Vermutlicher Weg zum Tau-Kreuz-Tempel

Auszüge aus dem Buch =>Leben und Lehren der Meister im Fernen Osten Bd 1-3 von Baird Spalding (1894)
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Die Osterzeit rückte rasch heran, und wir wollten unsere Arbeiten an diesem Platze vollenden, ehe wir nach Indien zurückkehrten.
Von jenem Tage an näherte sich unsere Arbeit schnell ihrem Ende. Die letzten Einzelheiten unserer Reisevorbereitungen waren erledigt am Tage vor Ostern. Wir freuten uns auf den Festtag, von dem wir uns vollkommene Ruhe und Entspannung versprachen.
Als wir uns lange vor Sonnenaufgang auf dem Weg nach dem Tempel befanden, trafen wir Chander Sen im Garten sitzend an. Er erhob sich, um uns zu begleiten, und sagte, unser Führer werde uns im Heiligtum erwarten. Er schlug uns vor, wir sollten über Lhasa nach Indien zurückkehren, wir könnten von dort nach Muktinath über den Transhimalaya-Paß nach Kandernath reisen und von da nach Darjeeling.

S.324
.....begleiteten uns viele noch fünf bis sechs Meilen weit. Dann tauschten wir unsere letzten Abschiedsgrüße aus und befanden uns auf dem Rückwege nach Indien. Doch vergingen tatsächlich Monate, ehe wir wieder auf die südlichen Abhänge der Himalayas hinunterschauen konnten.
Während wir mit der Hauptgruppe der Karawane vorangingen, wurden wir gewahr, daß wir uns ohne Anstrengung vorwärtsbewegten. Zuweilen sahen wir in weiter Ferne, wie eine Vision, einen bestimmten Punkt des Passes vor uns, kaum war der Punkt deutlich sichtbar geworden, waren wir auch schon an Ort und Stelle, oft meilenweit der Karawane voraus.
Als die Mittagszeit gekommen war, trafen wir eine Feuerstelle, und ein Mahl war vorbereitet von drei Dorfbewohnern, die zu diesem Zweck vorausgegangen waren. Nach dem Mahle kehrten sie in ihr Dorf zurück. Man teilte uns mit, daß noch andere weiter vorne in gleicher Weise auf uns warteten, damit die ganze Überschreitung des schneebedeckten Höhenpasses für uns leichter sei. Auch unser Zeltlager war bereits aufgeschlagen. Wir trafen alles in dieser Weise vorbereitet, bis wir den Paß überschritten hatten und in das Tal des Giama-nu-chu-Flusses hinunterkamen (Im Atlas Gyamo-Ngu-Chu, gelb unterstrichen, der Fluss wird im weiteren Verlauf zum Salween oder auch Saluen oder jetzt Nu Jiang in der chinesischen Provinz Chamdo / Qamdo). Dort holten wir die vordersten Dorfbewohner ein. Sie hatten alle diese Mühen auf sich genommen, damit wir sicher und wohlbehalten durch das zerklüftete Bergland wandern könnten. Dann, als der Weg in der Talgegend leichter wurde, verließen sie uns.
Ich führe diese kurze Beschreibung absichtlich an, um besonders auf die überall ausgeübte allgemeine Gastfreundschaft dieser einfachen, gütigen Menschen hinzuweisen. Auf unserem ganzen Wege bis nach Lhasa trafen wir höchst selten den grausamen, rohen Eingeborenen von Tibet, der so oft in Reiseberichten erwähnt wird.
Unten im Tal angelangt, folgten wir dem Laufe des Giama-nu-chu, dann einem Nebenflusse des Stromes aufwärts bis zu dem großen Tonjnor-Jung-Paß, von dort gingen wir einem Nebenfluß des TsanPu (heute TsangPo) oder Brahmaputra entlang bis nach Lhasa, wo wir bewillkommnet wurden.
Als wir die Stadt erblickten, kam es uns vor, als ob wir uns einer Taos-Niederlassung näherten. Man hätte denken können, eine solche vor sich zu haben, wenn man sich nach allen Seiten umsah. Der Palast des Großen Dalai Lama, des Erhabenen Herrschers über ganz Tibet, tritt hervor als das eine große Juwel der Stadt. Während dieser Ort die weltliche Hauptstadt von Tibet ist, herrscht als inneres geistiges Oberhaupt der Lebende Buddha. Man nimmt an, er herrsche geistig von der geheimnisvollen, verborgenen Stadt oder dem Zentrum, genannt Shamballa, die Himmlische, aus. Diese geheiligte Stätte besuchen zu dürfen, war einer unserer innigsten Wünsche. Sie soll tief vergraben liegen unter dem Sande der Wüste Gobi.

Vermutlich liegt das Dorf mit dem Tau-Kreuz-Tempel im gelb eingekreisten Gebiet, das jedoch ca. 500 x 150 km groß ist: