsbehörde. Dort meldete die Gemeinde die ihrer Ansicht nach ungenehmigten Bauten. Doch, so die klagende Gemeinde, passiert sei wenig oder nichts. Von der Bauaufsicht des Kreises seien zwar Bautätigkeiten der Heilerschule eingestellt worden, doch es mangele an der konsequenten Überprüfung und Durchsetzung der Verbote.

Deshalb klagt Roth am kommenden Dienstag, 11. September, 9.30 Uhr, vor dem Verwaltungsgericht Koblenz, gegen den Landkreis Bad Kreuznach. Das Ziel der Klage: Roth möchte den beklagten Landkreis als untere Bauaufsichtsbehörde dazu verpflichtet wissen, gegen die ihrer Ansicht nach rechtswidrige Nutzung eines Grundstücks als Heilerschule vorzugehen. Der Landkreis hingegen ist – so das Verwaltungsgericht - anderer Ansicht: Eine rechtswidrige Nutzung der Grundstücke liege nicht vor beziehungsweise sei eingestellt worden. Auch bei regelmäßigen Kontrollen seien keine baurechtlichen Verstöße festgestellt worden. Daher gebe es aktuell auch keine Veranlassung zu einem behördlichen Einschreiten. Keine weitere Stellungnahme zu der Problematik zum gegenwärtigen Zeitpunkt, das ist die momentane Position des Kreises. „In dem laufenden Verfahren ist eine Aussage unsererseits nicht möglich“, so Wilhelm Reuß, Pressereferent der Kreisverwaltung.

Für Anne Hübner, die zusammen mit ihrem Partner Pjotr Elkunoviz das „Zentrum für geistiges Heilen“ betreibt, sind die Vorwürfe gegen das Zentrum nicht stichhaltig: »Wir haben«, beteuert sie, »in jeder erdenklichen Hinsicht der Ortsgemeindeverwaltung zugearbeitet und dort auch Anträge gestellt.« Diese seien dort aber zum Teil »verzögert und verschleppt« worden. Gegen der Parkplatz des Heilerzentrums habe der Kreis zwar eine Nutzungsuntersagung verhängt, doch dagegen habe das Zentrum Rechtsmittel eingelegt. Das Verfahren schwebe also zurzeit. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Unstimmigkeiten zwischen der Ortsgemeinde und dem Kreis zu klären.

In Roth selbst glimmt zwischen der Gemeindespitze und der Heilerschule indes ein Streit, der von einem anderen Kaliber ist. Pjotr Elkunoviz ist einer der weltweit bekanntesten Geistheiler. Das von ihm zusammen mit Partnerin Anne Hübner gegründete „Zentrum für geistiges Heilen“ zieht pro Jahr Zigtausende von Menschen nach Roth. „An Spitzentagen sind – ausgelöst durch Medienberichte - bis zu 250 Personen pro Tag zu uns gekommen, heute sind es im Durchschnitt 50 bis 100 Personen“, so Geistheilerin Anne Hübner. Der Wunderheiler sagt, dass er durch die Kraft seines Geistes und in Sekundenschnelle Beckenschiefstände und unterschiedliche Beinlängen ausgleichen und Schulter- / Wirbelsäulenleiden heilen kann. „Göttliche Aufrichtung“ nennt der ehemalige Werkzeugmacher aus Russland diese Form der Geistheilung (Motto: „Nicht richten, sondern aufrichten!“), für die Heilsuchende bis zu 100 Euro oder mehr pro Sitzung zahlen. Allumfassende Geistheilung bei allen Krankheiten verspricht Pjotr Elkunoviz durch die „Herstellung der ‚Göttlichen Ordnung’ mittels der Übertragung seiner „Heil- und Bewußtseinsenergie“. Mehrere 100 000 Menschen sind seit der Eröffnung des Zentrums vor elf Jahren Anne Hübner zufolge in Roth geheilt worden. Für die Geistheilerin („Wir arbeiten 19 Stunden am Tag.“) ein riesiger Schritt hin zur Herstellung der „Göttlichen Ordnung“, für die Ortsgemeinde offenbar eine Belastung: „Roth wird von Heilsuchenden geradezu überflutet. Die kleine Gemeinde ist nicht in der Lage, ein solches Verkehrsaufkommen aufzunehmen“, schildert Rechtsanwalt Herbert Emrich, der den Ort bei der Klage vor dem Verwaltungsgericht vertritt, die Situation. Ja, in Roth könne eine Heilerschule betrieben werden, aber nein, nicht in diesem Umfang. Die Ansicht des Fachanwaltes für Verwaltungsrecht: „Wenn man das Übel an der Wurzel packen will, dann muss man den Umfang der Heilerschule reduzieren.“

