SPIEGEL ONLINE - 10. Oktober 2003, 10:24
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Verdacht bestätigt

Militärsonar ließ Wale stranden

Kurz nach einem Marinemanöver strandeten 14 Wale an den kanarischen Inseln und verendeten qualvoll. Forscher haben die Kadaver untersucht und einen lange gehegten Verdacht bestätigt: Das Sonar von Kriegsschiffen kann Wale töten.
Gestrandete Wale (im August 2001 in Neuseeland): Forscher halten militärisches Sonar für verantwortlich
AP
GroßbildansichtGestrandete Wale (im August 2001 in Neuseeland): Forscher halten militärisches Sonar für verantwortlich
Die im September 2002 gestrandeten Wale zeigten Symptome der zuvor bei den Meeressäugern unbekannten Taucherkrankheit, berichten die britischen und spanischen Forscher im Fachmagazin "Nature". Auf Fuerteventura und Lanzarote seien insgesamt 14 Wale nur wenige Stunden nach einem Marinemanöver unter spanischer Führung gestrandet, bei dem auch ein so genanntes Mittelfrequenz-Sonar eingesetzt worden sei, schreiben Paul Jepson vom Institute of Zoology in London und seine Kollegen von der Universität Las Palmas auf Gran Canaria. Bei der Obduktion der Meeressäuger fanden die Wissenschaftler Gasblasen in den Blutbahnen sowie Blutungen in lebenswichtigen Organen.

Die Taucher- oder Caisson-Krankheit wird von einem zu großen Gefälle zwischen dem Außendruck im Wasser und dem Innendruck in Gewebe und Blut ausgelöst. Kommt ein Taucher zu schnell an die Oberfläche, wird der im Blut gelöste Stickstoff frei und kann Luftembolien sowie lokale Gewebeschäden verursachen. Zu den Folgen gehören Lähmungen, Krämpfe, neuropsychologische Störungen, Herz-Kreislauf- oder Atembeschwerden und starke Schmerzen in Muskeln und Knochen.

Wissenschaftler fordern besseren Schutz

Wie genau die akustischen Signale die Gasbildung im Blut der Wale auslösen, sei noch unklar, erklären die Wissenschaftler. Möglicherweise führen sie zu einem veränderten Verhalten der Wale und damit zu einem zu schnellen Auftauchen. Bei den Verletzungen könne es sich jedoch auch um einen direkten physikalischen Effekt des Sonars handeln. Künftige Versuche sollen den genauen Zusammenhang aufklären.

Die Forscher fordern die Verschärfung von Umweltbestimmungen, um die Gefahr für Wale durch den Einsatz von Sonar unter Wasser zu minimieren. Erst im August hatte eine Richterin in San Francisco der US-Marine Tests mit einem besonders starken Sonarsystem untersagt, um Wale und anderen Meerestieren nicht zu gefährden. Die Pläne für Schallwellenprojekte würden Wale, Tümmler und Fische gefährden und gegen Tierschutzgesetze verstoßen, hatte es in dem Urteil geheißen.

Tierschützer machen seit langem geltend, dass Meeressäuger durch Sonar-Tests Orientierungsprobleme mit gefährlichen Auswirkungen auf die Futtersuche bekommen. Eine weitere Folge seien schwere Verletzungen wie etwa Geweberisse im Hirn- und Ohrenbereich mit tödlichen inneren Blutungen. Dies untermauert auch die jetzt veröffentlichte Studie.
 
 


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·  Die Evolution der Wale: Der lange Weg ins Meer (13.04.2003)
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·  Verbot von US-Sonartests: "Sieg für die Ozeane" (27.08.2003)
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Im Internet:  
·  Wissenschaftsmagazin "Nature"
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