Bei Anne Hübner kratzen solche Aussagen sozusagen an der spirituellen Balance. Drei Mitarbeiter nehmen an diesem Tag im engen Büro des Heilerzentrums Anrufe entgegen, managen die Anmeldungen zu Seminaren und Heilertagen. Die Telefone klingeln im Minutentakt. Dem Büro gegenüber liegt die Küche des zum Heilerzentrum umgestalteten Wohnhauses. Hier wie an anderen Stellen des Zentrums mischt sich Esoterisch-Spirituelles mit Gutbürgerlichem: Über den Esstischmöbeln aus „Eiche rustikal“ hängt ein Wandteppich mit indisch angehauchtem Motiv. Statuen von Elefanten und indischen Gottheiten, kleine bunte Gemälde von Gelehrten und Heilern, Heiligenbildchen und Heilsteine sind in fast allen Räumen zu finden. „Die erkennen überhaupt nicht, welches Potential das Heilerzentrum für die Region und den Ort mitbringt“, wirft Anne Hübner ihren Kritikern vor. „Unsere Besucher übernachten hier in der Region in Hotels, sie tanken hier ihre Autos, gehen hier essen und einkaufen.“ Niemand sonst habe die Infrastruktur im Umkreis so belebt wie die Heilerschule. „Davon kann auch Roth profitieren.“ Und warum geschieht das nicht? Etliche Rother, so Hübner, ständen der Heilerschule offen, tolerant gegenüber. Doch andere, allen voran der Bürgermeister, eben nicht. „Kleingeistigkeit“ – dieses Wort benutzt Anne Hübner während des Gespräches mehrfach. Ja, es werde Autoverkehr durch die Heilerschule ins Dorf gezogen. Doch genau deshalb habe sie auf ihrem Außengelände am Dorfplatz ja auch den großen Parkplatz der Heilerschule errichtet. Zudem sei seit einiger Zeit die Zahl der pro Tag angenommenen angemeldeten Besucher auf 60 begrenzt worden. Ja, an manchen Tagen ständen größere Besuchergruppen vor dem Heilerzentrum. Doch genau deshalb sei ja auch im Jahr 2004 mit dem Erweiterungsbau des Heilerzentrums begonnen worden, in dem unter anderem ein größeres Wartezimmer und ein Aufenthaltsraum geplant seien. Über diesen Erweiterungsbau sei jedoch ein Baustopp verhängt worden. „Wir sind doch keine Sekte“, ereifert sich die Heilerin. Einen „Tag der offenen Tür“ habe sie dem Bürgermeister vorgeschlagen, um mögliche Vorurteile abzubauen. „Doch das und viele andere Kooperationsangebote hat Herr Höning einfach abgelehnt“, so Hübner, die seit über 25 Jahren in Roth lebt.

„Ich habe nichts gegen die Heilerschule“, betont demgegenüber Helmut Höning. „Sie muss nur einen vernünftigen Rahmen haben.“ Ob es im Konflikt zwischen dem Streben des Heilerzentrums nach der Herstellung der „Göttlichen Ordnung“ und der von Bürgermeister Höning geforderten Wiederherstellung der „Dörflichen Ordnung“ in Roth einen vermittelnden „Weg der Vernunft“ gibt, ist eine offene Frage. Was im Rahmen des Verwaltungsrechtes „per Vernunft“ zu klären ist, wird sich am 11. September zeigen. Dann wird das Koblenzer Gericht für die (Wieder)Herstellung der Verwaltungsrechtsordnung sorgen.

Text / Fotos: Kai Brückner
 


Zwist um das Heilerzentrum vor Gericht ausgetragen

 
 Das »Zentrum für geistiges Heilen« in Roth trübt die Idylle in der kleinen Gemeinde - und veranlasste den Gemeinderat zu einer Untätigkeitsklage gegen den Kreis. Foto: Kai Brückner


17.09.2007 -
Mit einem Vergleich ist die von der Ortsgemeinde Roth gegen den Kreis Bad Kreuznach geführte Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz abgeschlossen worden.

Untätigkeit, so lautete der Vorwurf des Klägers gegen den Kreis Bad Kreuznach. Denn nach Ansicht der kleinen Ortsgemeinde ist der Kreis als untere Bauaufsichtsbehörde nicht gegen Bauten wie einen Parkplatz oder Tierställe vorgegangen, die das »Zentrum für geistiges Heilen« in Roth ohne Genehmigung errichtet habe (der WochenSpiegel berichtete). Unter Vermittlung des Verwaltungsgerichtes einigten sich die Prozessparteien nun auf einen Vergleich: Das »Zentrum für geistiges Heilen« und die Ortsgemeinde Roth sollen sich bis Jahresende auf einen so genannten vorhabenbezogenen Bebauungsplan einigen. Kommt es nicht zu dieser Einigung, ist die Bauaufsicht des Kreises verpflichtet, über die bereits errichteten Bauten sowie die zur Zeit laufenden Baugenehmigungsanträge des Heilerzentrums zu entscheiden - und gegebenenfalls gegen unzulässige Nutzungen einzuschreiten.

»Die Gemeinde Roth ist mit dem Ausgang des Verfahrens zufrieden. Dies ist ein Teilerfolg auf dem Weg, den wir uns wünschen«, kommentierte Ortsbürgermeister Helmut Höning nach der Sitzung des Gerichts den Vergleich. Fortsetzung der Titelseite: Der Abschluss eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans zwischen Roth und dem »Zentrum für geistiges Heilen«, das wäre sowohl für Roth als auch für den Kreis der »Königsweg«, um den Konflikt zwischen der Gemeinde und dem Zentrum zu entschärfen. Denn ein von beiden Seiten akzeptierter Bebauungsplan gibt der kleinen Gemeinde das zurück, was ihr nach Ansicht des Rates durch die Bautätigkeiten des Heilerzentrums streitig gemacht wurde: die Planungshoheit über bauliche Veränderungen und Bauten im Außenbereich. Indes: Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist nichts Neues: Bereits in den Jahren 2004 und 2005, so Ortsbürgermeister Helmut Höning, sei in Abstimmung mit dem Heilerzentrum ein erster Planungsentwurf erarbeitet worden. Zuletzt sei im Juni 2007 mit dem Zentrum über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan gesprochen worden - aber bislang »ohne Reaktion vom Heilerzentrum«, so Höning skeptisch. »Meine Partei ist kooperativ«, versicherte hingegen Rechtsanwalt Wolfgang Hartmann, der die Betreiber des Heilerzentrums, Anne Hübner und Pjotr Elkunoviz, beim Prozess vertrat.

Was die Gemeinde Roth am Heilerzentrum grundsätzlich bemängelt, erläuterte Rechtsanwalt Herbert Emrich: »Roth wird von Heilsuchenden geradezu überflutet, täglich kommen zwischen 60 und 100 Besucher zur Heilerschule. Die kleine Gemeinde ist nicht in der Lage, ein solches Verkehrsaufkommen aufzunehmen, dafür ist die Infrastruktur nicht ausgelegt. Das verkraftet das Dorf nicht.« Die Gemeinde sähe deshalb gerne den Umfang des Heilerzentrums eingeschränkt. Ein Ansinnen, hinter welches das Gericht ein Fragezeichen setzte : Wie Richter Dr. Peter Paul Fritz ausführte, wurde der Bau des rund 120 Quadratmeter große Seminarraums des Zentrums 2003 genehmigt. »Die Nutzung ist zugelassen, und die Zahl der Teilnehmer ist durch die Baugenehmigung auch nicht eingeschränkt - 60 bis 80 Personen passen da rein«, so der Richter. Auch aus der Zahl der mit der Genehmigung verbundenen sechs Fahrzeug-Stellplätze sowie der Toiletten lasse sich keine zugelassene oder nicht zugelassene Höhe der Besucherzahl herleiten. Mögliche »Punkte zum Einhaken« sah das Gericht aber unter anderem im Hinblick auf die Nutzung des Raumes: Gefragt werden könne zum Beispiel, ob die Genehmigung des Seminarraumes auch Tätigkeiten wie Therapie und Heilung als Nutzung beinhalte.

Entsprechend wurde im Vergleich zwischen Roth und dem Kreis festgehalten: Kommt es zwischen der Ortsgemeinde und dem Heilerzentrum nicht zur Einigung über einen Bebauungsplan, wird die Kreisverwaltung prüfen, ob und inwieweit die dort stattfindende Nutzung des Seminarraumes durch die Baugenehmigung gestattet ist und ob gegebenenfalls gegen eine unzulässige Nutzung eingeschritten werden muss. Kritik an den Gedankenspielen der Ortsgemeinde, die Größe des Heilerzentrums einzuschränken, kam von Rechtsanwalt Hartmann: »Die Gemeinde kann dem Heilerzentrum doch nicht vorschreiben, wie erfolgreich es sein darf. Und wenn das Zentrum Parkplätze errichten dürfte, dann wäre auch die Verkehrsproblematik gelöst.«

Autor: Kai Brückner